Chronische Schmerzen gehören zu den grossen Gesundheitsproblemen. In Deutschland wird die Zahl der Erwachsenen mit chronischen Schmerzen auf 12 Millionen geschätzt. In der Schweiz geht man von 1,2 Millionen chronisch Schmerzkranken aus. In Österreich rechnet man mit 1,5 Millionen. Am höchsten ist der Anteil in Norwegen, Polen und Italien.
Akute Schmerzen entwickeln sich dann zu chronischen Schmerzen, wenn sie nicht ausreichend gelindert werden (können). Wird das Nervensystem ständig mit Schmerzsignalen bombardiert, verändert es sich nachhaltig. Stete Schmerzreize, die zum Rückenmark gelangen, können die Verarbeitung der Sinnesinformationen umgestalten.
Es bildet sich eine Gedächtnisspur, die sich als Schmerzgedächtnis im Rückenmark ausbildet: der Schmerz überdauert die eigentliche Ursache etwa eine Verletzung, eine Entzündung oder eine Operation  um Wochen, Monate oder Jahre. Der ursprüngliche Auslöser fehlt, der Schmerz bleibt.
Die Entstehung und der Verlauf der Krankheit chronischer Schmerz hängt, wie man inzwischen weiss, jedoch nicht ausschliesslich von körperlichen, sondern auch von seelischen und sozialen Faktoren ab. Denn das Gehirn kann die durch die Nerven vermittelten Schmerzimpulse mit den persönlichen Gefühlen und Erfahrungen verknüpfen.
Die Rolle der Psychologie bei chronischen Schmerzen
Die Spirale aus Schmerzerfahrung, Anspannung und Angst vor neuen Schmerzen kann durchbrochen werden. Die Schmerzspuren im Gehirn sind nicht auf ewig festgeschrieben. Mit der richtigen Therapie kann das Schmerzgedächtnis wieder gelöscht bzw. überschrieben werden. Eine Möglichkeit dazu ist die psychologische/psychotherapeutische Behandlung.
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Wie tiefgreifend der Einfluss psychologischer Faktoren auf die Schmerzwahrnehmung sein kann, fanden Neurowissenschaftler und Schmerzforscher aus Hamburg und Zürich heraus. Mit Hilfe hochmoderner Verfahren konnten sie nachweisen, dass allein schon die Erwartung, der Schmerz werde sich verringern, diesen tatsächlich abschwächt, auch wenn der schmerzhafte Reiz sich gar nicht geändert hatte.
Der immer wiederkehrende oder gar tägliche Schmerz quält und lähmt. Er raubt den Betroffenen die Freiheit und zerstört die Lebensfreude. Nicht nur, dass sie ständig Leid ertragen müssen  sie machen auch häufig die Erfahrung, dass ihre Krankheit nicht ernst genommen wird.
Arbeitgeber, Kollegen, Versicherer und Ämter zeigen oft wenig Verständnis für eine Krankheit, die man nicht sieht und deren Ursachen keiner kennt. Viele Schmerzkranke erleben, dass ihr Gesundheitszustand negative Auswirkungen auf das Zusammenleben mit Familie und Freunden hat. Ein Viertel der Kranken beklagt, dass sie bei der Suche nach Behandlungsmöglichkeiten oder bei der Therapie allein gelassen werden. Die Folge ist, dass sie sich ausgegrenzt fühlen und sich selbst isolieren. Etwa 15 Prozent der Schmerzkranken gehen kaum noch aus dem Haus. Ungefähr ein Drittel leidet unter Depressionen.
Der bekannte deutsche Schmerzforscher Prof. Walter Zieglgänsberger sagte schon vor Jahren in einem Interview mit der ZEIT: «Was Menschen gelernt haben, können sie auch wieder verlernen. Erst einmal müssen wir den Schmerz abschalten. Dazu brauchen sie meistens ein Medikament. Doch das ist nur eine Krücke. Da haben wir in der Vergangenheit Riesenfehler gemacht. Sobald wir die Patienten schmerzfrei hatten, liessen wir sie häufig allein. Daher plädierte er auch schon früh für psychotherapeutische Massnahmen, die helfen, die Angst vor dem chronischen Schmerz zu überwinden.
Dr. Zieglgänsberger fügte hinzu: «In dem Mass, in dem die Patienten ihre Lebensfreude wiederentdecken, verlieren sie ihre Angst und hören auf, sich wieder und wieder mit ihrem Leid zu beschäftigen. Zu viel Schonung bringt gar nichts. Bei der Wahrnehmung von Qualen wirken, wie gesagt, viele Faktoren zusammen  von früheren Schmerzerfahrungen bis zur sozialen Situation oder der persönlichen Einstellung gegenüber dem Leid.
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Genetische und medizinische Aspekte
Bausteine zum Verständnis dieser Tatsachen liefert die Genforschung, die mit der Möglichkeit, genetische und bildgebende Verfahren zu kombinieren, neue Einblicke in die Schmerzwahrnehmung erlaubt. Auf dem Internationalen Wiener Schmerzsymposium 2012 sagten Forscher, es gebe zwar gibt es kein spezielles Schmerz-Gen, jedoch 400 bis 500 Gene, die mit der Schmerzwahrnehmung zusammenhängen.
Sie beeinflussen die Produktion schmerzverstärkender oder schmerzhemmender Botenstoffe sowie die Aufnahme von Wirkstoffen und ihre Verarbeitung im Stoffwechsel individuell mehr oder weniger stark. Neben diesen bislang unbekannten genetischen Auslösern fanden die Wissenschaftler auch zwei bereits bekannte Veränderungen im Erbgut. Diese waren zusammen mit zwei weiteren schon zuvor bei Menschen mit der selteneren Migräne mit Aura entdeckt worden.
Die Medizin erhofft sich von diesen Ergebnissen mögliche Ansatzpunkte für die Entwicklung von Medikamenten. Die häufigste Ursache chronischer Schmerzen liegt in Erkrankungen des Bewegungsapparates, und hier nehmen Rückenprobleme und Bandscheibenvorfälle die Spitzenpositionen ein. Oft kann weder mit Bildverfahren noch durch Untersuchungen eine eindeutige Ursache für die Beschwerden festgestellt werden. Manche Personen, bei denen ein Bandscheibenvorfall festgestellt wurde, sind weitgehend schmerzfrei. Und doch wird so häufig operiert wie nie zuvor. Dabei wissen viele Experten: Bandscheibenvorfälle, die keine Lähmung zur Folge haben, brauchen zu 90 Prozent keine Operation.
Chronische, sehr starke Nervenschmerzen, wie sie bei Phantomschmerzen, Trigeminusneuralgien, als Folge von Diabetes, Gürtelrose oder Krebs auftreten können, sind nicht leicht in den Griff zu bekommen. Klassische Schmerzmittel wie z.B. Aspirin oder nicht-steroidale Antirheumatika helfen kaum. Bei den Gelenkbeschwerden, die mit zu den häufigsten chronischen Schmerzen zählen, unterscheidet man grob zwischen durch Abnutzung entstandenen Schäden wie Arthrose und solchen, die durch Entzündungen ausgelöst werden wie rheumatoide Arthritis. Diese, oft unter dem Begriff Gelenkrheuma zusammengefassten Beschwerden sprechen in einem frühen bis mittleren Stadium gut auf die meist besonders verträglichen und wirksamen Phytotherapeutika an.
«Die Behandlung von rheumatischen Beschwerden mit pflanzlichen Präparaten ist sinnvoll und verspricht Erfolg», bestätigt auch Dr. med.
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Interdisziplinäre Therapie als umfassender Ansatz
Sie gilt als die modernste, wissenschaftlich fundierte Therapieform zur ganzheitlichen Behandlung chronischer Schmerzen. Ein interdisziplinäres Team aus speziell ausgebildeten Ärzten, Psychologen, Sozialarbeitern und Therapeuten plant  nach ausführlichen Gesprächen mit dem Kranken  gemeinsam die gleichzeitige, aufeinander abgestimmte Behandlung mit verschiedenen körperlichen und psychologischen Therapieformen. Unabdingbar ist dabei die aktive Mitarbeit der Teilnehmenden, denn nur so können sie die Beschwerden dauerhaft in den Griff bekommen.
Die zwischen drei und sechs Wochen dauernden Angebote sind wegen ihrer hohen Behandlungsintensität kostspielig. Allerdings ist diese Art der Therapie noch Mangelware. Sie wird hauptsächlich an Universitäten wie Zürich, Freiburg (D), Mannheim, München, Köln, Erlangen, Göttingen, Dresden u.a.
Defizite in der Versorgung und Lösungsansätze
In der Versorgung von Menschen mit chronischen Schmerzen bestehen noch viele Defizite. In der Schweiz bzw. in Deutschland vergehen durchschnittlich 2 Jahre (Europa 2,2 Jahre) von der ersten medizinischen Konsultation bis zur Diagnose und weitere 1,7 bzw. Die Situation ist nicht nur geprägt von langen Wartezeiten, sondern auch von mangelnder Ausbildung und Unsicherheit vieler (Haus-) Ärzte, von denen sich nur die Hälfte ausreichend kompetent fühlt.
In der Schweiz geben 42 Prozent der Schmerzkranken an, ihr Leiden werde nicht angemessen behandelt (Europa: 38 Prozent). Das von namhaften Experten aus 15 europäischen Ländern betreute Projekt «Pain Proposal» von 2010 (aus dem die obigen Daten stammen) zeigt, «dass die ineffiziente Behandlung von chronischen Schmerzen zu einer längeren Leidenszeit der Patienten und zu steigenden Gesundheitskosten führt», wie Prof. Dr.
An der ETH Zürich hat man eine Methode gefunden, die Ärztinnen und Ärzten helfen soll, körperlichen und psychosozialen Schmerz von Betroffenen besser zu unterscheiden. Denn Schmerz ist nicht gleich Schmerz, er erfordert je nach Ursache andere Therapien. Ist der Schmerz vor allem körperlich bedingt, dürften sich Ärztinnen und Ärzte bei der Behandlung vor allem auf die körperliche Ebene konzentrieren, u.a. mit Medikamenten oder Physiotherapie.
Die Rolle von Chefärztin Isa Sammet
Seit dem 1. März 2024 ist Isa Sammet als Chefärztin und Bereichsleiterin der Station Oase und der Ambulatorien Aadorf und Zürich an der Privatklinik Aadorf tätig.
Mit Prof. PMU Dr. med. Dipl.-Psych. Isa Sammet studierte Psychologie an der Universität Erlangen und Humanmedizin an der Universität Hamburg. Es folgten Stationen als Assistenzärztin im Fachgebiet Psychiatrie an der Privat-Nervenklinik Fontheim in Liebenburg und im Fachgebiet Neurologie an der Weserberglandklinik Höxter. Nach einem zweijährigen Aufenthalt in Los Angeles arbeitete sie elf Jahre als Wissenschaftliche Assistentin an der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie der Universität Göttingen - die ersten fünf Jahre als Stationsärztin, danach als Leiterin der allgemeinen Poliklinik und Funktionsoberärztin im Konsiliardienst in den Bereichen Psychoonkologie und Psychotraumatologie. Zwischen 2010 und 2015 leitete Isa Sammet an der Psychiatrischen Klinik Münsterlingen den Psychotherapiebereich, unter anderem mit einer Eltern-Kind-Station, und war in der Funktion der Psychosomatischen Konsiliarärztin Gründungsmitglied des Adipositas-Zentrums am Kantonsspital Frauenfeld.
In der Wissenschaft und Forschung setzte sich Isa Sammet intensiv mit dem psychotherapeutischen Prozess auseinander, dies auch bei ihrer medizinischen Promotion am Institut für Psychosomatik und Psychotherapie der Universität Hamburg sowie im Rahmen einer Forschungsprofessur an der medizinischen Privatuniversität Paracelsus in Salzburg. Zu weiteren Forschungsschwerpunkten von Isa Sammet zählen die Wirkfaktoren stationärer Psychotherapie und die Implementierung der Operationalisierten Psychodynamischen Diagnostik in die Praxis.
| Land | Geschätzte Anzahl | 
|---|---|
| Deutschland | 12 Millionen | 
| Schweiz | 1,2 Millionen | 
| Österreich | 1,5 Millionen | 
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