Dürfen Psychiater Medikamente verschreiben? Ein Überblick über Psychiater und Psychotherapeuten

Sich in dem Begriffe-Dschungel der Psychologie zurecht zu finden, ist nicht immer einfach. Im Alltag ist der Unterschied zwischen den beiden Berufen Psychologe und Psychiater häufig nicht leicht, da die Bezeichnungen oft synonym verwendet werden. Heute möchte ich deshalb auf den Unterschied zwischen Psychiater und Psychotherapeut eingehen. Der verbesserten Lesbarkeit halber beziehe ich mich im Beitrag auf ein Geschlecht.

Was ist der Unterschied zwischen Psychiater, Psychologe und Psychotherapeut?

Trotz der engen Zusammenarbeit und ihrer gemeinsamen Zielen handelt es sich jedoch um zwei unterschiedliche Berufe, die sich in ihrem jeweiligen Ausbildungsweg und Kompetenzbereich voneinander unterscheiden. Es ist dabei wichtig, diesen Unterschied zu kennen, da sich hieraus ergibt, in welchen Situationen ein Psychologe und in welchen ein Psychiater hinzugezogen werden sollte.

Psychiater

Psychiater haben Medizin studiert. Psychiater haben zunächst ein Medizinstudium an einer Universität abgeschlossen. In diesem Studium haben Sie sich hauptsächlich mit dem menschlichen Körper, dessen Funktionsweise, Erkrankungen und Behandlungsmöglichkeiten, u. a. Medikamentengabe, beschäftigt. Im Anschluss daran folgt eine mehrjährige Ausbildung zum Facharzt in Psychiatrie und Psychotherapie. Nachdem Sie die Facharztprüfung bestanden haben dürfen Sie neben körperlichen Untersuchungen und therapeutischen Gesprächen auch Medikamente, wie z. B. Antidepressiva, verschreiben.

Um Psychiater bzw. Psychiaterin zu werden, muss zunächst ein Studium der Humanmedizin abgeschlossen werden. Dieses dauert in der Regel sechs Jahre und teilt sich in drei Jahre Bachelor- und drei Jahre Masterstudium auf. Nach erfolgreichem Abschluss erhält man das eidgenössische Arztdiplom und kann nun die Ausbildung zum Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie beginnen. Diese dauert fünf bis sechs Jahre und wird mit dem Bestehen der Facharztprüfung beendet.

Die meisten Psychiater arbeiten entweder in einem Angestelltenverhältnis in der psychiatrischen Abteilung eines Spitals oder als selbstständige Fachärzte in einer eigenen Praxis. Auch sie haben die Aufgabe, psychische Erkrankungen zu diagnostizieren und diese anschliessend mit der richtigen Therapie zu behandeln.

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Im Gegensatz zu Psychologen greift ein Psychiater jedoch auch auf weitere diagnostische Verfahren zurück, die dem Ausschluss von körperlichen Ursachen für die psychischen Beschwerden dienen. Auch die therapeutischen Möglichkeiten unterscheiden sich aufgrund des medizinischen Bildungsweges von denen eines Psychologen, da Psychiater Medikamente verschreiben dürfen.

Daraus ergibt sich, dass Fachpersonen vor allem bei körperlichen Ursachen einer psychischen Erkrankung oder bei Störungen, die überwiegend medikamentös behandelt werden (zum Beispiel Schizophrenie), hinzugezogen werden.

Psychotherapeuten

Psychotherapeuten haben Psychologie studiert. Psychotherapeuten haben kein Medizinstudium absolviert, sondern ein Psychologiestudium mit Master-Abschluss. Dieses dauert in der Regel ungefähr fünf Jahre. In diesem Studium haben Sie sich mit dem Verhalten, dem Denken und den Emotionen von Menschen beschäftigt. Das Beschreiben, Erklären, Vorhersagen und allenfalls Verändern eben jener Emotionen ist ein zentrales Thema im Psychologiestudium.

Nach Abschluss des Studiums sind sie zunächst qualifiziert, in Beratungsstellen des Gesundheitswesens, in der Forschung (z.B. an der Universität) oder in Personalabteilungen zu arbeiten. Wenn sich ein Psychologe entschliesst, psychotherapeutisch zu arbeiten, muss er hierfür eine mindestens vierjährige Psychotherapieausbildung absolvieren. Es gibt verschiedene Therapierichtungen wie beispielsweise die kognitiv-verhaltenstherapeutische, systemische, tiefenpsychologische oder körperzentrierte Psychotherapie. Erst nach Abschluss dieser Ausbildung sind sie zur Ausübung der Psychotherapie berechtigt.

In der Schweiz erhält man nach erfolgreichem Abschluss den Titel „eidg. anerkannte/r Psychotherapeut*in“. Im Gegensatz zu Psychiatern dürfen Psychotherapeuten keine Medikamente verschreiben. Psychotherapeuten führen therapeutische Gespräche und wenden spezielle Methoden der jeweiligen Therapieschule an. Wenn ein Psychotherapeut bei einem Patienten zum Schluss kommt, eine Medikamentierung wäre sinnvoll, zieht er den Hausarzt des Patienten oder einen Psychiater hinzu.

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Bei einem Psychotherapeuten bzw. einer Psychotherapeutin handelt es sich um spezialisierte Psychologen, die nach ihrem Psychologie-Studium die Weiterbildung in Psychotherapie absolviert haben. Diese findet berufsbegleitend statt und dauert zwischen vier und sechs Jahren. Die Fachpersonen können zum Beispiel in einer Klinik oder auch in einer eigenen Praxis arbeiten.

Mit diesen Verfahren behandeln sie Menschen, die aufgrund von verschiedensten Schwierigkeiten (zum Beispiel in der Partnerschaft, im Job oder durch Traumata) eine psychische Erkrankung entwickelt haben und diese nicht alleine bewältigen können. Dabei kann es sich um Depressionen, Angst-, Traumafolge-, Zwangs- und Persönlichkeitsstörungen oder auch andere psychische Erkrankungen handeln.

Zusammenarbeit und Unterschiede

In beiden Berufsgruppen spielt das Gespräch mit dem Patienten eine zentrale Rolle. In vielen Kliniken arbeiten beide Fachkräfte eng zusammen, um möglichst umfassende Behandlungspläne zu entwickeln. Die beiden Berufsfelder unterscheiden sich vor allem in ihren Behandlungsbefugnissen: Psychiater dürfen Medikamente verschreiben und medizinische Untersuchungen zur Diagnostik anwenden.

Daraus ergibt sich auch ein unterschiedlicher Schwerpunkt der Behandlung: Psychiater behandeln eher schwere psychiatrische Erkrankungen wie Schizophrenie, da hier vor allem Medikamente helfen.

Kostenübernahme und Therapie

Vor Beginn einer Therapie ist es allerdings ratsam, die Kostenerstattung der eigenen Krankenversicherung genau zu prüfen. Nicht jede Therapieform wird von der Grundversicherung übernommen, und auch die Zusatzversicherungen haben meist Beschränkungen hinsichtlich Höhe und/oder Dauer der Behandlung.

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In den meisten Fällen übernimmt die Grundversicherung die Kosten für eine Psychotherapie, sofern Sie an einer diagnostizierten psychischen oder psychosomatischen Erkrankung leiden. Nicht übernommen werden Beratungsangebote wie etwa berufliches Coaching oder Eheberatung.

Die Bezeichnung „nichtärztliche Psychotherapie“ wurde geschaffen, um diese von der Therapie durch einen Mediziner abzugrenzen. Zur grössten Gruppe zählen hier die psychologischen Psychotherapeuten. Die Qualität der Therapie unterscheidet sich nicht von der Therapie bei einem Mediziner.

Bis zum Jahr 2022 wurde nichtärztliche Psychotherapie allerdings nur in wenigen Fällen von der Grundversicherung übernommen. Dies hat sich zwischenzeitlich geändert: Sobald Ihnen Ihr Hausarzt oder Kinderarzt eine Psychotherapie verschreibt, werden die Kosten dafür von der Grundversicherung übernommen. Diese Neuerung erweitert die Auswahl enorm, wenn man auf der Suche nach einem geeigneten Psychotherapeuten ist.

Bei ärztlicher Psychotherapie durch eine Psychiaterin oder einen Psychiater können bis zu 40 Sitzungen pro Kalenderjahr übernommen werden. Bei angeordneter Psychotherapie werden zunächst 15 Sitzungen übernommen. Besteht danach weiterer Behandlungsbedarf, kann der Hausarzt weitere 15 Sitzungen anordnen. Mehr als 30 Sitzungen bedürfen der Kostengutsprache der Krankenkasse, dabei beurteilt eine psychiatrische Fachperson den Fall und spricht eine Empfehlung für oder gegen die Fortsetzung der Therapie aus.

Im Prinzip haben Sie auch ohne Zusatzversicherung Anspruch auf Psychotherapie, sofern diese ärztlich verordnet wurde und Ihr Therapeut im Kanton zugelassen ist.

Das Anordnungsmodell

Seit Juli 2022 gilt in der Schweiz das sogenannte Anordnungsmodell. Psychologische Psychotherapeutinnen und -therapeuten können damit auf ärztliche Anordnung hin direkt über die Grundversicherung abrechnen. Das heisst: Bei passender Diagnose und entsprechender Verordnung übernimmt die Krankenkasse die Kosten.

Wann ist der Gang zum Psychiater angebracht?

Bei schweren psychischen Erkrankungen wie Psychosen oder Schizophrenie, die häufig eine differenzierte medikamentöse Therapie erfordern, ist eine fachärztliche psychiatrische Betreuung angezeigt.

Psychische Beschwerden - wer hilft weiter?

Psychische Belastungen sind weit verbreitet - doch nicht immer ist sofort eine fachärztliche Behandlung notwendig. Häufig stellt die Hausärztin oder der Hausarzt die erste Anlaufstelle dar. Sie kennen die individuelle Lebenssituation, können körperliche Ursachen ausschliessen und - falls nötig - an spezialisierte Fachpersonen überweisen.

Psychologin, Psychiater oder Psychotherapeutin - wer macht was?

Je nach Art und Ausprägung der Beschwerden kann eine Weiterleitung an eine Psychologin, einen Psychiater oder eine Psychotherapeutin sinnvoll sein. Psychologinnen und Psychologen haben ein Studium der Psychologie absolviert, führen Abklärungen und Gespräche durch, verschreiben jedoch keine Medikamente. Psychiaterinnen und Psychiater sind Fachärztinnen bzw. Fachärzte für psychische Erkrankungen, verfügen über ein Medizinstudium und dürfen Medikamente wie Psychopharmaka verschreiben. Sowohl Psychologinnen als auch Psychiater können zusätzlich eine Weiterbildung in Psychotherapie absolvieren und Betroffene mit therapeutischen Gesprächen unterstützen. Je nach Situation kann auch eine parallele Betreuung durch Psychiaterin und Psychotherapeut hilfreich sein.

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