Psychische und Verhaltensstörungen durch Alkohol (ICD-10)

Der Indikator bietet eine Übersicht über die psychischen Erkrankungen, die bei Hospitalisierungen diagnostiziert werden (Hauptdiagnosen). Als psychische Erkrankungen gelten alle Diagnosen des Kapitels «Psychische und Verhaltensstörungen» (F00-F99) und der Gruppe «Sonstige degenerative Krankheiten des Nervensystems» (G30-G32) der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD-10-GM). Es werden Hospitalisierungen in sämtlichen Versorgungsbereichen berücksichtigt (Psychiatrie, Akutsomatik und Rehabilitation).

Abhängigkeitssyndrom und ICD-10

Unter dem Begriff Abhängigkeit oder Abhängigkeitssyndrom versteht man die körperlichen, kognitiven und sozialen Folgen und Schäden von wiederholtem Gebrauch psychoaktiver Substanzen oder nicht-stoffgebundenen Verhaltensweisen. Die medizinische Diagnose ist im internationalen Klassifizierungssystem ICD-10 der WHO beschrieben.

Typisch für eine Abhängigkeit ist ein starker Wunsch oder Drang des Substanzkonsums oder des Verhaltens sowie die Schwierigkeit, die Kontrolle darüber zu erlangen, trotz schädlicher Folgen. Es entwickelt sich eine Toleranzerhöhung mit körperlichen und/oder psychischen Entzugssymptomen bei Reduktion oder Absetzen des Konsums/Verhaltensweise.

Das Abhängigkeitssyndrom ist in der aktuellen Version der ICD-10 (International Classification of Diseases, 10. Revision) in der Kategorie psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen (F10 bis F19) integriert. In der aktuellen Version der ICD-10 (International Classification of Diseases, 10. Revision) wird das Abhängigkeitssyndrom in der Kategorie psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen (F10.2 bis F19.2) behandelt.

Das Abhängigkeitssyndrom wird folgendermassen definiert: "Eine Gruppe von Verhaltens-, kognitiven und körperlichen Phänomenen, die sich nach wiederholtem Substanzgebrauch entwickeln. Typischerweise besteht ein starker Wunsch, die Substanz einzunehmen, Schwierigkeiten, den Konsum zu kontrollieren, und anhaltender Substanzgebrauch trotz schädlicher Folgen. Dem Substanzgebrauch wird Vorrang vor anderen Aktivitäten und Verpflichtungen gegeben. Es entwickelt sich eine Toleranzerhöhung und manchmal ein körperliches Entzugssyndrom. Das Abhängigkeitssyndrom kann sich auf einen einzelnen Stoff beziehen (z.B. Tabak, Alkohol oder Diazepam), auf eine Substanzgruppe (z.B. opiatähnliche Substanzen), oder auch auf ein weites Spektrum pharmakologisch unterschiedlicher Substanzen."

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Parallel zur Weiterentwicklung der ICD-10 der WHO wurde jahrelang an einer grundlegenden 11. Revision gearbeitet. Die ICD-11 wurde im Mai 2021 von der WHO verabschiedet und trat am 1. Januar 2022 in Kraft. Die Kodierung wird erst nach einer Übergangsfrist nach ICD-11 erfolgen.

Diagnose der Alkoholabhängigkeit

Die Übergänge von einem problematischen oder schädlichen Konsum zu einer Abhängigkeit sind schleichend (vgl. Die Entwicklung einer Abhängigkeit) und zeichnen sich durch Veränderungen des Verhaltens und der Körperfunktionen aus, die auf körperliche sowie psychische Störungen und/oder soziale Veränderungen durch den erhöhten Alkoholkonsum zurückzuführen sind.

Die Diagnose einer Alkoholabhängigkeit wird anhand zweier internationaler Diagnosesysteme erstellt: die «Internationale Klassifikation der Krankheiten» (International Classification of Diseases, ICD) der Weltgesundheitsorganisation (World Health Organization, WHO) in der 10. Version (kurz von ICD-10) sowie das «Diagnostische und Statistische Manual psychischer Störungen» (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, DSM) der American Psychiatric Association (APA) in der 4. respektive 5. Version.

Beide Klassifikationssysteme beinhalten ein Kapitel über Störungen verursacht durch den Konsum von psychotropen Substanzen. ICD-10 unterscheidet hier zwischen Abhängigkeitssyndrom und schädlichem Gebrauch, während DSM-IV zwischen Abhängigkeit und Missbrauch differenziert. Bei der Interpretation der diagnostischen Kriterien von Missbrauch und Sucht ist bei älteren Menschen Vorsicht geboten, eine direkte Übertragung ist nicht immer möglich. Zudem muss beachtet werden, dass die Diagnose der Alkoholabhängigkeit nach ICD-10 oder DSM-IV kategorial erfolgt.

Im Diagnostischen und Statistischen Manual psychischer Störungen DSM-V wird die Kategorisierung der Abhängigkeit verlassen und durch das Konzept der alkoholbezogenen Störung ersetzt. Dabei wird zwischen «milder», «moderater» und «schwerer» Störung unterschieden. Mindestens 2-3 der folgenden Kriterien müssen innerhalb eines 12-Monats-Zeitraumes aufgetreten sein, um eine Diagnose stellen zu können.

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Im westeuropäischen Raum ist die Verwendung des ICD-10 weitaus geläufiger. Auch ist der Paradigmawechsel, welcher durch das DSM-V (im Gegensatz zu DSM-IV) eingeleitet wurde, fachlich umstritten. Dies heisst aber nicht, dass er durchaus auch Vorteile bieten kann. So zeigt die empirische Befundlage, dass die Kriterien für die Abhängigkeit und die Missbrauchsdefinition auf einem Schweregradkontinuum liegen. Diesem Umstand kann durch die Kategorisierung des DSM-V eher Rechnung getragen werden. Es ist dennoch offen, ob sich diese neue Kategorisierung in der Fachwelt durchsetzen wird. Einiges deutet darauf hin, dass es eher zu einer Ergänzung des bisherigen Paradigmas der Abhängigkeit, statt zu dessen Ablösung gekommen ist.

Hilfsmittel zur Erkennung von Alkoholproblemen

Es gibt verschiedene Instrumente und Tests, die helfen können, problematischen Alkoholkonsum zu erkennen:

  • AUDIT (Alcohol Use Disorder Identification Test): Besteht aus 10 Fragen, die die Häufigkeit des Alkoholkonsums, die Konsummenge und alkoholbedingte Konsequenzen abfragen.
  • CAGE: Ein Akronym, das auf vier Fragen basiert: Cut-down, Annoyed, Guilt und Eye-Opener.
  • CUDIT (Cannabis Use Disorders Identification Test): Ist ein Screeninginstrument zur Erfassung des problematischen Cannabisgebrauchs.

Alkohol als Substanz

Die psychoaktive Komponente des Alkohols ist das Ethanolmolekül mit der chemischen Zusammensetzung CH3CH2OH. Die Wirkung des Alkohols variiert je nach aufgenommener Menge und in Abhängigkeit von zahlreichen individuellen Faktoren wie etwa dem Geschlecht, Alter, Gewicht und der genetischen Disposition einer Person. In geringer Dosierung erhöht Alkohol die Herzfrequenz und den Blutdruck, hat eine gefässerweiternde Wirkung, steigert das Durstgefühl und kann Übelkeit verursachen. In hohen Dosen hat Ethanol eine toxische Wirkung auf den Körper und kann bei akutem Konsum zu einer Alkoholvergiftung bzw. einem Alkoholkoma führen. In der Epidemiologie wird der Alkoholkonsum einerseits mit der Anzahl der alkoholischen Getränke, andererseits in Gramm reinen Alkohols erfasst. Ein Standardglas, d.h. 2.5dl Bier mit 5% Alkohol; 1dl Wein mit 12%; 3cl Spirituosen mit 40% entspricht in der Schweiz 10-12 g reinem Alkohol.

Der Verkauf von Alkohol ist einer von der Art des Getränks abhängigen Altersgrenze unterworfen: 16 Jahre für fermentierte Getränke (Wein, Bier) und 18 Jahre für gebrannten Alkohol (Spirituosen).

act-info: Klientenmonitoringsystem für Suchthilfe

act-info (Akronym für addiction, care and therapy information) ist ein einheitliches, gesamtschweizerisches Klientenmonitoringsystem für den Bereich der Suchthilfe. Das nationale Dokumentationssystem umfasst Angebote der ambulanten und stationären Behandlung von Problemen mit legalen und illegalen Substanzen sowie von nicht-substanzgebundener Abhängigkeit.

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Jährlich werden im Rahmen dieses Monitoringsystems die Profile von mehr als 8'000 Hilfesuchenden zusammengetragen und analysiert. Auch wenn alle Zieleinrichtungen zur Teilnahme eingeladen werden, besteht keine Teilnahmepflicht (ausser für den Bereich der Heroinverschreibungsprogramme). Aufgrund der Teilnahmeschwankungen bleiben Einschätzungen hinsichtlich der absoluten Anzahl der behandelten Klientinnen und Klienten und der Entwicklung der Nachfrage über die Zeit schwierig.

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