Normale Trauer umfasst eine weite Spanne starker Emotionen, wie Schock, Ungläubigkeit, schmerzliche Sehnsucht und die Unfähigkeit, an etwas anderes zu denken als an die verstorbene Person.
Der Trauernde akzeptiert den Verlust jedoch im Lauf der Zeit und findet in sein - wenn auch verändertes - Leben zurück.
Die genaue Dauer der normalen Trauerreaktion ist nicht definiert, in Longitudinalstudien hat man bei den meisten Menschen eine Periode von sechs bis zwölf Monaten beobachtet. Nach dieser Zeit geht der akute Schmerz in eine "integrierte Trauer" über.
Zwar bleiben Sehnsucht und Schmerz bestehen, aber die Intensität der Gefühle nimmt ab. Es wird wieder möglich Freude zu empfinden, Pläne zu schmieden und Sozialkontakte zu pflegen.
Komplizierte Trauer: "Persistent Complex Bereavement Disorder"
Nachdem es für den komplizierten Trauerverlauf lange Zeit noch nicht einmal eine "richtige Diagnose" gab, hat man die "Persistent Complex Bereavement Disorder" inzwischen in den DSM V-Katalog aufgenommen, berichtet Dr. Naomi M. Simon vom Massachussetts General Hospital in Bosten in "JAMA". Man schätzt, dass etwa 7% der Trauernden unter dieser Störung leiden.
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Risikofaktoren für komplizierte Trauer
Wie kommt es nun zum Entgleisen des seelischen Heilungsprozesses? Als persönliche Risikofaktoren gelten weibliches Geschlecht, vorangegangene Verlusterlebnisse, Kindheitstraumata, die Art der Beziehung (intensiv, langjährig, lebensbestimmend) sowie psychiatrische Begleiterkrankungen (Depression, Angststörung).
Andere Risikofaktoren haben mit den Todesumständen zu tun (gewaltsamer, plötzlicher Tod, Mord, Selbstmord, quälend prolongiertes Sterben). Auch die Rolle des Hinterbliebenen als Pflegeperson hat Bedeutung - z.B. wenn die Frage "hätte ich den Tod verhindern können?" quälend nagt. Substanzmissbrauch (Alkohol, Tabletten) oder soziale Isolation steigern das Risiko für komplizierte Trauer.
Diagnose der "Persistent Complex Bereavement Disorder"
Nach welchen Kriterien stellt man nun die DSM-Diagnose "Persistent Complex Bereavement Disorder"? Die Notwendigkeit einer klinischen Intervention ergibt sich aus hohen Stressleveln und starker Einschränkung der Lebensqualität, so die Autoren.
Denn die inadäquate Trauer-Bewältigung geht mit einer schlechten Prognose einher: Studien ermittelten u.a. erhöhte Raten an Krebs und Herzkreislauf-Krankheiten, Risikoverhalten, Substanzmissbrauch und Suizid - letzteres insbesondere bei begleitender Depression oder Angststörung.
Screening-Methoden
Daher empfehlen die Kollegen ein Screening. Neben dem "Inventory of Complicated Grief" mit 19 Items zur Selbstbeurteilung steht dafür auch das "Brief Grief Questionnaire" mit fünf Fragen für die schnelle Orientierung in der Praxis zur Verfügung.
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Fünf orientierende Fragen des "Brief Grief Questionnaire":
- Wie sehr haben Sie Schwierigkeiten, den Tod von …. zu akzeptieren?
 - Wie stark beeinträchtigt die Trauer Ihr tägliches Leben?
 - In welchem Masse haben Sie Bilder oder Gedanken von/an …., als er gestorben ist - oder andere Gedanken über den Tod, die Sie belasten?
 - Gibt es Gewohnheiten, die Sie vermeiden seit …. gestorben ist? Meiden Sie Plätze, an denen Sie gemeinsam waren, oder Aktivitäten die Sie gemeinsam gemocht haben? Vermeiden Sie es, Bilder von ihm anzuschauen oder von ihm zu sprechen?
 - Wie stark fühlen Sie sich von von anderen Menschen entfernt/abgeschnitten seit dem Todesfall?
 
0= überhaupt nicht
1= mässig
2= sehr stark
Das "Brief Grief Questionnaire" verlangt beim Screening nur wenige Minuten Zeit. Ein Score von 5 oder mehr weist auf eine problematische Trauerverarbeitung hin.
Therapeutische Ansätze
Therapeutisch gibt es verschiedene Ansätze. Sehr gute Unterstützung bieten Selbsthilfegruppen, in denen Betroffene Entlastung und Verständnis finden.
Die am besten in Studien untersuchte Behandlung besteht in einer zielgerichteten Psychotherapie, in der u.a. mit kognitiven Strategien Wege zur Trauerverarbeitung und zurück ins Leben gelernt werden.
Ein wichtiger Bestandteil ist die Psychoeduktation, sprich Information über die Erkrankung "prolongierte Trauer" und deren Mechanismen.
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Die Interventionen umfassen auch das wiederholte Erzählen der Lebensgeschichte des Verstorbenen und Übungen zur "Kommunikation mit dieser Person". Mittels kognitiver Verhaltenstherapie werden gedankliche Irrtümer (Schuldgefühle) korrigiert.
Auch erlernen die Patienten Strategien, sich für heikle Daten (Geburtstag, Weihnachten) innerlich zu wappnen. Mit 14- bis 16-wöchigen Interventionen dieser Art hat man in Studien sehr gute Erfolge erzielt.
Eine psychiatrische Konsultation empfiehlt sich, wenn die Symptome persistieren oder eine medikamentöse Therapie erwogen wird. Zur Anwendung kommen Antidepressiva, vorzugsweise SSRI (z.B. Escitalopram 10-20 mg/die) oder Paroxetin (20-50 mg/die).
Hüten sollte man sich vor der Verordnung von Benzodiazepinen, warnt die Kollegin. Diese bergen nicht nur Suchtgefahr, und legen die Betroffenen, die sich ohnehin oft betäubt oder leer fühlen, zusätzlich lahm.
Sie stören auch Lernfähigkeit und Gedächtnis und behindern damit den Verarbeitungsprozess. Leitlinien für das gemäss DSM "neue" Krankheitsbild gibt es noch nicht. Weitere Studien zur Optimierung der Therapie sind unterwegs.
Differenzialdiagnose und Komorbiditäten
Der Verlust eines Menschen kann als Stressfaktor eine Major-Depression, eine posttraumatische Belastungsstörung (PTSD) triggern. Der "Complicated Grief" muss zum einen abgegrenzt werden von den Differentialdiagnose Depression, Angststörung und PTSD, es können aber auch Komorbiditäten vorliegen.
Einer aktuellen Erhebung zufolge wiesen nur 25 % der Patienten mit verstärkter Trauerreaktion keine Begleiterkrankungen auf. Bei 55 % dagegen fanden sich zusätzlich depressive Erkrankungen, bei 49 % eine PTSD und bei 36 % beide Störungen.
Trauma und seine Auswirkungen
Wer unter einem Trauma leidet, spürt das immer wieder. Verschiedene Symptome wie Angst, Aggressivität oder Flashbacks plagen im Alltag.
Egal ob verdrängtes Kindheitstrauma oder ein anders - ein Trauma macht das Leben schwierig. Was ist ein Trauma? Das psychische Trauma ist eine seelische Verletzung, die durch ein traumatisierendes Ereignis auftritt.
Dieses Ereignis ist nicht zwingend ein kurzer abgeschlossener Moment, sondern kann über einen Zeitraum andauern. Unter Trauma versteht man nicht das Ereignis an sich, sondern die Reaktion auf das erschütternde Ereignis.
Ein Trauma kann zu psychischen Folgeerkrankungen führen, den sogenannten Traumafolgestörungen.
Unmittelbar während und nach dem Trauma kommt es zu Reaktionen auf das traumatische Ereignis - sie sind eine natürliche Folge der Überforderung des Stresssystems. Schreckhaftigkeit und Angst, Erstarrung, Fluchtdrang, Aggressivität sowie Albträume oder Flashbacks sind häufige Symptome.
Während eines Flashbacks durchlebt man Ereignisse oder auch Gefühlszustände erneut. In vielen Fällen bedrohen die Erlebnisse die psychische und physische Gesundheit. Beispiele für diese Situationen sind Naturkatastrophen, schwere Unfälle, lebensbedrohliche Krankheiten, Krieg sowie Gewalt im Allgemeinen.
Aber auch scheinbar weniger bedrohliche Erlebnisse wie Mobbing oder Beziehungsabbrüche führen zu Traumata.
Manchmal halten Reaktionen auf das traumatische Erlebnis auch noch länger an und es entwickelt sich ein traumatisches Gedächtnis. Da das Nervensystem währen des traumatischen Ereignisses völlig überfordert ist, werden die Reaktionen zum Teil unverarbeitet abgespeichert.
Extreme Überforderung kann die Gedächtnisfunktion beeinträchtigen, sodass das Erinnern scheitert. Dann fehlen teilweise oder gänzlich die Erinnerungen an das traumatisierende Erlebnis.
Wiederholt sich die Traumatisierung oder erstreckt sie sich über mehrere Jahre, betrifft der Erinnerungsverlust oft einen längeren Zeitraum. Das kommt dann besonders häufig vor, wenn sich die Traumatisierung in der Kindheit ereignet.
Umgang mit Trauma
Um ein Trauma zu überwinden, ist zunächst eines sehr wichtig: das Gefühl der Sicherheit und des Vertrauens. Wie auch die Entstehung eins Traumas, ist die Verarbeitung je nach Person unterschiedlich.
- Self-Care: Auf Self-Care zu achten, hilft betroffenen Menschen besonders weiter.
 - Gefühle zulassen: Die traumatisierte Person sollte sich den eigenen Gefühlen nach und nach stellen.
 
Nicht immer lässt sich ein Trauma ohne Hilfe verarbeiten. Wenn ein Trauma über lange Zeit den Alltag und das eigene Wohlbefinden beeinträchtigt, dann lohnt es sich, Hilfe zu holen.
Die Verarbeitung eines Traumas innerhalb der ambulanten und stationären Traumatherapie läuft in verschiedenen Phasen ab. Die wichtigsten Elemente einer Traumabehandlung sind: Schaffung eines sicheren Rahmens und das erneute Durchleben des Traumas.
Dem Trauma liegt immer ein traumatisierendes Erlebnis zugrunde. Entscheidend ist aber nicht das Erlebnis an sich, sondern wie wir das Ereignis auffassen und bewerten. Ein Trauma entsteht dann, wenn die Situation als ausweglos und nicht bewältigbar gesehen wird.
Traumata können auch vererbt werden - Experten sprechen von transgenerationalen Traumata. Oft überschneiden sich die Traumata-Arten in der Praxis. Z.B. ist schwere Vernachlässigung in der Kindheit meist eine Mischung aus Gewalt- und Beziehungstrauma.
Die meisten betroffenen Menschen bewältigen ein traumatisches Ereignis nach einer gewissen Zeit und die Symptome verschwinden nach und nach. In manchen Fällen kommt es jedoch zu schweren langfristigen Folgen. Folgeerkrankungen schmälern die Lebensqualität und führen zu einer geringeren Lebenserwartung.
| Komorbidität | Prozentsatz der Patienten | 
|---|---|
| Keine | 25% | 
| Depressive Erkrankungen | 55% | 
| PTSD | 49% | 
| Depressive Erkrankungen und PTSD | 36% | 
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