Sigmund Freud: Der Begründer der Psychoanalyse
Sigmund Freud gilt als Begründer der Psychoanalyse - eines revolutionären Ansatzes zur Erforschung des menschlichen Geistes und zur Behandlung psychischer Erkrankungen. Vor Freud wurde seelisches Leid oft ausschliesslich auf körperliche Ursachen zurückgeführt. Er veränderte dieses Paradigma grundlegend, indem er postulierte, dass viele psychische Störungen aus unbewussten inneren Konflikten entstehen - und dass sie sich durch ein reflektierendes Gespräch lindern lassen.Freuds einflussreiche, aber umstrittene Beiträge
Freuds Beiträge zur Psychologie waren ebenso einflussreich wie umstritten. Er prägte zentrale Konzepte wie das Unbewusste, Verdrängung und die Traumdeutung. Sein Modell der Psyche - bestehend aus Es (Triebe), Ich (Vermittler zur Realität) und Über-Ich (moralisches Gewissen) - zählt bis heute zu den bekanntesten Theorien der Persönlichkeitspsychologie. Sein Einfluss reichte jedoch weit über seine eigenen Theorien hinaus. Schüler und Weggefährten wie Carl Jung und Alfred Adler gingen zunächst aus seiner Schule hervor, bevor sie eigene psychologische Richtungen entwickelten.Viktor Frankl: Der Mensch auf der Suche nach Sinn
Das Leben von Viktor Frankl war geprägt von extremen Erfahrungen - und aus eben diesen formte er eine Psychologie des Sinns und der seelischen Widerstandskraft. Aus dieser Erkenntnis entstand die Logotherapie, eine Form existenzieller Analyse, die den „Willen zum Sinn“ als grundlegende menschliche Motivation versteht.Frankls Logotherapie: Sinnfindung als zentrale Motivation
Während Freud das Lustprinzip und Adler den Machtwillen betonte, vertrat Frankl die Ansicht, dass Menschen vor allem Zweck und Bedeutung brauchen - sei es durch Kreativität, Liebe oder die bewusste Auseinandersetzung mit Schmerz. Sein 1946 erschienenes Buch “ …trotzdem Ja zum Leben sagen: Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager” wurde weltweit bekannt. Die logotherapeutische Praxis umfasste Techniken wie paradoxe Intention und Dereflektion, doch ihr eigentlicher Kern lag im Appell an die persönliche Entscheidungskraft. Frankl schrieb: „Wer ein Warum zum Leben hat, erträgt fast jedes Wie.“ Mit diesem Ansatz brachte er existenzphilosophisches Denken in die Psychotherapie ein - und inspirierte Generationen von Therapeutinnen, Beraterinnen und Philosoph*innen weltweit.Frankl sah die Sinnsuche als Hauptmotivation des Menschen: „Der Mensch ist nicht auf Glück, sondern auf Sinn angelegt.“ 1926 verwendete er erstmals den Begriff Logotherapie.
Frankls Erfahrungen im Konzentrationslager
1942 heiratete er und wurde kurz darauf mit seiner Frau und seinen Eltern ins Konzentrationslager Theresienstadt deportiert. Ausser ihm überlebte niemand seiner Familie die Lagerzeit. In seinem eindrucksvollen Buch „… trotzdem Ja zum Leben sagen. Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager“ verarbeitet der Häftling mit der Nummer 119104 seine Erlebnisse. Für ihn kommt es auf die innere Haltung an, mit der man existenziellen Krisen begegnet und diese als „innere Bewährungsprobe“ annimmt. So sei es möglich, „aus seinem blossen Leidenszustand eine innere Leistung zu gestalten“ und selbst schwerste Krisen seelisch heil zu überstehen.Nicht jeder in Auschwitz konnte oder wollte dem folgen. Frankl, der dort als ärztlicher Seelsorger arbeiten durfte, traf im KZ auf viele Menschen mit Selbsttötungsabsichten. Er versuchte, seinen Mithäftlingen eine Perspektive zu zeigen, „dass das Leben von ihnen etwas erwarte, dass etwas im Leben, in der Zukunft, auf sie warte“.
Für ihn selbst war es der Wille, seine von der Gestapo vernichtete Habilitationsschrift über die Logotherapie wieder zu rekonstruieren.Frankls Wirken nach dem Krieg
Nach dem Krieg leitete Frankl von 1946 bis 1970 in Wien die Neurologische Poliklinik und begründete die österreichische Ärztegesellschaft für Psychotherapie. 1955 wurde er Professor für Neurologie und Psychiatrie in seiner Heimatstadt, erhielt aber auch Gastprofessuren in Harvard, Cambridge und Stanford. Daneben schrieb Frankl rund 30 Bücher, die auch Dank ihrer guten Verständlichkeit in 22 Sprachen übersetzt wurden. Von seinem populärsten Werk „Man’s search for meaning“ (Trotzdem ja zum Leben sagen) wurden allein in den USA vier Millionen Exemplare verkauft.Das Viktor Frankl Seminarzentrum in Wien führt seit 2004 mit umfangreichen Vorträgen, Workshops und Fortbildungen das Erbe seines Namensgebers fort. Dort befindet sich auch das nach eigenen Angaben weltweit erste Viktor Frankl Museum.
Gemeinsamkeiten und Unterschiede
Sowohl Freud als auch Frankl waren bedeutende Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts, die die Psychologie massgeblich beeinflusst haben. Beide stammten aus Wien und waren jüdischer Herkunft. Sie kannten sich persönlich und standen in Kontakt.Ein wesentlicher Unterschied liegt jedoch in ihrem Menschenbild. Freud sah den Menschen vor allem als triebgesteuertes Wesen, während Frankl den Menschen als sinnsuchendes Wesen betrachtete. Freud betonte die Bedeutung des Unbewussten, während Frankl die Bedeutung des Bewusstseins und der Verantwortungsübernahme hervorhob.
Die drei Wege zur Sinnfindung nach Frankl
Frankl (2019) sieht drei Möglichkeiten, Sinn zu finden:- durch Taten und Werke,
- dadurch, etwas oder jemanden zu erleben resp. zu lieben und
- in sehr schwierigen (Grenz-) Situationen am Leiden zu wachsen oder dieses in etwas Gutes zu verwandeln.
Es geht also darum, etwas zu erschaffen, etwas Wertvolles zu erleben und zu bezeugen oder eine gute innere Haltung zu entwickeln und zu leben.
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Frankl war der Meinung, dass Sinn nicht gegeben oder erzeugt werden kann, sondern in jeder konkreten Situation gefunden werden muss. Dies geschieht allerdings vor dem Hintergrund der Einzigartigkeit der Person. Wir sollten uns also fragen, was die in der Situation liegende Aufgabe für uns als individuelle Menschen mit unseren spezifischen Fähigkeiten und Erfahrungen sein könnte.Fazit
Sowohl Sigmund Freud als auch Viktor Frankl haben mit ihren Theorien und Methoden die Psychologie nachhaltig geprägt. Während Freud die Psychoanalyse begründete und das Unbewusste in den Fokus rückte, entwickelte Frankl die Logotherapie und betonte die Bedeutung der Sinnfindung im Leben. Beide Ansätze haben ihre Berechtigung und können dazu beitragen, das menschliche Verhalten und Erleben besser zu verstehen.| Merkmal | Sigmund Freud | Viktor Frankl |
|---|---|---|
| Theoretischer Ansatz | Psychoanalyse | Logotherapie und Existenzanalyse |
| Menschenbild | Triebgesteuertes Wesen | Sinnsuchendes Wesen |
| Schwerpunkt | Unbewusstes | Bewusstsein und Verantwortungsübernahme |
| Zentrale Motivation | Lustprinzip | Wille zum Sinn |
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