Der Rorschach-Test: Einblicke in die Persönlichkeit durch Tintenkleckse

Der Rorschach-Test ist eine der bekanntesten und am häufigsten verwendeten psychologischen Testmethoden zur Persönlichkeitsdiagnostik. Entwickelt von dem Schweizer Psychiater Hermann Rorschach, hat er seit seiner Entstehung in den 1920er Jahren eine breite Anwendung in der psychologischen Forschung und klinischen Praxis gefunden.

Was ist der Rorschach-Test?

Beim Rorschach-Test (auch Rorschachtest oder Tintenklecks-Test) handelt es sich um ein projektives Testverfahren, mit dessen Hilfe man auf Struktur und Eigenschaften der Persönlichkeit schliessen kann. Man könnte ihn dementsprechend auch als „Persönlichkeitsentfaltungstest“ beschreiben. Zum Einsatz kommt dieses Testverfahren in der psychologischen Diagnostik.

Dann werden dem/-r Patienten/-in nacheinander zehn verschiedene Tafeln mit Tintenklecksen in einer festen Reihenfolge vorgelegt. Die Bilder darauf sind zunächst fünf schwarze Tintenkleckse, darauf folgen zwei rote sowie abschliessend drei bunte. Die Testperson darf die Bilder beliebig drehen. Nach dem Stellen dieser Frage erfordert der Rorschach-Test eine akribische Notation der gemachten Aussagen. Neben den individuellen Deutungen werden allerdings auch andere Dinge, wie etwa Reaktionszeit und Handhabung der Bilder, festgehalten. In zeitlicher Hinsicht benötigt die Durchführung eines Rorschach-Tests ungefähr eine Stunde.

Die Auswertung des Rorschach-Tests

Das Auswertungsschema des Rorschach-Tests hat sich im Laufe der Zeit deutlich verändert, was vor allem auch der Kritik bezüglich der mangelnden Objektivität bei der anschliessenden Analyse geschuldet ist. Trotz der modernen Weiterentwicklung des Rorschach-Tests sind noch viele der ursprünglich von seinem Erfinder festgelegten Prinzipien gültig.

Hermann Rorschach postulierte in seinen Publikationen zu diesem Testverfahren etwa, dass beispielsweise die Formantworten Rückschlüsse auf die Funktionen des Bewusstseins zulassen. Sie repräsentieren sozusagen das “disziplinierte Denken”. Dahingegen spiegeln die Antworten hinsichtlich der Farbe eher die emotionale Resonanz sowie die Affektivität wider, die durch das Betrachten der Bilder erzeugt wird. Schliesslich schloss Rorschach anhand der Antworten zu Bewegungen auf den Klecksen darauf, wie es um die “Innerlichkeitsarbeit” des/-r Patienten/-in steht.

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Anhand dessen lassen sich durch den Rorschach-Test (gemäss seinem ursprünglichen Schöpfer) vier verschiedene Persönlichkeitstypen ausmachen. Die einzelnen Typen sind direkt von der Bewertung der drei Aspekte Form, Farbe und Bewegung abhängig.

Persönlichkeitstypen nach Rorschach

Hier eine Übersicht der Persönlichkeitstypen, die sich aus der Bewertung der Aspekte Form, Farbe und Bewegung ableiten lassen:

Typ Form Farbe Bewegung
introversiv 0 0 +
extroversiv 0 + 0
koartiert 0 - -
ambiäqual 0 + +

Neben diesem Beispiel zur Erfassung eines groben Persönlichkeitstypus gibt es mittlerweile noch viele weitere Rückschlüsse auf die Psyche der Testperson, die man anhand der gesammelten Antworten ziehen kann. Hierzu zählen neben der Gestaltverarbeitung beispielsweise auch emotionale, soziale sowie intellektuelle Persönlichkeitscharakteristika und zudem seelische Störkomplexe.

Geschichte und Kritik des Rorschach-Tests

Nach Rorschachs Tod mit nur 37 Jahren (ein Jahr nach der Veröffentlichung seiner Tintenklecks-Versuchsreihe im Jahr 1921) lag die weitere Entwicklung seines Tests nicht mehr in seinen eigenen Händen. So fand er beispielsweise in den Vereinigten Staaten Anwendung beim Militär und zur Befragung von Involvierten des Vietnamkrieges. Auch zur Befragung der NS-Häftlinge während der Nürnberger Gerichtsprozesse in Deutschland kam er zum Einsatz.

In seinem Heimatland der Schweiz fand er ebenfalls rege Anwendung, hier jedoch vorwiegend in Zusammenhang mit Vorstellungsgesprächen und Berufstests. In einigen Ländern, darunter etwa Grossbritannien, hat sich der Ruf des Rorschach-Tests seit dieser Welle von Kritik und Entrüstung bis heute nicht mehr erholt. Allerdings ist das Verfahren bereits seit 1925 ein fester Bestandteil der Psychologie in Japan und gilt dort nach wie vor als beliebtester psychologischer Test. Auch in Argentinien findet er heut noch breite Anwendung, in der Türkei ist der ebenfalls auf dem Vormarsch. In Russland auf der anderen Seite wird dem Rorschach-Test nur noch eine geringe Bedeutung beigemessen.

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Seit seiner Veröffentlichung im Jahr 1921 bis in das moderne 21. Jahrhundert gibt es im Bereich der Psychiatrie und Psychologie Kritik am Rorschach-Test. Der häufigste Kritikpunkt zielt dabei auf die Subjektivität bei der Auswertung und Zuordnung der Antworten ab. Hinzu kommt, dass es bei der Bewertung viele mögliche Kombinationen gibt, was zu einer variierenden Deutung der Testfaktoren führen kann. Des Weiteren werden die Assoziationen zu den Bildern auch oftmals stark von kurzfristigen Erfahrungen und Erlebnissen beeinflusst, anstatt von mehr oder weniger konstanten Persönlichkeitsmerkmalen.

Aufgrund der vielen Widrigkeiten rund um diesen Test sah sich die “Society for Personality Assessment” 2005 dazu gezwungen, ein Statement zu dem Testverfahren abzugeben.

Hermann Rorschach: Der Mann hinter den Tintenklecksen

Der 1884 in Zürich geborene Hermann Rorschach wollte anfänglich Künstler werden. Er studierte dann aber schliesslich Medizin und wurde Psychiater. Unter anderem besuchte er Vorlesungen bei Carl Gustav Jung, dem Begründer der analytischen Psychologie. Nach dem Staatsexamen heiratete er 1910 eine russische Studienkollegin, mit der er zwei Kinder hatte. Der Versuch des Ärztepaars, sich in Russland eine Existenz aufzubauen, scheiterte. Danach arbeitete Rorschach wieder in der Schweiz als Psychiater in Münsterlingen, Bern und Herisau.

Der von ihm entwickelte und 1921 veröffentlichte Rorschach-Test basiert auf zehn Karten mit Tintenklecksen. Aus den Dingen, welche die Testpersonen in den Formen sehen, lassen sich Rückschlüsse auf die Persönlichkeit ziehen und psychologische Diagnosen stellen.

Seine zehn Karten mit Tintenklecksen entwickelten sich zu einem der meistverwendeten Persönlichkeitstests: Hermann Rorschach starb am 2. April 1922 mit 37 Jahren in Herisau an einer zu spät erkannten Blinddarmentzündung, wie es in einer Mitteilung der Gemeinde vom Freitag heisst. Wegen seines frühen Todes konnte Rorschach nicht miterleben, wie sein Test weltweite Verbreitung fand. Sein Werk "Psychodiagnostik" war kein halbes Jahr vor seinem Tod erschienen.

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Rorschach hatte sein Verfahren in Herisau fertig entwickelt und publiziert, wo er ab 1915 an der Psychiatrischen Klinik arbeitete. Mit einem Gedenkanlass und einem Apéro am 1. Mai - zur Saisoneröffnung des örtlichen Museums - würdigen die Gemeinde Herisau und das Museum das Leben und Wirken Rorschachs. Dessen Test ist im Museum zu sehen, neben anderen medizinischen Innovationen aus dem Appenzellerland.

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