Die Invalidenversicherung (IV) ist zuständig, wenn eine Person aufgrund gesundheitlicher Probleme voraussichtlich längerfristig nicht mehr oder noch gar nie arbeiten kann. In diesem Zusammenhang spielen psychische Erkrankungen wie Depressionen eine wichtige Rolle.
Rentenanspruch und Invaliditätsgrad
Haben die Eingliederungsbemühungen der IV nicht oder nur teilweise zum gewünschten Erfolg geführt oder waren sie von vornherein aussichtslos, muss der Rentenanspruch geprüft werden. Wird dabei ein Invaliditätsgrad von mindestens 40% ermittelt, besteht Anspruch auf eine Rente.
Das Rentensystem in der Schweiz
Per 1.1.2022 wurde das lineare Rentensystem eingeführt. Dabei wird der Anteil der Rente als Prozentsatz einer ganzen Rente festgelegt, und zwar jeweils entsprechend dem Invaliditätsgrad.Bei einem Invaliditätsgrad ab 70% besteht Anspruch auf eine ganze Rente. Bei einem Invaliditätsgrad von 50-69% entspricht der prozentuale Anteil der Rente dem Invaliditätsgrad (z.B. Invaliditätsgrad von 55% entspricht einer 55%-Rente). Bei einem Invaliditätsgrad von 40-49% gelten folgende prozentuale Anteile:
| Invaliditätsgrad | Prozentualer Anteil | 
|---|---|
| 40% | 25% | 
| 41% | 27,5% | 
| 42% | 30% | 
| 43% | 32,5% | 
| 44% | 35% | 
| 45% | 37,5% | 
| 46% | 40% | 
| 47% | 42,5% | 
| 48% | 45% | 
| 49% | 47,5% | 
Für gewisse Personen gilt aber weiterhin das alte Rentensystem. Dabei besteht je nach Invaliditätsgrad Anspruch auf eine ganze Rente, eine Dreiviertelsrente, eine halbe Rente oder eine Viertelsrente:
| Invaliditätsgrad | Rentenanspruch | 
|---|---|
| 40 - 49% | Viertelsrente | 
| 50 - 59% | Halbe Rente | 
| 60 - 69% | Dreiviertelsrente | 
| 70 - 100% | Ganze Rente | 
Das neue Rentensystem gilt für alle Personen, deren Rentenanspruch ab 1.1.2022 entsteht, die also erst ab dem 1.1.2022 eine Rente erhalten. Für Personen, die bis zum 31.12.2021 bereits eine Rente nach dem alten Rentensystem bezogen haben oder deren Rentenanspruch vor dem 1.1.2022 und somit nach dem alten Rentensystem entstanden ist, gelten altersabhängige Übergangsbestimmungen.
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Übergangsbestimmungen
- Am 1.1.2022 bereits 55 Jahre alt oder älter: Das alte Rentensystem bleibt massgebend (sog. Besitzstand) und auch Rentenrevisionen richten sich nach dem alten Recht.
 - Am 1.1.2022 zwischen 30 und 54 Jahre alt: Sofern sich bei einer Rentenrevision der Invaliditätsgrad um mindestens 5% verändert, wird die Rente erhöht, herabgesetzt oder aufgehoben. Dabei kommt das neue Rentensystem zur Anwendung.
 - Am 1.1.2022 unter 30 Jahre alt: Sobald sich der Invaliditätsgrad um mehr als 5% verändert, wird das neue Rentensystem angewendet. Spätestens nach 10 Jahren und somit per 2032 wird die Rente auch bei unverändertem Invaliditätsgrad ins neue Rentensystem überführt.
 
Mindestbeitragsdauer für die ordentlichen Renten
Der Anspruch auf eine ordentliche IV-Rente setzt voraus, dass die Person bei Eintritt der Invalidität während mindestens drei Jahren AHV/IV Beiträge geleistet hat.
Vollrente oder Teilrente?
Wer Anspruch auf eine ordentliche Rente hat und seit dem 20. Altersjahr ohne Unterbruch jährlich Beiträge an die AHV/IV bezahlt hat, erhält im Invaliditätsfall eine sogenannte Vollrente. Wer hingegen für gewisse Jahre keine Beiträge entrichtet hat, weist Beitragslücken auf und erhält deshalb im Invaliditätsfall lediglich eine tiefere Teilrente.
Höhe der ordentlichen Renten
Bestehen keine Beitragslücken und somit Anspruch auf eine Vollrente (Rentenskala 44), beträgt diese monatlich:
- Renten nach dem neuen Rentensystem: 
- bei einer ganzen IV-Rente (Invaliditätsgrad ab 70%): zwischen 1‘260 und 2‘520 Franken
 - bei einer Teil-IV-Rente (Invaliditätsgrad von 40-69%): entsprechend dem massgebenden prozentualen Anteil einer ganzen IV-Rente
 
 - Renten nach dem alten Rentensystem: 
- bei einer ganzen IV-Rente: zwischen 1‘260 und 2‘520 Franken
 - bei einer Dreiviertelsrente: zwischen 945 und 1‘890 Franken
 - bei einer halben IV-Rente: zwischen 630 und 1‘260 Franken
 - bei einer Viertelsrente: zwischen 315 und 630 Franken
 
 
Ausserordentliche Renten
Geburts- und Frühbehinderte, die vor ihrem 20. Altersjahr und somit noch vor Beginn ihrer AHV/IV-Beitragspflicht invalid geworden sind, erfüllen die 3-jährige Mindestbeitragsdauer nicht und erhalten deshalb keine ordentliche Rente. Sie haben dafür aber Anspruch auf eine sog. ausserordentliche Rente.
Kinderrenten
Rentnerinnen und Rentner erhalten für jedes ihrer Kinder bis zu deren 18. Altersjahr zusätzlich zur eigenen Rente (sog. Hauptrente) noch eine Kinderrente. Steht das Kind noch in Ausbildung, wird die Kinderrente bis zum Abschluss der Ausbildung, längstens aber bis zum 25. Altersjahr ausgerichtet.
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Beginn des Rentenanspruchs
Der Rentenanspruch entsteht erst 6 Monate nach der IV-Anmeldung, frühestens aber mit der Vollendung des 18. Altersjahrs. Anspruch auf eine Rente besteht zudem erst dann, wenn die betroffene Person während eines Jahres ohne wesentliche Unterbrechung mindestens zu 40% arbeitsunfähig gewesen ist (sog. Wartezeit).
Psychiatrische Gutachten und das strukturierte Beweisverfahren
Psychische Krankheiten sind oft schwerer nachzuweisen als körperliche Leiden. Deshalb holt die IV-Stelle fast immer ein psychiatrisches Gutachten ein, bevor sie über die Ausrichtung einer Rente entscheidet. Seit 2022 müssen die Gutachtengespräche aufgezeichnet werden, um die Überprüfbarkeit zu gewährleisten.
Das Bundesgericht hat ab 2015 bei psychischen Erkrankungen schrittweise das strukturierte Beweisverfahren eingeführt. Weil die Auswirkungen einer psychischen Erkrankung auf die Arbeitsfähigkeit schwieriger nachweisbar sind als bei somatischen Gebrechen, beurteilen die IV-Stellen die Arbeitsfähigkeit anhand von Indikatoren. Diese umfassen einerseits die Schwere der gesundheitlichen Schädigung, die Persönlichkeit und den sozialen Kontext der versicherten Person und deren Zusammenwirken.
Paradigmenwechsel ab 2015
- 2015: Einführung des strukturierten Beweisverfahrens bei psychosomatischen Leiden.
 - 2017: Ausweitung auf alle psychischen Erkrankungen. Therapieresistenz bei leichten bis mittelschweren Depressionen keine zwingende Voraussetzung mehr für die nähere Prüfung eines Rentenanspruchs.
 - 2019: Anerkennung von Sucht als «krankheitswertiges Geschehen».
 
Die Analysen zeigen: Die inhaltliche Herangehensweise der IV-Stellen an die Rentenabklärung hat sich mit dem strukturierten Beweisverfahren spürbar verändert. Insgesamt haben die Rechtsänderungen zu ergebnisoffeneren Abklärungen und besser nachvollziehbaren Entscheiden beigetragen.
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