Paranoia und Wahnvorstellungen sind Begriffe, die in der Psychiatrie verwendet werden und bei psychischen Erkrankungen oft miteinander verwoben sind. Im allgemeinen Sprachgebrauch werden diese beiden Begriffe oft als Synonyme verwendet. Viele Menschen sind sich über die jeweiligen Definitionen nicht ganz im Klaren, aber beide Begriffe werden häufig verwendet, um vor allem der Wut über das Verhalten anderer Person Ausdruck zu verleihen: „Du bist völlig wahnsinnig!“ oder „Das ist total paranoid von dir!“. Aber was bedeuten diese beiden Begriffe wirklich? Und worin besteht der Unterschied zwischen ihnen?
Wahnvorstellungen
Wahnvorstellungen können als „feste Überzeugungen definiert werden, die auch angesichts widersprechender Beweise unveränderlich bleiben“. Mit anderen Worten: Eine Person mit Wahnvorstellungen ist nicht bereit, ihre Überzeugungen zu ändern, auch wenn es Beweise dafür gibt, dass ihre Überzeugungen völlig falsch und haltlos sind.
Zur Verdeutlichung werden hier einige Beispiele für verschiedenen Arten von Wahnvorstellungen angeführt:
- Wahnvorstellungen gelten als bizarr, „wenn sie eindeutig unplausibel und für Angehörige der gleichen Kultur unverständlich sind und nicht auf gewöhnlichen Lebenserfahrungen beruhen“.
 - Eine Person, die zum Beispiel glaubt, dass eine äussere Macht ihre inneren Organe entfernt und durch die Organe einer anderen Person ersetzt hat, ohne Wunden oder Narben zu hinterlassen, leidet unter bizarren Wahnvorstellungen.
 - Ein Beispiel für eine nicht bizarre Wahnvorstellung ist dagegen die Überzeugung, von der Polizei überwacht zu werden, obwohl es dafür keine schlüssigen Beweise gibt.
 - Wahnvorstellungen werden in der Regel als bizarr bezeichnet, wenn sie Ausdruck eines Kontrollverlusts über Geist oder Körper sind.
 - Beziehungswahn: Beziehen allgemeine Ereignisse auf sich selbst oder interpretieren bestimmte Gegenstände bzw. Personen als Bedrohung.
 
Paranoia
Paranoia kann als „ein unbegründetes oder übertriebenes Misstrauen gegenüber anderen“ definiert werden. Paranoide Menschen sind argwöhnisch und zweifeln ständig die Motive ihrer Mitmenschen an. Sie glauben, dass bestimmte Personen oder Menschen im Allgemeinen „hinter ihnen her sind“.
Paranoide Gedanken sind nicht ungewöhnlich und können bei allen Menschen zu einem bestimmten Zeitpunkt ihres Lebens auftreten. Stellen Sie sich z. B. vor, dass Sie im Dunkeln nach Hause gehen und ein Auto langsam neben Ihnen herfährt, oder dass Menschen flüstern und Sie beobachten, während Sie vorbeigehen. In solchen Fällen ist es nicht ungewöhnlich, Angst zu haben, dass die Leute nichts Gutes im Sinn haben, auch wenn nichts passiert.
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Paranoia wird erst dann problematisch, wenn sie klinische Ausmasse, d. h. wahnhafte Ausmasse, annimmt. In solchen Fällen wird die Person, wie oben beschrieben, unflexibel, wenn es darum geht, eindeutige Beweise zu akzeptieren, die im Widerspruch zu ihrer festen Überzeugung stehen. Dann entwickelt sich die Paranoia zu einem Verfolgungswahn bzw. zu paranoiden Wahnvorstellungen. Bei der betroffenen Person entsteht das Gefühl, dass eine andere Person oder eine Gruppe bzw. Organisation es auf sie abgesehen hat.
Andere Wahnvorstellungen, darunter nihilistischer Wahn, Gedankenentzug, Gedankeneingebung und die Überzeugung, kontrolliert oder gesteuert zu werden, können die Paranoia und damit den Verfolgungswahn ebenfalls verschlimmern. Darüber hinaus können auch Halluzinationen, d. h. „Sinneseindrücke (Sehen, Berühren, Hören, Riechen oder Schmecken), die nicht auf äusseren Reizen beruhen“, zu paranoiden Wahnvorstellungen führen.
Paranoide Schizophrenie
Paranoide Gedanken und Wahnvorstellungen können bei verschiedenen psychiatrischen Erkrankungen auftreten, darunter Schizophrenie und Manie, aber auch bei Depressionen, Drogenmissbrauch oder Demenz. Schizophrenie wird häufig mit Wahnvorstellungen und Paranoia in Verbindung gebracht. Tatsächlich wird die häufigste Form der Schizophrenie als paranoide Schizophrenie bezeichnet, und Wahnvorstellungen sind häufige Symptome bei Schizophrenie.
Die paranoide Schizophrenie (paranoid-halluzinatorische Schizophrenie) ist mit einem Anteil von etwa 65 Prozent die häufigste Schizophrenieform. Ungefähr die Hälfte aller Schizophrenie-Betroffenen zeigt im Verlauf der Erkrankung Symptome einer paranoiden Schizophrenie. Diese entwickelt sich meist später als andere Schizophrenie-Formen, oft taucht sie erst bei Menschen im mittleren Lebensalter auf. Im Durchschnitt manifestieren sich die Symptome der paranoiden Schizophrenie zwischen dem 25. und 35. Geburtstag.
Diagnose der paranoiden Schizophrenie
Nach der „Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme“ (derzeit noch ICD-10) müssen folgende Kriterien für die Diagnose einer paranoiden Schizophrenie zutreffen:
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- Die allgemeinen Kriterien einer Schizophrenie liegen vor.
 - Die Betroffenen haben Wahnvorstellungen oder Halluzinationen (vorwiegend akustische Halluzinationen).
 - Unpassende Emotionen oder Ausdruckslosigkeit (sogenannter „flacher Affekt“) treten nicht oder nur schwach auf.
 
Symptome der Psychose
Die Symptome einer Psychose können sehr unterschiedlich sein, sowohl in ihrer Ausprägung als auch in ihrer Kombination.
Betroffene leiden unter:- Wahnvorstellungen, d. h. haben «falsche Vorstellungen» der Welt und der Dinge darin. Beispielsweise leiden sie unter Verfolgungswahn oder Grössenwahn.
 - Halluzinationen, das heisst, sie nehmen Reize wahr, die in der Realität nicht existieren. Sie hören Stimmen, die Ihren Namen rufen, Ihnen Befehle geben oder über Sie sprechen, obwohl niemand sonst im Raum ist.
 - Halluzinationen können die Paranoia und damit den Verfolgungswahn ebenfalls verschlimmern.
 - Die Betroffenen erleben ihren eigenen Körper, ihre Gedanken und Gefühle als fremd. Es fühlt sich an, als könnten andere Ihre Gedanken wie ein offenes Buch lesen, was Sie sehr verletzlich macht.
 - Ihre Gedanken springen ohne erkennbaren Zusammenhang von einem Thema zum nächsten, was es schwierig macht, klar zu denken oder Gespräche zu führen.
 - Sie beginnen einen Satz und vergessen plötzlich, was Sie sagen wollten, was sehr frustrierend sein kann.
 - Sie haben das Bedürfnis, sich in Ihrem Zimmer zu verkriechen und die Tür vor der Welt zu verschliessen, weil soziale Interaktionen zu anstrengend sind.
 - Dinge, die Ihnen früher Freude bereitet haben, lassen Sie nun völlig kalt. Es ist, als wäre eine unsichtbare Barriere zwischen Ihnen und der Welt.
 - Selbst einfachste Tätigkeiten wie Duschen oder Einkaufen fühlen sich an, als würden sie eine enorme Menge an Energie erfordern, die Sie nicht haben.
 
Formen der Psychose
Es gibt viele verschiedene Formen und Unterarten von Psychosen, jede mit ihren eigenen Herausforderungen und Merkmalen.
- Eine primäre Psychose entsteht aus einer psychischen Erkrankung selbst, ohne dass eine andere medizinische Ursache dahintersteckt.
 - Eine sekundäre Psychose hingegen tritt als Folge einer anderen, meist körperlichen Erkrankung oder durch Substanzeinnahme auf. Diese Art der Psychose kann durch neurologische Erkrankungen wie Hirntumore, Infektionen des Gehirns, Stoffwechselstörungen, Drogenmissbrauch oder bestimmte Medikamente ausgelöst werden.
 - Die Schizophrenie ist weder eine Persönlichkeitsstörung noch eine Persönlichkeitsspaltung, wie oft fälschlicherweise angenommen wird. Stattdessen handelt es sich um eine Form der Psychose, die vor allem Störungen in der Wahrnehmung und im Denken hervorruft.
 - Bei der schizoaffektiven Störung leiden Betroffene sowohl unter psychotischen Symptomen als auch unter affektiven, also stimmungsbezogenen Symptomen. Das bedeutet, dass sie nicht nur Wahnvorstellungen oder Halluzinationen haben, sondern auch unter extremen Stimmungsschwankungen oder Depressionen leiden.
 - Die kurze psychotische Störung ist eine psychische Erkrankung, bei der eine Person plötzlich psychotische Symptome entwickelt, die jedoch nach kurzer Zeit wieder verschwinden. Diese Episoden, die oft durch schwere Stresssituationen, Drogenkonsum oder Schlafmangel ausgelöst werden, dauern normalerweise weniger als einen Monat.
 - Die wahnhafte Störung, auch als Paranoia bekannt, ist durch das Vorhandensein langanhaltender Wahnvorstellungen ohne andere prominente Psychose-Symptome gekennzeichnet.
 - Die Wochenbettpsychose ist eine schwere psychische Erkrankung, die nach der Geburt eines Kindes auftreten kann. Sie ist durch plötzliche und intensive psychotische Symptome gekennzeichnet, die sich innerhalb der ersten Wochen nach der Geburt entwickeln.
 
Behandlung der Psychose
Die Behandlung einer Psychose ist vielschichtig und sollte individuell angepasst werden.
- Medikamentöse Behandlung: Einnahme von Antipsychotika, eventuell ergänzt durch Stimmungsstabilisieren oder Antidepressiva.
 - Psychotherapie: Eine wichtige Ergänzung zur medikamentösen Behandlung.
 - Zusätzliche Massnahmen: Kriseninterventionen und langfristige Rehabilitation können erforderlich sein, um die Stabilität zu fördern und die Rückkehr in den Alltag zu erleichtern.
 
Prognose bei paranoider Schizophrenie
Viele Betroffene und Angehörige beschäftigt vor allem eine Frage: Ist eine paranoide Schizophrenie heilbar? Die Antwort darauf ist nicht ganz einfach. Manche Patienten und Patientinnen erleben nur eine akute Krankheitsphase und werden danach wieder ganz gesund. Andere kehren erst nach mehreren akuten Phasen in die „Normalität“ zurück. Eine paranoide Schizophrenie kann aber auch chronisch verlaufen mit dauerhaften Defiziten und Beeinträchtigungen.
Generell gilt: Die paranoide Schizophrenie hat bei entsprechender Behandlung eine gute Prognose. Antipsychotische Medikamente (Neuroleptika) wirken in vielen Fällen gut. Vor allem bei frühzeitiger Behandlung können die Wahnvorstellungen und Halluzinationen schnell gestoppt werden. Zusätzlich sollten Patienten auch eine psychotherapeutische Behandlung erhalten und psychosoziale Massnahmen in Anspruch nehmen.
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Diese Massnahmen verbessern den Umgang der Patienten mit ihrer Erkrankung und helfen, mögliche auslösende Stressfaktoren frühzeitig zu erkennen und zu beseitigen. Das senkt zusätzlich das Risiko eines Rückfalls von paranoider Schizophrenie.
Lebenserwartung
Je nachdem, welchen Verlauf die Erkrankung nimmt, ist die Lebenserwartung mit paranoider Schizophrenie normal. Sie unterscheidet sich nicht wesentlich von der durchschnittlichen Lebenserwartung der Allgemeinbevölkerung.
Die Schizophrenie selbst begünstigt aber Stoffwechsel- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Bei einem langanhaltenden oder schweren Verlauf der paranoiden Schizophrenie können diese Erkrankungen ebenfalls auftreten und die Lebenserwartung kann sinken.
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