Die Psychologie der Freude: Ein umfassender Überblick

Freude ist ein reiches, vielschichtiges Erleben. Im Alltag sprechen wir oft schlicht von „Freude“, ohne zu benennen, welche Art von Freude wir gerade empfinden. Auch im Bereich von Coaching, Therapie oder Pädagogik können diese Nuancen hilfreich sein.

Die Vielschichtigkeit der Freude

Freude ist nicht gleich Freude. Während wir oft denken, es handle sich um ein einheitliches Gefühl, hat der amerikanische Psychologe Paul Ekman gezeigt, dass Freude vielschichtig ist. Paul Ekman ist einer der bekanntesten Emotionsforscher der Welt. Er wurde insbesondere durch seine Arbeit zu Mikroausdrücken und der universellen Mimik bekannt. Doch Ekman geht weiter als viele andere Emotionsforscher.

Im Jahr 2011 hat Seligman sein Buch „Flourish“ publiziert, in dem er sein neues dynamisches Konzept von Wohlbefinden vorstellt und die Theorie, die Wohlbefinden ausschliesslich als „Glück“ konzeptualisiert, weiterentwickelt. Seiner Ansicht nach ist Wohlbefinden multidimensional und sollte aus hedonistischen und eudaimonischen Aspekten bestehen. In seiner Theorie des Wohlbefindens beschreibt er fünf Elemente, die zu einem aufblühenden Leben führen sollen: Positive Emotionen, Engagement, positive Beziehungen, Sinn und Errungenschaften.

Die Anfangsbuchstaben der englischen Namen dieser fünf Komponenten bilden das Akronym PERMA (pleasure/positive emotions, engagement, relationships, meaning und accomplishment).

Die PERMA-Elemente im Detail

  • Positive Emotionen: Diese Komponente beschreibt eine hedonistische Orientierung, die auf das Erleben positiver Emotionen fokussiert. Positive Emotionen können sich auf die Vergangenheit (z.B. Dankbarkeit), die Zukunft (z.B. Zuversicht) und die Gegenwart (z.B. Freude) beziehen.
  • Engagement: Beim Engagement geht es um das Nachgehen hoch einnehmender und fesselnder Aktivitäten und die dadurch entstehende Erfahrung des Flows. Wie das positive Gefühl wird auch Engagement subjektiv eingeschätzt.
  • Sinn: Diese Komponente beschreibt das Streben nach Sinnhaftigkeit. Ein wichtiger Bestandteil davon ist, dass man das Gefühl hat, das eigene Handeln diene einem höheren Zweck bzw. einer grösseren Sache. Sinngebend kann beispielsweise der Einsatz eigener Stärken für andere Menschen oder die aktive Beteiligung an einer Sache sein, die grösser ist als man selbst. Sinn spiegelt die eudaimonische Sichtweise wider.
  • Positive Beziehungen: Das soziale Miteinander und Beziehungen gehören zu den bedeutsamsten Aspekten des Lebens und Menschen suchen aktiv nach emotionalen und physischen Interaktionen mit anderen Menschen.
  • Errungenschaften: Errungenschaften beinhaltet expliziten Zielen im Leben nachzugehen, im Leben fortzuschreiten und das Gefühl zu haben, tägliche Aktivitäten ausüben zu können.

Die Bedeutung positiver Emotionen

Positive Emotionen wie Freude sind die eigentlichen Antriebsfedern des Lebens. Sie ermuntern die Menschen dazu, Dinge zu tun, die gut und nützlich sind. Essen zum Beispiel bereitet Freude - und ohne Nahrung können wir nicht leben. Dasselbe gilt für Sex, der für die Erhaltung der menschlichen Spezies unerlässlich ist. Ja, sogar über die simple Fortpflanzung hinaus sind positive Gefühle wie Freude, Lust oder Zufriedenheit von grossem Vorteil. Dank ihnen arbeiten Menschen zusammen, vergessen Misstrauen und Ängstlichkeit, finden zueinander.

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Wie positive Emotionen unser Leben beeinflussen

Sich glücklicher zu fühlen ist nicht nur ein angenehmer Zustand und das Ergebnis von günstigen Lebensumständen, sondern hat weitere wichtige Auswirkungen im Leben. Menschen, die mit ihrem Leben zufrieden sind und positive Emotionen erleben, unterscheiden sich in ihren Verhaltensweisen von unglücklichen Personen: Beispielsweise ist es wahrscheinlicher, dass glückliche Menschen heiraten und verheiratet bleiben als weniger glückliche Menschen. Menschen, die gut gestimmt sind, handeln häufiger selbstlos und glückliche Menschen spenden Wohltätigkeitseinrichtungen mehr Geld. Sie mögen andere Menschen mehr und werden von anderen mehr gemocht. Zudem zeigen Studien, dass glückliche Menschen ein höheres Einkommen haben und mit einer höheren Wahrscheinlichkeit nicht arbeitslos sind.

Hohes subjektives Wohlbefinden führt zu besserer Gesundheit, einer höheren Lebenserwartung, besseren sozialen Beziehungen und zu mehr Produktivität in der Arbeit.

Die Rolle der Dankbarkeit

Vor allem ein Gefühl soll positive Emotionen auslösen: Dankbarkeit. Auf sozialen Medien trenden Hashtags wie "gratitude" oder "blessed", doch eigentlich ist Dankbarkeit ein jahrtausendealtes Konzept. Religionen von Christentum bis Hinduismus predigen davon, im Buddhismus gilt sie sogar als Kern einer edlen Person. Für den römischen Politiker und Philosophen Cicero war dieses Gefühl nicht nur die grösste aller Tugenden, sondern auch die "Mutter von allen".

Wie zuträglich Dankbarkeit der psychischen Gesundheit ist, zeigen zahlreiche Studien: Dankbare Menschen führen engere Beziehungen, sind weniger anfällig für Depressionen und schlafen besser.

Soziale Vergleiche und Schadenfreude

Normalerweise sprechen wir nicht gern darüber, dass wir uns oftmals mit anderen Menschen (z.B. Freunden, Familienmitgliedern und Kollegen) oder anderen Gruppen (z.B. Nationalität, Geschlecht, und Verein) vergleichen. Dennoch tun wir dies sehr häufig. Wir vergleichen uns zum Beispiel, um besser bewerten zu können, wo wir selbst oder unsere Gruppe stehen und um gegebenenfalls unser Selbstwertgefühl und unser Ansehen zu verbessern. Soziale Vergleiche können also sehr dienlich sein, um neue Informationen zu erhalten und uns zu motivieren, besser zu werden. Jedoch führen soziale Vergleiche oft zu negativen Gefühlen, wie Neid oder Verachtung. Gelegentlich empfinden wir dann Schadenfreude, also die Freude über das Unglück anderer.

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Schadenfreude kann demnach nicht nur in persönlichen Beziehungen, sondern auch gegenüber bestimmten Gruppen empfunden werden. Wir empfinden Schadenfreude besonders gegenüber Mitgliedern von statushohen Gruppen, die als kompetent aber unsympathisch eingeschätzt werden. Wenn wir uns also mit Personen oder Gruppen vergleichen, die besser dastehen als wir, führt dies oft zu Neid - einem Gefühl der eigenen Unzulänglichkeit und dem Bedürfnis, dass zu haben, was der/die andere hat. Die beneideten Personen werden oftmals als kompetent und unsympathisch wahrgenommen.

Positive Psychologie: Der Fokus auf das Positive

Was assoziieren wir mit Psychologie? Häufig fällt uns nur ein, dass sie sich mit den negativen Aspekten unseres Lebens beschäftigt. Und so war es zu ihren Anfängen tatsächlich. Bis heute beschäftigt sich die übergrosse Mehrheit der psychologischen Studien und Forschungen mit Störungen, Erkrankungen, Funktionsschwierigkeiten. Vergleichsweise jung ist die Entwicklung eines neuen Bereichs dieser Wissenschaft: die Positive Psychologie. Sie legt das Augenmerk auf das, was in unserem Leben positiv ist. Das bedeutet, es werden Faktoren untersucht, die die Grundlage für Wohlergehen, psychische Gesundheit, Zufriedenheit und das Gefühl von Glück sind. Die Positive Psychologie sucht nach dem, was die Menschen aufblühen und ihr natürliches Potenzial entfalten lässt.

Die vielen Ratgeber, die positives Denken postulieren, verfügen über keine wissenschaftliche Basis und setzen darauf, dass es wirkt, wen man daran glaubt. Die Positive Psychologie ist ein Gebiet der akademischen Psychologie und die Theorien, Modelle und Interventionen werden mit wissenschaftlichen Methoden entwickelt und beurteilt. So blendet Positive Psychologie auch nicht das Negative einfach aus.

Wie man positive Emotionen kultiviert

Positive Emotionen können kultiviert oder erlernt werden, um das eigene Wohlbefinden zu verbessern. Frag dich doch mal, wann Du diese positiven Emotionen erlebt hast und wie stark Du Dich daran erinnern kannst. Wie oft lädst Du diese Erinnerungen in Dein Leben ein?

Es gibt Apps, die Sie darin unterstützen, Ihre Gefühle zu entdecken und herauszufinden, was Ihnen guttut.

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Hier sind einige Strategien, um positive Emotionen zu fördern:

  • Führen Sie ein Dankbarkeitstagebuch: Schreiben Sie am Ende eines Tages drei Dinge auf, für die Sie dankbar waren.
  • Nehmen Sie an Aktivitäten teil, die Sie lieben: Engagieren Sie sich in Hobbys und Interessen, die Ihnen Freude bereiten.
  • Pflegen Sie soziale Beziehungen: Verbringen Sie Zeit mit Menschen, die Ihnen guttun und die Sie unterstützen.
  • Setzen Sie sich Ziele und arbeiten Sie darauf hin: Das Erreichen von Zielen trägt zum Wohlbefinden und zu einem erfüllten Leben bei.
  • Finden Sie Sinn in Ihrem Leben: Richten Sie Ihr Leben auf etwas aus, das Ihnen wichtig ist und das über Ihre individuellen Ziele hinausgeht.

Die Bedeutung von Beziehungen

Authentische soziale Verbindungen sind grundlegend für ein sinnvolles, glückliches Leben. Wir Menschen sind soziale Wesen, wir wollen und müssen «dazugehören» und brauchen den Austausch mit Freunden, Bekannten, Arbeitskollegen oder der Familie. Sinnvolle Verbindungen zu finden mit Menschen, auf die man sich verlassen kann und die einem das Gefühl geben, nicht allein zu sein, löst grosse Zufriedenheit aus. Diese Beziehungen zu pflegen und gemeinsame Aufgaben zu lösen, lässt Freude erleben. Ist Dir bewusst, welche Menschen Dir guttun, und kannst Du dankbar dafür sein? Auf wen in Deinem Umfeld kannst Du Dich hundertprozentig verlassen? Wer unterstützt Dich bei Deinen Vorhaben und gibt Dir Energie und wer raubt sie Dir?

Die Suche nach Sinnhaftigkeit

Was ist es, worauf Du Dein Leben ausrichtest? Was gibt Dir so viel, dass Du sagen kannst, dafür lebe ich? Wie bringst Du diese Sinnhaftigkeit in Dein privates und berufliches Leben mit ein?

Ziele setzen und erreichen

Im Leben Ziele zu haben, ist eng mit der Idee der Sinnhaftigkeit verknüpft. Ziele zu verfolgen, die einem selbst sinnvoll erscheinen, trägt automatisch zum Wohlbefinden und zu einem erfüllten Leben bei. Ein Erfolgserlebnis ist das Ergebnis des Hinarbeitens auf Ziele und Erreichens von Zielen. Leistung beinhaltet die Konzepte der Beharrlichkeit und der Leidenschaft, die Ziele zu erreichen, die einem wichtig sind. Wie steht es denn um Deine Ziele? Kennst du Deine wichtigen Ziele im Leben? Machen Dich die Ziele, auf die Du im Moment hinarbeitest, wirklich glücklich? Bist Du sicher, dass es Deine eigenen Ziele sind und nicht die, um den Erwartungen von anderen zu genügen? Sind Deine Ziele smart formuliert (spezifisch, messbar, erreichbar, realistisch und terminiert)? Reflektierst Du Deine vergangenen Erfolge?

Die Grenzen des positiven Denkens

Was jedoch gegen zu viel Positivität und das "Lucky Girl Syndrom" spricht: Negative Fantasien könnten in gewissen Situationen durchaus nützlich sein, nämlich um sich aufzuraffen. Zur Motivation könnte man sich Worst-Case-Szenarien ausmalen: Was würde schlimmstenfalls passieren, wenn ich durch die Prüfung falle? Mich von meinem Partner trenne, im Job gekündigt werde? "Meistens sind die möglichen Folgen bei genauerem Blick gar nicht so dramatisch, wie man sie vorher vage erlebt", meint Schütz.

In Studien der Psychologin Gabriele Oettingen, die an der New York University und an der Universität Hamburg tätig ist, finden sich ebenfalls Belege für den Nutzen einer negativen Vorstellungskraft. Sie begleitete beispielsweise übergewichtige Frauen, die abnehmen wollten. Diejenigen, die sich die Zukunft besonders rosig ausgemalt hatten, erzielten dabei die wenigsten Erfolge. Selbst in der Liebe liessen sich ähnliche Effekte feststellen: Je positiver befragte Studierende sich eine Beziehung mit ihrem Schwarm ausmalten, desto weniger wahrscheinlich war es, dass es zu einer solchen Beziehung kommen würde.

Umgang mit negativen Emotionen

Der grundlegende Gedanke dahinter ist wohl: Kaum hat man einen Sinn in einem Unglück entdeckt, fällt es einem leichter, damit umzugehen.Einen Sinn im Schlechten zu finden - das ist auch eine Form des positiven Denkens. Ähnlich beschrieb es auch der berühmte Psychiater Carl Gustav Jung Anfang des 20. Jahrhunderts. Er gilt als Mitbegründer der analytischen Psychologie und arbeitete eng mit Sigmund Freud zusammen. "Die Depression ist wie eine Dame in Schwarz", diese Worte sollen auf Jung zurückgehen. "Tritt sie auf, so weise sie nicht weg, sondern bitte sie als Gast zu Tisch und höre, was sie zu sagen hat." Man solle sich also mit der Krankheit anfreunden, auseinandersetzen, verstehen, warum sie auftritt. Jungs Thesen werden bis heute kontrovers diskutiert.

Positive Interventionen

In einer Metaanalyse wurde die Effektivität positiver Interventionen untersucht; das sind psychologische Behandlungsmethoden (Training, Übung, Therapie), die theoretisch in der Positiven Psychologie gegründet sind und darauf abzielen, positive Gefühle, positive Kognitionen und positive Verhaltensweisen zu kultivieren. Insgesamt konnten 39 Studien mit 6139 TeilnehmerInnen identifiziert werden. Als zentrales Ergebnis zeigte sich, dass positive Interventionen effektiv subjektives und psychologisches Wohlbefinden erhöhen und depressive Symptomatik reduzieren können.

Das Zusammenspiel von Körper und Geist

Niemand würde Freude empfinden ohne chemische Reaktionen im Gehirn. Dort tauschen sich Nervenzellen laufend untereinander aus. Dazu benötigen sie Botenstoffe. Freude wird vor allem von drei solcher Stoffe ausgelöst: Serotonin, Dopamin und körpereigene Endorphine, die eine ähnliche Wirkung haben wie Morphium. Der Botenstoff Dopamin sorgt für den Antrieb zu Aktivitäten, die glücklich machen können. Es verstärkt die Motivation, spornt an. Schüttet der Körper Serotonin aus, wird der Mensch ruhig und gelassen, was zu Zufriedenheit führt. Und will immer mehr davon, will dieses Gefühl von Freude und Lust immer wieder spüren. Der Mensch tut also das, was ihm Freude macht, immer und immer wieder. Doch leider hält das Glück mit jedem Mal kürzer vor, man muss also immer häufiger das tun, was einen glücklich macht, erlebt aber immer weniger Lust dabei, bis sie irgendwann ganz ausbleibt. Ein neuer Trend aus den USA soll dem nun entgegenwirken: Dopamin-Fasten. Das bedeutet, auf alles zu verzichten, was Freude macht. Ziel des Dopamin-Fastens ist es, durch den Reizentzug einer Überstimulation des Gehirns entgegenzusteuern.

Die Macht des Lächelns

Wer sich freut, lächelt. Und steckt damit andere an. Doch Lachen ist nicht nur ansteckend, es ist auch universell. Lachgeräusche gibt es überall, selbst in der Tierwelt. Schimpansen lachen beispielsweise. Nicht immer lächelt der Mensch, wenn er fröhlich ist. Er kann ein Lächeln auch aufsetzen, aus Höflichkeit beispielsweise.

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