Vorzeitige Rente bei Depressionen: Voraussetzungen und Auswirkungen in Deutschland

Wer gesundheitlich stark beeinträchtigt und damit in seiner Erwerbstätigkeit eingeschränkt ist, hat in der Schweiz Anspruch auf Leistungen der Invalidenversicherung (IV). Auch Versicherte, die noch keine 20 Jahre alt sind, können Invalidenrente erhalten. In dieser Situation hilft in der Schweiz die obligatorische Invalidenversicherung (IV). Ihr Ziel ist es, gesundheitlich an der Erwerbsfähigkeit beeinträchtigte Menschen wieder in die Arbeitswelt einzugliedern.

Voraussetzungen für den Erhalt einer IV-Rente

Eine der wichtigsten Voraussetzungen für den Erhalt der Invalidenrente ist, dass die Einschränkung der Erwerbsfähigkeit trotz zumutbarer Eingliederungsmassnahmen nicht erhalten, verbessert oder wiederhergestellt werden kann. Sie waren ein Jahr lang mindestens zu 40 % arbeitsunfähig. Während dieser sogenannten Wartezeit dürfen keine nennenswerten Unterbrechungen eingetreten sein. Liegen die Voraussetzungen vor, entsteht der Anspruch auf eine IV-Rente frühestens 6 Monate nach dem Antrag auf eine Invalidenrente. Handelt es sich bei dem Antragsteller um eine minderjährige Person, entsteht der Anspruch erst einen Monat nach Vollendung des 18. Lebensjahres.

Der Rentenanspruch bemisst sich u. a. anhand des Invaliditätsgrads. Für eine ordentliche IV-Rente müssen Sie bei Eintritt des IV-Rentenfalls mindestens drei volle Beitragsjahre vorweisen können. Eine ordentliche IV-Rente steht Geburts- und Frühbehinderten, die vor dem 20. Lebensjahr invalid wurden, nicht zu. Sie erfüllen nicht die dreijährige Karenzzeit.

Neben einer Invalidenrente haben die Versicherten daher Anspruch auf Hilfsmittel wie Gehhilfen, Lifte, Prothesen. Von der IV profitieren alle Bürger, die in der Schweiz wohnen und arbeiten, da sie obligatorisch versichert sind. Freiwillig versichern können sich u. U. Arbeitnehmende mit Arbeitsplatz ausserhalb eines EU- oder EFTA-Staates bzw. Entsandte in einem Drittstaat.

Auch Studenten, die nicht erwerbstätig sind und ihren Wohnsitz im Ausland aufnehmen, um dort eine Ausbildung zu machen, können die IV evtl. weiterführen. Diese Möglichkeit ist begrenzt bis zum Jahresende des 30. Lebensjahres. Voraussetzung ist, dass der Student innerhalb von sechs Monaten ab der Aufnahme der Ausbildung im Ausland das Gesuch einreicht.

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Die IV-Stelle ermittelt den Invaliditätsgrad bei ehemals Erwerbstätigen mit einem Einkommensvergleich. Schwieriger ist die Ermittlung des Invaliditätsgrads bei Studenten, Arbeitslosen, Ordensangehörigen etc. Zeigt sich eine Verbesserung oder Verschlechterung der gesundheitlichen Beeinträchtigung, verändert sich auch der Invaliditätsgrad.

IV-Rentenempfänger haben unter Umständen zusätzlich Anspruch auf Kinderrenten. Wichtig: Sie müssen Veränderungen beruflicher, familiärer und gesundheitlicher Art rechtzeitig melden, da diese Ihren IV-Rentenanspruch verändern können. Eine Vollrente erhalten Sie, wenn Sie ab dem 21. Lebensjahr Ihre Beiträge stets vollständig geleistet haben. Weist die Beitragsdauer Lücken auf, steht Ihnen nur eine Teilrente zu.

Die Beitragszeiten zwischen dem 18. und 20. Lebensjahr können als sogenannte Jugendjahre Lücken im späteren Beitragsverlauf kompensieren. Leistungen der Invalidenversicherung können Sie bei der IV-Stelle ihres Wohnkantons beanspruchen. Die zuständige IV-Stelle ermittelt den IV-Anspruch und die Höhe der Leistungen. Wichtig ist dafür, dass Sie sich schnellstmöglich nach Eintritt des Rentenfalls melden.

Ob Muskeldystrophie, Depressionen oder ein schwerer Unfall-Eingliederungsmassnahmen und Hilfsmittel sollen den gesundheitlich beeinträchtigten Versicherten sukzessive ins Erwerbsleben zurückbringen. Ist dies nur teilweise oder gar nicht mehr möglich, steht die Invalidenrente bereit.

Widerspruch und weitere Schritte

Wenn die IV-Stelle den Antrag auf Invaliditätsrente ablehnt, können Sie innert 30 Tagen dagegen Widerspruch einlegen. Es empfiehlt sich, einen Juristen zu kontaktieren, denn IV-Versicherte haben unentgeltlichen Anspruch auf einen Rechtsbeistand. Bringt auch dieser Einwand nichts, können Sie sich innert weiteren 30 Tagen an das kantonale Versicherungsgericht wenden und im nächsten Schritt an das Bundesgericht.

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Neues Rentensystem ab 2022

Per 1.1.2022 wurde das sog. lineare Rentensystem (nachfolgend: neues Rentensystem) eingeführt. Dabei wird der Anteil der Rente als Prozentsatz einer ganzen Rente festgelegt, und zwar jeweils entsprechend dem Invaliditätsgrad. Bei einem Invaliditätsgrad ab 70% besteht Anspruch auf eine ganze Rente. Bei einem Invaliditätsgrad von 50-69% entspricht der prozentuale Anteil der Rente dem Invaliditätsgrad (z.B. Invaliditätsgrad von 55% entspricht einer 55%-Rente). Bei einem Invaliditätsgrad von 40-49% gelten folgende prozentuale Anteile:

Invaliditätsgrad prozentualer Anteil
40% 25%
41% 27,5%
42% 30%
43% 32,5%
44% 35%
45% 37,5%
46% 40%
47% 42,5%
48% 45%
49% 47,5%

Das neue Rentensystem gilt für alle Personen, deren Rentenanspruch ab 1.1.2022 entsteht, die also erst ab dem 1.1.2022 eine Rente erhalten.

Für Personen, die bis zum 31.12.2021 bereits eine Rente nach dem alten Rentensystem bezogen haben oder deren Rentenanspruch vor dem 1.1.2022 und somit nach dem alten Rentensystem entstanden ist, gelten altersabhängige Übergangsbestimmungen. Am 1.1.2022 bereits 55 Jahre alt oder älter: Das alte Rentensystem bleibt massgebend (sog. Besitzstand) und auch Rentenrevisionen richten sich nach dem alten Recht.

Am 1.1.2022 zwischen 30 und 54 Jahre alt: Sofern sich bei einer Rentenrevision der Invaliditätsgrad um mindestens 5% verändert, wird die Rente erhöht, herabgesetzt oder aufgehoben. Dabei kommt das neue Rentensystem zur Anwendung. Am 1.1.2022 unter 30 Jahre alt: Sobald sich der Invaliditätsgrad um mehr als 5% verändert, wird das neue Rentensystem angewendet. Spätestens nach 10 Jahren und somit per 2032 wird die Rente auch bei unverändertem Invaliditätsgrad ins neue Rentensystem überführt.

Der Anspruch auf eine ordentliche IV-Rente setzt voraus, dass die Person bei Eintritt der Invalidität während mindestens drei Jahren AHV/IV Beiträge geleistet hat. Dabei gilt ein Beitragsjahr als erfüllt, wenn:die Person aufgrund unselbständiger oder selbständiger Erwerbstätigkeit während mindestens 11 Monaten selbst Beiträge einbezahlt hat,die Person mit jemandem verheiratet war oder in eingetragener Partnerschaft gelebt hat, der oder die mindestens den doppelten Mindestbeitrag entrichtet hat,der Person Erziehungsgutschriften für die Betreuung von Kindern unter 16 Jahren angerechnet werden können, oderder Person Betreuungsgutschriften für die Betreuung von nahen Angehörigen in deren eigenem Haushalt angerechnet werden können.

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Wer Anspruch auf eine ordentliche Rente hat und seit dem 20. Altersjahr ohne Unterbruch jährlich Beiträge an die AHV/IV bezahlt hat, erhält im Invaliditätsfall eine sogenannte Vollrente. Wer hingegen für gewisse Jahre keine Beiträge entrichtet hat, weist Beitragslücken auf und erhält deshalb im Invaliditätsfall lediglich eine tiefere Teilrente.

Strukturiertes Beweisverfahren bei psychischen Erkrankungen

Das Bundesgericht hat ab 2015 bei psychischen Erkrankungen schrittweise das strukturierte Beweisverfahren eingeführt. Dieses dient der Invalidenversicherung (IV) dazu, den Anspruch der Versicherten auf eine IV-Rente zu prüfen.

Mit dem strukturierten Beweisverfahren liess das Bundesgericht zudem die Prämisse fallen, dass bestimmte psychische Krankheiten gar nicht oder nur ausnahmsweise invalidisierend sein können.

Zunächst führte das Bundesgericht das strukturierte Beweisverfahren im Jahr 2015 nur bei psychosomatischen Leiden ein (BGE 141 V 281). Zwei Jahre später weitete das Bundesgericht das strukturierte Beweisverfahren auf alle psychischen Erkrankungen aus (BGE 143 V 409). Zudem war nun bei leichten bis mittelschweren Depressionen die Therapieresistenz keine zwingende Voraussetzung mehr für die nähere Prüfung eines Rentenanspruchs (BGE 143 V 418).

Im Jahr 2019 anerkannte das Bundesgericht schliesslich, dass es sich auch bei Sucht um ein «krankheitswertiges Geschehen» handle (BGE 145 V 215). Damit kommt seither das strukturierte Beweisverfahren auch bei Suchterkrankungen zum Einsatz.

Die Analysen zeigen: Die inhaltliche Herangehensweise der IV-Stellen an die Rentenabklärung hat sich mit dem strukturierten Beweisverfahren spürbar verändert. Die Befragten erleben die Abklärung der Arbeitsfähigkeit als aufwendiger, aber besser strukturiert.

Insgesamt haben die Rechtsänderungen zu ergebnisoffeneren Abklärungen und besser nachvollziehbaren Entscheiden beigetragen. Den Grund dafür sehen die Befragten darin, dass der Zugang zur vertieften Rentenprüfung nicht mehr aufgrund der Diagnose ausgeschlossen oder erschwert wird.

Allerdings kritisieren einige Befragte, bei Depressionen gehe der Trend zurück in Richtung Diagnoserechtsprechung - also tendenziell hin zu einem Rentenentscheid allein aufgrund der vorliegenden Diagnose und ohne umfassende Analyse ihrer konkreten Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit im Einzelfall (vgl. auch Jeger 2022).

Auch mit dem strukturierten Beweisverfahren bleibt die Prüfung des Rentenanspruchs bei psychischen Erkrankungen komplex. Damit die notwendigen Informationen vollständig und unverzerrt erhoben, beschrieben und korrekt interpretiert werden, bleibt letztlich die fachliche Kompetenz der Gutachterstellen, der regionalen ärztlichen Dienste, der IV-Stellen und der Gerichte entscheidend.

Anspruchsvoll ist auch die Prüfung der Konsistenz. Zudem ist es manchmal nicht einfach zu objektivieren, ob eine ungenügende Teilnahme an einer Therapie oder Eingliederung die Folge eines geringen Leidensdrucks oder Teil des Krankheitsbildes ist.

In den Jahren nach der Einführung des strukturierten Beweisverfahrens hat der Anteil der psychisch bedingten Neurenten am Total der Neurenten zugenommen: Er stieg von 42 Prozent im Jahr 2017 auf 49 Prozent im Jahr 2021.

Es scheint plausibel, dass die untersuchten Rechtsänderungen und die damit verbundene ergebnisoffenere Rentenprüfung seit 2015 die Wahrscheinlichkeit für eine IV-Rente bei psychischen Erkrankungen erhöht haben.

Eine Rente wird nur bezahlt, wenn eine Invalidität im rechtlichen Sinn besteht und wenn diese Invalidität einen bestimmten Grad erreicht. Auch wer in erheblichem Mass gesundheitlich beeinträchtigt ist, erfüllt die Voraussetzungen für eine Rente nicht immer; denn eine Invalidität wird erst anerkannt, wenn sich die gesundheitlichen Probleme auf die Erwerbsmöglichkeiten in der angestammten oder in einer angepassten Tätigkeit bzw. auf die Arbeitsfähigkeit im angestammten Aufgabenbereich auswirken.

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