Die Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) ist eine psychische Erkrankung, die nach dem Erleben eines traumatischen Ereignisses auftreten kann. Die Diagnostik und Behandlung der PTBS sind komplex und erfordern ein umfassendes Verständnis der verschiedenen Symptome und Therapieansätze.
Diagnostik Posttraumatischer Belastungsstörungen
Die Diagnose der PTBS wird primär klinisch gestellt. Da traumatische Erlebnisse selten spontan berichtet werden, müssen sie aktiv erfragt werden, da sonst die Gefahr besteht, dass das Störungsbild nicht erkannt wird. Das diagnostische Gespräch bedarf insbesondere einer vertrauensvollen Beziehung und dient der sensiblen Erhebung der Traumaanamnese. Dazu gehören der prätraumatische Status, die Traumavorgeschichte, die gegenwärtige Symptombelastung, Aus- und Nachwirkungen auf die aktuelle Lebenssituation, Fragen nach Sicherheit, Täterkontakt und/oder Gewaltbeziehungen.
Bei der Exploration der PTBS-Symptome (Intrusionen, Alpträume, Flashbacks), der Übererregungssymptome (Hyperarousal), des Vermeidungsverhaltens und der emotionalen Taubheit nimmt das Kriterium «Wiedererleben des Traumas» eine zentrale Stellung ein, da es die PTBS spezifisch von anderen Störungen (z.B. Übererregungssymptome im Entzug) unterscheidet.
Zur operationalisierten Diagnostik der PTBS stehen mehrere gut validierte Selbstberichtfragebogen und klinische Interviews zur Verfügung.
Allgemeine Fragebögen für die Diagnostik posttraumatischer und dissoziativer Störungen
- Trauma und Dissoziative Symptome Interview (TADS-I): Das Trauma und Dissoziative Symptome Interview (TADS-I) ist im Buch "Die Diagnostik traumabedingter Dissoziation" von Suzette Boon erschienen.
 - Interview zur komplexen posttraumatischen Belastungsstörung (I-kPTBS): Das Interview kann zur Erfassung verschiedener posttraumatischer Symptome verwendet werden, wobei die komplexe posttraumatische Belastungsstörung (kPTBS) in DSM-IV und ICD-10 nicht als eigenständiges Krankheitsbild anerkannt ist. Das I-kPTBS erfasst Symptome aus den Bereichen Störungen der Affekt- und Impulskontrolle und Regulierung incl. Selbstschädigendes Verhalten, Störungen der Wahrnehmung und des Bewusstseins, Störungen der Selbstwahrnehmung, Beziehungsstörungen, Somatisierungen und Veränderungen von zentralen Lebenseinstellungen und Zukunftsperspektiven.
 - Fragebogen zu Dissoziationserfahrungen (DES): Der DES ist ein Screeninginstrument und sollte nicht zur alleinigen Diagnostik angewandt werden. Ausnahme: Diagnostiker können die Fragen als Interviewvorlage verwenden im Rahmen eines strukturieren Abklärungsgesprächs (wobei der DES hierfür nicht validiert worden ist).
 - Fragebogen zu Dissoziativen Symptomen (FDS): Der FDS beinhaltet den DES (siehe oben), ergänzt ihn aber zusätzlich mit Fragen zu Konversion.
 - Strukturiertes Klinisches Interview für Dissoziative Störungen (SKID-D): Der SKID-D ist der Goldstandart zur Diagnostik dissoziativer Störungen. Die Durchführung bedarf aber eines breiten Grundwissens und viel Erfahrung (oder Supervision).
 - Fragebogen zu somatoformer dissoziativer Symptomatik (Somatoform Dissociation Questionnaire, SDQ): Mit dem SDQ kann somatoforme dissoziative Symptomatik erfasst werden. Er ist in verschiedenen Sprachen erhältlich.
 - Cambridge Depersonalisation Scale (CDS) - deutsche Fassung: Die deutsche Version der CDS erfasst die Kernsymptome des Depersonalisation-Derealisations-Syndroms hinsichtlich ihrer Auftretenshäufigkeit und -dauer.
 - Dissociative Disorders Interview Schedule (DDIS) (Englisch)
 - Adult Attachment Interview (AAI)
 - Strukturiertes klinisches Interview für Stimmenhörende (SCIV): Das SCIV dient der differenzierten Exploration von Stimmenhören - unabhängig davon, ob es im Rahmen einer psychotischen, dissoziativen, spirituellen oder anderen Erfahrung auftritt. Es erfasst systematisch Eigenschaften, Inhalte, Herkunftsüberzeugungen, Interaktionen und Bewältigungsstrategien in Bezug auf Stimmen sowie begleitende ungewöhnliche Erfahrungen.
 - Maastrichter Fragebogen - Interview mit einer Person, die Stimmen hört: Fast alle Menschen mit schweren dissoziativen Symptomen hören auch Stimmen. Dieser Fragebogen dienst als Instrument zur Erforschung der Stimmen und zum Empowerment von Stimmenhörenden. Es braucht aber viel Zeit, um diesen Fragebogen gemeinsam durchzugehen. Und Achtung: die Fragen zur Lebensgeschichte können viel Stress auslösen. Deshalb muss der Fragebogen mit grosser Vorsicht angewendet werden.
 
Screening für PTBS & kPTBS
- Der "International Trauma Questionnaire" ist ein validiertes Instrument zum Screening auf PTBS und kPTBS. (2021).
 - Die PDS-ICD-11-Skala ist in verschiedenen Sprachen erhältlich auf der Webseite der Psychiatry Region Zealand, Center for Personality Disorder Research, Psychiatric Research Unit, Slagelse, Dänemark.
 
Therapieverlauf
- Therapie Einschätzungsskala (TES): Die TES wurde zur Einschätzung der Behandlungssituation bei Menschen mit komplexen posttraumatischen Störungen entwickelt. Es ist nicht validiert, ist jedoch z.B. in Supervisionen hilfreich zur realistischen Einschätzung der Möglichkeiten und Grenzen einer Psychotherapie.
 - The Progress In Treatment Questionnaires: Measures for assessing progress in the treatment of complex dissociative disorders (DD): Die Fragebögen zum Behandlungsfortschritt wurden entwickelt, um den therapeutischen Fortschritt und die Behandlungsergebnisse für Personen mit Dissoziativer Identitätsstörung und anderen komplexen und/oder schweren dissoziativen Störungen zu evaluieren. Jeder Fragebogen bewertet den Fortschritt in Richtung der von Experten identifizierten Ziele der Behandlung dissoziativer Störungen (z.B. Brand et al., 2012; ISSTD, 2005, 2011). Er ist aktuell nur in englischer Sprache erhältlich.
 
Behandlung der PTBS
Die Behandlung einer komorbiden PTBS bei substanzbezogenen Störungen orientiert sich an den S3-Leitlinien für die Behandlung der PTBS, wobei die traumafokussierte Therapie die Methode der Wahl darstellt. Psychopharmakologische Interventionen wie beispielsweise selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer sind als alleinige Therapie nicht ausreichend, können aber in der Mitbehandlung von Begleitsymptomen (z. B. depressives Syndrom) unterstützend indiziert sein. Bei Benzodiazepinen ist besondere Vorsicht geboten, da sie bei der Behandlung der PTBS ein hohes suchtgefährdendes Potenzial besitzen.
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Prinzipiell kann die Behandlung einer komorbiden PTBS sequenziell wie auch integrativ erfolgen. Bis anhin vorliegende Studien zeigen, dass Expositionsverfahren (z.B. prolongierte Exposition mit imaginativer und In-vivo-Exposition) in Kombination mit kognitiv-behavioralen Behandlungsmodulen für substanzbezogene Störungen wie COPE (Concurrent Treatment of PTSD and Substance Abuse Disorders using prolonged Exposure) bei substanzbezogenen Störungen ein sicheres Verfahren darstellen.
Expositionsverfahren sollten jedoch nur von entsprechend ausgebildeten und erfahrenen Therapeuten unter Berücksichtigung der in Kasten 3 genannten relativen und absoluten Kontraindikationen durchgeführt werden. Insbesondere schwer betroffene Personen mit wiederholten Traumatisierungen und/oder vielen beziehungsweise schweren Komorbiditäten leiden gegebenenfalls unter einer nur unzureichenden Affektregulation (mangelnde Impulskontrolle, dissoziative Symptome, aktueller Substanzmissbrauch, Selbstverletzungen, Suizidalität), sodass zunächst eine Stabilisierung angestrebt und Traumaexploration respektive Traumaexposition zurückgestellt werden sollten.
Weitere mögliche traumafokussierte Behandlungsverfahren sind das Eye Movement Desensitization and Reprocessing (EMDR) und die Narrative Expositionstherapie (NET) sowie die stabilisierende Psychodynamisch Imaginative Traumatherapie (PITT). Die genannten Verfahren sind bei der PTBS-Behandlung im Allgemeinen wirksam, sind aber bei substanzbezogenen Störungen bis anhin noch nicht ausreichend untersucht.
Neben den traumafokussierten und stabilisierenden Verfahren können Patienten auch von einer traumaspezifischen Psychoedukation profitieren. Diese kann Patienten darin unterstützen, eigene Beschwerden besser einzuordnen und die Behandlungsadhärenz zu steigern. Auch sollten adjuvante Therapieverfahren (Ergotherapie, Kunsttherapie, Musiktherapie, Körper- und Bewegungstherapie sowie Physiotherapie) eingesetzt werden, da diesen neben der traumaaufdeckenden Wirksamkeit auch in der Stabilisierung und der Ressourcenaktivierung eine wichtige Rolle zugeschrieben wird.
PTBS und Substanzbezogene Störungen
Traumafolgestörungen sind relevante Komorbiditäten bei substanzbezogenen Störungen und gehen einher mit schwereren psychischen, physischen und sozialen Beeinträchtigungen sowie schlechteren Behandlungsverläufen. Personen mit substanzbezogenen Störungen berichten häufig über traumatische Erlebnisse. Auffallend sind vor allem hohe Prävalenzraten für sexuellen und körperlichen Missbrauch. Traumatische Erlebnisse werden allgemein mit einer Vielzahl psychischer und physischer Beeinträchtigungen in Zusammenhang gebracht und führen zu einer Vielzahl psychischer Störungen. Bei substanzbezogenen Störungen gelten Traumatisierungen sowie erweiterte Stressoren wie beispielsweise emotionale Misshandlungen als wichtige Risikofaktoren für die Entwicklung und den Verlauf substanzbezogener Störungen, und es bestehen hohe Komorbiditäten mit Traumafolgestörungen und traumaassoziierten Störungen.
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Insbesondere finden sich deutlich erhöhte Prävalenzraten für die posttraumatische Belastungsstörung (PTBS): aktuelle PTBS (8%-53%), subsyndromale PTBS und Lebenszeit-PTBS (25%-58%) (vgl. Lebenszeitprävalenz PTBS deutsche Allgemeinbevölkerung: 1,5%-2%). Hohe PTBS-Prävalenzraten zeigen sich vor allem in klinischen Populationen und Subgruppenanalysen und lassen einen Zusammenhang zwischen der Schwere des Konsummusters (z. B. Mehrfachabhängigkeiten, Konsum illegaler Substanzen) und dem Vorliegen einer aktuellen PTBS erkennen.
Fragebögen zur PTBS-Diagnostik
Zur Diagnostik der PTBS werden verschiedene Fragebögen eingesetzt. Hier eine Übersicht:
| Fragebogen | Beschreibung | 
|---|---|
| IES (Impact of Event Scale) | 15 Items: erfragt Symptome der Vermeidung/Betäubung und der Intrusion, dt. Fassung | 
| PDS (Posttraumatic Diagnostic Scale) | 49 Items: erfragt diagnostische Kriterien einer PTBS (DSM-IV), > 80% Übereinstimmung zwischen PDS und klinischem Interview, dt. Fassung | 
| Kurz-Screening für PTSD (DSM-IV) | 7 Items: Kurz-Screening für PTSD (DSM-IV), sehr gute Testgüte und Anwendungsökonomie, dt. | 
| Klinische PTB-Skala für DSM-IV (KPS-TX) | Misst Häufigkeit und Intensität von PTBS-Symptomen (DSM-IV), sensitiv und spezifisch, dt. Fassung | 
| Clinician-Administered PTSD-Scale (CAPS) | Gute Reliabilität und Validität, Sensitivität 81,2%, dt. | 
Wichtige Hinweise
- S3-Leitlinie Posttraumatische Belastungsstörung: Ingo Schäfer, Ursula Gast, Arne Hofmann, Christine Knaevelsrud, Astrid Lampe, Peter Liebermann, Annett Lotzin, Andreas Maercker, Rita Rosner, Wolfgang Wöller
 - Guidelines for Treating Dissociative Identity Disorder in Adults: International Society for the Study of Trauma and Dissociation
 
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