Das Arbeitsvertragsrecht geht vom Grundsatz der Kündigungsfreiheit aus. Ein unbefristetes Arbeitsverhältnis kann von jeder Vertragspartei unter Einhaltung der gesetzlichen oder vertraglichen Kündigungsfrist gekündigt werden (Art. 335 Abs. 1 OR). Für die Rechtmässigkeit einer Kündigung bedarf es grundsätzlich keiner besonderen Gründe (BGE 136 III 513 E. 2.3; 132 III 115 E. 2.1; 131 III 535 E. 4.1; 127 III 86 E. 2a).
Die Kündigungsfreiheit findet aber ihre Grenzen am Missbrauchsverbot. Missbräuchlich ist die Kündigung nur, wenn sie aus bestimmten unzulässigen Gründen ausgesprochen wird, die in Art. 336 OR umschrieben werden, wobei diese Aufzählung nicht abschliessend ist. Es sind deshalb - neben den in Art. 336 OR aufgeführten - weitere Tatbestände denkbar und vom Bundesgericht auch schon mehrfach anerkannt worden (BGE 136 III 513 E. 2.3; 134 III 108 E. 7.1; 132 III 115 E. 2.1; Urteil 4A_44/2021 vom 2. Juni 2021 E. 4.1.1.). Der Vorwurf der Missbräuchlichkeit setzt indessen voraus, dass die geltend gemachten Gründe eine Schwere aufweisen, die mit jener der in Art. 336 OR ausdrücklich aufgeführten vergleichbar ist (BGE 132 III 115 E. 2.1; 131 III 535 E. 4.2; zit. Urteil 4A_44/2021 E. 3.2.
Missbräuchliche Kündigung: Was ist das?
Art. 336 OR listet eine Reihe von Gründen auf, bei deren Vorliegen eine Kündigung als missbräuchlich gilt. Dazu gehören unter anderem:
- Persönliche Eigenschaften des Arbeitnehmers ohne Bezug zum Arbeitsverhältnis (Art. 336 Abs. 1 lit. a OR)
 - Ausübung verfassungsmässiger Rechte (Art. 336 Abs. 1 lit. b OR)
 - Verhinderung der Geltendmachung von Ansprüchen aus dem Arbeitsvertrag (Art. 336 Abs. 1 lit. c OR)
 - Geltendmachung von Ansprüchen aus dem Arbeitsvertrag (Art. 336 Abs. 1 lit. d OR)
 - Leistungen von Zivil-, Militär- oder Schutzdienst (Art. 336 Abs. 1 lit. e OR)
 - Mitgliedschaft oder Tätigkeit in einer Gewerkschaft (Art. 336 Abs. 2 lit. a OR)
 - Tätigkeit als Arbeitnehmervertreter (Art. 336 Abs. 2 lit. b OR)
 - Mangelnde Konsultierung bei Massenentlassungen (Art. 336 Abs. 2 lit. c OR)
 
Diese Aufzählung ist jedoch nicht abschliessend. Auch andere Fälle, die gegen das Rechtsmissbrauchsverbot verstossen und eine vergleichbare Schwere aufweisen, können als missbräuchlich gelten. Beispiele hierfür sind:
- Demütigende Kündigungen
 - Kündigungen in Mobbingsituationen gegen das Mobbingopfer
 - Kündigungen in Konfliktsituationen (Konfliktkündigungen)
 - Kündigungen im Zusammenhang mit unklaren Kompetenzabgrenzungen
 - Kündigungen aufgrund widersprüchlichen Verhaltens des Arbeitgebers
 - Kündigungen nach Verletzung der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers
 
Der Missbrauch einer Kündigung kann sich nicht nur aus den Kündigungsmotiven, sondern auch aus der Art und Weise ergeben, wie die kündigende Partei ihr Recht ausübt. Selbst wenn eine Partei die Kündigung rechtmässig erklärt, muss sie das Gebot schonender Rechtsausübung beachten. Sie darf insbesondere kein falsches und verdecktes Spiel treiben, das Treu und Glauben widerspricht (BGE 131 III 535 E. 4.2 S. 538 f.; 125 III 70 E. 2b S. 73; 118 II 157 E. 4b/bb S. 166 f.).
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Ein vertragswidriges Verhalten, namentlich eine Persönlichkeitsverletzung im Umfeld einer Kündigung, macht diese missbräuchlich. Zu beachten ist nämlich, dass der Arbeitgeber gemäss Art. 328 OR verpflichtet ist, die Persönlichkeitsgüter des Arbeitnehmers zu achten und zu schützen. Er hat sich jeden durch den Arbeitsvertrag nicht gerechtfertigten Eingriffs in die Persönlichkeitsrechte zu enthalten und diese auch gegen Eingriffe Vorgesetzer, Mitarbeiter oder Dritter zu schützen. Diese Fürsorgepflichten bilden das Korrelat der Treuepflicht des Arbeitnehmers (Art. 321a OR; Rehbinder, Berner Kommentar, N. 1 f. zu Art. 328 OR; Vischer, Der Arbeitsvertrag, Schweizerisches Privatrecht VII/4, 3. Auflage, S. 168).
Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers
Gemäss Art. 328 OR ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Persönlichkeit des Arbeitnehmers zu achten und zu schützen. Er hat sich jedes durch den Arbeitsvertrag nicht gerechtfertigten Eingriffs in die Persönlichkeitsrechte zu enthalten und diese auch gegen Eingriffe von Vorgesetzten, Mitarbeitern oder Dritten zu schützen. Diese Fürsorgepflichten bilden das Korrelat der Treuepflicht des Arbeitnehmers (Art. 321a OR).
Daraus hat das Bundesgericht abgeleitet, dass wenn sich ein Arbeitgeber nicht oder ungenügend um die Lösung des Konflikts bemüht, er seiner Fürsorgepflicht nicht hinreichend nachgekommen ist, weshalb sich die Kündigung in einem solchen Fall als missbräuchlich erweist (BGE 125 III 70 E. 2c S. 74; Bundesgerichtsurteile 4C.189/2003 vom 23. September 2003, E. 5.1 und 5.2 mit Hinweisen; 4C.253/2001 vom 18. Dezember 2001, E. 2 und 3, wo eine späte Ermahnung an nur eine der am Konflikt beteiligten Personen als ungenügende Massnahme erachtet wurde).
Gleich wie den privaten trifft auch den öffentlichen Arbeitgeber gegenüber den Arbeitnehmenden eine Fürsorgepflicht (Art. 328 OR i.V.m. Art. 6 Abs. 2 BPG sowie Art. 4 Abs. 2 lit. b und g BPG). Daraus ergibt sich, dass der Arbeitgeber im Falle einer Störung des Betriebsklimas alle zumutbaren Massnahmen ergreifen muss, um die Lage zu entspannen (BGE 125 III 70 E. 2c S. 74).
Ein Arbeitgeber, der einen Konflikt zwischen seinen Mitarbeitern in Verletzung seiner Fürsorgepflicht schwelen lässt, kann in der Folge nicht geltend machen, der Konflikt schade der Arbeit, um die am Konflikt beteiligten Mitarbeiter zu entlassen (vgl. die Urteile des Bundesgerichts 4C.189/2003 vom 23. September 2003 E. 5.1 und 4C.253/2001 vom 18. Dezember 2001 E.
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Fristlose Kündigung durch den Arbeitgeber
Die fristlose Kündigung eines Arbeitsvertrages kann sowohl durch den Arbeitnehmer als auch durch den Arbeitgeber erfolgen. Voraussetzung dazu ist jeweils, dass ein wichtiger Grund vorliegt und dass die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar ist (Art. 337 OR). Die Kündigung muss unverzüglich ausgesprochen werden.
Als wichtiger Grund gilt namentlich jeder Umstand, bei dessen Vorhandensein dem Kündigenden nach Treu und Glauben die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden darf. Eine zu Unrecht erfolgte fristlose Entlassung (sog. ungerechtfertigte fristlose Kündigung) kann vor allem für die Arbeitgeber erhebliche finanzielle Folgen haben.
Die fristlose Kündigung stellt die „ultima ratio“, also das letzte Mittel dar, um das Arbeitsverhältnis einseitig sofort aufzulösen. Sie ist jederzeit, also auch vor Stellenantritt, während der Probezeit, während Sperrzeiten (Krankheit, Militär, Schwangerschaft etc.) möglich, sowohl bei befristeten als auch unbefristeten Arbeitsverhältnissen. Auch im bereits ordentlich gekündigten Arbeitsverhältnis kann fristlos gekündigt werden.
Die fristlose Kündigung kann mündlich ausgesprochen werden, sofern der Arbeitsvertrag nicht ausdrücklich die Schriftlichkeit vorsieht. Auf Verlangen ist sie aber nachträglich schriftlich zu begründen (Art. 337 Abs. Dieser Grund muss objektiv geeignet sein, das gegenseitige Vertrauen, welches die Grundlage des Arbeitsverhältnisses bildet, zu zerstören oder schwer zu erschüttern.
Schwere Verfehlungen rechtfertigen eine fristlose Kündigung nach einmaligen Vorkommen und ohne vorhergehende Verwarnung. Beispiele für besonders schwere Verfehlungen können sein: Strafbare Handlungen am Arbeitsplatz, Verrat von Geschäftsgeheimnissen, unzulässige Konkurrenzierung des Arbeitgebers, wiederholte oder generelle Arbeitsverweigerung usw. (m.w.H. STREIFF/VON KAENEL, Arbeitsvertrag, Praxiskommentar zu Art. 319 - 362 OR, Art.
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Bei weniger schweren Verfehlungen setzt eine fristlose Entlassung eine vorangehende Verwarnung voraus. Die Verwarnung muss dem Arbeitnehmer klar zu verstehen geben, dass das beanstandete Verhalten nicht mehr geduldet wird und im Wiederholungsfall mit einer fristlosen Kündigung zu rechnen ist. Weniger schwerwiegende Verfehlungen liegen insbesondere bei unentschuldigtem Fernbleiben vom Arbeitsplatz, regelmässigem zu spätem Erscheinen am Arbeitsplatz, Missachtung von Arbeitgeberweisungen, übermässigem Missbrauch von Kommunikationsmitteln usw. vor (m.w.H. STREIFF/VON KAENEL, Arbeitsvertrag, Praxiskommentar zu Art. 319 - 362 OR, Art.
Rechtsfolgen einer missbräuchlichen Kündigung
Ist eine Kündigung missbräuchlich, wird das Arbeitsverhältnis dennoch beendet (eine Ausnahme besteht lediglich bei sog. Rachekündigungen nach dem Gleichstellungsgesetz. Hier ist unter Umständen eine Wiedereinstellung möglich, siehe hierzu Anfechtung der Kündigung - Wiedereinstellung).
Die gekündigte Partei kann einzig eine Entschädigung verlangen. Will sie gegen eine missbräuchliche Kündigung vorgehen, muss sie bis zum Ablauf der Kündigungsfrist schriftlich Einsprache gegen die Kündigung erheben und nachher innert 180 Tagen beim Gericht Klage einreichen.
Die Entschädigung beträgt maximal 6 Monatslöhne, im Falle eines Entschädigungsanspruches wegen Verstosses gegen die Konsultationspflicht im Rahmen einer Massenentlassung nur maximal 2 Monatslöhne.
Wird die Einsprache nicht gültig erhoben, stimmt die Partei, der gekündigt worden ist, der Kündigung im Sinne einer unwiderlegbaren Vermutung zu.
Bei einer gerechtfertigten Kündigung muss der Arbeitgeber Schadenersatz bezahlen. Liegt der wichtige Grund zur fristlosen Auflösung des Arbeitsverhältnisses im vertragswidrigen Verhalten des Arbeitgebers, so hat diese vollen Schadenersatz zu leisten, unter Berücksichtigung aller aus dem Arbeitsverhältnis entstehenden Forderungen. (Art.
Haben beide Parteien den wichtigen Grund zu verantworten, ohne dass eine der beiden Parteien ein Verschulden trifft, so bestimmt der Richter die vermögensrechtlichen Folgen der fristlosen Auflösung unter Würdigung aller Umstände nach seinem Ermessen. (Art.
Tritt der Arbeitnehmer ohne wichtigen Grund die Arbeitsstelle nicht an oder verlässt er sie fristlos, so hat der Arbeitgeber Anspruch auf eine Entschädigung, die einem Viertel des Lohnes für einen Monat entspricht. Ist dem Arbeitgeber kein Schaden oder ein geringerer Schaden erwachsen, als der Entschädigung gemäss dem vorstehenden Absatz entspricht, so kann sie der Richter nach seinem Ermessen herabsetzen. (Art.
Auch bei ungerechtfertigter fristloser Kündigung ist das Arbeitsverhältnis auf jeden Fall mit Zugang der Kündigung beendet. Ein gesetzlicher Anspruch auf Weiterbeschäftigung resp. Wiedereinstellung besteht nicht. Der Arbeitnehmer hat jedoch Anspruch auf Ersatz dessen, was er bei ordentlicher Kündigung - unter Einhaltung der Kündigungsfrist - erhalten hätte (Art. 337c Abs. 1 OR).
Er hat somit einen Ersatzanspruch im Umfang des Lohnes, wie er im Falle einer ordentlichen Kündigung auszubezahlen gewesen wäre. Hiervon sind die üblichen Sozialabzüge, nicht aber Beiträge an die Pensionskasse abzuführen (STREIFF/VON KAENEL, Arbeitsvertrag, Praxiskommentar zu Art. 319 - 362 OR, Art. 337c N 15.).
Hinzu kommen die durch die Kündigung entgangenen Arbeitgeberbeiträge an die berufliche Vorsorge sowie die Überstunden- und Ferienentschädigung, sofern und soweit der Arbeitnehmer bis zur ordentlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nebst der Stellensuche nicht genügend Zeit für den Ferienbezug hat.
Ausserdem kann der Arbeitgeber gemäss Art. 337c Abs. 3 OR zu einer Entschädigungszahlung im Umfang von maximal sechs Monatslöhnen verpflichtet werden. Über die Höhe dieser Entschädigung entscheidet das Gericht nach freiem Ermessen unter Würdigung sämtlicher Umstände. Ins Gewicht fallen dabei insbesondere die Schwere des Verschuldens des Arbeitgebers, die Dauer des Arbeitsverhältnisses und das Ausmass der Persönlichkeitsverletzung, welche die fristlose Entlassung beim Arbeitnehmer bewirkt (STREIFF/VON KAENEL, Arbeitsvertrag, Praxiskommentar zu Art. 319 - 362 OR, Art. 337c N 8 f.).
Mit Zugang der fristlosen Kündigung sind sämtliche sich aus der fristlosen Kündigung ergebenden Forderungen aus Arbeitsvertrag fällig (BGer, Urteil vom 27.02.2006, 4C.321/2005, E.
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