Menschen mit einer Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) können in der Schweiz einen Nachteilsausgleich erhalten, der ihnen hilft, faire Bedingungen in Schule, Ausbildung und Studium zu bekommen. In der Schweiz ist die Chancengleichheit für alle Menschen in der Bundesverfassung verankert. Um diese Chancengleichheit zu erreichen, sollen im Falle von Benachteiligungen, wie sie zum Beispiel aufgrund einer Behinderung möglich sind, Ausgleichsmassnahmen ergriffen werden.
Das Recht auf Nachteilsausgleich bei ADHS
Menschen mit ADHS haben das Recht auf einen Nachteilsausgleich. Damit Betroffene von ADHS trotz ihrer Symptome und deren Auswirkungen im Bereich der Bildung nicht benachteiligt werden, haben sie ein Recht auf den Nachteilsausgleich. Dieser ist kein Vorteil, sondern eine Massnahme zur Gleichstellung. Kinder und Jugendliche mit Behinderungen haben einen gesetzlich verankerten Anspruch auf Massnahmen des Nachteilsausgleichs. Der Nachteilsausgleich soll sicherstellen, dass alle Personen dieselben Chancen haben - egal, ob in der Grundschule, in der Berufsausbildung oder an der Universität.
Was ist ein Nachteilsausgleich?
Unter dem sogenannten Nachteilsausgleich werden spezifische Massnahmen verstanden, die zum Ziel haben, behinderungsbedingte Nachteile aufzuheben oder zumindest zu verringern. ADHS kann es Schüler:innen erschweren, sich zu konzentrieren oder Aufgaben strukturiert zu erledigen. Damit sie dieselben Chancen wie Ihre Mitschüler:innen haben, können die Erziehungsberechtigten einen Nachteilsausgleich beantragen.
Dies bedeutet beispielsweise in der Grundbildung, dass Prüfungssituationen spezifisch an die Möglichkeiten des jeweiligen Kindes angepasst werden. Das betroffene Kind hat dieselben Lernziele, welche es für das Bestehen der Prüfung erfüllen muss. Jedoch kann sich die Art, wie das Kind seine Fähigkeiten und sein Wissen unter Beweis stellt, anders gestalten - eben im Rahmen der Möglichkeiten des Kindes.
Beispiel für einen Nachteilsausgleich in der Grundschule
Ein konkretes Beispiel könnte folgendermassen aussehen: Emma ist eine Primarschülerin der vierten Klasse und ist seit Geburt blind. Bei einer Realienprüfung zum Thema Ritter müssen die Schülerinnen und Schüler verschiedene Bilder von Schweizer Burgen ihrem jeweiligen korrekten Namen und Standort zuordnen. Emma kann die Bilder nicht sehen, weswegen ihr von der Lehrperson in einer separaten mündlichen Prüfung verschiedene Charakteristiken von Burgen vorgelesen werden, die Emma dann dem richtigen Namen und Standort zuordnen kann.
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Nachteilsausgleich im Gymnasium
In der Berufslehre und im Gymnasium gelten im Gegensatz zur Grundbildung andere Regeln für den Nachteilsausgleich. So muss ein schulpsychologisches Gutachten eingeholt werden, falls das betroffene Kind einen Nachteilsausgleich bei der Aufnahmeprüfung für das Gymnasium benötigt. Zudem muss die für den Übertritt verantwortliche Lehrperson darauf achten, dass Vornoten in den Fächern, die von der Behinderung negativ beeinflusst sind, keinen Einfluss auf den Werdegang des Kindes haben.
Voraussetzungen für den Antrag
Um einen Nachteilsausgleich bei ADHS in der Schweiz zu beantragen, benötigen Schüler:innen in der Regel eine medizinische Diagnose und ein ärztliches Attest, das bestätigt, dass ADHS die schulischen Leistungen beeinträchtigt. Ja, ADHS kann als Behinderung anerkannt werden, wenn die Einschränkungen den Alltag oder schulische sowie berufliche Leistungen stark beeinträchtigen. Neben der eigentlichen Diagnostik sollte das Gutachten auch Informationen hinsichtlich der individuellen Auswirkungen der diagnostizierten Einschränkung enthalten.
Wie und wo wird der Nachteilsausgleich beantragt?
Ein Nachteilsausgleich muss aktiv beantragt werden. Dies geschieht in der Regel durch ein Gesuch bei der Schule, Ausbildungsstelle oder Hochschule. Eine ärztliche Diagnose sowie weitere Nachweise sind oft erforderlich. Ein formeller Antrag wird von den Eltern oder Lehrpersonen bei der Schulleitung eingereicht. Der Antrag sollte schriftlich gestellt werden und muss in der Regel jedes Jahr neu beantragt werden. Es ist wichtig, im Antrag auch darauf hinzuweisen, dass die Schule dafür verantwortlich ist, die Informationen an alle beteiligten Lehrpersonen weiterzuleiten.
In der Schule wird der Nachteilsausgleich meist in Zusammenarbeit mit Lehrpersonen, Eltern und Schulpsychologinnen erarbeitet. Schulen arbeiten oft eng mit Schulpsycholog:innen und Lehrkräften zusammen, um den besten individuellen Nachteilsausgleich zu finden.
Auch in der Ausbildung müssen Betroffene den Nachteilsausgleich rechtzeitig beantragen. Wer eine Ausbildung erfolgreich abgeschlossen hat, steht vor der Frage, wie es mit der beruflichen Laufbahn weitergeht. Vor allem für Menschen mit ADHS ist es wichtig, dass sie in einem Umfeld arbeiten, in dem sie ihre Stärken und Fähigkeiten gut einbringen können.
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Im Studium ist der Nachteilsausgleich besonders wichtig, da Studierende hier oft mit grösseren Herausforderungen und einer höheren Selbstorganisation konfrontiert sind. Die Beantragung des Nachteilsausgleichs im Studium erfolgt direkt bei der jeweiligen Hochschule, oft in Absprache mit einer Beratungsstelle für Studierende mit Behinderungen.
Auch an der Universität oder Hochschule gilt: Durch den Nachteilsausgleich wird das Lernziel selbst nicht angepasst. Deswegen ist bei der Wahl des Studiums darauf zu achten, dass dessen Anforderungen grundsätzlich erfüllt werden können. Auch Zulassungsbedingungen müssen erfüllt werden. Ein Nachteilsausgleich kann auch für das Studium beantragt werden.
Die Interkantonale Hochschule für Heilpädagogik HfH hält in ihrer Wegleitung fest, es könne nie absolut eindeutige Kriterien geben, in welcher Form ein Nachteilsausgleich angemessen sei.
- «Die Nachteilsausgleichsmassnahme ist der Person in ihrer aktuellen Situation angemessen.
 - «Die Nachteilsausgleichsmassnahmen werden unter Einbezug des betroffenen Lernenden getroffen.
 - «Die formulierten Massnahmen des Nachteilsausgleichs sind ohne lange Erläuterungen verständlich und präzise.
 
Anlaufstellen und Zuständigkeiten
Wie in unserem föderalistischen System üblich, sind je nach Kanton unterschiedliche Stellen für die Prüfung eines Nachteilsausgleichs zuständig. Jeder Kanton hat eigene Anlaufstellen, die entsprechende Massnahmen bewilligen können. In der Regel hat sich die betroffene Person an die jeweilige Schule, Ausbildungsinstitution oder an die kantonalen Erziehungs- oder Bildungs-Departemente zu wenden.
Was tun bei Ablehnung des Antrags?
Wird der Antrag abgelehnt, können Eltern Einspruch erheben und gegen die Entscheidung vorgehen.
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