Entscheidung: Eine psychologische Definition

Täglich treffen wir viele kleine und grosse Entscheidungen, manche auch gegen unsere besten Interessen.

Im Alltag müssen wir uns Menschen oftmals mit Entscheidungen auseinandersetzen. Dies passiert zu Hause, in einem Restaurant sowohl auf der Arbeit oder in der Schule.

Eine Entscheidung ist «die Auswahl einer Aktion aus einer Menge verfügbarer Massnahmen unter Berücksichtigung möglicher Umweltzustände mit Willensakzent» (Gabler Wirtschaftslexikon).

Die Rolle des freien Willens

Der freie Wille begründet in der Rechtswissenschaft die individuelle Verantwortlichkeit, die Philosophie hinterfragt dagegen seine Existenz, während die Psychologie empirisch untersucht, wie wir zu Entscheidungen gelangen.

Unsere Rechtsordnung geht davon aus, dass Individuen grundsätzlich eigenständige Entscheidungen treffen können.

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All dies ergibt nur dann Sinn, wenn man davon ausgeht, dass wir Menschen grundsätzlich die Fähigkeit haben, uns frei für oder gegen ein Rechtsgeschäft oder eine Straftat zu entscheiden.

Allerdings sind Verträge dann nichtig, wenn rechtliche Schutzmechanismen greifen, beispielsweise wenn wir getäuscht oder gezwungen wurden oder wenn wir aufgrund fortschreitender Demenz nicht mehr bei klarem Verstand sind.

Die philosophische Diskussion über die Willensfreiheit stellte mich also vor ein Dilemma. Einerseits ergaben die philosophischen Argumente gegen die Existenz des freien Willens für mich Sinn, andererseits empfand ich mich bei meinen eigenen Entscheidungen als frei. War das alles nur eine schöne Illusion?

Als Menschen haben wir jedoch die Fähigkeit, uns selbst und unser Handeln zu beobachten und zu analysieren. Diese Fähigkeit ist vor allem in psychotherapeutischen Kontexten relevant.

Nicht zuletzt ist die Vorstellung von Willensfreiheit tief in unserem menschlichen Selbstverständnis verwurzelt.

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Psychologische Faktoren der Entscheidungsfindung

Als empirische Wissenschaft beschäftigt sich die Psychologie mit den Faktoren, die das menschliche Erleben und Verhalten beeinflussen.

Insbesondere die Entscheidungspsychologie untersucht, wie Entscheidungsprozesse ablaufen und inwieweit wir tatsächlich Informationen sammeln, bewerten und gewichten, die für bewusste Entscheidungen notwendig sind.

Eine wichtige Erkenntnis der psychologischen Forschung ist, dass Entscheidungen nicht nur von inneren, psychischen Faktoren, sondern auch von äusseren Faktoren beeinflusst werden: Menschen treffen beispielsweise unterschiedliche Entscheidungen, wenn ihnen dieselben Informationen in unterschiedlichen Situationen präsentiert werden.

Darüber hinaus werden bewusste Entscheidungsprozesse in der Regel von unbewussten psychologischen Prozessen beeinflusst. Insbesondere spielen frühere Erfahrungen eine grosse Rolle, da unser Gehirn aufgrund dieser Erfahrungen schematische Denk- und Verhaltensmuster entwickelt, die uns in der Regel nicht bewusst sind, aber automatisch bei Entscheidungen zum Tragen kommen.

Die (Illusion von) Willensfreiheit scheint zudem aus psychologischer Sicht eine wichtige Funktion für unsere geistige Gesundheit zu erfüllen: Studien zeigen, dass wir in Angst und Depressionen verfallen können, wenn wir unsere Lebensumstände als unkontrollierbar empfinden.

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Intuition und Bauchgefühl

Oftmals hört man von Leuten, sie haben «aus dem Bauch heraus» entschieden, also eine Entscheidung nach Bauchgefühl getroffen. Was bedeutet das eigentlich und warum weiss unser Bauch mehr als wir wissen?

Bauchgefühl bedeutet zwei Dinge: Die Intuition, welche uns Entscheidungen aus dem Bauch heraus entscheiden lässt und ein wirkliches Spüren in der Bauchgegend.

Wenn wir Entscheidungen treffen müssen, vereinigen wir zwei Teile von unserem «Ich». Das bewusste sowie das unbewusste Ich. Die beiden Ich-Teile haben beide in unterschiedlichen Weisen dasselbe Ziel, nämlich glücklich zu sein.

Der bewusste Verstand will Entscheidungen treffen, welche uns längerfristig in der Zukunft glücklich machen. Dabei berücksichtigt er die äusseren Umstände, welche uns vor unseren Zielen abhalten könnten.

Das unterbewusste Ich hinterfragt, ob unsere Entscheidung jetzt gut oder schlecht für uns war. Wenn unsere Erfahrungen sagt, dass ein Schultag in der Regel eher langweilig ist, bekommen wir das mit fehlender Motivation, Unlust und ähnlichen Gefühlen klar zu spüren.

Dieses Bauchgefühl, welches durch das Unterbewusstsein entsteht, ist das, was wir wirklich wollen in diesem Moment, um glücklich zu sein und die beklemmenden Gefühle loszuwerden.

Wenn die beiden Teile unseres Ichs etwas anderes wollen, dann fühlen wir diese Zerrissenheit. Diese führt zu dazu, dass uns die Entscheidungen schwer fallen, die wir treffen sollen, um glücklich zu sein.

In den letzten Jahren bewies sich diese Aussage jedoch immer mehr zum Gegenteil. Das Interesse an der Intuition ist in den letzten Jahren wieder stark angestiegen.

Man vermutet, dies geschah aufgrund einer gewissen Unzufriedenheit mit der Rationalität und ihren Grenzen. Psychologen argumentieren zudem, dass ein Grossteil der Entscheidungsfindung automatisch ausserhalb des Bewusstseins und im Bereich der Intuition stattfindet.

Es gibt verschiedene Bedeutungen, welche mit dem Bauchgefühl in Verbindung gebracht werden. Seit den vielen zahlreichen Forschungen und neu Entdeckungen wurden neue Erklärungsmodelle aufgestellt, wie beispielsweise die Hypothese der somatischen Marker (SMH).

Diese geht davon aus, dass die Intuition aus emotionalen Erfahrungen im Körperlichen entstehe. Dieses Modell würde somit erklären, wieso wir bei gewissen Emotionen ein ungutes Gefühl im Bauch spüren.

In einer Studie von diversen US-amerikanischen Forschern im Jahre 2011 untersuchten sie genau diese Frage mit dem Fokus auf die Vorteile emotionsorientierter Entscheidungsfindung.

Die Resultate deuten somit darauf hin, dass die Fokussierung auf Gefühle gegenüber Details zu einer besseren objektiven und subjektiven Entscheidungsqualität bei schwierigeren Entscheidungen führte.

Der Bauch weiss ziemlich genau, was er will, jedoch muss er nicht immer Recht haben. Unser Unterbewusstsein trickst uns manchmal aus, indem es uns Gefühle schickt, welche nicht für die Situation relevant sind.

Ich halte nichts von Esoteriksprüchen wie «Folge deinem Herzen» oder «Folge deinem Bauch, denn er hat immer recht.» Das ist Blödsinn.

Unsere besten Entscheidungen entstehen, wenn wir beide Systeme für die Entscheidungsfindung miteinander nutzen. Eine Faustregel wäre zum Beispiel zwei Drittel dem Bauch folgen und einem Drittel auf den Kopf zu hören und deren jeweiligen Grenzen zu kennen.

Kognitive Dissonanz und Entscheidungsfindung

Täglich gibt es zahlreiche Entscheidungen zu treffen. Manche treffen wir unbewusst, manche bewusst. Bei manchen geht es um Banalitäten, bei anderen um Lebensträume. Manchmal können wir uns gut entscheiden, dann wieder gar nicht. Woran liegt das?

Eine kognitive Dissonanz liegt vor, wenn Emotionen, Gedanken und Handlungen im Widerspruch zueinanderstehen. Wir fühlen uns also unwohl, wenn wir uns gegen unser Selbstbild (inkonsistent) verhalten.

Es handelt sich um einen unangenehmen Zustand, den wir vermeiden wollen. Nach Entscheidungen ist ein kurzes Bedauern über die nicht gewählte Variante spürbar. Je wichtiger die Entscheidung, desto stärker die Dissonanz. Dies wird Nachentscheidungsdissonanz genannt.

Der Gedanke, dass wir möglicherweise die falsche Entscheidung getroffen haben, bedroht unser Selbstbild. Damit dieser unangenehme Zustand der Dissonanz verschwindet, werten wir die gewählte Alternative auf und entwerten die nicht gewählte. Wir rechtfertigen uns.

Von diesem Zeitpunkt an nehmen wir Informationen auf eine verzerrte Weise auf. Das heisst, wir lassen nur Hinweise zu, welche unsere Aussagen untermauern.

Entscheidungsmüdigkeit

Kaum ist man wach, gilt es bereits die erste Entscheidung zu treffen. Psychologinnen und Psychologen gehen davon aus, dass wir uns an einem einzigen Tag rund 20’000-mal für oder gegen etwas entscheiden.

Auch wenn wir die meisten Entscheidungen unbewusst und intuitiv fällen, bedeuten sie für unseren Organismus schwerste Arbeit. Die viele Kopfarbeit kostet Energie und kann ganz schön erschöpfen. Im Extremfall werden wir entscheidungsmüde.

Für eine gute und erfolgreiche Entscheidungsfindung ist die Entscheidungsmüdigkeit Gift: Sie führt zu suboptimalen Entscheidungen. Denn wer entscheidungsmüde ist, informiert sich nicht mehr ausführlich, handelt unüberlegt und übereilt, geht unnötige oder unvorteilhafte Kompromisse ein und ist gestresst.

Auch können riskante Entscheidungen oder Entscheidungsblockaden die Folgen sein. Dann können wir uns überhaupt nicht mehr entscheiden.

Um der Entscheidungsmüdigkeit vorzubeugen, lohnt es sich, die Ursachen dafür etwas unter die Lupe zu nehmen. Eine Antwort darauf finden wir im heutigen Konsumwahn und Kapitalismus - sie nähren die Entscheidungsmüdigkeit par excellence.

Für jedes Produkt, für jede Dienstleistung und für jedes Problem gibt es heute eine riesige Auswahl an Lösungen - dem grenzenlosen Internet sei Dank. Eine einfache Auswahl gibt es nicht mehr. Und genau hier liegt das Problem: Wer zu viele Optionen hat, kann sich nicht mehr entscheiden. Wir sind schlichtweg überfordert.

Hinzu kommt die Angst vor den Konsequenzen und der Verantwortung, die eine Entscheidung mit sich bringt. Die Furcht vor falschen Entscheidungen und Was-ist-wenn-Szenarien drängen viele ins Hamsterrad. Und dann ist da auch noch die Angst vor Veränderungen, die viele in ihrer Entscheidungsfindung lähmt.

Einer Entscheidungsmüdigkeit können Sie zuvorkommen. Versuchen Sie sich auf die wesentlichen Entscheidungen zu fokussieren und halten Sie sich so wenig wie möglich mit Unnötigem und Nebensächlichem auf.

Oder anders gesagt: Reduzieren Sie Ihren Fokus auf das Wesentliche, indem Sie die Optionen bei alltäglichen Dingen minimieren. Nicht zufällig greifen etwa Barack Obama oder Mark Zuckerberg stets zu den gleichen Kleidern.

Hilfreich ist auch eine gute Planung: Schreiben Sie To-do-Listen und Einkaufszettel, erstellen Sie einen wöchentlichen Menüplan und bringen Sie Routine in Ihren Alltag. Das erspart Ihnen viele kleine Entscheidungen und mindert die Gefahr einer Entscheidungsmüdigkeit.

Methoden zur Entscheidungsfindung

Mit dem Fokus auf das Wesentliche schaffen Sie die ideale Basis für eine erfolgreiche Entscheidungsfindung. Kommen Sie bei einer Entscheidung dennoch nicht weiter, gibt es verschiedene Methoden, um Klarheit zu bekommen.

Eine Herangehensweise, die wohl jede und jeder kennt, ist die Pro-Contra-Liste. Sie ist ein wahrer Klassiker: Notieren Sie auf der linken Seite alle Punkte, die für eine Entscheidung sprechen, auf der rechten Seite jene, die gegen sie sprechen. Manchmal hilft es bereits, die Gedanken auf Papier zu bringen.

Ist die Liste eher ausgeglichen, können Sie die einzelnen Punkte mit einer Note gewichten. Der Notendurchschnitt gibt dann Aufschluss über die Entscheidung.

Sind Sie in einer Sache unentschlossen, kann sich auch ein Perspektivenwechsel lohnen. Stellen Sie sich dazu vor, die Entscheidung, die Sie zu treffen haben, würde nicht Sie, sondern einen lieben Menschen aus Ihrem Umfeld betreffen. Was würden Sie dieser Person raten?

Die sogenannte Zeitreise-Methode bringt Perspektive und Relation in Ihre Entscheidungsfindung, indem Sie sich mental in die Zukunft beamen. So funktioniert die Methode: Sie entscheiden sich gedanklich für eine Option. Dann überlegen Sie, welche Konsequenzen diese Entscheidung in 10 Minuten, in 10 Monaten und in 10 Jahren haben könnte. Die Methode zielt also darauf ab, Ihnen mögliche langfristige Auswirkungen aufzuzeigen.

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