Im Verlauf der letzten 20 Jahre hat sich weltweit einiges im Bereich der Förderung von Menschen mit Autismus-Spektrum-Störungen (ASS) getan. So gibt es mittlerweile ein recht grosses Angebot an geeigneten und weniger geeigneten Therapien und Fördermassnahmen für Menschen mit ASS. Den Überblick zu behalten, ist sowohl für Fachleute als auch für Laien nicht mehr so einfach.
An dieser Stelle soll deshalb ein kurzer Überblick über verschiedene fundierte, autismusspezifische Therapieansätze und Fördermassnahmen gegeben werden. Autismus deutsche schweiz unterstützt und fördert die in diesem Beitrag aufgelisteten Methoden und möchte mit der nachfolgenden Übersicht den Entscheidungsprozess der Eltern unterstützen und helfen, die für sie geeignete Methode zu wählen.
Bewährte Therapieansätze und Fördermassnahmen
Es existieren verschiedene Therapieansätze und Fördermassnahmen, die sich bewährt haben. Bevor sich die Eltern von Kindern mit Autismus letztendlich für oder gegen eine bestimmte Therapie entscheiden, sollten wichtige Aspekte geklärt werden.
TEACCH: Treatment and Education for Autistic and related Communication handicapped Children
TEACCH steht für Treatment and Education of Autistic and related Communication handicapped Children (dt.: Behandlung und pädagogische Förderung autistischer und in ähnlicher Weise kommunikationsbehinderter Kinder).
Die TEACCH Methode wird oft in Schulen und verschiedenen weiteren Institutionen wie Wohnheimen oder Werkstätten angewendet.
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Das Programm ging 1972 aus einem Forschungsprojekt an der Universität von North Carolina in Chapel Hill (USA) hervor, das die aktive Miteinbeziehung der Eltern in die Förderung ihrer autistischen Kinder beabsichtigte.
Das in North Carolina entwickelte pädagogisch- therapeutische Programm hat mittlerweile weltweit Anerkennung und Verbreitung gefunden.
Der TEACCH-Ansatz ist in vielen europäischen Schulen, Fördereinrichtungen, Werkstätten und Wohneinrichtungen bekannt. Oft werden Elemente davon praktisch umgesetzt.
Die Strukturierung bildet den Kern des TEACCH-Programms. Ein durch die Methode der visuellen Strukturierung selbständiges Arbeiten hilft dem Betroffenen, seine Lebensqualität zu erhöhen und soll das Lernen erleichtern.
In ihrer Arbeit orientieren sich die Anwendenden an den Prinzipien des TEACCH-Programms:
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- Verständnis der typischen Schwierigkeiten von Menschen mit Autismus
 - Individuelle Diagnostik und Förderung
 - Kooperation mit Eltern/Familien
 - Optimierung der Fähigkeit, in seiner Lebenswelt zurechtzukommen
 - Ganzheitlichkeit (Förderung sämtlicher Aspekte der Persönlichkeit)
 - Kompetenzorientierung und Respekt vor Andersartigkeit
 - Strukturierung, kognitive Ansätze und Verhaltenstheorie
 
Strukturierung und Visualisierung im TEACCH-Ansatz
Basierend auf den Besonderheiten in der Wahrnehmung und Informationsverarbeitung bei Menschen aus dem Autismus-Spektrum ist die Grundlage des TEACCH®-Ansatzes die Methode des „Strukturieren und Visualisieren“ („structured teaching“). Das Ziel ist dabei stets, die individuelle Selbständigkeit der betroffenen Personen zu erhöhen.
Die Prinzipien der Strukturierung und Visualisierung sind zwei wichtige Aspekte aus dem TEACCH-Ansatz. Durch die Strukturierung von Raum, Zeit und Aktivität soll die Umwelt für die Klientinnen und Klienten vorhersehbar und verständlich gemacht werden.
Dabei stellen sich aus ihrer Sicht Fragen wie: «Was ist zu tun?» «Wie viel davon? » «Wann bin ich fertig?» «Was kommt danach?»
Die Strukturierungshilfen werden in der Regel visuell dargestellt, weil sie - sichtbar - konkret werden und sich auf das Wesentliche beschränken. Sprache hingegen ist weniger verständlich, flüchtig und abstrakt.
TEACCH bietet kein ausgereiftes Rezept oder Übungsprogramm. Es kommt beispielsweise darauf an, wie gut ein einzelner Mitarbeitender sehen kann, wie ausgeprägt sein Symbolverständnis ist oder ob ein Fall von Legasthenie vorliegt.
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Weitere Therapieansätze
Neben der TEACCH-Methode gibt es weitere Therapieansätze, die bei der Förderung von Menschen mit Autismus Anwendung finden:
- ABA (Applied Behavioral Analysis): Eine Verhaltenstherapie, die erwünschtes Verhalten aufbaut und unerwünschtes Verhalten abbaut.
 - RDI (Relationship Development Intervention), FIAS (Früh- Intervention bei Autistischen Störungen), DIR (Developmental Individual Differences), PLAY (Play and Language for Autistic Youngsters): Programme, die auf spieltherapeutischen Konzepten beruhen und die Beziehungsebene betonen.
 - PECS (The Picture Exchange Communication System): Ein System für alternative Kommunikationsformen, das oft bei Menschen mit ASS eingesetzt wird.
 - FC (Facilitated Communication): Eine in der Fachwelt umstrittene Form der Kommunikation, bei der der Betroffene physische, emotionale und verbale Unterstützung erhält.
 
Bedeutung der Heilpädagogischen Früherziehung
Heilpädagogische Früherzieherinnen und Früherzieher kommen immer wieder mit Kindern in Kontakt, bei welchen ein Verdacht auf eine Autismus-Spektrum-Störung besteht oder welche Verhaltensweisen aus dem Autismus-Spektrum zeigen. In diesen Situationen ist es die Aufgabe der Fachperson, frühe Hinweise auf eine Autismus-Spektrum-Störung zu kennen und beobachten zu können.
Neben dem allgemeinen Wissen zu Besonderheiten des Autismus-Spektrums erhält dabei die Anwendung von Screening-Instrumenten wie dem M-Chat, dem VSK oder dem EEFA durch die Fachpersonen eine besondere Bedeutung. Das Ziel soll dabei eine klarere Einschätzung der Situation sein, auf deren Basis in Absprache mit den Eltern die weitere Abklärung an einer Autismus-Fachstelle eingeleitet werden kann.
Die Beratung der Eltern ist ein zentrales Angebot der Heilpädagogischen Früherziehung. Ein umfangreiches Wissen über Autismus-Spektrum-Störungen ist dabei unerlässlich.
Das allgemeine Angebot der Heilpädagogischen Früherziehung beinhaltet grundsätzlich individuelle Fördermöglichkeiten, welche auch bei Kindern mit Autismus-Spektrum- Störungen bedeutsam sind. Diese orientieren sich an der allgemeinen Entwicklung des Kindes und bieten unter anderem motivierende Lernsituationen, strukturfördernde Angebote, kommunikationsspezifische Förderinhalte und alltagsunterstützende Hilfestellungen für die Familien.
Es können zusätzlich spezifische Methoden einbezogen werden, die sich als besonders unterstützend bei einer Autismus-Spektrum-Störung erwiesen haben. In der Arbeit der Heilpädagogischen Früherziehung sind dies zum Beispiel verschiedene Methoden wie TEACCH oder PECS, die Förderung im Bereich der Unterstützten Kommunikation (UK) oder auch der Einbezug von Hilfsmitteln bzw. Förderprogrammen aus dem Bereich der digitalen Medien.
Wichtige Aspekte bei der Therapieauswahl
Es wurde schon dargelegt, wie wichtig es ist, dass sich auch die Familie mit der entsprechenden Therapie identifizieren kann. So werden die Eltern in den meisten Fällen ihr ganzes Leben lang die engsten Vertrauenspersonen eines Menschen mit Autismus und somit mehr oder weniger in die Therapie einbezogen sein.
Weiter ist es zwingend notwendig, sich im Vorfeld Überlegungen in Bezug auf personelle, räumliche, finanzielle, organisatorische und zeitliche Rahmenbedingungen und Möglichkeiten zu machen. Die verschiedenen vorgestellten Therapieansätze und Fördermassnahmen unterscheiden sich in diesen Punkten.
Unterstützte Kommunikation (UK)
Unterstützte Kommunikation (UK) ermöglicht es Menschen mit wenig oder keiner verbaler Sprache, sich mitteilen zu können. Ziel ist es, die kommunikative Situation zu verbessern. Mit UK können die kommunikativen Möglichkeiten von Menschen, die nicht oder kaum über Laut- oder Schriftsprache verfügen, erweitert und das Sprachverständnis verbessert werden. UK berücksichtigt alle Kommunikationsmöglichkeiten einer Person. Sie umfasst körpereigene Kommunikationsformen wie Mimik, Gestik, Gebärden oder Laute. Zudem gibt es extern unterstützte Kommunikationsformen. UK geht davon aus, dass jeder Mensch ein Bedürfnis nach Kontakt und ein Anrecht auf Kommunikation hat. Sie betont das Recht eines jeden Menschen auf Selbstbestimmung, Partizipation und soziale Interaktion. Um eine gezielte Kommunikation zu ermöglichen und das Sprachverständnis optimal zu unterstützen, wird bei jeder Schülerin und jedem Schüler individuell geschaut, was sie/er braucht, um möglichst selbstwirksam im Alltag teilhaben zu können.
Die Rolle der Familie
Der Einbezug der ganzen Familie ist von grosser Bedeutung für den Erfolg der gewählten Therapie und Fördermassnahme. Die Familie ist oft der einzige Ort des Vertrauens für das Kind, für den Jugendlichen oder Erwachsenen aus dem Autismus-Spektrum. Deshalb ist es von zentraler Bedeutung, eine Therapie im gewohnten Umfeld mit Einbezug der Familienmitglieder durchzuführen.
Die Familiensituation muss lebbar sein und dem Menschen mit Autismus muss eine Umwelt geboten werden, wo er sich gut entwickeln kann.
TEACCH in der Praxis: Ein Beispiel
Während wir uns im Gruppenraum unterhalten, sortiert S. H., Mitarbeitende der Beschäftigungsgruppe 1, im Nebenraum konzentriert Knöpfe. Dass diese Arbeit heute möglich ist, kann zu einem guten Stück den Strukturierungs- und Visualisierungprinzipien aus dem TEACCH-Ansatz zugeschrieben werden.
Kommt sie heute in die Beschäftigungsgruppe, ist ihr Arbeitsplatz von der Betreuungsperson am selben Ort wie immer eingerichtet. Eine Schale, in der sie ihren Schmuck ablegen kann, steht bereit. Anschliessend beginnt sie Papiermaterialien, Röhrchen oder Sterne gemäss Anleitung der Farbsymbole nach Formen oder Farben zu ordnen.
Die Menge, die sie zu bewältigen hat, wird von der Betreuungsperson so festgelegt, dass S. die Arbeit bis zur Pause abgeschlossen hat. Sie hört mit der Arbeit erst dann auf, wenn wirklich alles erledigt ist. Nach der Pause malt, kleistert oder turnt sie mit der Gruppe.
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