Begründer der sozial-kognitiven Lerntheorie

Die sozial-kognitive Lerntheorie geht auf Albert Bandura (geb. 1925) zurück. Gleichzeitig mit dem Behaviorismus entwickelten sich Theorien, die Lernen nicht nur als Reiz-Reaktions-Verkettungen ansahen, sondern als Resultat innerer Wahrnehmungs- und Informationsverarbeitungsprozesse. Damit werden kognitive Aspekte ins Spiel gebracht, das Individuum erwirbt neues Verhalten durch aktive Auseinandersetzung mit der Umwelt.

Klassische Lerntheorien und ihre Autoren

Das folgende Kapitel stellt die so genannten klassischen Lerntheorien und ihre Autoren in kurzen Zusammenfassungen vor. Anfänglich haben sich diese Theorien vor allem auf das Verhalten von Tieren bezogen; auf den Menschen wird als Spezialfall eines Tieres geschlossen.

Iwan Pawlow und die klassische Konditionierung

Die klassische Konditionierung ist eine der Grundlagen des lerntheoretischen Modells und besagt, dass einem natürlichen, meist angeborenen, sogenannten unbedingten Reflex durch Lernen ein neuer, bedingter Reflex hinzugefügt werden kann. Entdeckt wurde der bedingte Reflex durch den in Sankt Petersburg lebenden Physiologen Iwan Pawlow (1849-1936). Dieser untersuchte in den 90er-Jahren des 19. Jahrhunderts die Physiologie des Verdauungsapparates in Tierexperimenten (und zwar an Hunden). Dafür hatte er mit seinen Mitarbeitern Instrumente und Prozeduren zur genauen quantitativen Bestimmung des Speichelsekrets entwickelt.

Ein Reflex ist eine ungelernte Reaktion, wie Speichelfluss, Pupillenkontraktion etc. Das Futter ist der unkonditionierte Stimulus (UCS). Der Speichelfluss in Reaktion auf das Futter wird als unkonditionierte Reaktion (UCR) bezeichnet, weil er mit einem unkonditionierten Stimulus assoziiert ist. Wenn nun ein UCS (z. B. Futter) oft genug mit einem neutralen Stimulus kombiniert wird, wird dieser neutrale Stimulus schliesslich die Reaktion auslösen, die ursprünglich nur mit dem UCS assoziiert war (in diesem Falle Speichelfluss). Wenn z. B. jedesmal eine Glocke ertönt, wenn dem Hund Futter präsentiert wird, dann wird schliesslich die Glocke als konditionierter Stimulus (CS) die Reaktion des Speichelns auslösen. Dies ist nun eine konditionierte Reaktion (CR).

Die klassische Konditionierung ist die Grundlage für die Verhaltenstherapie, deren Techniken angewendet werden, um Ängste, Zwangshandlungen oder angstähnliche Symptome zu behandeln.

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Beispiel für klassische Konditionierung (nach Zimbardo & Gerrig, 2008, S.): Stelle dir vor, du bist im Kino und siehst dir einen Horrorfilm an. Als der Held sich einer geschlossenen Tür nähert, wird die Musik des Soundtracks düster und bedrohlich. Du hast plötzlich das Gefühl, aufschreien zu wollen: «Geh nicht durch diese Tür!» Du bemerkst zwischenzeitlich, dass dein Puls rast und dass du fürchterlich schwitzst. Aber warum? Irgendwie hat dein Körper gelernt, eine physiologische Reaktion (rasender Puls) zu produzieren, wenn ein Umweltereignis (beispielsweise angsterregende Musik) mit einem weiteren (unheimliches visuelles Ereignis) assoziiert ist.

Diese Art des Lernens wird als Klassisches Konditionieren bezeichnet. Es handelt sich um eine Grundform des Lernens, wobei ein Stimulus oder Ereignis das Auftreten eines anderen Stimulus oder Ereignisses vorhersagt. Der Organismus lernt eine neue Assoziation zwischen zwei Stimuli - einem Stimulus, der zuvor die Reaktion nicht hervorrief, und einem Stimulus, der die Reaktion natürlicherweise hervorruft.

John B. Watson und seine Kollegin Rosalie Rayner versuchten im Experiment mit dem «kleinen Albert» nachzuweisen, dass viele Furchtreaktionen als eine Paarung eines neutralen Stimulus mit etwas natürlich Furchtauslösendem verstanden werden können (Zimbardo und Gerrig, 2008). Watson und Rayner (1920) trainierten Albert, Furcht vor einer weissen Ratte zu haben, die er ursprünglich gerne mochte, indem sie das Erscheinen der Ratte mit einem aversiven UCS paarten - ein lautes Geräusch direkt hinter ihm, das durch Schlagen mit einem Hammer auf einen Stahlstab erzeugt wurde. Alberts Furcht entwickelte sich in nur sieben Konditionierungsdurchgängen. Als Albert lernte, vor dem gefürchteten Stimulus zu fliehen, erweiterte sich die emotionale Konditionierung zu einer Verhaltenskonditionierung.

Edward L. Thorndike und das Effektgesetz

Edward L. Thorndike (1874-1949) gilt als Pionier der amerikanischen Lerntheorien (Kriz, 2007). Seine Lerntheorie begründete die Grundlagen des Behaviorismus: Lernen ist für Thorndike die Bildung von Assoziationen (Verknüpfungen) zwischen Stimuli oder Situationen (S) und Reaktionen (R). Die Assoziationen oder Gewohnheiten werden verstärkt durch die Häufigkeit der Stimulus-Reaktions-Verbindungen (Konnektionismus). Reaktionen auf eine Situation, die belohnt werden, werden verstärkt und werden zu Gewohnheiten.

In seinen Experimenten benutzte Thorndike z. B. einen Käfig für Katzen, der von innen durch einen bestimmten Mechanismus zu öffnen war. Die Katze drückt einen bestimmten Hebel, und die Käfigtür öffnet sich. Das von Thorndike 1911 formulierte Effektgesetz macht den Erfolg des Verhaltens, auf das hin ein angestrebter Zustand eintritt, für die Fixierung der Handlung verantwortlich.

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John B. Watson und der Behaviorismus

John B. Watson (1878-1958) ist der Begründer des amerikanischen Behaviorismus. Unter diesem Titel verfasste Watson im Jahr 1913 einen Artikel, der oft als das behavioristische Manifest bezeichnet wird. Psychologie aus der Sicht des Behavioristen ist ein rein objektiver Zweig der Naturwissenschaften. Ihr theoretisches Ziel ist die Vorhersage und Kontrolle von Verhalten. Introspektion bildet keinen essenziellen Teil ihrer Methoden.

Am Anfang des 20. Jahrhunderts dominierte in Europa und besonders in Deutschland in der Psychologie die Introspektion, eine psychologische Forschungsmethode, bei der die Versuchspersonen über ihr bewusstes Erleben berichten (Kriz, 2007). Watson postulierte dagegen, dass Bewusstsein ein irrelevantes Konzept ist, da menschliches Handeln über das sichtbare Verhalten verstanden werden kann. Watsons Erklärung des Lernens basiert unmittelbar auf Pawlows Modell der klassischen Konditionierung.

Der Organismus ist eine Black-Box. Der Reiz (Stimulus) führt als Input über die Black-Box zur Reaktion (Output) als Ergebnis. Menschen werden mit einer Vielzahl von Reflexen geboren, sagt Watson. Diese Reflexe sind u.a. körperliche Reaktionen und Drüsenreaktionen, wie Speichelfluss in Reaktion auf Nahrung, oder Blinzeln in Reaktion auf einen Luftstoss, und eine Handvoll emotionaler Reaktionen wie Angst und Wut und Liebe. Jeder dieser Reflexe kann durch einen spezifischen Stimulus ausgelöst werden. So könnten z. B. Gefühle von Liebe durch Gestreicheltwerden ausgelöst werden; Angst dadurch, dass man plötzlich aus grosser Höhe fallengelassen wird und Ärger dadurch, dass man festgehalten wird.

Pawlows Modell klassischer Konditionierung stellt klar, behauptet Watson, dass jeder erkennbare Stimulus, der zum Zeitpunkt einer reflektorischen Reaktion vorhanden ist, als ein CS dienen kann. Wenn dieser Stimulus oft genug vorhanden ist, wird er schliesslich mit der Reaktion assoziiert. Watsons unerschütterliche Überzeugung, dass Erfahrungen alles determinieren, was Menschen tun und wissen, führt logischerweise zu dem Glauben, dass alle Menschen grundsätzlich gleich sind - dass die Unterschiede zwischen den Prominenten und den Unbekannten, den Armen und den Reichen, den Mutigen und den Ängstlichen nur eine Frage unterschiedlicher Erfahrungen und Chancen sind.

Diese inhärent egalitäre Sichtweise der menschlichen Bedingungen hat sich als äusserst populär erwiesen. Die Theorie eignet sich aber auch für strenge Vorschriften in der Kindererziehung und Ausbildung sowie für Ausbildung und Kontrolle beim Militär, in der Industrie und anderswo. Sie behauptet, dass menschliches Verhalten durch kluge Verknüpfungen von Stimulus- und Reaktionsereignissen kontrolliert werden kann.

Viele Behavioristen hatten mit der Entwicklung und Abgrenzung ihrer objektiven Psychologie gegenüber der Introspektion nicht nur wissenschaftliche Ziele im Auge, sondern sie wollten damit auch eine grössere Relevanz ihrer Ideen für die pädagogische und klinische Praxis erreichen. Im Gegensatz zu den Ergebnissen der Introspektion konnte das behavioristische Programm in diese Praxis einfliessen.

B.F. Skinner und die operante Konditionierung

Die behavioristische Lerntheorie von B.F. (Burrhus Frederic) Skinner (1904-1990) basiert auf dem Konzept der operanten (oder instrumentellen) Konditionierung. Verhaltensänderungen sind das Ergebnis individueller Reaktionen auf Ereignisse (Stimuli) in der Umgebung eines Individuums. Der Unterschied zur klassischen Konditionierung besteht darin, dass der Organismus selber Reaktionen generieren kann statt nur auf externe Stimuli zu reagieren.

Skinner unterscheidet deshalb (1) Antwortverhalten (auch: respondentes Verhalten, «elicited behavior»), bei dem der auslösende Stimulus beobachtbar ist, und (2) operantes Verhalten («emitted behavior»), eine spontan auftretende Reaktionsform, die (das Tier) also von sich aus hervorbringt. Verstärkung ist das wichtigste Element in Skinners S-R-Theorie. Bestrafung nennt man Konsequenzen, die das Auftreten eines Verhaltens unwahrscheinlicher machen.

Skinners Theorie beeindruckte viele Zeitgenossen durch ihre Sparsamkeit der Erklärung und durch die experimentelle Nachprüfbarkeit (Kriz, 2007). Überzeugend war auch Skinners Demonstration der Verhaltensformung (shaping) bzw. des Näherungslernens (approximation): Dabei wird nicht erst eine bestimmte Verhaltensleistung belohnt (etwa das Drücken einer Taste in der Skinner-Box - auf dessen zufällig spontanes Auftreten man ja zunächst lange warten müsste), sondern schon Verhaltensteile, die sich dem gewünschten Endverhalten annähern (z. B. Blicken in Richtung des Hebels, dann Hinlaufen, dann Pfote-Heben und letztlich das Drücken).

Komplizierte Verhaltenssequenzen können konditioniert werden, indem sie in kleine, oft spontan auftretende Schritte zerlegt werden. Dies ist eine wichtige Erkenntnis und Vorbild für viele verhaltenstherapeutische Pläne.

Clark L. Hull und die Formalisierung der Lerntheorie

Die Lerntheorie von Clark L. Hull (1884-1952) stellt in einem stark formalisierten System die Beziehungen dar, die zwischen Eingangs-, intervenierenden und Ausgangsvariablen bestehen sollten. Die Lerntheorie Hulls steht für Formalisierung und Rückgriff auf intervenierende Variablen. Das zentrale Element des Hull’schen Ansatzes ist die Verstärkungstheorie: Der Reiz (bzw. Stimulus) erhält hier den Charakter eines Hinweises („cue“ - z. B. bestimmte Wege im Labyrinth), der zusammen mit dem (An-)Trieb („drive“ - z. B. Hunger) für die Reaktion („response“ - Laufen dieser Wege) verantwortlich ist; wesentlich dabei ist aber - ähnlich wie schon bei Thorndike - die Erreichung eines lustbetonten Zustandes durch Verstärker („reward“ - hier: Futter) für die Verbindung zwischen diesem Verhalten und den vorangegangenen Reizen.

Edwin R. Guthrie und das Kontiguitätsprinzip

Edwin R. Guthrie (1886-1959) postuliert in seinem Ansatz: «Stimulusmuster, die zurzeit einer Reaktion aktiv sind, tendieren dazu, wenn sie wiederholt werden, diese Reaktion auszulösen». Gemäss Guthrie ist jeder Lernvorgang eine Konsequenz der Verknüpfung eines bestimmten Reizes (Stimulus) mit einer bestimmten Reaktion. Ausserdem argumentierte er, dass die Reize und Reaktionen spezifische sensomotorische Muster beeinflussen; gelernt werden also eher Bewegungen (movements), nicht Verhalten.

In der Kontiguitätstheorie spielen Belohnung und Bestrafung keine wesentliche Rolle. Wesentlich ist vielmehr die räumlich-zeitliche Nähe zwischen dem Reizmuster und der erfolgreichen Handlung (Kontiguitätsprinzip). Die Verbindung zwischen Reiz(muster) und Reaktion(smuster) erfolgt dabei in einem einzigen Durchgang, nach dem «Alles-oder-Nichts»-Gesetz und nicht graduell, wie von Hull postuliert (Kriz, 2007). Wiederholungen festigen das Gelernte durch Herausbilden von Gewohnheiten.

Albert Bandura und die sozial-kognitive Lerntheorie

Dieser postulierte, dass alle möglichen Verhaltensweisen über die Beobachtung des entsprechenden Verhaltens gelernt werden können. Das zentrale Konzept von Banduras Theorie ist das Beobachtungslernen. Dabei wird Verhalten durch die Beobachtung anderer Individuen erworben oder modifiziert. Gelernt wird nicht nur das Verhalten, sondern auch die Kenntnis der Konsequenzen. Die Imitation ist eine einfache Form von Beobachtungslernen, eine reflexhafte Nachahmung von beobachteten Verhaltensweisen, die man vielfach bei Säuglingen und im Tierreich nachweisen kann.

Gegenüber dem Lernen durch direkte Erfahrung (Konditionierungslernen) hat Beobachtungslernen den Vorteil, dass negative Konsequenzen, die bei Versuch-Irrtums-Lernen zwangsläufig auftreten, vermieden werden können. Ausserdem ist Lernen auch möglich, wenn das Modell nicht selbst anwesend ist, sondern beispielsweise als Film gezeigt wird, was die Lernmöglichkeiten deutlich erweitert (Petermann et al., 2011). Eine Sonderform des Beobachtungslernens bildet das Modelllernen, bei dem neue Verhaltensweisen erworben werden, die bislang nicht im Verhaltensrepertoire enthalten waren.

Wir lernen viel - sowohl prosoziales als auch antisoziales Verhalten - durch die Beobachtung von Modellen; allerdings gibt es viele mögliche Modelle, die zur Auswahl stehen. Welche Variablen bestimmen nun, welche Modelle am wahrscheinlichsten das Verhalten beeinflussen werden? wenn das Verhalten des Modells gut sichtbar und salient ist, d.h.

Im heilpädagogischen Arbeitsfeld sollte Lernen am Modell so gestaltet sein, dass die individuellen Lernvoraussetzungen eines Kindes berücksichtigt werden, z.B. Sinnes-, Aufmerksamkeits-, Wahrnehmungsleistungen sowie motorische Voraussetzungen. Modelllernen stellt bezüglich zahlreicher Verhaltensweisen (Sprache, Sozialverhalten, Handlungen) ein wichtiges Argument für gemeinsame Erziehung und Unterrichtung von Kindern mit und ohne Behinderungen dar. Günstige Bedingungen für Modelllernen sind die Identifikationsmöglichkeit mit dem Modell, eine emotional positive, entspannte Atmosphäre, das Gefühl der Freiwilligkeit bezüglich Annahme oder Ablehnung einer Handlungsweise (Bundschuh, 2008, S.

Praktische Anwendungen der kognitiven Modelle in der Heilpädagogik umfassen vor allem Verhaltenstrainings, wie sie z. B. in Petermann et al. Das Sozialverhalten wird von unterschiedlichsten Faktoren beeinflusst; als besonders wichtig haben sich sozial-kognitive Prozesse erwiesen, die bewirken, wie Jugendliche und Kinder (aber auch Erwachsene) handlungsrelevante Informationen aufnehmen, interpretieren, bewerten und weiter verarbeiten.

Wie wir Beziehungen und Kommunikation gestalten, hängt stark davon ab, wie wir Information aufnehmen, bewerten und in unser Erfahrungsspektrum einordnen. Kinder mit problematischem und aggressivem Verhalten dürften demnach Defizite auf den verschiedenen Stufen aufweisen, wie Petermann et al.

Der kompetente Umgang mit eigenen Gefühlen und den Gefühlen anderer ermöglicht die Entwicklung eines angemessenen Verhaltensrepertoires. Emotionen sind auf allen Stufen der kognitiven Verarbeitung sozialer Information mitbeteiligt (Petermann et al., 2006). Kinder sind emotional kompetent, wenn sie emotionale Fertigkeiten in sozialen Interaktionen anwenden können und so selbstwirksames Verhalten zeigen.

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