ADHS Symptome in der Pubertät verstehen und behandeln

Die Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) ist eine neurologische Entwicklungsstörung, die sich durch Symptome wie Konzentrationsschwierigkeiten, Impulsivität und manchmal übermässige Aktivität auszeichnen kann. Ursprünglich als eine Störung betrachtet, die hauptsächlich Kinder betrifft, ist mittlerweile bekannt, dass ADHS auch bei Jugendlichen und Erwachsenen auftritt. ADHS kann sich bei Teenagern in der Pubertät stärker äussern, was für Jugendliche häufig eine zusätzliche Herausforderung darstellt. Doch für ADHS im Jugendalter gibt es verschiedene Behandlungen, die Betroffene sowie Angehörige unterstützen.

Was ist ADHS?

ADHS ist keine Krankheit im klassischen Sinne, sondern eine neurobiologische Entwicklungsstörung wie Legasthenie (Lese-Rechtschreib-Schwäche) und Dyskalkulie (Rechenschwäche) sowie Formen des Autismus. Sicher ist: ADHS hat nichts damit zu tun, dass die Betroffenen sich einfach mehr anstrengen müssten, um bessere Leistungen zu erbringen. Wie bei einer Fehlsichtigkeit handelt es sich bei ADHS um einen biologische Einschränkung der Person und Hilfsmittel können für schnelle Besserung der Symptome sorgen.

Menschen mit ADHS haben anders entwickelte Fähigkeiten als ihre Mitmenschen. Sie haben Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren (Aufmerksamkeitsdefizit), still zu sitzen (Hyperaktivität) und ihre Impulse zu kontrollieren (Impulsivität). Diese Verhaltensweisen beeinträchtigen sie in allen Lebensbereichen: In der Schule, weil sie nicht aufmerksam zuhören können, im Beruf, weil sie Schwierigkeiten mit Autoritäten haben oder in sozialen Beziehungen, weil ihr impulsives Verhalten als rücksichtslos empfunden wird. Menschen mit ADHS können auch eher in die Schuldenfalle geraten, weil sie Schwierigkeiten im Umgang mit Geld haben, zu Impulskäufen neigen oder vergessen, Rechnungen zu bezahlen.

Die Symptome von ADHS können unterschiedlich ausgeprägt sein. Sie müssen aber spätestens ab dem 12. Lebensjahr vorhanden sein, damit von ADHS gesprochen werden kann. ADHS kann sich also nicht erst im Erwachsenenalter entwickeln. Trotzdem erfolgen viele Diagnosen erst im Erwachsenenalter - weil die Symptome in der Kindheit nicht erkannt oder nicht abgeklärt wurden. Eine Diagnose ist oft aufwändig und langwierig, aber lohnenswert. Mit der richtigen Behandlung kann die Lebensqualität der Betroffenen deutlich verbessert werden. Sie empfinden zudem oft Erleichterung, wenn sie feststellen, dass ihr Gehirn einfach anders funktioniert als das anderer Menschen und sie deshalb nicht 'seltsam', 'faul' oder 'dumm' sind.

Ursachen für ADHS

Menschen mit ADHS bewegen sich oft zwischen Extremen. Sie fühlen sich unterfordert, leiden aber gleichzeitig unter Reizüberflutung. Sie lassen sich von jeder Kleinigkeit ablenken, können sich jedoch auch stundenlang auf eine Sache konzentrieren und alles andere ausblenden. Obwohl sie vergessen, wo sie ihr Velo vor zehn Minuten abgestellt haben, erinnern sie sich genau an die Jacke, die ihr Freund vor zwei Jahren im Kino getragen hat. Sie gründen erfolgreiche Unternehmen, sind hingegen nicht in der Lage, den Müll rechtzeitig hinauszutragen. Obwohl sie Strukturen ablehnen, benötigen sie gute Organisation, um effektiv zu arbeiten.

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Mangel an Botenstoffen im Gehirn

Hinter den Symptomen verbirgt sich eine Stoffwechsel- und Funktionsstörung im Gehirn. Bei Menschen mit ADHS ist das Gleichgewicht der Botenstoffe gestört - insbesondere das von Dopamin, Noradrenalin und Serotonin. Das Hormon Serotonin ist für die Impulskontrolle verantwortlich. Noradrenalin sorgt für Aufmerksamkeit und Dopamin für Aktivität, Antrieb und Motivation. Die Aufgabe dieser Neurotransmitter besteht darin, Signale und Reize weiterzuleiten. Untersuchungen haben gezeigt, dass bei Menschen mit ADHS die Botenstoffe zu schnell abgebaut werden und deshalb weniger lange wirken. Dadurch kann das Gehirn die eintreffenden Reize nicht sinnvoll verarbeiten. Aufmerksamkeitsstörungen, mangelnde Impulskontrolle und Wahrnehmungsschwierigkeiten sind die Folge.

ADHS in der Familie

Warum Menschen ADHS entwickeln, ist nicht abschliessend geklärt. Der wichtigste Faktor ist jedoch die genetische Veranlagung. Wenn bei einer Person in der Familie ADHS diagnostiziert wird, ist es wahrscheinlich, dass auch andere Familienmitglieder betroffen sind. Das bedeutet auch, dass vermutlich viel mehr Menschen an ADHS leiden, als bisher bekannt ist. Umweltfaktoren können bei der Entwicklung von ADHS ebenfalls eine Rolle spielen. Dazu zählen Schwangerschafts- und Geburtskomplikationen, Traumata sowie die Exposition gegenüber Schadstoffen in der frühen Kindheit.

Symptome von ADHS bei Teenagern

Diese ADHS-Symptome verstärken sich häufig im Jugendalter, weil Teenager sich mit vielen sozialen, körperlichen und emotionalen Veränderungen auseinandersetzen müssen. ADHS stellt für viele jugendliche Betroffene also eine zusätzliche Herausforderung dar. Interessanterweise unterscheiden sich die Symptome von ADHS bei Mädchen in der Pubertät von denen der Jungen. Während ADHS und die Pubertät bei Jungen häufiger für hyperaktives und impulsives Verhalten sorgen, neigen Mädchen dazu, ihre Symptome nach innen zu richten. Übrigens: ADHS zeigt sich bei Jugendlichen nicht immer eindeutig. Durch die vielen Veränderungen in der Pubertät können Angehörige oder Ärztinnen und Ärzte die Symptome manchmal übersehen oder falsch interpretieren.

Aufmerksamkeitsdefizit, Impulsivität und Hyperaktivität gelten als die drei Hauptsymptome von ADHS. Diese Symptome sind jedoch sehr komplex und können in unterschiedlichen Ausprägungen auftreten. Hyperaktivität bedeutet nicht zwangsläufig, dass ein Kind dauernd durch das Klassenzimmer rennt. Auch wer eine ständige innere Unruhe verspürt, verspürt leidet unter Hyperaktivität, die in diesem Fall jedoch nicht nach aussen sichtbar ist. So kann es passieren, dass ADHS-Symptome nicht erkannt werden. Besonders bei Mädchen zeigen sich ADHS-Symptome oft weniger offen, da sie dazu erzogen werden, nicht zu "wild" zu sein. Zudem beginnen viele Betroffene bereits in der Kindheit, ihre Symptome zu verbergen (sogenanntes "Masking"), aus Angst, dumm zu wirken oder abgelehnt zu werden. Ausserdem ging man lange davon aus, dass sich ADHS in der Pubertät durch die Hormonumstellung “auswächst”. Über ADHS im Erwachsenenalter wird erst seit diesem Jahrtausend geforscht. Deshalb wird ADHS in vielen Fällen erst spät diagnostiziert, insbesondere bei Frauen.

Merkmale von ADHS können sein:

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  • Konzentrationsschwierigkeiten
  • leichte Ablenkbarkeit durch die Umgebung oder eigene Gedanken
  • fehlende Motivation, Prokrastination, Probleme, länger an einer Sache zu bleiben
  • Verträumt, in die eigenen Gedanken versunken, geistig abwesend
  • Vergesslichkeit und/oder Desorganisation
  • Probleme bei der Planung, Priorisierung und Einhaltung von Fristen
  • Fehlendes Zeitgefühl (Time Blindness)
  • erhöhter Bewegungsdrang, Unfähigkeit, länger stillzusitzen oder sich zu entspannen
  • innere Unruhe, Gedankenkarussell oder rasende Gedanken, das Gefühl, nicht abschalten zu können
  • übermässiges Reden
  • Hyperfokus/Tunnelblick, alles um sich herum zu vergessen
  • überstürztes Handeln, ohne über die Konsequenzen nachzudenken, Wutausbrüche
  • Risikofreudigkeit wie schnelles Fahren, Drogen, Extremsportarten
  • Schneller Stimmungswechsel, Frustration, Wutausbrüche, niedriges Selbstwertgefühl
  • grosse Angst vor Zurückweisung

Welche Folgen hat ADHS für Jugendliche?

  • Schule: Jugendliche mit ADHS haben oft Probleme, sich im Unterricht zu konzentrieren, was zu schlechteren Leistungen führen kann.
  • Soziales Umfeld: ADHS kann bei Jugendlichen dazu führen, dass sie sich impulsiv verhalten und ihre Emotionen nicht regulieren können.
  • Selbstwertgefühl und Selbstwahrnehmung: Merken betroffene Jugendliche, dass ihr soziales Umfeld negativ auf das ADHS reagiert, kann dies zu einem geringen Selbstwertgefühl führen.
  • Risiko für weitere psychische Erkrankungen: Betroffene haben ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung psychischer Erkrankungen wie Sucht oder Angststörungen.

Die positiven Seiten von ADHS

Obwohl Menschen mit ADHS oft mit Schwierigkeiten zu kämpfen haben, dürfen wir nicht vergessen, dass ihre Fähigkeiten auch viele positive Seiten haben. Sie sind oft sehr kreativ, finden ungewöhnliche Lösungen, sind begeisterungsfähig und sensibel. Gerade in schwierigen Situationen laufen sie zur Höchstform auf. Wenn andere überfordert sind, können ADHS-Betroffene dank ihres Hyperfokus selbst knifflige Probleme lösen und einen Berg von Aufgaben in kürzester Zeit erledigen. Viele Menschen mit ADHS sind zudem charismatisch, arbeiten oder trainieren mit grossem Durchhaltevermögen, wenn sie eine Sache wirklich interessiert. Deshalb zeigen sie oft in einem bestimmten Bereich aussergewöhnlich gute Leistungen - wie zum Beispiel die Schauspielerin Emma Watson, der Sänger Justin Timberlake oder die Athletin Simone Biles, alles ADHS-Betroffene.

Diagnose von ADHS

Die Diagnose ADHS wird von einer Ärztin oder einem Arzt nach einer umfassenden Untersuchung gestellt. Dabei ist es wichtig, andere medizinische oder psychische Ursachen auszuschliessen. Es ist nicht möglich, ADHS mit einem einzigen Test festzustellen. Die Abklärung erfolgt in mehreren Schritten, einschliesslich Gesprächen über das Verhalten, die Symptome und deren Auswirkungen auf die verschiedenen Lebensbereiche der Betroffenen. Ausserdem werden wichtige Informationen über die frühe Entwicklung, die schulische Laufbahn, die Krankengeschichte und die familiäre Vorgeschichte von Verhaltensauffälligkeiten gesammelt. Eltern und Lehrer werden befragt. Schliesslich werden die vorhandenen Symptome nach Anzahl, Häufigkeit und Schweregrad beurteilt.

Für die Diagnose ADHS müssen folgende Bedingungen erfüllt sein:

  • Die Symptome müssen vor dem 12. Lebensjahr auftreten und länger als 6 Monate andauern.
  • Die Symptome müssen in verschiedenen Lebensbereichen auftreten.
  • Die Symptome müssen mehrere Kriterien eines anerkannten Klassifikationssystems erfüllen. Dazu gehören DSM-5 (Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen), ICD-10 und ICD-11 (Internationale Klassifikation der Krankheiten).

Zunehmend wird ADHS auch bei Erwachsenen diagnostiziert. Das hat mehrere Gründe: Einerseits ist das Bewusstsein für die Störung gestiegen und ADHS wird nicht mehr nur als 'Kinderkrankheit' angesehen. Andererseits werden Symptome bei Frauen besser erkannt. Darüber hinaus wird heute häufiger bei der Behandlung von ADHS-Folgeerkrankungen wie Depressionen, Angststörungen oder Alkohol- und Drogenabhängigkeit ADHS diagnostiziert.

ADHS bei Jugendlichen: Wie behandeln?

Die Behandlungsmöglichkeiten von ADHS in der Pubertät sind vielseitig. Ein zentraler Ansatz ist die Verhaltenstherapie bei ADHS im Jugendalter: Sie unterstützt Betroffene dabei, ihre Impulse besser zu kontrollieren, ihre Aufmerksamkeit zu verbessern und effektive Strategien für den Alltag zu entwickeln. Therapeutinnen und Therapeuten setzen dabei Therapie-Tools und Übungen für ADHS im Kindes- und Jugendalter ein, die Betroffene im Alltag anwenden können. Auch Reha-Programme sind sinnvoll, wenn ADHS bei Jugendlichen zu grösseren Einschränkungen im Alltag führt.

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Zur Behandlung von ADHS können auch Medikamente mit den Wirkstoffen Methylphenidat, Dexmethylphenidat, Lisdexamfetamin oder Atomoxetin in Erwägung gezogen werden. Sie verändern das Zusammenspiel bestimmter Botenstoffe im Gehirn und können die ADHS-Symptomatik verbessern.

Bei der Behandlung von ADHS geht es darum, die Symptome zu lindern und Strategien zu entwickeln, um mit ADHS-bedingten Schwierigkeiten im Alltag zurechtzukommen. Eine Kombination aus Medikamenten, Verhaltenstherapie, Anpassungen der Umgebung und Unterstützung durch das soziale Umfeld kann dabei helfen. Medikamente wie Ritalin oder Concerta können den Stoffwechselhaushalt im Gehirn regulieren. Es ist jedoch auch möglich, ADHS ohne Medikamente zu behandeln.

ADHS bei Teenagern: Wie damit umgehen?

Struktur spielt dabei eine wichtige Rolle. Mit einer klaren Tagesroutine können sich Betroffene besser auf ihre Aufgaben konzentrieren. Ebenso bieten To-do-Listen mit kleinen, erreichbaren Zielen viel Unterstützung und fördern die Motivation. Genauso wichtig sind Pausen, um Überforderung zu vermeiden. Am besten finden auch regelmässige Sporteinheiten Platz auf dem Tagesplan. Durch Bewegung können Betroffene überschüssige Energie abbauen: Ausdauersport wie Joggen ist gesund und kann die Konzentration steigern.

Seien Sie als Eltern geduldig und haben Sie ein offenes Ohr. Suchen Sie regelmässig das Gespräch mit Ihrem Kind und schaffen Sie eine positive Umgebung. Sehen Sie Fehler ausserdem als Teil des Lernprozesses und nicht als Misserfolg.

Unterstützung in der Schule

Dazu gehören Lernpläne, die auf die Bedürfnisse der Betroffenen zugeschnitten sind. Bei ADHS in der Schule helfen Zeitplaner zudem, den Überblick zu behalten. Ferner ist die Zusammenarbeit zwischen den Lehrkräften und den Eltern bei ADHS entscheidend. Die Schweiz setzt seit 2011 einen integrativen Ansatz des Bildungssystems um. Das heisst: Alle Kinder sollen «so weit wie möglich» in der Regelschule unterrichtet werden.

Bei der Wahl einer geeigneten Schule für Jugendliche mit ADHS sollte auf Folgendes geachtet werden:

  • Lehrpersonal mit Bewusstsein für ADHS: Lehrerinnen und Lehrer sollten Kenntnisse über ADHS bei Jugendlichen mitbringen.
  • Kooperationsbereitschaft: Die Lehrkräfte sollten offen für eine enge Zusammenarbeit mit den Eltern sein.
  • Förderangebot: Auch Förderprogramme sind wichtig, um den Bedürfnissen der Betroffenen gerecht zu werden.

Vor einem Schulwechsel ist eine klinische Diagnostik einschliesslich der Abklärung sonderpädagogischer Massnahmen sinnvoll. Im Idealfall werden diese sonderpädagogischen Massnahmen direkt in der Regelschule umgesetzt.

ADHS im Erwachsenenalter

Die Transition beim ADHS, also der Übergang vom Jugend- ins Erwachsenenalter, ist eine entscheidende Phase, in der viele Herausforderungen auftreten. Während im Jugendalter oft Eltern oder Lehrkräfte unterstützend eingreifen, erfordert das Erwachsenenalter mehr Eigenverantwortung. Betroffene müssen zunehmend selbstständig mit Aufgaben wie Ausbildung, Beruf, Finanzen und sozialen Beziehungen umgehen. Gleichzeitig bestehen die typischen ADHS-Symptome wie Impulsivität, Ablenkbarkeit und Organisationsprobleme häufig fort. Es kommt zwar zu Veränderungen und Anpassungen, jedoch kann die Beeinträchtigung nach wie vor hoch sein. Dies kann zu Schwierigkeiten bei der Alltagsbewältigung, in der Karriere und in zwischenmenschlichen Beziehungen führen. Strukturierte Unterstützung, Therapie und gegebenenfalls medikamentöse Behandlung sind in dieser Phase besonders wichtig, um die Lebensqualität und Selbstständigkeit zu fördern.

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