Bipolare Störung und Gedächtnisprobleme: Ursachen, Symptome und Behandlung

Bei bipolaren Störungen wechseln sich depressive und manische Episoden ab. Der Verlauf von bipolaren Störungen ist in der Regel schwerwiegender als bei unipolaren Depressionen, was sich in einer höheren Anzahl von Episoden zeigt. Wiederkehrende Wechsel von (Hypo-) Manien und Depressionen zeichnen das Bild der bipolaren Störung.

Der ein oder andere hat sicher schon einmal an sich beobachten können, wie er sowohl die Höhen einer Ekstase als auch die Tiefen einer Melancholie durchlebt und vielleicht sogar «genossen» hat. Solche Stimmungsschwankungen gehören zum Leben dazu und machen manchmal dessen den Reiz aus. Mit den Depressionen und Manien, die Menschen mit bipolarer Störung durchleben müssen, hat das jedoch nichts zu tun. Für sie ist dieser extreme Gegensatz mehr als Pathos.

Unterschiedliche Typen der bipolaren Störung

Haben Betroffene zumindest eine vollständige, d.h. die normale soziale und berufliche Funktion störende, manische Episode und zusätzliche depressive Episoden erlebt, wird die Diagnose der bipolaren Störung vom Typ 1 gestellt. Dominiert hingegen die Depression und kommt es «nur» zu hypomanen Phasen, handelt es sich um den Typ 2. Als drittes nennen der Psychiater Professor Dr. Andre­ F. Carvalho­ von der University of Toronto und Kollegen die Zyklothymia, bei der sich hypomane und depressive Perioden abwechseln. Im Gegensatz zu einer bipolaren affektiven Störung sind die Symptome deutlich schwächer ausgeprägt.

Symptome einer manischen Episode

Im Gegensatz zur Symptomatik einer depressiven Episode ist in einer manischen Episode die Stimmung gehoben. Die Patientin oder der Patient ist grundlos fröhlich, heiter und ausgelassen. Das gesteigerte Selbstwertgefühl kann zu einem Verlust der Krankheitseinsicht und der Behandlungsbereitschaft führen. Die Patientinnen und Patienten fühlen sich ungewöhnlich gesund und leistungsfähig, haben einen gesteigerten Bewegungsdrang und Antrieb sowie reduziertes Schlafbedürfnis und einer gesteigerten Libido. Manchmal leiden sie gar unter Grössenwahn. Ein charakteristisches Merkmal ist das unüberlegte Umsetzen von Gedanken und Antrieben in Entscheidungen und Handlungen.

Eine manische Episode belastet die Betroffenen und ihr Umfeld mit einer Fülle von Symptomen. Allen gemein ist die Übersteigerung: Grössenwahn, Redseligkeit, unverhältnismässige Geselligkeit, Irrationalität. Es wird viel Geld ausgegeben, immerzu muss etwas passieren, wenige Stunden Schlaf reichen. Bis zu drei Viertel der Erkrankten berichten von psychotischen Symptomen wie Halluzinationen.

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Kognitive Beeinträchtigungen bei bipolarer Störung

Der Leidensdruck mit einer bipolaren Störung ist immens. Zudem müssen die Betroffenen meist noch mit weiteren Erkrankungen klarkommen, psychischen wie körperlichen. Fast drei Viertel der Patienten sind mit begleitenden Ängsten konfrontiert, über die Hälfte muss sich mit Substanzmissbrauch herumschlagen, und mehr als jeder Dritte von ihnen bekommt zusätzlich die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung gestellt.

Von kognitiven Beeinträchtigungen betroffene Menschen haben zeitweise oder andauernd Probleme mit der geistigen Leistungsfähigkeit. Das kann sich unterschiedlich äussern, zum Beispiel in Form von zunehmender Vergesslichkeit bis hin zu Gedächtnisverlust, in Form von herabgesetzter Aufmerksamkeit, Konzentrationsschwierigkeiten, Sprachstörungen oder Orientierungsproblemen. Auch Schwierigkeiten zu planen oder Aufgaben zu bewältigen sind typisch.

Typische Symptome kognitiver Beeinträchtigungen:

  • Gedächtnis- und Lernschwierigkeiten
  • Aufmerksamkeitsstörung
  • Orientierungsprobleme
  • Konzentrationsstörung
  • Abstraktionsstörung
  • Geschwächtes Urteilsvermögen
  • Sprachstörungen
  • Schwierigkeiten zu planen und Aufgaben zu bewältigen
  • Schwierigkeiten in motorischen, sozialen und emotionalen Bereichen

Ursachen kognitiver Beeinträchtigungen

Kognitive Beeinträchtigungen können viele Ursachen haben und sich sehr unterschiedlich äussern. Sie können genetisch bedingt oder angeboren sein wie zum Beispiel beim Down-Syndrom. Es können Stoffwechselstörungen die Ursache sein oder Komplikationen während der Geburt, die zu Sauerstoffmangel führten. Unfälle, die Schädelhirnverletzungen zur Folge haben, können kognitive Beeinträchtigungen nach sich ziehen.

Auch neurodegenerative Erkrankungen wie Parkinson, Demenz, entzündliche Prozesse im Gehirn, Infektionen (z.B. HIV), Mangelernährung, vor allem ein Mangel an Vitaminen (B1, B12, Folsäure usw.), zerebrovaskuläre (Schlaganfall, Hirnblutungen), endokrinologische (Diabetes, Schilddrüsenerkrankungen) oder somatische Erkrankungen (wie z.B. Herz-, Lungen- oder Leber- Erkrankungen), Gehirntumore oder psychiatrische Erkrankungen (Sucht-, psychotische oder affektive Erkrankungen wie Depressionen) können kognitive Beeinträchtigungen verursachen.

Obwohl hauptsächlich ältere Menschen betroffen sind, können kognitive Beeinträchtigungen grundsätzlich in jedem Alter und jederzeit auftreten. Wichtig ist es zu unterscheiden zwischen einer normalen altersbedingten kognitiven Abnahme und einer krankhaften kognitiven Beeinträchtigung.

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Diagnose und Behandlung

Wenn Sie bei sich Veränderungen bemerken oder oben genannte Symptome wiedererkennen, empfehlen wir Ihnen sich an Ihren Hausarzt oder Ihre Hausärztin zu wenden. So können Sie als erstes abklären, ob eine akute Erkrankung vorliegt. Falls keine akute Erkrankung vorliegt, werden Sie nach der Untersuchung in der Regel an die Memory Clinic überwiesen, damit Sie eine gründliche medizinische und neuropsychiatrische Abklärung erhalten.

Um kognitive Beeinträchtigungen gezielt zu behandeln, gehen wir von den Ursachen aus und sorgen dafür, dass daraus entstandene Erkrankungen optimal therapiert werden. Wir beraten und unterstützen bei Themen wie gesunde Ernährung, körperliche Aktivitäten und Normalgewicht. Wir unterstützen bei empfohlenen Massnahmen wie auf das Rauchen zu verzichten, wenig oder keinen Alkohol zu konsumieren. Und wir bieten ambulante Therapien wie zum Beispiel kognitives Training oder Psychotherapie an.

Behandlungsansätze:

  • Behandlung körperlicher Erkrankungen wie Bluthochdruck, Zuckerkrankheit, Herzkrankheiten, Schlafstörungen, chronische Lungenerkrankungen
  • Behandlung von Vitaminmangel, Mangelernährung, Schilddrüsenhypo- oder -hyperfunktion
  • Beratung und Unterstützung bei gesunder Ernährung, körperlicher Aktivitäten und Normalgewicht
  • Unterstützung bei empfohlenen Massnahmen wie Rauchverzicht und reduziertem Alkoholkonsum
  • Ambulante Therapien wie kognitives Training oder Psychotherapie

Die Rolle von Lithium

Lithium gehört zu den wichtigsten und wirksamsten Medikamenten bei der Behandlung der Bipolaren Störung. Eine dänische Studie weist darauf hin, dass Lithium nicht nur bei bipolaren Störungen wirksam ist, sondern auch Demenzen vorbeugen kann (Kessing, Gerds et al. 2017). Die Forscher untersuchten 73’731 Patienten mit Demenz und 733'653 gesunde Kontrollpersonen, was einer extrem grossen Stichprobe entspricht und auf die hohe Qualität der Studie hinweist.

Personen, die in Lithium-reichen Gebieten wohnten, hatten ein geringeres Demenz-Risiko, als solche aus Lithium-armen Regionen. Dieser Befund bestätigt frühere Forschung, die nahe legte, dass Lithium neuro-protektiv ist (das Hirn schützt) und dass Lithium das Lernen und das Gedächtnis stärkt. Sie sind mit ihrer Behandlung nicht nur von Depressionen und Manien geschützt, sondern senken mit der Behandlung auch ihr Demenz-Risiko, das bei unbehandelten Bipolaren Störungen erhöht ist.

Eine andere neue Studie belegt, dass Lithium wirksamer ist als andere Medikamente bei der Verhütung von Suiziden bei der Bipolaren Störung (Song, Sjolander et al. 2017). Bei dieser Studie wurden 50'000 bipolar Betroffene untersucht, was auf die hohe Qualität der Studie hinweist. Bei erhöhtem Suizidrisiko sollte deshalb ein Therapie-Versuch mit Lithium erfolgen. Vermutlich bieten bereits relativ geringe Mengen von Lithium einen Schutz vor Suizid.

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Eine neue Studie zeigt, dass Lithium bei Jugendlichen mit einer bipolaren Störung den anderen Medikamenten wie Antidepressiva, Antipsychotika und Antiepileptika wie Lamotrigin und Valproinsäure, überlegen ist. Jugendliche, die Lithium einnahmen, unternahmen 50% weniger Suizidversuche, zeigten weniger aggressiv-gereiztes Verhalten und hatten weniger depressive Symptome als Jugendliche, die mit anderen Medikamenten behandelt wurden.

Genetische Grundlagen der bipolaren Störung

Die bisher grösste genetische Studie zur bipolaren Störung mit 30‘000 Patienten ermöglicht ein umfassenderes Verständnis der biologischen Grundlagen der Erkrankung. Eine internationale Forschungsgruppe mit Beteiligung der Universität Basel hat dazu 20 neue Gene entdeckt, wie sie im Fachjournal «Nature Genetics» berichtet.

Im Erbgut der Patienten entdeckte das internationale Team des Konsortiums insgesamt 30 Regionen, die mit der Erkrankung in Zusammenhang stehen. «Davon waren 20 der auf der DNA identifizierten Gen-Orte Neuentdeckungen in Bezug auf die bipolare Störung», sagt Cichon. Die in den identifizierten Regionen gelegenen Gene kodieren beispielsweise für Ionenkanäle, die das Aktionspotenzial von Neuronen beeinflussen können.

Die Forschenden konnten nun auch genetische Unterschiede zwischen zwei klinisch unterscheidbaren Unterarten der bipolaren Störung nachweisen. Während der häufigere Typ I mit ausgeprägteren manischen und depressiven Phasen auf genetischer Ebene eher mit Schizophrenie in Zusammenhang zu stehen scheint, deutet der «milder» verlaufende Typ II eher auf eine Verwandtschaft mit der Depression hin. Diese Indizien weisen den Weg zu potenziellen Ansatzpunkten für neue Therapien.

Unterstützung für Betroffene und Angehörige

Angehörige können Fachleute wie Hausärztinnen oder Hausärzte oder uns - etwa die Memory Clinic oder unsere Angehörigenberaterinnen und -berater - konsultieren, um sich zu informieren sowie sich Beratung und Unterstützung zu holen.

Behandlungsorte:

  • Bei leichten bis mittelschweren Beeinträchtigungen ambulant in den Ambulatorien in Heerbrugg, St.Gallen, Sargans,Uznach, Wattwil und Wil
  • Bei schweren Beeinträchtigungen stationär an den Standorten Pfäfers und Wil

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