Posttraumatische Belastungsstörung: Ein Fallbeispiel

Die Leistungspflicht eines Unfallversicherers gemäss UVG setzt zunächst voraus, dass zwischen dem Unfallereignis und dem eingetretenen Schaden (Krankheit, Invalidität, Tod) ein natürlicher Kausalzusammenhang besteht. Ursachen im Sinne des natürlichen Kausalzusammenhangs sind alle Umstände, ohne deren Vorhandensein der eingetretene Erfolg nicht als eingetreten oder nicht als in der gleichen Weise bzw. nicht zur gleichen Zeit eingetreten gedacht werden kann.

Entsprechend dieser Umschreibung ist für die Bejahung des natürlichen Kausalzusammenhangs nicht erforderlich, dass ein Unfall die alleinige oder unmittelbare Ursache gesundheitlicher Störungen ist; es genügt, dass das schädigende Ereignis zusammen mit anderen Bedingungen die körperliche oder geistige Integrität der versicherten Person beeinträchtigt hat, der Unfall mit andern Worten nicht weggedacht werden kann, ohne dass auch die eingetretene gesundheitliche Störung entfiele (BGE 129 V 181 Erw. 3.1, 406 Erw. 4.3.1, 119 V 337 Erw. 1, 118 V 289 Erw.

Ob zwischen einem schädigenden Ereignis und einer gesundheitlichen Störung ein natürlicher Kausalzusammenhang besteht, ist eine Tatfrage, worüber die Verwaltung bzw. im Beschwerdefall das Gericht im Rahmen der ihm obliegenden Beweiswürdigung nach dem im Sozialversicherungsrecht üblichen Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit zu befinden hat. Die blosse Möglichkeit eines Zusammenhangs genügt für die Begründung eines Leistungsanspruches nicht (BGE 129 V 181 Erw. 3.1, 119 V 338 Erw. 1, 118 V 289 Erw.

Unter sämtlichen Verfahrensbeteiligten ist letztinstanzlich unbestritten, dass der für die Leistungspflicht des Unfallversicherers zunächst vorausgesetzte natürliche Kausalzusammenhang zwischen dem am 10. November 1999 erlittenen Verkehrsunfall und den über den 28. Februar 2003 hinaus anhaltenden Beschwerden, welche Dr. med. D.________ im neurologisch-psychiatrischen Gutachten vom 19. Oktober 2002 (einschliesslich des zugehörigen psychiatrischen Teilgutachtens von Dr. med.

Die Vorinstanz hat sodann im angefochtenen Entscheid die Rechtsprechung zum für die Leistungspflicht des Unfallversicherers weiter vorausgesetzten adäquaten Kausalzusammenhang zwischen einem Unfall mit Schleudertrauma der HWS ohne organisch nachweisbare Funktionsausfälle und den hernach andauernden Beschwerden mit Einschränkung der Arbeits- und Erwerbsfähigkeit (BGE 117 V 359) zutreffend wiedergegeben.

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Das kantonale Gericht hat überdies richtig dargelegt, dass die Beurteilung der Adäquanz in denjenigen Fällen, in welchen die zum typischen Beschwerdebild eines Schleudertraumas der HWS gehörenden Beeinträchtigungen zwar teilweise gegeben sind, im Vergleich zur vorliegenden ausgeprägten psychischen Problematik aber ganz in den Hintergrund treten, nach der für psychische Fehlentwicklungen nach Unfällen geltenden Rechtsprechung (BGE 115 V 133) vorzunehmen ist (BGE 127 V 103 Erw. 5b/bb, 123 V 99 Erw. 2a mit Hinweisen; vgl. auch RKUV 2002 Nr. U 465 S. 437).

Erforderlichenfalls ist vorgängig der Adäquanzbeurteilung zu prüfen, ob es sich bei den im Anschluss an den Unfall geklagten psychischen Beeinträchtigungen um blosse Symptome des erlittenen Traumas oder aber um eine selbstständige (sekundäre) Gesundheitsschädigung handelt, wobei für die Abgrenzung insbesondere Art und Pathogenese der Störung, das Vorliegen konkreter unfallfremder Faktoren oder der Zeitablauf von Bedeutung sind (RKUV 2001 Nr. U 412 S.

Wie das Eidgenössische Versicherungsgericht in dem in RKUV 2002 Nr. U 465 S. 437 publizierten Urteil präzisierend dargelegt hat, ist die Adäquanz des Kausalzusammenhangs nur dann im Sinne von BGE 123 V 99 Erw. 2a unter dem Gesichtspunkt einer psychischen Fehlentwicklung nach Unfall zu beurteilen, wenn die psychische Problematik bereits unmittelbar nach dem Unfall eindeutige Dominanz aufweist. Wird die Rechtsprechung gemäss BGE 123 V 99 Erw. 2a in einem späteren Zeitpunkt angewendet, ist zu prüfen, ob im Verlaufe der ganzen Entwicklung vom Unfall bis zum Beurteilungszeitpunkt die physischen Beschwerden gesamthaft nur eine sehr untergeordnete Rolle gespielt haben und damit ganz in den Hintergrund getreten sind.

Der Fall B.________

Die 1968 geborene B.________ war seit November 1995 Geschäftsleiterin der A.________ GmbH und führte in R.________ ein Restaurant. Damit war sie bei der SWICA Versicherungen AG (nachfolgend: SWICA) gegen Unfälle versichert. Am 10. November 1999 war sie in einen Verkehrsunfall verwickelt.

Gemäss Polizeirapport wollte der Fahrer eines Lastwagens mit Anhänger nach rechts abzweigen, wobei er wegen einer Baustelle auf der Linksabbiegspur ausholen musste. Dabei touchierte der Anhänger den sich auf der rechten Spur befindenden PW der Versicherten seitlich und vorne links. Gegenüber dem Schadeninspektor erklärte B.________ am 12. April 2000, sie habe den Lastwagen erst relativ spät bemerkt, weshalb sie ihr Fahrzeug brüsk abgebremst und dabei den Kopf an der Frontscheibe leicht angeschlagen habe.

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Die am 18. November 1999 in der Psychiatrischen Klinik des Spitals Z.________ konsultierte Ärztin Dr. med. S.________ erhob gemäss Epikrise vom 16. Dezember 1999 folgende Verdachtsdiagnosen: Anpassungsstörung mit längerer depressiver Reaktion nach Trennung vom Ehemann (ICD-10 F 43.21), posttraumatische Belastungsstörung (ICD-10 F 43.1), DD: Organisches Psychosyndrom nach Schädelhirntrauma (ICD-10 F 07.2) und Schleudertrauma der Halswirbelsäule (HWS). Im Zeugnis vom 18. November 1999 attestierte sie eine volle Arbeitsunfähigkeit.

In der Folge wurde die Versicherte in der Neurologisch-Neurochirurgischen Klinik des Spitals Z.________ untersucht, wo ein HWS-Distorsionstrauma mit ausgeprägtem Cervicalsyndrom und eine Anpassungsstörung mit längerer depressiver Reaktion diagnostiziert wurden. Die Arbeitsunfähigkeit wurde für weitere zwei bis vier Wochen auf 100 % festgesetzt mit der Empfehlung einer anschliessend stufenweisen Wiederaufnahme der bisherigen Tätigkeit (Bericht vom 27. Dezember 1999).

Im Bericht derselben Klinik vom 10. April 2000 erwähnen die Ärzte zusätzlich eine Tendomyopathie am linken Arm, halten jedoch gleichzeitig fest, die Beschwerdesymptomatik habe sich stark verbessert. Bis 2. April 2000 bescheinigten sie eine volle Arbeitsunfähigkeit und vom 3. April bis 15. Mai 2000 eine solche von 50 %. Die neuropsychologische Untersuchung im Spital Z.________ ergab gemäss Bericht vom 14. Juni 2000 eine mittelschwere Aufmerksamkeitsstörung, wobei die festgestellten Symptome mit der Zuweisungsdiagnose vereinbar seien.

Vom 7. Februar bis 7. März 2002 weilte die Versicherte zur stationären Untersuchung und Behandlung in der Klinik Y.________. Gemäss Austrittsbericht vom 9. April 2002 empfahlen die Ärzte eine weiterführende psychiatrische Betreuung und ambulante Physiotherapie.

Auf Veranlassung der SWICA führte Dr. med. D.________, eine neurologische Begutachtung durch, welche auch eine psychiatrische Untersuchung durch Dr. med. P.________, mit entsprechendem Teilgutachten vom 31. Dezember 2001 umfasste (Expertise vom 19. Oktober 2002). Die IV-Stelle Basel-Stadt sprach der Versicherten mit Verfügung vom 9. September 2002 aufgrund eines Invaliditätsgrades von 100 % mit Wirkung ab 1. November 2000 eine ganze Invalidenrente zu.

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Mit Verfügung vom 5. Juni 2003 verneinte die SWICA ihre Leistungspflicht über den 28. Februar 2003 hinaus mit dem Fehlen eines adäquaten Kausalzusammenhangs zwischen den geltend gemachten Beschwerden und dem als leicht zu qualifizierenden Unfall vom 10. November 1999. Auf Einsprache der Versicherten hin hielt die SWICA an ihrem Standpunkt fest (Einspracheentscheid vom 17.

Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt mit Entscheid vom 27. Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt B.________ beantragen, es sei ihr mit Wirkung ab 1. März 2003 eine Invalidenrente basierend auf einer Erwerbsunfähigkeit von 100 % zuzusprechen. Zudem sei ihr eine Integritätsentschädigung basierend auf einer Integritätseinbusse von mindestens 30 % auszurichten.

Die SWICA schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Eidg. Das am 1. Januar 2003 in Kraft getretene Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) hat am unfallversicherungsrechtlichen Begriff des natürlichen und adäquaten Kausalzusammenhangs und dessen Bedeutung als Voraussetzung für die Leistungspflicht nach UVG nichts geändert (Urteil W. vom 3. März 2005 [U 218/04]; Ueli Kieser, ATSG-Kommentar, S. 64 f. Rz 20 zu Art. 4).

Die bisher dazu ergangene Rechtsprechung bleibt nach wie vor anwendbar. Für die Frage des intertemporal anwendbaren Rechts ist somit nicht von Belang, dass der Einspracheentscheid am 17. Juli 2003 nach In-Kraft-Treten des ATSG erlassen wurde (vgl.

Gutachten und Diagnosen

Dr. med. D.________ kommt in seinem einlässlichen Gutachten vom 19. Oktober 2002, welches sich auf die Vorakten, eigene anamnestische und fremdanamnestische Erhebungen und Untersuchungen einschliesslich einer umfassenden verhaltensneurologischen/neuropsychologischen Untersuchung, einer radiologischen Beurteilung der HWS sowie ein psychiatrisches Teilgutachten stützt, zum Schluss, dass insgesamt von einem anlässlich des Unfalles vom 10. November 1999 erlittenen Abknicktrauma der HWS auszugehen sei, welcher persistierende und rezidivierende cervicale, cervico-cephale und cervicobrachiale Beschwerden zur Folge gehabt habe.

Wiederholte Befundbeschreibungen zeigten immer wieder ein ausgeprägtes Cervicalsyndrom mit schmerzhafter Funktionseinschränkung. Weder die verschiedenen durchgeführten Therapien noch die stationäre Behandlung hätten indessen die Beschwerden zu lindern vermocht. Vielmehr gebe die Versicherte weiterhin ausgeprägte Schmerzen an. Anlässlich der gutachterlichen Untersuchung habe ein mässiges Cervicalsyndrom mit leichter, schmerzhafter Funktionseinschränkung ohne neurologische Ausfälle festgestellt werden können.

Die radiologischen Untersuchungen hätten ebenfalls eine Funktionseinschränkung ergeben, welche als schmerzbedingt zu beurteilen sei, ohne dass relevante degenerative Befunde zu verzeichnen wären. Nachdem die Versicherte gemäss ihren glaubhaften Angaben vor dem Unfall keine Probleme mit der HWS gehabt habe, seien die diesbezüglichen Beschwerden mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf den fraglichen Unfall zurückzuführen.

Bezüglich der geklagten kognitiven Störungen in Form von Gedächtniseinschränkungen, verminderter Konzentrationsfähigkeit, vermindertem Antrieb, reduzierter Emotionskontrolle und sprachlichen Störungen hält der Experte, in Übereinstimmung mit den Ärzten der Klinik Y.________ fest, die Wahrscheinlichkeit, dass diese auf eine zusätzliche leichte traumatische Hirnverletzung zurückzuführen wären, sei gering, da weder eine Bewusstlosigkeit noch mnestische Lücken anlässlich des Unfalles vorlägen.

Aufgrund der Unfallanamnese, der glaubhaft persistierenden Schmerzen infolge der HWS-Verletzung und der von Dr. med. P.________ im psychiatrischen Teilgutachten erhobenen Befund einer histrionischen Persönlichkeit, einer Somatisierungsstörung im Sinne einer Konversionsstörung, einer mittelgradigen depressiven Episode ohne somatische Symptome sowie einer posttraumatischen Belastungsstörung erscheine es als deutlich wahrscheinlicher, dass die nach wie vor feststellbaren neuropsychologischen Defizite in der Schmerzproblematik und den psychiatrischen Befunden begründet lägen.

Es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass die Versicherte bereits vor dem Unfall an kognitiven Einschränkungen gelitten habe. Zum medizinischen Vorzustand hält der Gutachter fest, bezüglich des cervicocephalen Symptomenkomplexes und der neuropsychologischen Funktionsstörungen bestünden keine relevanten fassbaren Vorzustände. Hingegen seien die hystrionische Persönlichkeit und deren Auswirkungen im posttraumatischen Verlauf als vorbestehend zu betrachten.

Für den therapieresistenten Verlauf sei in wesentlichem Ausmass die vom Psychiater diagnostizierte Persönlichkeitsstruktur verantwortlich. Laut Dr. med.

Aus dem Gutachten erhellt, dass nicht sämtliche festgestellten Erscheinungsformen zum typischen Beschwerdebild nach einem Schleudertrauma der HWS (vgl. BGE 117 V 360 Erw. 4b) gehören. Damit stellt sich die Frage, ob die psychogene Ausweitung des Beschwerdebildes die übrigen Beschwerden ganz in den Hintergrund treten lässt mit der Folge, dass die Adäquanz des Kausalzusammenhangs nach Massgabe von BGE 115 V 133 zu beurteilen wäre.

Im ersten nach der Zeit des Unfalles stammenden Bericht der Psychiatrischen Klinik des Spitals Z.________ vom 16. Dezember 1999 erhob Dr. med. S.________ verschiedene Verdachtsdiagnosen: Anpassungsstörung mit längerer depressiver Reaktion nach Trennung vom Ehemann, posttraumatische Belastungsstörung und HWS-Schleudertrauma. Die Konsultation sei wegen ausgeprägten Schlafstörungen mit Alpträumen und Flashbacks erfolgt.

Zudem seien seit dem Unfall bestehende Beschwerden in Form von Halbseitenkopfschmerz, Nackenschmerzen, Drehschwindel, Verschwommensehen, starke Vergesslichkeit und Konzentrationsstörungen geltend gemacht worden. Weiter bestehe aufgrund der Trennung vom Ehemann ein depressives Zustandsbild mit Affektlabilität, innerer Unruhe, Tagesmüdigkeit, Lustlosigkeit und Rückzugstendenzen.

Die Ärztin leitete eine antidepressive Therapie ein und verwies die Versicherte zur psychiatrischen Weiterbehandlung an Dr. med. R.________. Wegen des Verdachts auf ein HWS-Schleudertrauma überwies sie die Versicherte zudem an die Neurologische Poliklinik. Dort wurden die Diagnosen eines HWS-Distorsionstraumas mit ausgeprägtem Cervicalsyndrom und einer Anpassungsstörung mit längerer depressiver Reaktion bestätigt (Bericht vom 27. Dezember 1999).

Klinisch fand sich ein ausgeprägtes Cervicalsyndrom mit Spannungskopfschmerzen. Im Zusatzfragebogen bei HWS-Verletzungen bestätigte die Klinik am 25. Januar 2000 gegenüber der SWICA das Vorliegen eines bunten Beschwerdebildes, wie es nach einer HWS-Distorsion auftritt. Auch das Cervicalsyndrom ist dem typischen Beschwerdebild einer HWS-Distorsion zuzurechnen. Als Begleitdiagnose wurden eine Tendomyopathie des linken Armes und Konzentrationsstörungen erwähnt.

Gemäss Bericht der Klinik Y.________ vom 9. April 2002 hat die anhaltende Schmerzproblematik zusammen mit neuropsychologischen Funktionsstörungen, vegetativen Begleiterscheinungen und ausgeprägten psychoaffektiven Interferenzen (Anhaltspunkte für eine posttraumatische Belastungsstörung, rezidivierende depressive Episoden mit suizidalen Gedanken) die Versicherte in ihrer Belastbarkeit und Leistungsfähigkeit eingeschränkt und die berufliche Reintegration nach mehreren gescheiterten Wiedereingliederungsversuchen schlussendlich verunmöglicht.

Nach der einmonatigen stationären Untersuchung und Betreuung ergab sich aus psychiatrischer Sicht, dass die Versicherte wegen der multiplen psychosozialen Belastungsfaktoren nicht mehr über genügend Bewältigun...

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