Menschen mit einer bipolaren Störung erleben ein ständiges Auf und Ab der Gefühle. Zeitweise fühlen sich die Betroffenen sehr niedergeschlagen, dann wiederum sind sie euphorisch, aufgedreht, hyperaktiv und überschätzen sich. Die bipolare Störung ist eine oftmals chronisch verlaufende psychische Erkrankung. Es gibt leichtere und schwerere Verläufe. Die Erkrankung gehört zu den Stimmungsstörungen (Affektstörungen). Charakteristisch für eine bipolare Störung sind Stimmungsschwankungen von niedergedrückt (depressive Phasen) zu hochgestimmt (manische Phasen). Solche Phasen dauern von wenigen Wochen bis zu mehreren Monaten und variieren in ihrer Länge.
Gemäss dem Klassifikationssystem ICD-10 der Weltgesundheitsorganisation (WHO) liegt eine Bipolare Störung dann vor, wenn eine Person mindestens zwei Episoden erlebt hat, in denen ihre Stimmung und ihr Aktivitätsniveau deutlich beeinträchtigt waren. Bipolare affektive Erkrankungen verlaufen in Episoden. Es wechseln dabei depressive, hypomanisch oder manische Phasen.
Verschiedene Arten von Bipolaren Störungen
Es gibt bei Bipolarer Störung vier verschiedene Episodenarten. Neben den "klassischen" depressiven und manischen Episoden zählen dazu auch hypomanische und gemischte Episoden.
- Bipolar-I-Störung: Diese Form ist durch klare manische und depressive Phasen gekennzeichnet. In der manischen Phase sind Betroffene energiegeladen, euphorisch und impulsiv. Die depressive Phase zeigt das Gegenteil: Niedergeschlagenheit, Antriebslosigkeit und negative Gedanken.
 - Bipolar-II-Störung: Anstelle von Manie erleben die Betroffenen Hypomanie, eine mildere Form. Besonders die Bipolar-II-Störung ist schwer zu erkennen, da die Symptomatik häufig schwächer ausgeprägt ist.
 
Symptome der verschiedenen Episoden
Symptome der depressiven Episode
In den depressiven Phasen gleicht das Krankheitsbild einer Depression. Zu den Hauptsymptomen gehören dann:
- gedrückte Stimmung
 - Verlust von Interesse und Freude
 - Antriebslosigkeit
 - Schlafstörungen, vor allem Durchschlafstörungen in der zweiten Nachthälfte
 - Konzentrations- und Denkstörungen
 - Schuldgefühle
 - Selbstzweifel
 - Suizidgedanken
 
Die Gesichtsmimik ist während eines depressiven Schubs tendenziell starr und ausdruckslos. Die Betroffenen sprechen meist leise und ihre Antworten kommen verzögert. In der depressiven Phase können auch körperliche Symptome auftreten. Der Appetit nimmt ab, und viele Betroffene verlieren deutlich an Gewicht. Manche empfinden Schmerzen an unterschiedlichen Körperstellen. Häufige Beschwerden sind Atemnot, Herzbeschwerden, Magen- und Darmprobleme sowie Schwindel, Kopfschmerzen und Erektionsstörungen.
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Symptome der manischen Episode
In Phasen der Manie ist alles übersteigert - emotionale Erregung, Denken, Sprechen, Handeln: Der Patient ist voller Energie (bei gleichzeitig geringem Schlafbedürfnis) und entweder auffällig gehobener Stimmung oder aber sehr gereizt. Er hat einen starken Rededrang, ist sprunghaft und unkonzentriert, ausserdem sehr kontaktbedürftig, überaktiv und impulsiv.
Typisch sind auch Selbstüberschätzung, vermehrtes Risikoverhalten und Leichtsinnigkeit. Manche Patienten geben etwa gedankenlos Geld aus und beginnen überdimensionale Projekte, die sie in finanzielle und rechtliche Probleme bringen können. Problematisch ist auch, dass die sozialen Hemmungen verloren gehen. Betroffene sprechen dann willkürlich fremde Leute an und neigen zu einem offeneren Flirt- und Sexualverhalten.
Während einer manischen Episode sind die Patienten auch sehr kreativ. Man geht heute davon aus, dass unter anderem Vincent van Gogh und Georg Friedrich Händel manisch-depressiv waren.
Bei mehr als zwei Drittel aller Patienten mit Manie treten zusätzlich psychotische Symptome auf. Dazu zählen zum Grössenwahn gesteigerte Selbstüberschätzung, Halluzinationen, Verfolgsungswahn und Wahngedanken.
Symptome der hypomanischen Episode
In manchen Fällen von Bipolarer Störung sind die manischen Symptome in abgeschwächter Form ausgeprägt. Dann spricht man von Hypomanie. Betroffene leiden beispielsweise eher an Konzentrationsschwierigkeiten als an Ideenflucht und Gedankenrasen. Auch besonders auffällige Manie-Symptome wie Verlust sozialer Hemmungen, starke Selbstüberschätzung und tollkühnes Verhalten sind nicht beziehungsweise kaum vorhanden. Für manche Betroffenen ist die hypomanische Phase sehr produktiv. Sie fühlen sich kreativ und als eine Person mit besonderen Fähigkeiten.
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Symptome der gemischten Episode
Abgesehen von rein depressiven oder (hypo-)manischen Episoden treten bei Bipolarer Störung manchmal auch gemischte Phasen auf. Sie zeichnen sich durch eine Mischung oder einen raschen Wechsel (innerhalb weniger Stunden) von depressiven und (hypo-)manischen Symptomen aus. Von einer gemischte Episode spricht man aber erst, wenn depressive und (hypo-)manische Symptome gleichermassen die meiste Zeit über mindestens zwei Wochen auftreten.
Eine Bipolare Störung ist mit grossem Leiden und einer erhöhten Suizidgefahr verbunden. Dabei ereignen sich Suizidversuche und Suizide fast immer während oder unmittelbar nach einer depressiven oder gemischten Episode.
Diagnose der Bipolaren Störung
Bei der bipolaren Störung handelt es sich um eine ernsthafte und oft folgenschwere Erkrankung, die Betroffene als Veranlagung oft ein Leben lang begleitet. Eine sorgfältige Diagnosestellung ist die Voraussetzung für eine wirksame Behandlung. Diese sollte durch einen erfahrenen Psychiater oder eine erfahrene Psychiaterin aufgrund einer sorgfältigen Untersuchung und Datenerhebung vorgenommen werden. Oft ist es sehr hilfreich, Angehörige miteinzubeziehen - sowohl für die Sicherung der Diagnose als auch, um die Behandlung durchführen zu können.
Demnach erfragt die behandelnde Fachkraft detailliert das Erleben, die Stimmungen und Gefühle.
Behandlung der Bipolaren Störung
Bipolare Störungen sind nicht heilbar. Trotzdem sind eine frühe Diagnose und Behandlung wichtig. In der Behandlung ist zu unterscheiden zwischen der Behandlung akuter Phasen (Depression oder Manie) und der Vorbeugung und Verhinderung zukünftiger Krankheitsphasen.
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Die Therapie umfasst in der Regel Medikamente und Psychotherapie. Die Medikamente zielen darauf ab, Stimmungsschwankungen zu minimieren und das Wiederauftreten extremer Phasen zu verhindern. Sie hilft Betroffenen, mit Symptomen umzugehen und Auslöser zu erkennen. Auch andere psychotherapeutische Ansätze wie die familienfokussierte Therapie oder die interpersonelle und soziale Rhythmustherapie können die medikamentöse Behandlung der Bipolaren Störung unterstützen.
Es gibt internationale Leitlinien, nach denen Psychiaterinnen und Psychiater akute Phasen therapieren sowie zukünftige Phasen vorbeugen. Die medikamentöse Einstellung dieser schwerwiegenden Erkrankung setzt grosse Erfahrung voraus. Neben der medikamentösen Akutbehandlung von Depressionen und Manien ist die Phasenprophylaxe (Vorbeugung) äusserst wichtig.
Aufgrund fehlender Krankheitseinsicht in meist manischen Phasen können Behandlungen ohne Zustimmung (nach Art. 426 ZGB) erforderlich sein. Neben der Medikation sind auch verhaltenstherapeutische Interventionen sinnvoll.
Viele Menschen mit einer Bipolaren Störung können dank einer Langzeitbehandlung wieder ein normales und erfolgreiches Leben führen.
Umgang mit Betroffenen
Das Akzeptieren ihrer eigenen Krankheit fällt Menschen mit Bipolarer Störung allerdings oft schwer. Besonders in den manischen Phasen ist es nahezu unmöglich, das Problem zu erkennen. Aber auch nach der Diagnose und während der Behandlung bleibt bei vielen Betroffenen die Einsicht aus. Diese abwehrende Haltung kann auch für das Umfeld belastend sein, weiss Experte Hasler. Angehörige und Freunde wissen oft nicht, wie sie damit umgehen sollen.
In der manischen Phase ist es meistens besser, Konflikte zu meiden und Probleme erst danach anzusprechen. Wichtig ist, Betroffene zu beruhigen, auf ausreichend Schlaf zu achten und gegebenenfalls einen Arzt zu kontaktieren. In der depressiven Phase bringt Aufmunterung meist wenig. Eine klare Tagesstruktur und praktische Unterstützung können stattdessen helfen.
Risikofaktoren und Ursachen
Experten vermuten, dass eine Kombination aus biologischen und psychosozialen Faktoren das Risiko erhöht, an einer Bipolaren Störung zu erkranken. Die Erkrankung tritt in einigen Familien häufiger auf. Aus Zwillings- und Familienstudien weiss man mittlerweile eindeutig, dass erblich bedingte Faktoren massgeblich zur Erkrankungsentstehung beitragen. Bei eineiigen Zwillingen liegt das Erkrankungsrisiko bei 70 %, gegenüber 0,7 % im Bevölkerungsdurchschnitt. Umwelteinflüsse, insbesondere Stress, können bei der Entstehung einer Bipolaren Störung ebenfalls eine Rolle spielen.
Eine Studie von Forschern der isländischen Universität Reykjavik zeigte zudem einen genetischen Zusammenhang zwischen hoher Kreativität und bestimmten psychischen Erkrankungen. Die Wissenschaftler analysierten das Erbgut von mehr als 150 000 Menschen. Das Ergebnis: Menschen in kreativen Berufen wie Schauspielerin, Musiker oder Autorin tragen oft Risikogene, die auch mit psychischen Erkrankungen wie Bipolaren Störungen verbunden sind. Die Studie deutet also darauf hin, dass Kreativität und psychische Instabilität gemeinsame genetische Wurzeln haben können.