Umgang mit depressiven Angehörigen: Wertvolle Tipps und Hilfestellungen

Psychische Erkrankungen sind vielfältig, wobei Depressionen und Burnouts zu den bekanntesten zählen. In der Schweiz ist etwa jede zweite Person im Laufe des Lebens von einer psychischen Krise betroffen. Dennoch mangelt es in der Bevölkerung an Wissen über Depressionen und andere psychische Erkrankungen.

Depressive Symptome und deren Behandlung sind grösstenteils unbekannt. Zudem fürchten sich psychisch Erkrankte vor Stigmatisierung und Vorurteilen, weshalb nur wenige ärztliche Hilfe suchen. Mentale Probleme können sich so nach und nach verstärken und über längere Zeit bestehen.

Für Depressionen, Burnouts und andere psychische Störungen sind selten einzelne, plötzlich auftretende Ursachen verantwortlich. Veränderungen im Verhalten können auf eine entsprechende Belastung hinweisen. Symptome dafür sind beispielsweise der Rückzug aus dem aktiven Leben, Niedergeschlagenheit und/oder Antriebslosigkeit. Auch Traurigkeit oder Schlafstörungen treten bei psychischen Problemen vermehrt auf.

Depressive Angehörige verlassen das Haus oder die Wohnung mit der Zeit immer weniger. Sie reagieren häufig gereizt oder sind unkonzentriert. Psychische Belastungen wie Depressionen können auch körperliche Erkrankungen zur Folge haben und so das Leben der betroffenen Menschen beeinflussen. Viele traurige, gestresste oder psychisch beeinträchtigte Menschen klagen zuallererst über Kopfschmerzen, gefolgt von einem schmerzvollen Engegefühl in der Brust oder Beschwerden der Verdauung.

Lassen sich die Ursachen von Schmerzen nicht auf gesundheitliche Störungen des Körpers zurückführen, spricht man von einer psychosomatischen Erkrankung. Fast jede fünfte Person erkrankt im Laufe ihres Lebens an einer Depression. Für Betroffene wie für Angehörige eine schwierige Situation.

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Wenn ein nahestehender Mensch an einer Depression leidet, löst dies bei Angehörigen grosse Verunsicherung aus: Wie soll ich damit umgehen, wenn mein Mann plötzlich wie abwesend wirkt? Soll ich ihn ansprechen oder in Ruhe lassen? Ist es kontraproduktiv, wenn ich meiner Frau sage, dass ich mir grosse Sorgen um sie mache?

Gut zu wissen ist zunächst Folgendes: Depressionen sind kein unumkehrbares Schicksal, sie lassen sich behandeln. Je früher man professionelle Hilfe sucht, desto höher sind die Heilungschancen.

Wie Sie helfen können

Leidet Ihre Frau, Ihr Lebenspartner, Ihr Kind oder jemand aus Ihrem Freundeskreis unter einer psychischen Erkrankung? Die gute Nachricht: Sie können dieser Person helfen. Menschen mit Depressionen und anderen psychischen Erkrankungen unterstützen Sie mit verschiedenen Hilfestellungen.

Sprechen Sie die betroffene Person in einer ruhigen, ungestörten Situation an und nehmen Sie sich genügend Zeit. Wichtig ist, dass sich während des ganzen Gesprächs alle wohl fühlen. Vermeiden Sie eigene Lösungsvorschläge. Weder gute Ratschläge noch Vergleiche mit Ihrer eigenen Situation sind angebracht. Oft hilft es Betroffenen zu wissen, dass man für sie da ist und ein offenes Ohr hat.

Am besten fragen Sie den geliebten Menschen direkt, wie man ihr oder ihm Hilfe und Unterstützung bieten kann. Bereits ein erstes Gespräch mit einem vertrauten Menschen kann Betroffene anspornen, weiterführende Hilfe bei einer Fachstelle in Anspruch zu nehmen. Hat die psychisch beeinträchtigte Person Vertrauen zur Hausärztin oder zum Hausarzt, macht auch ein Arzttermin Sinn.

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Wird Ihr Hilfsangebot abgewiesen? Manche Menschen haben Mühe, über ihre Gefühle und ihre psychische Befindlichkeit zu sprechen. Akzeptieren Sie diese Situation und signalisieren Sie Ihre Hilfsbereitschaft. Man kann niemanden zwingen, Hilfe anzunehmen. Erwähnen Sie die Möglichkeit, sich an eine Fachstelle zu wenden und professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Stehen Sie dem erkrankten Menschen auf jeden Fall bei und organisieren Sie Unterstützung. Informieren Sie die betroffene Person immer über Ihre Schritte und Ihre eigenen Gefühle. Versuchen Sie, die Erkrankte oder den Erkrankten in die Entscheidungen mit einzubeziehen. Es wäre ein Fehler, die Anzeichen für eine psychische Erkrankung wie eine Depression zu ignorieren.

Wenn Sie selbst unter der Situation leiden, tauschen Sie sich mit anderen Nahestehenden und Angehörigen aus. Reden Sie über Ihre eigenen Gefühle und Befindlichkeiten. Damit signalisieren Sie Ihre Offenheit gegenüber den Gefühlen Ihrer Partnerin, Ihres Mannes, Ihres Kindes oder Ihrer Eltern.

Seien Sie in jeder Beziehung eine gute Freundin bzw. ein guter Freund und hören Sie stets gut zu. Wenn Sie den Mut haben, über Ihre eigenen Schwächen und Sorgen zu sprechen, zeigen Sie Empathie und schaffen Vertrauen. Pflegen Sie innerhalb der Partnerschaft, der Familie und der Freundschaft gemeinsame Hobbys und Freizeitaktivitäten. Bleiben Sie gemeinsam sozial aktiv und pflegen Sie den Umgang mit Ihrem Freundeskreis. Auch Neues zu lernen und kreativ zu sein, hält geistig fit.

Haben Sie Mut und gehen Sie offen auf Betroffene zu. Sprechen Sie Ihre Sorgen aus und signalisieren Sie Vertrauen und Hilfsbereitschaft.

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Was Sie vermeiden sollten

«Schau, wie schön die Sonne scheint. Versuch doch, es zu geniessen». Depressive hören derlei gut gemeinte Aufforderungen oft. Sie sind aber genauso ungünstig wie Ermahnungen und Vorwürfe: «Jetzt nimm dich halt mal zusammen.» Depressive Menschen wünschen sich nichts mehr, als wieder aktiv und guter Dinge zu sein. Aber sie sind durch ihre Erkrankung vom eigenen Organismus ausgebremst. Sie können nicht wollen.

Tipps für den Alltag

  • jemanden zu bestärken, wenn er Eigeninitiative zeigt.
  • ihn dabei zu unterstützen, nach und nach wieder zu einem geregelten Tagesablauf zu finden.
  • Denn oft sind es die einfachsten Tätigkeiten wie sich anziehen oder zum Briefkasten gehen, die unüberwindbar geworden sind.

Wenn es Eltern schlecht geht, spüren dies schon kleine Kinder haargenau. Sie können es aber nicht einordnen, was um sie herum passiert und geben sich schnell die Schuld dafür. Deshalb sollten Eltern sie damit nicht alleine lassen und ihnen die Krankheit erklären. Gute Hilfsmittel dafür sind Bücher: «Mamas Monster» oder «Annikas andere Welt» sind für kleinere Kinder gedacht.

Eine Depression kann sich über Monate hinziehen, was für Angehörige kräftezehrend ist. Sie fühlen sich zuweilen ohnmächtig oder schuldig, sind erschöpft und überfordert und manchmal auch wütend.

Es ist wichtig, dass Angehörige:

  • eine Auszeit nimmt.
  • sich mit Freunden austauscht.
  • sich einer Selbsthilfegruppe für Angehörige anschliesst.
  • bei Bedarf selbst zum Therapeuten geht oder mit dem oder der Erkrankten zusammen ein «Angehörigengespräch» vereinbart.

Depressive Menschen lassen manchmal niemanden an sich heran und können abweisend sein. Das ist für jene, die helfen wollen, schwer nachvollziehbar und kränkend. Aber: Wer depressiv ist, tut dies nicht aus böser Absicht, sondern weil er in diesem Moment nicht anders reagieren kann. Angehörige, die sich dies bewusst machen und die Abweisung nicht persönlich nehmen, schaffen es besser, damit umzugehen.

Umgang mit depressiven Menschen: Unterschiede zwischen Jung und Alt

Depression kann sich in jedem Alter manifestieren, aber es gibt einige wichtige Unterschiede in der Art und Weise, wie sie sich bei jungen Menschen und älteren Erwachsenen äussert. Diese Unterschiede können in Symptomen, Ursachen, Diagnose und Behandlungsansätzen liegen. Hier sind einige der wesentlichen Unterschiede:

Symptome:

  • Junge Menschen: Depressionen bei jungen Menschen äussern sich häufig durch Traurigkeit, Reizbarkeit, sozialen Rückzug, Veränderungen im Schlaf- und Essverhalten, Konzentrationsprobleme und manchmal selbstverletzendes Verhalten.
  • Ältere Erwachsene: Bei älteren Erwachsenen kann Depression weniger offensichtlich sein. Sie neigen eher dazu, über körperliche Symptome wie Schmerzen, Müdigkeit oder Verdauungsprobleme zu klagen. Traurigkeit mag nicht immer im Vordergrund stehen; stattdessen können sie Antriebslosigkeit, Interessenverlust, Gedächtnisprobleme und eine verminderte Fähigkeit, Freude zu empfinden, erfahren.

Ursachen und Risikofaktoren:

  • Junge Menschen: Hier spielen oft Faktoren wie genetische Veranlagung, Stress durch Schule oder Universität, Peer-Druck, Identitätskrisen, erste ernsthafte Beziehungen und vielleicht Missbrauch oder Traumata eine Rolle.
  • Ältere Erwachsene: Bei Senioren sind oft chronische Erkrankungen, der Verlust von nahestehenden Personen, Einsamkeit, der Übergang in den Ruhestand, körperliche Einschränkungen und Medikamentennebenwirkungen wichtige Faktoren.

Diagnose:

  • Junge Menschen: Bei ihnen wird eher auf Verhaltensänderungen, Leistungsabfall in der Schule oder Uni und sozialen Rückzug geachtet.
  • Ältere Erwachsene: Die Diagnose kann schwieriger sein, da sie ihre Symptome oft als normale Alterserscheinungen abtun und weniger bereit sind, über emotionale Probleme zu sprechen. Zudem können kognitive Beeinträchtigungen wie Demenz ähnliche Symptome zeigen.

Behandlungsansätze:

  • Junge Menschen: Bei ihnen liegt der Fokus oft auf Therapieformen, die auf ihr Alter und ihre Lebensphase abgestimmt sind, einschliesslich Familientherapie oder Gruppentherapie mit Gleichaltrigen.
  • Ältere Erwachsene: Die Behandlung muss oft sorgfältig auf eventuelle körperliche Erkrankungen und die Verwendung mehrerer Medikamente (Polypharmazie) abgestimmt werden. Zudem ist die Einbeziehung von sozialer Unterstützung und die Anpassung an eventuelle körperliche Einschränkungen wichtig.

Weitere Tipps für den Umgang

Der Umgang mit einem depressiven Menschen erfordert Einfühlungsvermögen, Geduld und Verständnis. Hier sind einige Tipps, die helfen können:

  • Aktives Zuhören: Hören Sie zu, ohne zu urteilen oder sofortige Lösungen anzubieten. Zeigen Sie Verständnis und Empathie für ihre Gefühle.
  • Unterstützung anbieten: Machen Sie deutlich, dass Sie für sie da sind. Bieten Sie praktische Hilfe an, z. B. bei der Organisation des Alltags oder bei Arztbesuchen.
  • Ermutigen, professionelle Hilfe zu suchen: Motivieren Sie die Person vorsichtig, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, falls sie das noch nicht getan hat. Depression ist eine ernsthafte Erkrankung, die oft professionelle Behandlung erfordert.
  • Informieren und verstehen: Informieren Sie sich über Depression, um die Erkrankung besser zu verstehen. Dies hilft, Fehlvorstellungen und Stigmatisierung zu vermeiden.
  • Geduldig sein: Veränderungen und Verbesserungen können Zeit brauchen. Zeigen Sie Geduld und Verständnis für den Heilungsprozess.
  • Selbstfürsorge nicht vernachlässigen: Achten Sie auf Ihre eigene psychische Gesundheit. Unterstützen zu wollen, kann auch belastend sein. Sorgen Sie für ausreichend Ausgleich und eigene Entspannung.
  • Vermeiden von Druck und Schuldzuweisungen: Vermeiden Sie es, Druck auszuüben oder die Person für ihre Depression verantwortlich zu machen. Depression ist eine Erkrankung, die niemand absichtlich herbeiführt.
  • Positive Aktivitäten vorschlagen: Ermutigen Sie zu Aktivitäten, die Freude bereiten oder entspannend sind, ohne zu insistieren.
  • Auf Warnzeichen achten: Seien Sie aufmerksam für Anzeichen einer Verschlimmerung oder Gedanken an Selbstverletzung oder Suizid. In solchen Fällen ist schnelles Handeln erforderlich.
  • Kommunikation aufrechterhalten: Auch wenn es schwierig sein kann, versuchen Sie, die Kommunikation aufrechtzuerhalten. Selbst kleine Gesten können eine grosse Unterstützung sein.

Hilfreiche Kommunikationssätze

Bei der Kommunikation mit depressiven Menschen ist es wichtig, einfühlsam und unterstützend zu sein. Bestimmte Sätze und Aussagen können besonders hilfreich sein, um Verständnis und Mitgefühl zu zeigen. Hier sind einige Beispiele:

  • «Ich bin hier für dich.»
  • «Deine Gefühle sind gültig.»
  • «Möchtest du darüber sprechen, oder soll ich einfach nur zuhören?»
  • «Es ist in Ordnung, sich nicht in Ordnung zu fühlen.»
  • «Es ist keine Schwäche, Hilfe zu suchen.»
  • «Du bist mir wichtig.»
  • «Ich bin für dich da, egal was passiert.»
  • «Wie kann ich dir helfen?»
  • «Du bist nicht alleine in diesem Kampf.»
  • «Nimm dir die Zeit, die du brauchst.»

Was Sie tun können, statt "glücklich machen"

Viele wollen depressive Menschen «glücklich machen», doch das kann nicht das primäre Ziel sein. Bei dem Versuch, das Wohlbefinden einer depressiven Person zu verbessern, ist es wichtig, Empathie und Geduld zu zeigen. Depression ist eine komplexe psychische Erkrankung, und «Glücklich machen» kann nicht das unmittelbare Ziel sein. Stattdessen ist es hilfreicher, unterstützend und verständnisvoll zu sein.

Aktives Zuhören, ohne zu urteilen oder voreilige Lösungen anzubieten, kann enorm wertvoll sein. Ebenso ist es wichtig, die Person zu ermutigen, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, da dies oft ein entscheidender Schritt in der Bewältigung einer Depression ist. Unterstützung bei alltäglichen Aufgaben, die Bereitstellung einer stabilen und verständnisvollen Umgebung, sowie das Anbieten von gemeinsamen, leichten Aktivitäten wie Spaziergängen oder anderen Freizeitbeschäftigungen können ebenfalls hilfreich sein.

Es ist jedoch entscheidend, Druck und hohe Erwartungen zu vermeiden. Stattdessen sollte der Fokus darauf liegen, der Person zu zeigen, dass sie geschätzt und nicht allein ist, während sie durch diesen schwierigen Prozess navigiert.

Wo Sie Hilfe finden

Informieren Sie sich umfassend über das Krankheitsbild. Je informierter Sie sind, umso besser können Sie die betroffene Person unterstützen.

Einige Anlaufstellen sind:

  • Die dargebotene Hand (Telefonnummer 143)
  • Stiftung Pro Mente Sana
  • Beratungstelefon lups 058 856 53 00 (kostenlos)
  • Pro Juventute
  • Gesundheitsförderung Kanton Luzern
  • Trialog-Zentralschweiz
  • Traversa (Netzwerk für Menschen mit einer psychischen Erkrankung und ihre Bezugspersonen)
  • VASK (Dachverband der Vereinigung von Angehörigen psychisch Kranker)
  • Equilibrium (Verein zur Bewältigung von Depressionen)

Wichtiger Hinweis: Diese Checklisten und Tipps ersetzen keine ärztliche oder psychotherapeutische Diagnosestellung.

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