Psychische Erkrankungen sind ernst zu nehmen und können in verschiedenen Formen auftreten, von depressiven Verstimmungen über Persönlichkeitsstörungen bis hin zu schweren Psychosen. Wer aus psychischen Gründen aus dem Tritt gerät, ist hochgradig gefährdet und braucht professionelle Hilfe.
In der Schweiz lebt rund jede fünfte Person mit einer Form einer Behinderung. Dabei unterscheidet man oft zwischen den folgenden drei Arten: körperliche, kognitive und psychische Behinderungen. Wird das Leben einer Person durch ihre Gefühle oder Gedanken über eine lange Zeit stark eingeschränkt, spricht man von einer psychischen Behinderung. Dies kann zum Beispiel bei einer Depression der Fall sein. Nicht alle Behinderungen sind also auf den ersten Blick erkennbar.
Im Schatten einer geistigen Behinderung werden psychische Störungen manchmal nicht als solche erkannt - mit schwerwiegenden Folgen für die Betroffenen und deren Umfeld.
Häufige Arten psychischer Erkrankungen
Nachfolgend finden Sie die wichtigsten Informationen zu den häufigsten Krankheitstypen gemäss Weltgesundheitsorganisation:
Stimmungsstörungen
Von Stimmungsstörungen sind rund 16 bis 20 Prozent aller Menschen einmal im Leben betroffen. Ihre Stimmung ist entweder gedrückt (Depression) und sie sind interessen- und freudlos oder unangemessen gehoben (Manie) mit Symptomen wie Rastlosigkeit und Selbstüberschätzung.
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Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen
Die schweren Störungen der Persönlichkeit oder des Verhaltens haben verschiedene Ursachen, etwa genetische Faktoren, Entwicklungsbedingungen oder Hirnschäden.
Neurosen
Neurose ist ein Sammelbegriff für viele leichte psychische Störungen ohne erkennbare organische Ursache. Typisch für die verschiedenen Krankheitsbilder ist, dass das Verhalten durch Angst und Zwang dominiert wird.
Abhängigkeiten
Der Konsum von Rauschmitteln wie Alkohol, Tabak und Medikamenten kann abhängig machen und zu psychischen Erkrankungen und Verhaltensstörungen führen.
Psychosen
Bei der Psychose handelt es sich um eine schwere Erkrankung, die sich in einem gestörten Realitätsbezug äussert und zu einer Veränderung der Persönlichkeit führt. Typischerweise sind das Denken und die Wahrnehmung beeinträchtigt.
Burnout
Andauernder Stress führt zu einem Burnout.
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Altersdepression
Eine Altersdepression lässt sich oft nicht auf den ersten Blick erkennen. Umso wichtiger ist es deshalb, auf mögliche Symptome zu achten.
Detaillierte Beschreibung einiger psychischer Erkrankungen
Diese allgemeine Präsentation der häufigsten psychischen Erkrankungen will lediglich über die Symptome und die daraus resultierenden Verhalten informieren, jedoch kann damit keinesfalls eine Diagnose gestellt werden. Einzig eine Psychiaterin / ein Psychiater oder eine Psychotherapeutin / ein Psychotherapeut können eine psychische Erkrankung diagnostizieren. Ausserdem erfordert eine solche Diagnose ein Gespräch zwischen der Patientin/dem Patienten und der Ärztin/dem Arzt bzw.
Borderline-Persönlichkeitsstörung
Wer an einer psychischen Erkrankung leidet, wird manchmal Opfer von Vorurteilen (Stigmatisierung) und Diskriminierung. Die Symptome können bei den Betroffenen ganz unterschiedlich sein. Typisch für die Störung ist das Erleben von Gegensätzen, die kaum zu ertragen sind und die darüber hinaus noch mehrfach täglich wechseln können. So können die Gefühle von Leere zu maximaler Anspannung wechseln und dazu führen, dass man mit Selbstverletzungen, Substanzkonsum oder anderen riskanten Verhaltensweisen sich zu helfen versucht. Die Symptome, die oftmals gegen Ende des Jugendalters auftreten, haben schwerwiegende Auswirkungen auf das Leben der Betroffenen, aber auch auf deren Umfeld. Die heftigen Stimmungs- und Gefühlsschwankungen beeinträchtigen den Alltag massiv. Die Borderline-Persönlichkeitsstörung muss mit Psychotherapie behandelt werden, manchmal in Kombination mit einer medikamentösen Behandlung.
Bipolare Störungen
Bipolare Störungen sind Teil der affektiven Störungen. - Zyklothymie: Dies ist eine leichtere Form der bipolaren Störung. Die manischen Phasen äussern sich zum Beispiel durch beschleunigtes Denken, Bewegungs- und Rededrang, ein starkes Gefühl des Wohlbefindens bis hin zur Euphorie, Konzentrationsschwierigkeiten, verringertes Schlafbedürfnis, gesteigertes Verlangen nach Sex oder Sozialkontakten auch noch Kaufrausch. Es kann auch zu psychotischen Symptomen wie Wahnvorstellungen oder Halluzinationen kommen.
Hypomanische Episoden entsprechen einer abgeschwächten Form der Manie. Die Symptome sind weniger intensiv als bei einer manischen Phase und führen nicht zu einer größeren Funktionsstörung. Bipolare Störungen können erhebliche Folgen auf den Alltag haben, wobei Berufs- oder Sozialleben nicht unbedingt beeinträchtigt werden. Je schneller die Krankheit behandelt wird, desto besser der Verlauf. Bipolare Störungen werden mit einer Psychotherapie in Kombination mit Medikamenten behandeln. Die Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe mit Personen, die die gleichen Erfahrungen haben, ist oftmals eine grosse Hilfe, um die mit der Krankheit verbundenen Schwierigkeiten zu überwinden.
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Angststörungen
Angst äussert sich in einem Gefühl der psychischen Unruhe und der Unsicherheit und muss nicht unbedingt mit einem bestimmten Gegenstand oder einer bestimmten Person zusammenhängen. Angststörungen gehen oft mit einer depressiven Störung einher.
- Generalisierte Angststörung: Die generalisierte Angststörung ist ein mindestens sechs Monate anhaltender Zustand der andauernden Angst und Überbesorgtheit, wobei die Angst nicht mit einem bestimmten Gegenstand oder einer bestimmten Situation zusammenhängt. Diese Besorgnis ist schwer zu kontrollieren und hat erhebliche Folgen für den Alltag. Oft geht sie mit Müdigkeit, Muskelspannung, Schmerzen, Kopf- und/oder Bauchschmerzen, Unruhe, Schlafstörungen, Konzentrationsstörungen, schlechter Laune usw.
 - Panikstörung: Die Panikstörung äussert sich in wiederholten Panikattacken, die ohne Vorwarnung eintreten.
 - Phobie: Eine Phobie ist eine unbegründete und übermässige Angst vor einem bestimmten Gegenstand oder einer bestimmten Situation (Tiere, Objekte, Höhe, Verkehrsmittel, Orte, Menschenmenge usw.). Solche Ängste sind vollkommen normal. Die Angst lässt sich nicht kontrollieren und geht mit starkem Leidensdruck einher. Die Betroffenen tun alles, um den jeweiligen Gegenständen oder Situationen aus dem Weg zu gehen.
 - Zwangsstörung: Eine Zwangsstörung äussert sich oft durch andauernde Ängste oder ständige besondere, sehr negative Gedanken. Manchmal können es auch Wörter oder Zahlen oder aber Todesgedanken sein, die den Betroffenen im Kopf herumschwirren. Diese Zwangshandlungen führen zu Angst. Es ist wichtig, über seine Schwierigkeiten zu sprechen und sich professionelle Hilfe zu suchen.
 
Angststörungen können mit einer Psychotherapie behandelt werden, namentlich mittels kognitiver Verhaltenstherapie, auch noch medikamentös.
Depressionen
Eine Depression äussert sich durch anhaltende Traurigkeit, den Verlust des Interesses an jeglichen Tätigkeiten und schwindender Energie. Diese Symptome gehen mit einem verminderten Selbstwertgefühl und vermindertem Selbstvertrauen, unbegründeten Schuldgefühlen, Konzentrationsschwierigkeiten, Schlafstörungen, Appetitverlust, vermindertem sexuellem Verlangen, körperlichen Schmerzen und/oder manchmal Todes- oder Selbstmordgedanken einher.
Eine Depression kann leicht und kurz sein. Kann die betroffene Person nicht mehr normal funktionieren, spricht man von einer schweren Depression. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, eine Depression zu behandeln. Diese werden oft kombiniert. Es empfiehlt sich eine Psychotherapie, teilweise in Ergänzung mit Medikamenten (Antidepressiva). Die Behandlung erfolgt in der Regel ambulant (ohne Spitalaufenthalt).
Psychotische Störungen
Psychotische Störungen manifestieren sich in unterschiedlichen Stadien: psychischer Risikozustand, erste psychotische Episode und Psychose. Manche junge Menschen machen teilweise «seltsame» Erfahrungen, z. B. hören sie Geräusche, Klänge oder Stimmen, die andere nicht hören, oder haben das Gefühl, andere würden sie beobachten, ihnen nachspionieren oder versuchen, ihnen zu schaden.
Ein psychischer Risikozustand kann sich auf unterschiedliche Weisen manifestieren. Psychose wird definiert als ein Verlust des Realitätsbezugs. Während einer psychotischen Episode kann es schwierig sein, zwischen dem eigenen Erleben und der Realität zu unterscheiden, und es können psychotische Symptome auftreten wie Halluzinationen (bspw. Stimmen hören oder Dinge sehen, die nicht existieren) oder falsche Interpretationen der Realität (bspw. extremes Misstrauen, das Gefühl haben, gewisse Dinge hätten eine besondere Bedeutung).
Gewisse Personen, die eine erste psychotische Episode entwickeln, erleben danach keine einzige mehr. Meistens findet die Behandlung in Form von ambulanten Sprechstunden ausserhalb des Spitals statt. Eine Hospitalisierung kann sich in seltenen Fällen als notwendig erweisen, wenn die Person in Not ist und/oder eine Gefahr für sich selbst oder andere darstellt. Auch die Unterstützung, das offene Ohr und das Wohlwollen von nahestehenden Personen (Familie, Freunde) ist für die Genesung sehr wertvoll.
Suchtstörungen
Zu den Suchtstörungen gehören die Alkohol- und Tabaksucht (legale Drogen), die Drogensucht (illegale Drogen: Cannabis, Heroin, Kokain usw. Der starke und wiederholte Konsum einer psychoaktiven Substanz (psychoaktiv meint: psychische Vorgänge beeinflussend) wie zum Beispiel Alkohol, Tabak, Drogen oder Medikamente ist gesundheitsschädigend und führt zu einer Abhängigkeit.
Wer abhängig ist, verspürt den starken, kaum oder gar nicht zu kontrollierenden Wunsch nach einer Substanz. Die süchtige Person gewöhnt sich an das Produkt und bekommt Entzugserscheinungen, wenn sie es nicht konsumiert. Dies gilt auch für nicht an Substanzen gebunden Abhängigkeiten, wie zum Beispiel die Geld- und Glückspielsucht.
Die meisten Abhängigkeiten sind problematisch, wenn sie dauerhaft sind; es besteht ein Rückfallrisiko. Es ist wichtig, mit einer Fachperson darüber zu sprechen, damit man das Problem im Alltag in den Griff bekommt. Es kann vorkommen, dass einige Abhängigkeiten im Spital oder in spezialisierten Einrichtungen behandelt werden müssen.
Essstörungen
- Anorexie (Magersucht): Sie äussert sich durch gewollten Gewichtsverlust und die Aufrechterhaltung eines geringen Gewichts, aber auch dadurch, dass die betroffene Person nur noch bestimmte Lebensmittel zu sich nimmt. Die Person hat das Gefühl, die Kontrolle zu verlieren, leidet an Schuldgefühlen, Depressionen und Ängsten.
 - Bulimie (Ess-Brech-Sucht): Sie will die eingenommene Nahrung mit allen Mitteln loswerden (Herbeiführen von Erbrechen und Einnahme von Abführmitteln). Bulimie äussert sich dadurch, dass wiederholt sehr viel in sehr kurzer Zeit gegessen wird, zuweilen aber auch durch eine übermässige Gewichtskontrolle.
 
Essstörungen haben erhebliche und gefährliche Auswirkungen auf die Gesundheit. Nicht nur das Wachstum des Kindes oder der jugendlichen Person ist gefährdet, sondern auch ihr Leben. Der körperliche Zustand verschlechtert sich zunehmend. Es ist wichtig, bei Symptomen im Zusammenhang mit dem Essverhalten rasch eine Ärztin oder einen Arzt heranzuziehen. Ausserdem müssen das Gewicht und der Allgemeinzustand medizinisch überwacht werden. Auch eine Ernährungsumstellung ist angezeigt. Parallel dazu wird eine Psychotherapie empfohlen, in die auch die Familie der betroffenen Kinder oder Jugendlichen eingebunden wird. Manchmal ist der Gesundheitszustand jedoch so schlecht, dass eine Einweisung erforderlich ist.
Verschiedene Arten von Depressionen
Eine Depression ist eine komplexe Krankheit, befällt sie doch die Psyche von ebenso komplexen Individuen. Weltweit sind über zehn Depressionsarten mit unterschiedlichen Symptomen und Verläufen bekannt. Es gibt verschiedene Arten von Depressionen, die sich unterschiedlich auf die Stimmung auswirken können. Depressiv ist nicht gleich depressiv.
- Depressive Verstimmung: Eine depressive Verstimmung kann sowohl als Anfang einer Depression als auch als kurzzeitiges Stimmungstief auftreten. Von dieser Depressionsart wird meist gesprochen, wenn sich Betroffene noch nicht länger als zwei Wochen freudlos und traurig fühlen.
 - Leichte Depression: Eine leichte Depression wird diagnostiziert, wenn Betroffene länger als zwei Wochen unter einem Hauptsymptom (gedrückte Stimmung, Interessen- oder Freudlosigkeit sowie Antriebslosigkeit) und mindestens einem bis drei Zusatzsymptomen (Konzentrationsschwierigkeiten, Schuldgefühle, Hoffnungslosigkeit, Schlafstörungen, Veränderung des Appetits, innere Unruhe, Verlangsamung, Suizidgedanken) leiden, aber nicht so sehr eingeschränkt sind, wie Personen mit einer schweren Depression. In vielen Fällen können Menschen mit einer leichten Depression ihren Alltag bewältigen, arbeiten und soziale Kontakte pflegen. Eine leichte depressive Episode wird oft auch leichte Depression oder nach amerikanischer Definition, Minor Depression genannt.
 - Mittelschwere Depression: Wenn Betroffene länger als zwei Wochen ein Hauptsymptom und vier Zusatzsymptomen an sich bemerken, wird von einer mittelschweren Depression gesprochen.
 - Schwere Depression: Bei den Betroffenen einer schweren Depression sind mehrere, intensive Symptome vorhanden, darunter oft Suizidgedanken oder suizidale Handlungen.
 - Chronische Depression (Dysthymie): Wenn die oben aufgeführten Symptome seit mehr als zwei Jahren anhalten, leiden Sie höchstwahrscheinlich unter einer chronischen Depression. Auffällig bei dieser Depressionsart ist, dass sie meist bereits im Kindes- oder Jugendalter beginnt und oftmals bei Menschen auftritt, die emotionale Vernachlässigung oder körperliche Gewalt erleben. Die Dysthymie ist, im Vergleich zur Major Depression, relativ selten. Letztere erleben rund neun Prozent der Bevölkerung, während nur zwei Prozent chronisch erkranken.
 - Rezidivierende depressive Störung: Es kann durchaus vorkommen, dass psychische Krankheiten wiederholt auftreten. Ist das bei einer Depression der Fall, wird von einer rezidivierenden (also wiederkehrenden) depressiven Störung gesprochen. Charakteristisch für diese Form ist, dass sich akute Krankheitsphasen mit beschwerdefreien abwechseln. Heisst: Betroffene können nach einer überstandenen depressiven Episode jahrelang keinerlei Symptome verspüren und dennoch wieder erkranken. Wer unter dieser Depressionsart leidet, sollte eine längerfristige Therapie machen, gegebenenfalls mit Antidepressiva, um Rückfälle zu vermeiden.
 - Bipolare Störung: Ähnlich, wie bei der rezidivierenden Depression, treten typische Stimmungsstörungen bei einer bipolaren Störung im Wechsel auf. Je nach Ausprägung jedoch nicht immer im Wechsel mit symptomfreien Phasen. Einige Patient:innen erleben vor oder nach einer depressiven Episode eine extreme Hochstimmung, sind extrem aktiv, reizbar, sprunghaft und unruhig. Dieser Zustand wird auch Manie genannt, weshalb Betroffene auch als «manisch-depressiv» bezeichnet werden. Wie bei anderen Depressionsarten spielt hier die Genetik als Ursache eine Rolle. Auslöser können auch traumatische Erlebnisse, Stress oder Drogenmissbrauch sein. Die bipolare Störung wird oft spät als solche erkannt. Dies liegt vor allem daran, dass sich Patient:innen während ihrer manischen Phasen gesund fühlen und sich erst in den depressiven Episoden in Behandlung begeben. Das führt dazu, dass Psychiater:innen oder Psycholog:innen erst mit regulärer Gesprächstherapie und Antidepressiva behandeln, bevor sie die richtige Diagnose stellen und Stimmungsstabilisatoren wie Lithium oder Lamotrigin verschreiben.
 - Saisonale Depression (Winterdepression): Bei Anzeichen einer Depression sollten Sie eine Fachperson aufsuchen. Eine saisonal bedingte Depression tritt typischerweise im Herbst oder Winter auf, wenn die Tage dunkler und Temperaturen kälter werden. Von der Winterdepression Betroffene fühlen sich dann antriebslos, traurig und vermissen Sonne und Licht. Ein gesteigerter Appetit sowie vermehrter Schlaf weisen ebenfalls auf diese Art von Depression hin.
 - Pränatale Depression: Ungefähr zwanzig Prozent aller Frauen verspüren während der Schwangerschaft Symptome, die denen einer Depression ähneln, jedoch weniger schwerwiegend sind. Auslöser der pränatalen Depression können Stress, Traumata oder erbliche Faktoren sein. Ausserdem stehen Hormonveränderungen als Ursache im Verdacht.
 - Postnatale Depression: In der Schweiz stürzen jährlich 15 Prozent aller frisch gebackenen Mütter in eine Krise, erleiden also eine postnatale Depression. Besonders belastend ist für Betroffene der gesellschaftliche Druck. Immerhin erwartet das Umfeld nach der Geburt eines Kindes eine glückliche Mama, die vor Stolz und Liebe nur so strahlt. Stellen sich bei den Eltern (Männer können ebenfalls erkranken), jedoch Trauer, Angst oder gar Suizidgedanken ein, sorgt das für Unverständnis und Ablehnung, weshalb sich betroffene Mütter und Väter häufig erst spät Hilfe holen.
 - Erschöpfungs- oder Stressdepression: Die Erschöpfungs- oder Stressdepression kann kaum vom Burnout unterschieden werden, da sie oft als Folge davon auftritt. Ein entscheidender Unterschied ist jedoch, dass ein Burnout per Definition von Überlastung im Job ausgelöst wird, eine Erschöpfungsdepression aber nicht zwingend mit der Arbeit zu tun haben muss.
 
Neben den oben genannten Depressionsarten gibt es sogenannte Subtypen:
- Agitierte Depression: Bei der agitierten Depression kehrt sich die Antriebslosigkeit ins Gegenteil, also in Ruhelosigkeit.
 - Altersdepression: Die Altersdepression ist neben Demenz die häufigste psychische Erkrankung im Alter. Neben typischen Depressions-Anzeichen zeigen Betroffene oft unspezifische und atypische Symptome. Dazu gehören körperliche Beschwerden wie Schmerzen, Enge- und Beklemmungsgefühle in der Brust sowie Magendarm-Probleme.
 - Anpassungsstörung: Hier treten depressive Symptome infolge eines einschneidenden Erlebnisses beziehungsweise einer gravierenden Lebensveränderung auf.
 - Psychotische Depression: Patient:innen zeigen neben den klassischen Symptomen psychotische Anzeichen wie Realitätsverlust, Halluzinationen und Wahnideen.
 - Somatische Depression: Eine somatische Depression äussert sich in körperlichen Beschwerden wie Kopfschmerzen, Verdauungsstörungen, Schwindel oder Herzrasen, für die keine Ursachen gefunden werden können.
 - Zyklothymia: Diese psychische Krankheit gehört zu den affektiven Störungen. Betroffene leiden über einen Zeitraum von mindestens zwei Jahren unter Stimmungswechseln, wobei sich chronisch depressive Phasen und Phasen gehobener Stimmung abwechseln.
 - Melancholische Depression: Eine melancholische Depression zeichnet sich vor allem durch die schwerere Ausprägung des Stimmungstiefs aus.
 
Mit Ausnahme der bipolaren Störung werden alle Arten von Depressionen ähnlich behandelt: mit Psychotherapie und/oder Medikamenten wie Antidepressiva. Unterschiede gibt es lediglich in der von Psychiater:innen oder Psycholog:innen gewählten Therapieform sowie in der Behandlungsdauer. Diese richtet sich aber weniger nach der Depressionsart, sondern eher nach der Persönlichkeit der Patient:innen. Manche brauchen nur wenige Monate, bis sie sich besser fühlen, andere benötigen jahrelange Unterstützung durch eine:n Therapeut:in. Richtig oder falsch gibt es nicht, schliesslich geht es immer darum, Betroffene möglichst viel Lebensqualität und Wohlbefinden zurückzugeben.
Aktuelle Situation der psychischen Gesundheit in der Schweiz
Das mentale Wohlbefinden ist in den letzten 20 Jahren zu einem immer wichtigeren Thema in unserer Gesellschaft geworden. Dies zeigen beispielsweise die steigende Nennung von Begriffen wie «psychische Gesundheit» oder «Mental Health» in den Medien oder zunehmende Google-Suchanfragen. Man könnte davon ausgehen, dass mit der verstärkten Wahrnehmung auch eine tatsächliche Verschlechterung der psychischen Gesundheit in unserer Gesellschaft einhergeht. Verschiedene epidemiologische Studien zeigen aber, dass die Prävalenz psychischer Erkrankungen gar nicht steigt, hingegen die Inanspruchnahme von psychiatrischen Dienstleistungen deutlich zunimmt.
Über die Gründe kann spekuliert werden: Veränderung der Wahrnehmung, höhere Akzeptanz, gesellschaftlicher Wandel oder die Ausweitung professioneller Konzepte wie beispielsweise Trauma können als wahrscheinliche Faktoren herangeführt werden. Die aktuellen Zahlen zur psychischen Gesundheit zeichnen ein düsteres Bild: Laut dem Schweizerischen Gesundheitsobservatorium OBSAN leidet rund ein Drittel der Schweizer Bevölkerung an psychischen Problemen. Dabei sind leichte bis schwere Depressionen und Angststörungen die häufigsten Symptome. Hilfe haben lediglich rund ein Drittel der Personen mit Behandlungsbedarf erhalten. Für junge Menschen ist der Leidensdruck speziell hoch: Etwa zwei Drittel der jungen Frauen zwischen 15 und 24 Jahren zeigen leichte bis schwere depressive Symptome. Auch von Essstörungen oder Selbstverletzungen sind junge Frauen überdurchschnittlich stark betroffen. Junge Männer sind hingegen besonders anfällig für einen problematischen Alkohol- oder Cannabiskonsum.
Verschiedene Studien zeigen, dass sich die Corona-Pandemie weniger stark auf die mentale Gesundheit der Bevölkerung ausgewirkt hat, als dass die öffentliche Wahrnehmung vermuten lässt. Dies gilt aber nicht für Jugendliche, die gemäss dem Bundesamt für Gesundheit BAG im Vergleich zur Gesamtbevölkerung erheblich stärker von der Pandemie belastet wurden.
Herausforderungen in der psychiatrischen Versorgung in der Schweiz
Auf den ersten Blick ist die Schweiz sehr gut auf eine Krise der psychischen Gesundheit vorbereitet. Die Eidgenossenschaft hat eine der höchsten Dichten an Psychiater*innen in Europa. Ähnliches gilt auch für die Anzahl Betten in psychiatrischen Kliniken.
Doch das breit ausgebaute System hat einen Nachteil: In der Schweizer Psychiatrie herrscht - wie im gesamten Gesundheitssystem - ein chronischer Fachkräftemangel. Das grosse Angebot kann der noch grösseren Nachfrage nicht nachkommen. Eine Folge davon sind beispielsweise lange Wartezeiten - besonders für ambulante Therapien.
Ein Symptom der überlasteten psychiatrischen Versorgung ist die vermehrte Anwendung von Zwangsmassnahmen. Mit ihren knappen personellen Ressourcen können Kliniken unfreiwillige Einweisungen oft nur schwer bewältigen. Eine bessere Integration des psychiatrischen Angebots in die Primärversorgung könnte die stationären Dienste entlasten. Obwohl die Krankenversicherung in der Schweiz die psychiatrische Versorgung abdeckt, bieten nur wenige Hausärzt*innen entsprechende Leistungen an. Die psychische Gesundheit wird meist strikt von der somatischen Gesundheit getrennt.
In der Schweiz hat das im Juli 2022 eingeführte Anordnungsmodell für Psychotherapeut*innen teilweise Abhilfe geschaffen. Im heutigen System müssen Patient*innen keinen Psychiater, keine Psychiaterin mehr finden. Neu reicht eine Überweisung vom Grundversorger.
Eine weitere Möglichkeit, den Fachkräftemangel abzufedern, ist der Ausbau der ambulanten Versorgung. Die ambulante Versorgung ist im Vergleich zur stationären Pflege weniger personalintensiv und reduziert das Risiko eines stationären Eintritts erheblich. Damit können auch potenzielle Zwangsmassnahmen verhindert, Wartezeiten reduziert und Kosten gesenkt werden. Damit die ambulanten Angebote ausgebaut werden können, muss der ambulante Tarif TARMED zwingend revidiert werden. Während die stationären Behandlungen von den Kantonen und den Krankenversicherungen gemeinsam finanziert werden, sind für ambulante Leistungen allein die Versicherungen zuständig. Das Tarifsystem wurde seit den 1990er-Jahren nicht mehr aktualisiert und spiegelt nicht mehr die tatsächlichen Kosten wider.
Die viel beschworene «Mental Health»-Krise ist also vor allem eine Diskrepanz zwischen Nachfrage und Angebot. Eine bessere Integration psychiatrischer Leistungen in die Primärversorgung und der Ausbau ambulanter Dienste könnten dieses Missverhältnis auf der Angebotsseite entlasten.
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