Die Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) ist ein komplexes psychisches Krankheitsbild, das oft missverstanden wird. Menschen, die davon betroffen sind, kämpfen mit intensiven emotionalen Schwankungen, einem instabilen Selbstbild und Herausforderungen in zwischenmenschlichen Beziehungen. Die Diagnose ist aufwändig und kann nicht wie ein Laborwert in kurzer Zeit erhoben werden.
Typischerweise sind mehr Frauen betroffen und die Häufigkeit nimmt mit dem Alter ab. Man geht in der Regel von 1 bis 2 % der Bevölkerung aus. Persönlichkeitsstörungen galten lange als rein erworbene Störungen, doch heute werden auch genetische oder familiäre Ursachen diskutiert. Die erworbene Komponente bleibt aber die meistgenannte.
Was ist die Borderline-Persönlichkeitsstörung?
Borderline ist gemäss ICD 10, dem Diagnosehandbuch für Psychische Störungen, ein Subtyp der emotional instabilen Persönlichkeitsstörung und gehört zu den häufigsten Persönlichkeitsstörungen. Alleine in der Schweiz leben rund drei Prozent der Bevölkerung mit der Persönlichkeitsstörung. Die Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) kann zu verschiedenen Symptomen führen. Vor allem Emotionen und Verhalten sind stark betroffen.
Die Daten sind unterschiedlich, weil die Diagnose aufwändig ist und nicht wie ein Laborwert in kurzer Zeit erhoben werden kann. Die Betroffenen haben oft Mühe, ihre eigenen Emotionen zu erkennen, einzuordnen, zu benennen und dabei eine gewisse innere Distanz zu entwickeln. Sie werden gewissermassen überflutet von ihren eigenen Gefühlen, sind dadurch nicht selten bedroht oder überfordert.
Dies führt dann zu Handlungen, die die Patientinnen und Patienten nicht mehr gut kontrollieren können, wie beispielsweise plötzliche Beziehungsabbrüche, Wutausbrüche oder auch selbstverletzende, spannungsregulierende Handlungen. Persönliche, aber auch Arbeitsbeziehungen sind oftmals schwierig aufrechtzuerhalten. Betroffene brauchen verlässliche, stabile, wohlwollende, aber klare und verlässliche Beziehungen. Dann kann eine Teilhabe an der Gesellschaft gut gelingen.
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Ursachen der Borderline-Persönlichkeitsstörung
- Genetische Faktoren: Veranlagungen in der Familie könnten eine Rolle spielen.
 - Neurobiologische Faktoren: Abnormale Aktivität oder Veränderungen in bestimmten Gehirnregionen, die Emotionen, Impulskontrolle und die Verarbeitung von Informationen steuern, könnten bei BPS eine Rolle spielen.
 - Neurotransmitter-Ungleichgewichte: Ungleichgewichte von Neurotransmittern im Gehirn, wie Serotonin und Noradrenalin, werden mit BPS in Verbindung gebracht.
 - Traumatische Erfahrungen: Traumatische Erfahrungen in der Kindheit, wie Missbrauch, Vernachlässigung oder andere Formen von Trauma, könnten das Risiko für die Entwicklung von BPS erhöhen.
 - Soziale Umstände: Stress, instabile familiäre Beziehungen oder problematische soziale Umstände könnten das Risiko für BPS beeinflussen.
 
Symptome der Borderline-Persönlichkeitsstörung
- Instabile zwischenmenschliche Beziehungen: Schwierigkeiten, stabile und dauerhafte Beziehungen aufrechtzuerhalten.
 - Impulsives Verhalten: Impulsives Handeln ohne Rücksicht auf Konsequenzen.
 - Instabile Emotionen: Starke, intensive und schnell wechselnde Emotionen.
 - Angst vor Verlassenwerden: Starke Angst vor dem Verlassenwerden und extreme Massnahmen, um dies zu verhindern.
 - Identitätsstörung: Eine instabile Selbstwahrnehmung und Identität.
 - Selbstverletzendes Verhalten: Neigung, sich selbst zu verletzen, um mit emotionaler Belastung umzugehen.
 - Stimmungsschwankungen: Intensive und schnelle Stimmungswechsel.
 - Leere oder Langeweile: Tiefes Gefühl der inneren Leere oder Langeweile.
 
Diagnose der Borderline-Persönlichkeitsstörung
Für eine Diagnose der Borderline-Persönlichkeitsstörung müssen mehrere der oben genannten Symptome vorliegen. Zudem müssen die Symptome bereits über längere Zeit bestehen und bis ins Jugendalter zurückverfolgt werden können. Psychiater:innen bewerten die Fähigkeit der Patient:innen, Beziehungen zu gestalten, die sozialen und beruflichen Auswirkungen, den Umgang mit Emotionen sowie potenzielle Selbst- oder Fremdgefährdung.
Die Diagnose von BPS basiert auf den diagnostischen Kriterien des DSM-5 (Diagnostisches und Statistisches Manual psychischer Störungen, 5. Auflage) oder anderer diagnostischer Leitlinien. Die Fachperson überprüft, ob die Symptome des Patienten mit den Kriterien übereinstimmen. Es ist wichtig, andere psychische Störungen auszuschliessen, die ähnliche Symptome wie BPS haben könnten. Die Symptome sollten über einen längeren Zeitraum hinweg (normalerweise mehrere Jahre) bestehen, um eine Diagnose von BPS zu rechtfertigen.
Behandlung der Borderline-Persönlichkeitsstörung
Die Behandlung ist eine Domäne der Psychotherapie. Es gibt keine Medikamente gegen eine Borderlinestörung. Trotzdem werden solche gelegentlich verschrieben, beispielsweise bei Schlafstörungen oder Depressionen, die aufgrund der Persönlichkeitsproblematik zusätzlich auftreten können. In der Psychotherapie geht es zuallererst um das Schaffen einer tragfähigen, verlässlichen, vertrauensvollen Beziehung. Dies kann unter Umständen eine schwierige, langwierige Arbeit sowohl für die Betroffenen als auch für die Therapeutinnen und Therapeuten sein.
Zudem gibt es einige sehr gut untersuchte und breit angewandte spezifische Therapieverfahren wie die Dialektisch Behaviorale Therapie (DBT) oder die Übertragungsfokussierte Therapie (TFP), die auch in dafür spezialisierten Psychotherapiestationen angeboten werden. Bekannt ist auch das sogenannte Skillstraining, das aus der DBT stammt und breit angewandt wird. Dabei lernen Patientinnen und Patienten Werkzeuge kennen, wie sie ihr Erleben besser wahrnehmen und steuern können. Viele haben einen eigentlichen «Skillskoffer» zusammengestellt, aus dem sie sich dann je nach Situation Hilfe zuführen können. Bei klaren Traumatas in der Biographie bieten sich zudem traumafokussierte Therapien an. Alle Therapieverfahren müssen mit den Betroffenen sorgfältig evaluiert und ausgewählt werden.
Die Behandlung einer Borderline-Erkrankung ist herausfordernd und bedarf Geduld. In erster Linie geht es darum, dysfunktionale Bewältigungsstrategien ab- und funktionale Strategien aufzubauen. Die ambulante Behandlung dauert im Regelfall mindestens ein bis zwei Jahre. Die Behandlung von BPS erfordert oft eine kontinuierliche Langzeitbetreuung, um langfristige Fortschritte aufrechtzuerhalten.
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Wichtige Elemente der Behandlung:
- Eine vertrauensvolle und respektvolle Beziehung zwischen dem Behandlungsteam und der betroffenen Person.
 - Verschiedene Formen der Psychotherapie.
 - Training und Techniken zur Emotionsregulation.
 - Die Entwicklung gesunder zwischenmenschlicher Fertigkeiten.
 - In einigen Fällen Medikamente.
 - Ein unterstützendes soziales Netzwerk.
 - Die Entwicklung gesunder Bewältigungsstrategien für Stress, Angst und emotionalen Druck.
 
Tipps für den Umgang mit Borderline-Patienten
Wie für Betroffene selbst ist es wichtig, einige Dinge über die Besonderheiten der Krankheit zu kennen und «Bescheid zu wissen». Dies hilft, Fehlverhalten vorzubeugen und empathischer auf die Betroffenen eingehen zu können. Da es sich (definitionsgemäss) um eine langanhaltende Thematik handelt, werden die betroffenen Menschen eigentliche Expertinnen und Experten ihrer Krankheit. Angehörige können dies nutzen und bei den Betroffenen erfragen, was helfen könnte, welche Unterstützung sie anbieten sollen und welche nicht. Dadurch kann die Hilflosigkeit gemindert werden, die gelegentlich entstehen kann im Umgang mit Borderline-Patientinnen und -Patienten in einer Krise.
Falls möglich, sind anhaltende, verlässliche Beziehungen wichtig, die nicht nach einem Konflikt gleich aufgegeben werden. Dies erfordert von Angehörigen oftmals viel persönliche Resilienz. Dabei hilft es möglicherweise auch, sich als Freundin oder Freund selbst psychotherapeutisch beraten zu lassen.
Was für Menschen ohne die Erkrankung wie eine einfache Meinungsverschiedenheit erscheint, kann bei Borderliner:innen rasch zu einer Eskalation führen. Vor allem für Angehörige kann das belastend sein. Wichtig ist, sich bewusst zu machen, dass die Borderline-Persönlichkeitsstörung eine ernsthafte psychische Erkrankung ist und professionelle Hilfe unerlässlich ist. Als Angehörige:r ist es nicht möglich, den oder die Betroffene:n selbst zu therapieren oder ihnen ausreichend zu helfen. Lediglich auf den eigenen Umgang mit der Erkrankung können Angehörige Einfluss nehmen.
Ratschläge für Angehörige:
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- Ruhig und gelassen bleiben: Die eigene Ruhe kann sich positiv auf das Gegenüber auswirken.
 - Verständnis zeigen: Versuchen Sie, die Gefühle und Sorgen der Person nachzuvollziehen.
 - Auf sich selbst achten: Es ist wichtig, klare Grenzen zu setzen und diese auch zu kommunizieren.
 - Raum und Zeit geben: Manchmal braucht die Person Zeit, um sich zu beruhigen.
 - Professionelle Hilfe suchen: Ermutigen Sie die betroffene Person dazu, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, um ihre Emotionen und Bewältigungsstrategien besser zu verstehen.
 
Nehmen Sie als Angehöriger die Androhung eines Selbstmordversuches immer ernst! Es ist ratsam, sich bei Bedarf Unterstützung zu holen und sich immer wieder eine Auszeit von dem herausfordernden Umgang mit dem Borderliner zu gönnen, um Kraft zu tanken.
Borderline und Beziehungen
Beziehungen sind für die meisten Menschen eine Herausforderung. Für Borderline-Patienten sind diese Herausforderungen besonders schwer zu bewältigen. Die unerwarteten Stimmungswechsel, schnelle Gereiztheit und die geringe Frustrationstoleranz von Menschen mit Borderline-Syndrom stellen die Beziehungen zu anderen Menschen auf eine harte Probe. Beziehungen plötzlich zu beenden, ist ein typisches Kennzeichen von Borderline. Es ist daher nicht leicht, eine längerfristige Beziehung zu einem Borderline-Partner aufrecht zu erhalten. Die Gefühlsschwankungen eines Borderliners sind für den Partner oft nicht nachvollziehbar, und das Borderline-Beziehungsverhalten ist häufig zermürbend.
Menschen mit Borderline haben grosse Angst vor dem Alleinsein. Gleichzeitig halten sie Beziehungen nicht lange aus. Häufig springen sie von einer Beziehung in die nächste. Reagiert der Partner daraufhin abweisend oder genervt, verstärkt sich bei den Bordeline-Patienten die Angst, verlassen zu werden. Wutanfälle oder auch Manipulationsversuche sind häufige Reaktionen.
Tipps für Partner von Borderlinern:
- Informieren Sie sich umfassend über die Krankheit.
 - Unterscheiden Sie das krankheitsbedingte Verhalten von der eigentlichen Persönlichkeit des Partners.
 - Ermutigen Sie den erkrankten Partner zu einer Therapie und unterstützen Sie ihn dabei.
 - Vergessen Sie bei allen Schwierigkeiten nicht, dass eine Borderline-Beziehung auch bereichernd sein kann, wenn man sich gemeinsam den Herausforderungen stellt.
 
Eine professionelle Unterstützung auf diesem Weg ist sehr zu empfehlen und in vielen Fällen auch notwendig.
Die Rolle der Familie
Jugendliche mit der Borderline-Störung verändern unter Umständen sehr schnell die Dynamik in der Familie. Sie ziehen die Aufmerksamkeit auf sich. Risikoreiches Verhalten, Stimmungsschwankungen und manchmal auch Suizidversuche sind Teil der psychischen Störung. Auf Borderline-Angehörige wirkt das Verhalten des betroffenen Familienmitglieds oft verstörend. Sie haben Schwierigkeiten damit, die Handlungen nachzuvollziehen und fühlen sich oft hilflos.
Es ist wichtig für Familienmitglieder, ihre eigenen Bedürfnisse nicht zu ignorieren. Gesunde Geschwister müssen oft um die Aufmerksamkeit und Zuwendung der Eltern kämpfen. Das fördert nicht nur eine schlechte Stimmung in der Familie, sondern erhöht auch die Wut auf den Borderliner. Mit therapeutischer Unterstützung gelingt es leichter, die Familienstruktur zu erhalten und das Gefühlschaos zu reduzieren.
Wichtige Aspekte für Familienmitglieder:
- Eigene Bedürfnisse nicht ignorieren.
 - Sich therapeutische Unterstützung suchen.
 - Das Gefühlschaos reduzieren.
 
Borderliner haben meistens von einem oder beiden Elternteil(en) Lieblosigkeit und Vernachlässigung erfahren. Oft ist es eine Mischung aus zu geringer Fürsorge und gleichzeitig zu starker Kontrolle, die bei den Patienten in der Kindheit Traumata ausgelöst haben. Zudem gibt es genetische Einflüsse, die den Ausbruch der Krankheit fördern.
Entstigmatisierung
Wie oben werden die Überlappungen zwischen der Borderlineerkrankung und Traumfolgestörungen immer deutlicher. Entsprechend dürften sich die Therapiekonzepte angleichen. Es dient möglicherweise auch einer gewissen Entstigmatisierung. «Boderliner:innen» leiden oft unter dem Stempel («Stigma»), den man ihnen verpasst hat. Es hilft auch Betroffenen, sich eher als «Menschen mit besonderen Eigenschaften» denn als «persönlichkeitsgestörte Kranke» zu identifizieren.
Wo Hilfe finden?
- Ambulatorien KJPD (Kinder- und Jugendpsychiatrischer Dienst)
 - Ambulatorien für Erwachsene
 - Hausärztin/Hausarzt (Überweisung an lups bei Bedarf)
 - Psychiatrischer Notfall: Beratungstelefon lups 058 856 53 00
 
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