Seminar Psychosomatische Grundversorgung in Deutschland

Psychosomatische Beschwerden wie erhöhte Irritabilität, Schlafprobleme, Bauch- und Kopfschmerzen, Verstimmungszustände und eine beeinträchtigte Lebensqualität gehören zu den häufigsten Beschwerden von Kindern und Jugendlichen. Daher hat der 127. Deutsche Ärztetag 2023 die Psycho­somatische Grundversorgung als festen Bestandteil der Facharztweiterbildung auf dem Gebiet Kinder- und Jugendmedizin verankert und in die (Muster-)Weiterbildungsordnung integriert.

Auch die Ärztliche Akademie für Psychotherapie von Kindern und Jugendlichen in München, ein bundesweit anerkanntes Fort- und Weiterbildungsinstitut, hat sich dafür ausgesprochen. Der als gemeinnützig anerkannte Verein widmet sich der seelischen Gesundheit von Kindern, Jugendlichen und ihren Familien.

Seit fast 50 Jahren bietet die Ärztliche Akademie überregional Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen an, darunter seit 15 Jahren auch eine Fortbildung in Psychosomatischer Grundversorgung, an der bislang über 600 Ärztinnen und Ärzte teilgenommen haben.

Inhalte und Ziele der Fortbildung

Die 80 Stunden umfassende und von den Landesärztekammern anerkannte Fortbildung der Ärztlichen Akademie umfasst theoretische Grundlagen, die patienten- und arztzentrierte Gesprächsführung und die patientenzentrierte Selbsterfahrung (Balintgruppe). Die Fortbildung hilft, den Blick für seelische und psychosoziale Ursachen von psychosomatischen Krankheitsbildern zu schärfen und die seelische Versorgung von Kindern und Jugendlichen flächendeckend zu verbessern.

In diesem Kursbuch vermittelt die Ärztliche Akademie kompakt und zielorientiert die Bausteine der Psychosomatischen Grundversorgung.

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Psychosomatische Aspekte in der Behandlung von Schmerzpatienten

Bei der Behandlung von Schmerzpatienten geht es darum, dem Patienten zu helfen, seine unbewussten konflikthaften Gefühle zu erleben, die zu unterschiedlichen Angstsymptomen führen (beispielsweise muskuläre Verspannung, Übelkeit, Magen-Darm-Krämpfe) und durch Abwehrmechanismen aufrechterhalten werden. Durch die Verbesserung der Affekttoleranz, die Überwindung der maladaptiven Abwehrmechanismen und die dann mögliche Verarbeitung der verdrängten komplexen Gefühle kommt es zu einer Reduktion oder gar weitgehenden Befreiung von primären Schmerzen.

Die ISTDP (Intensive Short-Term Dynamic Psychotherapy) erreicht hinsichtlich der Schmerzreduktion mittlere bis starke Effekte und scheint damit der kognitiven Verhaltenstherapie bei der Behandlung von primären Schmerzen überlegen zu sein.

Emotionale Prozesse in der Psychotherapie

Auf dem Weg zu einer integrativen emotionsfokussierten Behandlungsheuristik in der Psychotherapie ("Allgemeiner Therapiekompass emotionsfokussierter Methoden", ATEM) werden im vorliegenden zweiten Teil die Grundlagen des ersten Teils aufgegriffen und grundlegende Implikationen für die therapeutische Arbeit abgeleitet. Gefühle wurden als zentraler und unmittelbar nutzbarer Kompass für die Psychotherapie hervorgehoben. Sie werden im Organismus auf verschiedenen neurobiologischen Ebenen prozessiert und im Geist erlebt (Damasio, 2021). Entlang dieser individuellen subjektiven Erfahrung unserer Patient:innen können sie helfen, automatisierte maladaptive emotionale Schemata und deren dysfunktionale Verhaltensmechanismen zu korrigieren.

Der Fokus liegt hierbei auf einer wichtigen Frage der differenziellen Indikation: Wann sollte eher "top-down" mit Interventionen zur Emotionsregulation oder eher "bottom-up" aus den Affekten und Impulsen heraus mit Interventionen zur Emotionsprozessierung gearbeitet werden?

Es gibt inzwischen zunehmend interdisziplinäre Bemühungen um ein gemeinsames Verstehen zentraler therapeutischer Wirkweisen. Ein Denken und Handeln in der Psychotherapie richtet sich regelmäßig auf emotionale Veränderungsprozesse, die im Grunde alle allgemeinen psychotherapeutischen Wirkfaktoren durchdringen.

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Die beiden Prozessarten "top-down" und "bottom-up", von präfrontal "hinab" und aus dem Hirnstamm "hinauf", sind zur vereinfachten Unterscheidung unterschiedlicher Emotionsverarbeitungsprozesse gut etabliert. Sie stehen miteinander in ständiger Wechselwirkung und lassen sich durch ineinandergreifende Prinzipien therapeutischen Handelns konzeptualisieren.

Beide Prozessarten haben wichtige Bedeutung und greifen auf Aspekte bewusster wie unbewusster (bzw. expliziter und impliziter) Erinnerungssysteme zurück. Sie sind aber möglicherweise unterschiedlich wichtig für verschiedene Prozessschritte im Therapiegeschehen. Therapeutisches Handeln ist dabei letztendlich auf das Erreichen einer Balance zwischen emotionalem "Chaos und Rigidität" ausgerichtet in einem "window of tolerance" (Siegel, 1999) und hin zu einer optimalen emotionalen Selbstregulation.

Umgang mit Angst und Widerständen in der Therapie

Psychischer Stress spielt eine wesentliche Rolle bei der Entstehung chronifizierter Angstreaktionen. In ihrer Alarmfunktion fühlt sich Angst primär unangenehm an. Wenn sie länger anhält, weil die Ursa- chen bestehen bleiben, wie zum Beispiel bei chronischem Stress, wird die Angst nicht mehr bewusst wahrgenommen (verdrängt), und es findet eine Gewöhnung (Habituation) statt.

Kommt es zur Angst- überflutung, kann das zu Fehlreaktionen von bedrohlichem Ausmass führen, bis zu Dissoziation und Automutilation, stuporöser Erstarrung oder psychotischen Zustandsbildern und Ähnlichem. Dabei imponiert nicht unbedingt eine Angststörung gemäss ICD-11.

Deshalb entgehen diese Angstsympto- me häufig einer gezielten und systematischen Beobachtung, und die Aufmerksamkeit richtet sich zuerst auf die erwähnten pathologischen Auswirkungen. Die Behandler sollten daher so weit sensibi- lisiert werden, dass sie subtile Anzeichen von Angst unmittelbar wahrnehmen können.

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Erfolgreiche Psychotherapie kann Leiden lindern und Kosten senken - jedoch sprechen die Hälfte aller Klienten nicht auf Psychotherapien an oder zeigen sogar eine Zustandsverschlechterung. Oftmals sind es unbewusste Verhaltensweisen und Widerstände, die eine erfolgreiche therapeutische Zusammenarbeit verhindern und zu Frust und Verlust der Motivation bei Therapeuten und Klienten führen.

Das vorliegende Handbuch unterstützt Therapeuten dabei, gemeinsam mit ihren Klienten diese Widerstände zu erkennen, zu bearbeiten und zu überwinden. So wird es möglich, den Menschen hinter dem Widerstand zu erreichen, das therapeutische Bündnis zu stärken und heilsame Prozesse anzustossen. Das Buch basiert auf der Intensiven Psychodynamischen Kurzzeittherapie und formuliert eine neue Metapsychologie des Unbewussten.

Psychophysiologische Störungen in der Primärversorgung

Körperliche Beschwerden ohne organpathologischen Befund treten in der Primärversorgung mit über 30 % sehr häufig auf und stellen eine Herausforderung für Patienten und Behandler dar. Dieses evidenzbasierte verfahrensübergreifende Praxismanual vermittelt die psychophysiologischen Grundlagen der oft komplexen Krankheitsbilder, Fertigkeiten für die sichere Diagnosestellung sowie einen gestuften Behandlungsplan.

Die Bedeutung der Arzt-Patient-Beziehung

Die Gestaltung der Beziehung zum Patienten gehört zu ihren/seinen Kernkompetenzen. Deshalb stellt dieses Buch die Patient-Arzt-Beziehung und eine Systematik dysfunktionaler Beziehungsmuster ins Zentrum und dient als Kompass, die unterschiedlichen Beziehungsmuster zu erkennen und zu nutzen. Eine integrative Sicht sowie eine hohe Praxisbezogenheit liegen zugrunde; bewährte verbale Interventionshilfen werden vorgestellt.

Das Werk ist ein Begleitbuch der curriculären Weiterbildung "Psychosomatische Grundversorgung" (Richtlinien der Bundesärztekammer). Es ist ein Leitfaden, um die kommunikative Kompetenz aller Ärztinnen und Ärzte, der Medizin-Studierenden und auch verwandter Berufsgruppen zu verbessern.

Autoren und ihre Expertise

Christian Rexroth, Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychotherapie (tiefenpsychologisch) für Kinder, Jugendliche und Erwachsene, Forensische Kinder- und Jugendpsychiatrie (DGKJP, BAG, BKJPP), Supervisor, Selbsterfahrungsleiter. Seit 2011 Chefarzt am Zentrum Amberg | Cham | Weiden | Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie der Universität Regensburg am Bezirksklinikum Regensburg. Landesarzt für geistig und seelisch behinderte Kinder und Jugendliche für den Regierungsbezirk Oberpfalz. Langjähriges Vorstandsmitglied der Ärztlichen Akademie für Psychotherapie von Kindern und Jugendlichen e. V. und Vorstandsmitglied der Stiftung Seelische Gesundheit von Kindern.

Sven Lienert, Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, Psychotherapie (tiefenpsychologisch), Supervisor, Weiterbildungsermächtigung Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, Lehr- und Ausbildungspraxis. Bis zum Wechsel in die eigene Praxis in Nürnberg Oberarzt für Kinder- und Jugendpsychosomatik, Universitätskinderklinik Erlangen und Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, Klinikum Nürnberg. Langjähriges Vorstandsmitglied der Ärztlichen Akademie für Psychotherapie von Kindern und Jugendlichen e. V. und Vorstandsmitglied der Stiftung Seelische Gesundheit von Kindern.

Manfred Endres, Dr. med., Facharzt für Psychosomatische Medizin, Psychoanalytiker für Kinder, Jugendliche und Erwachsene (VAKJP, DGPT, MAP), Dozent, Supervisor, Lehranalytiker, Leiter der Ärztlichen Akademie für Psychotherapie von Kindern und Jugendlichen.

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