Ursachen von Depressionen

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Wie eine Depression entsteht, ist bis heute noch nicht vollständig geklärt. Mediziner gehen davon aus, dass dabei immer mehrere Faktoren zusammenspielen. Dazu gehören biologische, genetische und psychosoziale Auslöser. Wie gross der Einfluss der verschiedenen Faktoren ist, ist von Fall zu Fall verschieden. Lesen Sie hier, welche Ursachen für eine Depression infrage kommen!

ICD-Codes für diese Krankheit: ICD-Codes sind international gültige Verschlüsselungen für medizinische Diagnosen. Sie finden sich z.B. in Arztbriefen oder auf Arbeitsunfähigkeits­bescheinigungen. F53 F39 F92 F33 F34

Was ist eine Depression?

Eine Depression ist eine psychische Erkrankung. Betroffene fühlen sich ständig niedergeschlagen, antriebslos, interessenlos, in tiefer Stimmung oder gefühllos. Sie kann von körperlichen Problemen, Appetitlosigkeit und Schlafstörungen begleitet sein.

Eine Depression entsteht zumeist aus dem Zusammenwirken von verschiedenen Faktoren. Wie wichtig die einzelnen Faktoren bei der Entstehung einer Depression sind, ist individuell unterschiedlich. Als Auslöser wirken oft sehr belastende Ereignisse, Verluste oder Überforderungssituationen, auf welche Betroffene sensibler reagieren als andere Personen.

Als grundlegendes Paradigma wird in der klinischen Psychologie das Vulnerabilitäts-Stress-Modell verwendet. Die Vulnerabilität beschreibt dabei die individuelle Anfälligkeit eines Menschen, an einer psychischen Störung zu erkranken. Diese kann unter anderem genetisch aber auch durch Lernerfahrungen wie zum Beispiel kindliche Traumata oder emotionale Vernachlässigung bedingt sein. Bei erhöhter Vulnerabilität reichen bereits geringere aktuelle oder chronische Belastungen aus, um einen Krankheitsausbruch zu bewirken, während bei geringer Vulnerabilität die Belastungen dementsprechend grösser sein müssen. Diese Schwelle zum Krankheitsausbruch wird durch unterschiedliche Risiko- und Schutzfaktoren (zum Beispiel die soziale Unterstützung aus dem Umfeld) beeinflusst.

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Im Folgenden werden sowohl psychosoziale als auch biologische Aspekte betrachtet, welche eine zentrale Rolle bei der Entstehung einer Depression spielen können. Die beiden Aspekte schliessen sich dabei nicht aus, sondern ergänzen sich im Sinne des Vulnerabilitäts-Stress-Modells. Eine Depression ist somit nicht entweder psychosozial oder biologisch bedingt, sondern ein beidseitiges Zusammenwirken.

Psychosoziale Aspekte

Veränderte Lebensumstände und Stress

Tiefgreifende Lebensereignisse, welche mit einem Verlust oder Rollenwechsel zusammenhängen (wie zum Beispiel das Elternwerden oder die Berentung), können das Risiko für eine Depression erhöhen. Auch anhaltende Stressbelastungen, wie beispielsweise Mobbing am Arbeitsplatz, Langzeitarbeitslosigkeit oder Konflikte in der Familie begünstigen eine Depression.

Erlernte Hilflosigkeit

Das Konzept der erlernten Hilflosigkeit wurde vom amerikanischen Psychologen Martin Seligman eingeführt und mit Tierversuchen vorwiegend an Hunden untersucht. Für Seligman sind Ursachenzuschreibungen von entscheidender Bedeutung. Wenn Ursachen für ein negatives Ereignis wie folgt eingeschätzt werden, kann das depressionsauslösend wirken:

  • intern (das Problem liegt bei sich persönlich)
  • global (das Problem ist allgegenwärtig)
  • stabil (das Problem ist unveränderlich)

So kann sich die Überzeugung entwickeln, dass man nicht fähig ist, die eigene Lebenssituation zu verändern und für den Zustand selbst verantwortlich ist. Es resultiert ein Gefühl der Hilflosigkeit.

Kognitive Schemata

Ähnlich wie bei der erlernten Hilflosigkeit sind auch bei kognitiven Schemata negative Lebenserfahrungen für eine Depression ursächlich. Kognitive Schemata sind Muster, wie Informationen von Personen verarbeitet werden. Personen mit einer Depression verwenden dabei vor allem dysfunktionale Schemata, welche die wahrgenommene Realität zu sich selbst, der Welt und der Zukunft negativ verzerren.

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Es sind nicht immer das Schicksal oder die Gene: Auch die persönliche Lebenseinstellung hat einen Einfluss auf das Depressionsrisiko. Menschen, die schlecht von sich und über die Welt denken und für die Zukunft schwarz sehen, werden eher depressiv. Ein gutes Selbstwertgefühl und Optimismus schützen hingegen vor Depressionen.

Negative Denkmuster und Vorstellungen lassen sich durch entsprechende Übungen positiv verändern.

Biologische Aspekte

Genetische Veranlagung

Eine Depression ist zwar nicht direkt vererbbar, jedoch können bestimmte genetische Merkmale das Risiko für eine Erkrankung erhöhen. Ein Beispiel dafür ist das FKBP5-Gen, welches die Kontrolle über das Stresshormonsystem blockiert und so zu einer überschießenden Stressantwort führen kann.

Zwillings- und Adoptionsstudien haben gezeigt, dass Depressionen auch eine genetische Wurzel haben. Das Risiko, an einer Depression zu erkranken, ist um 50 Prozent höher, wenn andere Blutsverwandte ersten Grades bereits erkrankt sind. Wenn also etwa eine Mutter an einer depressiven Störung leidet, ist dies ein Risikofaktor für das Kind - besonders dann, wenn die Störung bereits in einem frühen Alter auftrat.

Stoffwechsel- und Funktionsstörungen im Gehirn

Ebenfalls beteiligt sind bestimmte Botenstoffe (Neurotransmitter), welche für das Zusammenspiel und Kommunikation der Zellen im Körper wichtig sind. Bei einer Depression sind Botenstoffe wie zum Beispiel Serotonin und Noradrenalin, welche die Stimmung positiv beeinflussen, im Ungleichgewicht. Diese Erkenntnis gilt als Erklärungsmodell für die Wirkung der Medikamentengruppe der Antidepressiva. Antidepressiva erhöhen diverse Botenstoffe und können Symptome einer Depression mindern. Jedoch sprechen nicht alle Betroffenen auf Antidepressiva an, was für individuelle Ausprägungen des Ungleichgewichts im Neurotransmittersystem spricht.

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Nervenzellen im Gehirn kommunizieren untereinander über elektrische Impulse und Botenstoffe, sogenannte Neurotransmitter. Es gibt Hinweise darauf, dass dieser sogenannte Hirnstoffwechsel während einer Depression verändert ist. So ist ein gestörter Noradrenalin- oder Serotoninspiegel im Gehirngewebe möglicherweise mitverantwortlich für eine Depression. Sind diese Botenstoffe nicht im Gleichgewicht, stört das den Austausch zwischen den Nervenzellen. Und das wiederum beeinflusst Gefühle und Gedanken negativ.

Hormone / Schwangerschaft

Frauen sind zweimal so häufig von einer Depression betroffen wie Männer. Eine mögliche Erklärung ist, dass Frauen aufgrund hormoneller Schwankungen gefährdeter sind. Solche Hormonschwankungen treten etwa im Laufe des Menstruationszyklus sowie während und nach einer Schwangerschaft auf.

Nach der Geburt eines Kindes sind ungefähr 10 bis 15 Prozent der Frauen von einer postpartalen Depression betroffen. Diverse Hormone wie zum Beispiel Progesteron, Östrogen und Schilddrüsenhormone sind dabei im Ungleichgewicht.

Fehlregulierte Stresshormone

Andere Erklärungsansätze bezüglich der Ursache von Depressionen sehen eine Fehlregulation der Stresshormone Adrenalin, Noradrenalin und Cortisol im Mittelpunkt. Insbesondere hat man bei depressiven Menschen einen erhöhten Cortisolspiegel festgestellt. Ein solcher kommt als Auslöser einer Depressionserkrankung infrage, aber auch als deren Folge.

Stress als Auslöser

Stress spielt bei der Entstehung einer Depression eine entscheidende Rolle. Umgekehrt verursacht eine Depression auch selbst Stress - beispielsweise, weil durch die Erkrankung viel Lebensqualität verloren geht. Manche Lebensphasen sind per se mit verstärktem Stress verbunden. Dazu gehören beispielsweise die Pubertät oder der Eintritt in die Rente. In solchen Phasen steigt daher das Depressionsrisiko.

Auch einschneidende Lebensereignisse sind belastend. Dazu gehören negative Erfahrungen wie Jobverlust, Trennung oder eine schwere Krankheit. Allerdings verursachen auch positive Ereignisse Stress: So steigt bei einer Beförderung, der Geburt eines Kindes oder einer Hochzeit ebenfalls die Wahrscheinlichkeit, an einer Depression zu erkranken.

Tatsächlich berichten Menschen mit Depressionen oft von schwierigen Ereignissen vor Ausbruch der Krankheit. In vielen anderen Fällen taucht eine Depression hingegen scheinbar aus dem Nichts auf.

Risikofaktor weibliches Geschlecht

Frauen erkranken etwa doppelt so häufig an einer Depression wie Männer.

Hinzu kommt, dass Depressionen bei Männern seltener entdeckt werden. Manche scheuen sich, Schwäche zu zeigen und Hilfe zu suchen. Sie haben aber auch zum Teil untypische Symptome wie aggressives und exzessives Verhalten, was die Diagnose erschwert.

Körperliche Erkrankungen

Manche körperlichen Krankheiten begünstigen eine Depression. Besonders Erkrankungen des Gehirns sowie Hormonstörungen beeinflussen die Gefühlswelt. Zu letzteren zählen etwa Schilddrüsenunter- und Schilddrüsenüberfunktion oder das sogenannte Cushing-Syndrom, bei dem die Nebennieren zu grosse Mengen an Cortisol ausschütten - die Folge ist oft eine depressive Phase.

Schwere und chronische Krankheiten sind zudem eine Dauerbelastung für die Psyche. So entwickeln Menschen, die unter Krebs, schweren Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Diabetes leiden, häufig Depressionen. Möglich ist zudem, dass die zur Behandlung eingesetzten Medikamente oder mit der Krankheit verknüpfte physiologische Prozesse das Depressionsrisiko erhöhen.

Umgekehrt beeinflusst eine Depression den Verlauf solcher Erkrankungen ungünstig oder fördert sogar ihre Entstehung. Bei einer solchen Kombination aus körperlichen und seelischen Erkrankungen gilt es also immer, das psychische und das körperliche Leiden gleichermassen zu behandeln.

Medikamente und Drogen

Die Einnahme bestimmter Medikamente schlägt gelegentlich ebenfalls auf die Stimmung.

Jahreszeit

Wie bereits in Teil 1: Symptome und Diagnosen beschrieben, kann die Jahreszeit ein Faktor für eine Depression sein. Betroffene reagieren auf jahreszeitliche Veränderungen, was zu einer jahreszeitlichen Schwankung des Vitamin B durch Sonnenlicht führt. Frauen leiden viermal häufiger an einer Winterdepression.

Wie Sie sehen sind die Ursachen einer Depression sehr vielschichtig. Oft entsteht eine depressive Störung aus einer Kombination von genetischen, psychosozialen und umweltbedingten Faktoren.

Tabelle: Einflussfaktoren auf das Depressionsrisiko

Faktor Einfluss
Genetische Veranlagung Erhöhtes Risiko bei familiärer Vorbelastung
Gestörter Botenstoffwechsel Ungleichgewicht von Serotonin, Noradrenalin
Fehlregulierte Stresshormone Erhöhter Cortisolspiegel
Weibliches Geschlecht Hormonelle Schwankungen
Körperliche Erkrankungen Besonders Erkrankungen des Gehirns und Hormonstörungen
Medikamente und Drogen Bestimmte Substanzen können Depressionen auslösen
Jahreszeit Lichtmangel im Winter kann Winterdepressionen verursachen
Negative Denkmuster Pessimistische Lebenseinstellung

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