Herzrasen, Atemnot, Todesangst - wer eine Panikattacke einmal am eigenen Leib erlebt hat, fürchtet sie. Die Heftigkeit der Attacke ist derart prägend, dass selbst informierte Betroffene es für wahrscheinlich halten, dass gerade ein bedrohliches körperliches Problem vorliegt.
Was ist eine Panikattacke?
Eine Panikattacke ist eine plötzlich auftretende heftige Angstreaktion, die sich gelegentlich bis zur Todesangst entwickeln kann. Neben dem meistens auftretenden Angstgefühl gehören auch automatische und nicht willkürliche Gedanken dazu (zum Beispiel «Ich werde kollabieren!»). Praktisch immer treten auch körperliche Reaktionen auf. Das sind meist Zeichen des stressaktivierten vegetativen Nervensystems wie Herzrasen, heisser Kopf, Schwitzen, Zittern, Druck auf der Brust, Klossgefühl im Hals, hoher Blutdruck, Schwindel usw. Oft stehen diese körperlichen Symptome derart im Vordergrund, dass die Betroffenen unsere Notfallstation aufsuchen mit dem Gedanken, dass eine schwere körperliche Krankheit, zum Beispiel ein Herzinfarkt vorliegt.
Definitionsgemäss treten Panikattacken ohne Auslöser auf. Dies im Gegensatz zu den Phobien, also den gerichteten Ängsten, bei denen ein Auslöser bekannt ist. Ein einfaches Beispiel dafür ist die Spinnenphobie.
Symptome einer Panikattacke
Panikattacken machen sich sowohl körperlich als auch psychisch bemerkbar. Die Symptome treten meist unvermittelt auf und können sehr beängstigend sein. Weil der Körper denkt, er sei in Gefahr, schüttet er die Stresshormone Cortisol und Adrenalin aus. Dadurch verengen sich Blutgefässe, was zu einem schnelleren Herzschlag und flacherem Atem bis hin zu Atemnot führen kann. Diese Symptome sorgen dafür, dass Betroffene Todesängste ausstehen müssen. Weiter tritt starkes Schwitzen, Blässe sowie Zittern auf. Oft wird die Verdauung in Mitleidenschaft gezogen: berichtet wird von Übelkeit, Brechreiz oder Durchfall.
Manche Menschen haben auch grosse Angst, vor lauter Panik verrückt zu werden und die Kontrolle über ihr Handeln zu verlieren. Neben dem starken Gefühl der Angst kann die sogenannte Depersonalisierung auftreten. Betroffene fühlen sich dann verwirrt oder als wären sie nicht ganz da. Bei einer Derealisierung erscheint die Umgebung unwirklich, als würde alles durch Milchglas wahrgenommen werden.
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Vor allem Herzschlag und Atmung sind während einer Panikattacke anormal. Bei den meisten Angstpatient:innen dauert eine Panikattacke ungefähr eine halbe Stunde.
Was tun während einer Panikattacke?
Panikattacken fühlen sich sehr bedrohlich an. Rufen Sie sich ins Gedächtnis, dass es sich nicht um eine körperliche Bedrohung handelt, sondern um eine Panikattacke. Vielen Betroffenen hilft es zudem, sich bewusst auf die Umgebung zu konzentrieren. Es wird empfohlen, die Panikattacke an Ort und Stelle durchzustehen oder sich an einen ruhigen Platz in der unmittelbaren Umgebung zu begeben. Flüchten Sie weit weg, kann es zu einer Assoziation des Ortes mit der Panikattacke kommen und es besteht die Gefahr, dass Sie diesen Ort in Zukunft meiden werden.
Es ist wichtig, selbst Ruhe zu bewahren, sich der betroffenen Person zuzuwenden und ihre Beschwerden ernst zu nehmen. Sprechen Sie mit der Person und leiten Sie sie zu einer regelmässigen, tiefen Bauchatmung an. Diese ruhige Zuwendung kann die Panik sehr rasch mildern. Fragen Sie konkret, wie Sie helfen können. Viele Betroffene haben Erfahrung und können sagen, was ihnen guttut.
Konzentrieren Sie sich auf Ihre Atmung. Die sogenannte 4-7-8-Atmung wirkt beruhigend und verhindert Hyperventilieren. Dafür atmen Sie vier Sekunden lang ein, halten die Luft sieben Sekunden lang an und atmen acht Sekunden lang aus. Setzen Sie Grenzen. Wenn Sie kurz vor einer Panikattacke sind, verlassen Sie die Situation und begeben Sie sich an einen Ort, an dem Sie sich wohler fühlen. Auch wenn sich das im ersten Moment komisch anfühlt, ist es besser, als mitten im Getümmel in Panik zu verfallen. Bitten Sie um Hilfe. Wenn Sie etwas brauchen, einen Schluck Wasser vielleicht oder Ihre Notfallmedikamente, bitten Sie Anwesende um Hilfe. Ihr Umfeld ist vielleicht selbst überfordert mit der Situation und froh, wenn Sie klar kommunizieren, was zu tun ist. Wollen Sie zum Beispiel lieber nicht angefasst werden oder würde Ihnen eine Umarmung guttun? Reden Sie sich gut zu. Gestehen Sie sich ein, dass Sie eine Panikattacke haben und darunter leiden.
Ursachen und Risikofaktoren
Beim Entstehen von Ängsten spielt die genetische Veranlagung eine grosse Rolle. Angsterkrankungen können familiär, also durch Vererbung oder auch «Modelllernen», also das Kopieren des Verhaltens von Bezugspersonen, mitbedingt sein. Auch Stresssituationen wie Konflikte, Trennung oder finanzielle Schwierigkeiten haben einen starken Einfluss. Dasselbe gilt übrigens für psychosoziale Faktoren wie Gewalt in der Familie, Missbrauchs- oder Verlusterfahrungen.
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Auch Persönlichkeitsmerkmale wie Perfektionismus oder «nicht Nein sagen können» führen zu Stress, was in der Folge auch Angstzustände begünstigen kann. Stress, emotionale Belastungen und negative Denkmuster spielen bei der Entwicklung von Panikattacken und damit auch einer Panikstörung eine wichtige Rolle.
Die Ursachen für Panikstörungen sind vielfältig: Eine genetische Veranlagung, in Stresssituationen mit Panik zu reagieren; negative Erfahrungen wie Mobbing, Vernachlässigung, sexuelle Gewalt, Traumata; Umwelteinflüsse wie die Corona-Pandemie oder die Klimakrise, die das Unsicherheitsgefühl der Betroffenen verstärkt. Auch wer den Umgang mit Angst als Kind nicht erlernt hat, ist anfälliger für eine Panikstörung. Zudem sei es wissenschaftlich erwiesen, dass psychisch ungesundes Verhalten bei Gleichaltrigen, die dafür anfällig sind, ebenso zu psychischen Problemen führen kann.
Panikstörung
Panikattacken können einmalig oder in grossen Abständen vorkommen. Wenn sie wiederholt auftreten, sprechen wir von einer Panikstörung. Aus einer Panikstörung entwickelt sich oft auch eine Agoraphobie, also die Angst vor öffentlichen Plätzen oder Orten, von denen man nicht flüchten kann.
Sowohl die Panikstörung als auch die Phobien zeichnen sich durch Vermeidungsverhalten aus, was das eigentliche Problem darstellt bei diesen Erkrankungen: Betroffene meiden dann Situationen, von denen sie denken, dass sie erneute Angstattacken provozieren. Dadurch werden die Panikattacken zwar tatsächlich seltener, aber die Personen werden im Alltag immer stärker eingeschränkt und vermeiden beispielsweise soziale Kontakte oder den öffentlichen Verkehr. Diese «Angst vor der Angst» (sogenannte Erwartungsangst) wird dann zum eigentlichen Problem der Erkrankung.
Behandlung von Panikattacken und Panikstörungen
Panikattacken und Panikstörungen sind bei frühzeitiger und richtiger Diagnose mit Psychotherapie gut behandelbar, zum Beispiel mit einer kognitiven Verhaltenstherapie oder einer Pharmakotherapie (Medikamente wie SSRI, SNRI). Bei akuten Panikattacken helfen Benzodiazepine, sogenannte Angstlöser. Diese sollten aber in Absprache mit dem Arzt in der Regel nur über kürzere Zeit eingenommen werden, da sie ein gewisses Abhängigkeitspotenzial haben.
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Panikattacken werden meist mit einer Kombination aus Medikamenten und Psychotherapie behandelt. Patient:innen sollen lernen, ihre Krankheit zu verstehen und besser mit ihr umzugehen. In einem nächsten Schritt geht es darum, Ängste immer mehr abzubauen, um Panikattacken langfristig zu vermeiden. Am Anfang einer jeden Therapie steht jedoch der Besuch bei einer Fachperson. Das können Hausärzte, Psycholog:innen oder Psychiater:innen sein. Wichtig ist, dass Sie offen mit Ihren Beschwerden umgehen und sie nicht als «übertrieben» oder «ungerechtfertigt» abtun.
Unter Anleitung einer Fachperson stellen sich Patient:innen stufenweise ihren Ängsten, um ihr Vermeidungsverhalten abzulegen und besser mit ihrer Krankheit umzugehen. Oft wird der angstauslösenden Situation in einem ersten Schritt in der virtuellen Realität begegnet. Konfrontationstherapien erfolgen einzeln oder in Gruppen.
Da Angststörungen oftmals zusammen mit Depressionen auftreten, können Antidepressiva Abhilfe schaffen. Üblicherweise werden selektive Serotoninwiederaufnahmehemmer (SSRI) mit stimmungsaufhellender und angstlösender Wirkung verschrieben. Als Notfallmedikation haben sich stark angstlösende Medikamente wie Benzodiazepine bewährt. Diese sollten wegen ihres hohen Suchtpotenzials nur im äussersten Notfall und nie über einen längeren Zeitraum angewendet werden.
Was können Sie selbst tun?
Betroffenen rate ich daher, den eigenen Lebensstil zu überdenken. Andauernder Stress führt zu Spannungszuständen, welche die Entwicklung von Panikattacken begünstigen. Zudem kann es helfen, Entspannungstechniken wie progressive Muskelentspannung, Yoga oder autogenes Training zu erlernen. Genügend Schlaf und eine ausgewogene Ernährung wirken vorbeugend.
Oft sind Betroffene beispielsweise nur schon dadurch entlastet, wenn sie lesen, dass noch nie jemand an einer Panikattacke verstorben ist - weil ja in den Attacken dieser Gedanke tatsächlich oftmals auftritt und diesem auch Glauben geschenkt wird.
Ich rate generell dazu, sich frühzeitig Hilfe zu holen. Das grösste Problem in der Behandlung von Panikstörungen ist die Chronifizierung, die oftmals schon eingetreten ist, wenn die Betroffenen bei uns Fachärzt:innen und Fachpsycholog:innen eintreffen. Es ist viel einfacher, Panikattacken zu behandeln als das Vermeidungsverhalten, also die oben genannte «Angst vor der Angst».
Einige Betroffene empfinden physische Reize, wie sie zum Beispiel scharfe Kaugummis auslösen, als hilfreich. Andere schwören auf Duftöle, die entweder anregend (Pfefferminze) oder beruhigend (Lavendel) sein können. Atemübungen, frische Luft und laute Musik können starken Angstgefühlen ebenfalls entgegenwirken.
Hilfe für Jugendliche
Leidet das eigene Kind unter Panikattacken, kann das für Eltern sehr belastend sein. Die niederschwellige Pro Juventute Elternberatung hilft, die eigenen Sorgen einzuordnen. Im Gespräch wird beratschlagt, ob Hilfe von aussen notwendig ist und wohin sich Eltern und Jugendliche gegebenenfalls wenden können.
Helfen Sie den Heranwachsenden, frühe Signale richtig einzuschätzen. Manchmal kündigt sich eine Panikattacke an, beispielsweise mit einem trockenen Mund oder Herzrasen. Überlegen Sie gemeinsam Strategien, um die Panik zu bewältigen.
Statistiken
Circa 10 Prozent der Männer und 20 Prozent der Frauen erfüllen irgendwann innerhalb eines Jahres die Kriterien irgendeiner Angststörung. Das Gesundheitsobservatorium OBSAN beziffert die Häufigkeit der Panikstörung in der Schweiz auf 3,1 Prozent, wobei auch hier Frauen doppelt so häufig betroffen sind wie Männer.
Zusammen mit den Phobien und der generalisierten Angststörung gehört sie zur Gruppe der Angststörungen. Es handelt sich um die am häufigsten auftretende Krankheitsgruppe in der Psychiatrie.
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