Bipolare Erkrankungen sind eine Gruppe von Erkrankungen, die den affektiven Störungen zugeordnet werden und etwa 20 % der gesamten affektiven Störungen ausmachen. Früher wurden diese Erkrankungen auch als „manische-depressive“ Erkrankungen bezeichnet, was bereits auf die wechselhafte Auslenkung der Gemütszustände hindeutet.
Die bipolare Störung wurde von Kraepelin Ende des 19. Jahrhunderts noch als manisch-depressives Irresein bzw. manisch-depressive Psychose bezeichnet. Das Risiko, im Laufe des Lebens an einer bipolaren Störung zu erkranken, liegt bei 1-3 %. Dabei beginnen die bipolaren Störungen in der Regel früher als die „normalen“, in Fachkreisen unipolar genannten, Depressionen.
Das Risiko, an einer bipolaren Störung zu erkranken, ist für Frauen und Männer gleich. Aus Zwillings- und Familienstudien weiß man mittlerweile eindeutig, dass erblich bedingte Faktoren maßgeblich zur Erkrankungsentstehung beitragen. Bei eineiigen Zwillingen liegt das Erkrankungsrisiko bei 70 %, gegenüber 0,7 % im Bevölkerungsdurchschnitt.
Bipolare affektive Erkrankungen verlaufen in Episoden. Es wechseln dabei depressive, hypomanische oder manische Phasen.
Verschiedene Episodenarten der Bipolaren Störung
Es gibt bei Bipolarer Störung vier verschiedene Episodenarten. Neben den "klassischen" depressiven und manischen Episoden zählen dazu auch hypomanische und gemischte Episoden.
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- Depressive Episode
- Manische Episode
- Hypomanische Episode
- Gemischte Episode
Manchmal folgt auf eine manische Phase eine depressive Episode - entweder direkt als "Nachschwankung" oder später (nach einer Periode mit "normaler" Stimmungslage) als separate Episode. In anderen Fällen läuft es umgekehrt: Es beginnt mit einer depressiven Phase, gefolgt von einer manischen Phase - wiederum entweder als "Nachschwankung" oder isoliert auftretend. Ganz selten leidet ein Patient nur unter manischen Phasen.
Symptome der depressiven Episode
In den depressiven Phasen gleicht das Krankheitsbild einer Depression. Zu den Hauptsymptomen gehören dann:
- Gedrückte Stimmung
- Verlust von Interesse und Freude
- Antriebslosigkeit
- Schlafstörungen, vor allem Durchschlafstörungen in der zweiten Nachthälfte
- Konzentrations- und Denkstörungen
- Schuldgefühle
- Selbstzweifel
- Suizidgedanken
Die Gesichtsmimik ist während eines depressiven Schubs tendenziell starr und ausdruckslos. Die Betroffenen sprechen meist leise und ihre Antworten kommen verzögert.
In der depressiven Phase können auch körperliche Symptome auftreten. Der Appetit nimmt ab, und viele Betroffene verlieren deutlich an Gewicht. Manche empfinden Schmerzen an unterschiedlichen Körperstellen. Häufige Beschwerden sind Atemnot, Herzbeschwerden, Magen- und Darmprobleme sowie Schwindel, Kopfschmerzen und Erektionsstörungen.
Symptome der manischen Episode
In Phasen der Manie ist alles übersteigert - emotionale Erregung, Denken, Sprechen, Handeln: Der Patient ist voller Energie (bei gleichzeitig geringem Schlafbedürfnis) und entweder auffällig gehobener Stimmung oder aber sehr gereizt. Er hat einen starken Rededrang, ist sprunghaft und unkonzentriert, außerdem sehr kontaktbedürftig, überaktiv und impulsiv.
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Typisch sind auch Selbstüberschätzung, vermehrtes Risikoverhalten und Leichtsinnigkeit. Manche Patienten geben etwa gedankenlos Geld aus und beginnen überdimensionale Projekte, die sie in finanzielle und rechtliche Probleme bringen können. Problematisch ist auch, dass die sozialen Hemmungen verloren gehen. Betroffene sprechen dann willkürlich fremde Leute an und neigen zu einem offeneren Flirt- und Sexualverhalten.
Während einer manischen Episode sind die Patienten auch sehr kreativ. Man geht heute davon aus, dass unter anderem Vincent van Gogh und Georg Friedrich Händel manisch-depressiv waren.
Bei mehr als zwei Drittel aller Patienten mit Manie treten zusätzlich psychotische Symptome auf. Dazu zählen zum Größenwahn gesteigerte Selbstüberschätzung, Halluzinationen, Verfolgungswahn und Wahngedanken.
Symptome der hypomanischen Episode
In manchen Fällen von Bipolarer Störung sind die manischen Symptome in abgeschwächter Form ausgeprägt. Dann spricht man von Hypomanie. Betroffene leiden beispielsweise eher an Konzentrationsschwierigkeiten als an Ideenflucht und Gedankenrasen. Auch besonders auffällige Manie-Symptome wie Verlust sozialer Hemmungen, starke Selbstüberschätzung und tollkühnes Verhalten sind nicht beziehungsweise kaum vorhanden.
Symptome der gemischten Episode
Abgesehen von rein depressiven oder (hypo-)manischen Episoden treten bei Bipolarer Störung manchmal auch gemischte Phasen auf. Sie zeichnen sich durch eine Mischung oder einen raschen Wechsel (innerhalb weniger Stunden) von depressiven und (hypo-)manischen Symptomen aus. Von einer gemischte Episode spricht man aber erst, wenn depressive und (hypo-)manische Symptome gleichermaßen die meiste Zeit über mindestens zwei Wochen auftreten.
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Eine Bipolare Störung ist mit großem Leiden und einer erhöhten Suizidgefahr verbunden. Dabei ereignen sich Suizidversuche und Suizide fast immer während oder unmittelbar nach einer depressiven oder gemischten Episode.
Diagnose und Behandlung
Treten Symptome einer bipolaren Störung auf, wird der Arzt zuerst abklären, ob eine körperliche Krankheit die Beschwerden verursacht. Es gibt eine Vielzahl von körperlichen Erkrankungen, welche sich zuerst wie eine bipolare Erkrankung zeigen können (z.B. Infektion mit Syphilis, Multiple Sklerose, HIV-Infektion, Erstmanifestation eines Gehirntumors, Schilddrüsenerkrankung, Drogen- oder Medikamentenintoxikation u.v.a.).
Können körperliche Ursachen ausgeschlossen werden, dann werden Anzahl der Symptome der Depression oder Manie erfasst, dies legt den Schweregrad der Erkrankung fest.
Die Therapie richtet sich jeweils nach dem jeweiligen Stadium der Erkrankung (1. Akutbehandlung 2. Phasenprophylaktische Behandlung, um eine neue Erkrankung/ein Rückfall zu verhindern). Weiterhin sollten Behandlungsentscheidungen nach Möglichkeit gemeinsam mit dem Betroffenen (ggf. auch den Angehörigen) und dem Psychiater erfolgen.
Bezüglich der depressiven Phasen werden üblicherweise mit dem Betroffenen individuell im Gespräch die möglichen Therapien zusammengestellt. Sie unterscheiden sich nicht wesentlich von der Behandlung der unipolaren Depression.
Klassifizierung der Bipolaren Störung
Die meisten bipolaren Störungen werden klassifiziert wie folgt:
- Bipolar-I-Störung: Betroffene haben eine oder mehrere ausgeprägte manische und depressive Phasen.
- Bipolar-II-Störung: Hier haben Betroffene eine oder mehrere schwere depressive zusammen mit einer hypomanischen (nicht manischen) Phase.
Besonders die Bipolar-II-Störung ist schwer zu erkennen, da die Symptomatik häufig schwächer ausgeprägt ist. Demnach erfragt die behandelnde Fachkraft detailliert das Erleben, die Stimmungen und Gefühle.
Wichtige Fakten
- Die Bipolare Störung ist keine seltene Krankheit. Ungefähr 3 von 100 Menschen entwickeln sie im Lauf ihres Lebens, oft beginnt sie bereits im Jugend- oder frühen Erwachsenenalter.
- Die Bipolare Störung kann leicht mit anderen psychischen Erkrankungen verwechselt werden.
- Bipolare Störungen sind nicht heilbar. Trotzdem sind eine frühe Diagnose und Behandlung wichtig.
- «Viele Menschen mit einer Bipolaren Störung können dank einer Langzeitbehandlung wieder ein normales und erfolgreiches Leben führen», erklärt Prof. Hasler.
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