Angst ist eine angeborene menschliche Reaktion, die schützt und das Überleben sichert. Wird das Gefühl der Angst immer stärker? Ist sie jedoch unbegründet oder übertrieben stark, kann sie zu einer psychischen Erkrankung werden.
Was sind Angststörungen?
Angststörungen gehören zu den häufigsten psychischen Erkrankungen und treten oft im Zusammenhang mit Stress oder anderen psychosozialen Belastungen (Umwelteinflüssen) auf. Sie sind mit Erkrankungen der Gefühlsregulation - vor allem der Depression - verwandt. Zu den unterschiedlichen Formen der Angststörung gehören spezifische Phobien, Panikattacken oder generalisierte Angststörung. Die Erkrankung ist mittels verschiedener psychotherapeutischer Verfahren gut behandelbar. Unbehandelt neigen Angststörungen dazu chronisch zu werden.
Ursachen von Angststörungen
- langanhaltende Belastungen (Stress)
 - innerpsychische Konflikte
 - negative Lebenserfahrungen und biographische Prägungen
 - traumatische Erlebnisse
 - genetische Faktoren
 - gestörtes Gleichgewicht von Botenstoffen (Neurotransmitter)
 
Typische Symptome
Die Symptome einer Angststörung äussern sich auf den Ebenen des Körpers, der Gefühle, der Gedanken und des Verhaltens.
Bei einer Angststörung beherrscht die Furcht die gesamten Gedanken und meist auch den Körper der betroffenen Person. Die Gedanken fokussieren sich nur noch auf das (gefühlte) Problem. Typischerweise tritt diese Angst nur in bestimmten Situationen auf. Mit der Zeit kann aber auch die Erwartung einer Angstreaktion in bestimmten Situationen hinzukommen, die „Angst vor der Angst“.
Um die damit verbundenen negativen Gefühle zu vermeiden, weicht die betroffene Person diesen Situationen immer mehr aus. Damit vermindert sich jedoch auch die Umgangsroutine mit solchen Situationen, und die Angst vor der Angst wird immer grösser. In vielen Fällen sind sich Betroffene sogar bewusst, dass ihre Furcht übertrieben ist.
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Starke Angstgefühle gehen häufig mit körperlichen Beschwerden einher. Insbesondere bei einer Panikattacke können diese Symptome so ausgeprägt sein, dass die Betroffenen zunächst von einer körperlichen Erkrankung, beispielsweise einem Herzinfarkt ausgehen und sich notfallmässig untersuchen lassen.
Diagnose von Angststörungen
Ängste gehören zum Leben. Doch wo fängt eine Angststörung an? Ob es sich bei Angstsymptomen um eine psychische Erkrankung handelt, hängt vom Ausmass der Angst ab. Gradmesser hierfür sind die Intensität und Häufigkeit, aber auch die resultierende Beeinträchtigung und der Leidensdruck beim Betroffenen.
Die Diagnose erfolgt in einer umfassenden klinisch-psychiatrischen Untersuchung durch eine Fachperson (Psychiater, Psychiaterin oder Psychologin, Psychologe). Neben diesen ausführlichen Gesprächen zählen bei Bedarf auch testpsychologische sowie körperliche Untersuchungen (inklusive Routinelabor und EKG) zu den Massnahmen der Diagnose.
Oft dauert es lange, bis Betroffene uns aufsuchen. Dabei schildern sie eher ihre körperlichen Begleiterscheinungen als den Kern der Krankheit. Die Untersuchung bei uns besteht in erster Linie in einem gemeinsamen Gespräch, in welchem Sie Ihre Beschwerden schildern und wir uns ein möglichst genaues Bild der Symptome und möglicher Ursachen machen. Zur Einordnung der Erkrankung werden wir beim ersten Treffen eine Reihe von Fragen stellen (Anamnese). Oft bitten wir Sie auch, ein Angsttagebuch zu führen.
Manche körperlichen Erkrankungen können ähnliche Symptome verursachen wie Angststörungen, beispielsweise eine Schilddrüsenüberfunktion oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Daher wird zu Beginn einer Therapie in gewissen Fällen eine körperliche Untersuchung veranlasst.
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Behandlung von Angststörungen
Therapie der ersten Wahl ist die Psychotherapie. Dabei kommen verschiedene Verfahren in Frage, die individuell auf die konkrete Situation zugeschnitten werden.
Insgesamt lassen sich Angststörungen gut behandeln. Je früher eine erkrankte Person behandelt wird, desto besser sind die Heilungschancen.
Psychotherapie
Als Behandlungsform kommt bei einer Panikstörung zumeist die kognitive Verhaltenstherapie zum Einsatz. Diese Therapieform unterstützt die kritische Hinterfragung und Veränderung von automatischen Denkmustern. Gewisse Denkmuster, die sich in einem frühen Alter bilden, begünstigen die Entstehung und Aufrechterhaltung von Angst. Sie laufen in bestimmten Situationen automatisch ab und lösen bei der betroffenen Person Angst aus. Im Kontext einer Panikstörung könnte ein automatisches Denkmuster beispielsweise sein, dass Herzklopfen als ein Anzeichen für eine ernstzunehmende Erkrankung bewertet wird, was anschliessend Angst auslöst.
Mithilfe der kognitiven Verhaltenstherapie kann das Herzklopfen als normale Reaktion auf körperliche Anstrengung neu-bewertet und das automatische Denkmuster, das zuvor Angst ausgelöst hat, in eine neue Richtung gelenkt werden.
Ein weiterer Teil der kognitiven Verhaltenstherapie bildet die Psychoedukation. Psychoedukation bedeutet, dass den Betroffenen erklärt wird, wie eine Panikstörung entsteht und durch was sie sich auszeichnet. Sie dient der Informationsvermittlung und soll das Krankheitsverständnis der Betroffenen verbessern. Wissen und Verständnis über die Mechanismen einer Erkrankung wirken meist angstreduzierend.
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Eine weitere wichtige Komponente bei der Behandlung von Panikstörungen ist die Expositionstherapie. Bei der Expositionstherapie werden zuerst die Hintergründe der Angsterkrankung herausgearbeitet und anschliessend die angstauslösenden Situationen gemeinsam mit dem Therapeuten besprochen und zusammengetragen und auch das Vermeidungsverhalten, das die Angst aufrechterhält, identifiziert.
Nach einer ausführlichen Vorbereitung setzen sich die Betroffenen in therapeutischer Begleitung den verschiedenen angstauslösenden Situationen bewusst aus. Ziel ist es, die Situation ohne Vermeidungsverhalten zu ertragen, bis die Angst sich wieder abbaut.
Hintergrund dieser Herangehensweise ist die Tatsache, dass die physiologische Veranlagung jedes Menschen es verunmöglicht, intensive Angst auf Dauer zu empfinden. Nach kurzer Zeit werden die Stresshormone, die den Angstzustand auslösen, wieder abgebaut und das Angsterleben verschwindet daraufhin schrittweise.
Dies ermöglicht Betroffenen, eine korrektive Erfahrung zu machen und zu Erkennen, dass keine tatsächliche Gefahr besteht und die Angst, ganz egal, ob man etwas dagegen tut oder nicht, auch von sich nach einer Zeit automatisch wieder verschwindet. Dadurch wird auch die “Angst vor der Angst” reduziert. Betroffene fürchten nämlich häufig, dass die Angst ins Unermessliche steigen wird, falls sie nichts dagegen tun. Die Erfahrung, dass dies nicht so ist, kann der “Angst vor der Angst” entgegenwirken.
Neben der kognitiven Verhaltenstherapie kann auch die tiefenpsychologische Therapie angewandt werden. Bei diesem Ansatz liegt der Schwerpunkt darauf, verschüttete oder verdrängte Konflikte oder Erlebnisse aus der Vergangenheit aufzuarbeiten. Diese Erlebnisse oder Konflikte können eine (Mit-)Ursache für die Entstehung einer Panikstörung darstellen und deren Bearbeitung so zur Reduktion der Symptome führen.
Weiter werden achtsamkeits- und akzeptanzbasierte Ansätze angewandt. Diese legen den Fokus darauf, die aktuellen Beschwerden nicht möglichst rasch “wegtherapieren” zu wollen, sondern diese und auch die eigenen Gedanken und Gefühle erst einmal anzunehmen und zu akzeptieren. Dies kann ebenfalls zu einer Entlastung und so indirekt zu einer Verbesserung der Beschwerden führen.
Medikamentöse Therapie
Bei der Panikstörungen kommen manchmal zusätzlich zur Psychotherapie, und in wenigen Fällen auch ohne Psychotherapie, Medikamente zum Einsatz. Die wichtigste Medikamentengruppe, die bei einer Panikstörung verschrieben wird, sind Antidepressiva. Antidepressiva haben einen positiven Einfluss auf die Häufigkeit der Panikattacken wie auch auf deren Schwere. Deren Wirkung tritt meist erst ein paar Wochen nach der regelmässigen Einnahme ein. Sie eignen sich daher nicht zur kurzfristigen Behandlung. Antidepressiva werden nach der Besserung der Symptome weiterhin für einige Monate eingenommen, um das Risiko einer erneuten Verschlechterung resp. von Rückfällen zu verringern.
In Ausnahmefällen werden zur Akutbehandlung zudem Benzodiazepine (Tranquilizer) verschrieben. Dies kann Sinn machen, wenn die Panikattacken sehr häufig auftreten und eine schwere Form annehmen. Benzodiazepine wirken angstlösend und können daher eine schnelle Linderung der Symptome ermöglichen. Sie können aufgrund der guten Wirksamkeit bei einer regelmässigen Einnahme jedoch zu einer Medikamentenabhängigkeit führen und somit das Problem noch verstärken.
Was können Sie tun?
Am wichtigsten ist es ärztliche Hilfe zu suchen, sobald Ängste ausser Kontrolle geraten. Die frühzeitige Diagnose und Behandlung verhindern, dass sich die Erkrankung verselbständigt.
Da sich meist keine einzelne Ursache für eine Angststörung identifizieren lässt, bestehen wenig Möglichkeiten der Vorsorge. Wie bei allen psychischen Krankheiten ist es jedoch wichtig, ein Gleichgewicht zwischen belastenden und entlastenden Lebensaspekten zu finden. Dabei helfen ein stabiles Netzwerk an sozialen Beziehungen, Hobbys oder auch regelmässige Bewegung - sowohl durch Sport als auch durch Spaziergänge.
Wer Symptome einer Angststörung bei sich feststellt und sich dadurch im Alltag beeinträchtigt fühlt, ist bei uns willkommen.
Oft sind Betroffene beispielsweise nur schon dadurch entlastet, wenn sie lesen, dass noch nie jemand an einer Panikattacke verstorben ist - weil ja in den Attacken dieser Gedanke tatsächlich oftmals auftritt und diesem auch Glauben geschenkt wird.
Es ist viel einfacher, Panikattacken zu behandeln als das Vermeidungsverhalten, also die oben genannte «Angst vor der Angst».
Erste Hilfe bei Panikattacken
Auch wenn Panikattacken oft aus dem Nichts auftreten, ist man ihnen nicht hilflos ausgeliefert. Überkommt Sie das Gefühl von Angst, können Ihnen folgende Tipps helfen, eine akute Panikattacke zu überwinden:
- Machen Sie Atemübungen: Konzentrieren Sie sich auf Ihre Atmung. Atmen Sie langsam durch die Nase ein und zählen sie dabei bis vier. Halten Sie die Luft an und zählen Sie wieder bis vier. Atmen Sie anschliessend tief durch den Mund aus und zählen Sie bis acht. Wiederholen Sie diesen Vorgang mehrere Male bis Sie sich entspannen. Bewusstes Atmen beruhigt das Nervensystem und gibt Ihnen das Gefühl von Kontrolle zurück.Wenn Sie hyperventilieren hilft es, in eine Tüte zu atmen. In der Tüte kommt kein neuer Sauerstoff hinzu und Sie atmen vermehrt Kohlendioxyd ein. Dadurch erhöht sich der Kohlendioxydgehalt im Blut und die Atmung normalisiert sich wieder.
 - Steuern Sie Ihre Gedanken: Machen Sie sich zunächst bewusst, dass Sie gerade eine Panikattacke haben. Rufen Sie sich in Erinnerung, dass Ihr Körper gerade auf Stress reagiert und dieser Zustand bald wieder vorbei geht. Entscheidend ist, wie Sie die Situation bewerten. Anstatt von lebensbedrohlichen Ursachen auszugehen, versuchen Sie sich klarzumachen, dass die Symptome zwar unangenehm sind, Sie aber nicht in Lebensgefahr bringen.Wenn Sie typische Symptome wie starkes Herzklopfen, Schwindel oder Übelkeit wahrnehmen, sagen Sie zu sich selbst laut "Stopp" oder stellen Sie sich ein rotes Stopp-Schild vor. Mit etwas Übung ist es dann oft möglich, dass Sie Ihre negativen Gedanken unterbrechen.
 - Entspannen Sie sich: Versuchen Sie sich bereits beim Anflug einer Panikattacke zu entspannen. Dazu eignet sich zum Beispiel die progressive Muskelrelaxation, bei der man bestimmte Körperteile bewusst anspannt und anschliessend entspannt. Ballen Sie dazu beispielsweise Ihre Fäuste und zählen Sie dabei langsam bis fünf. Lassen Sie anschliessend wieder los und entspannen Sei sich. Spannen Sie gleichzeitig Ihre Zehen an und lassen sie wieder los, um den Effekt zu verstärken. Wiederholen Sie die Übung, bis Sie sich besser fühlen. Alternativ hilft es auch, einzelne Körperteile sanft zu dehnen oder sich den Nacken selbst zu massieren.
 - Akzeptieren Sie die Attacke: Versuchen Sie, die Panikattacke zu akzeptieren und kämpfen Sie nicht gegen sie an. Das verstärkt unter Umständen die Symptome nur noch zusätzlich. Lassen Sie Ihre Gefühle zu, aber fixieren Sie sich nicht auf sie. Machen Sie sich bewusst, was gerade passiert, ohne sich hineinzusteigern. Oft hilft es auch, mit einer vertrauten Person wie einem guten Freund offen über die Panikattacken zu sprechen.
 - Machen Sie sich Notizen für den Notfall: Schreiben Sie sich auf, was Ihnen bei einer Panikattacke hilft (z.B. Atmung, Entspannung etc.). Das kann zum Beispiel eine Notiz auf dem Handy oder ein Zettel sein, den Sie im Portemonnaie immer bei sich tragen. Auf diese Weise können Sie in einer akuten Paniksituation schnell reagieren und die Symptome abschwächen.
 
Es ist wichtig, selbst Ruhe zu bewahren, sich der betroffenen Person zuzuwenden und ihre Beschwerden ernst zu nehmen. Sprechen Sie mit der Person und leiten Sie sie zu einer regelmässigen, tiefen Bauchatmung an. Diese ruhige Zuwendung kann die Panik sehr rasch mildern. Fragen Sie konkret, wie Sie helfen können. Viele Betroffene haben Erfahrung und können sagen, was ihnen guttut.
Vorbeugung
Eine Panikattacke lässt sich nicht immer vermeiden. Allerdings gibt es einige Massnahmen, mit denen Sie einem Anfall vorbeugen können.
- Suchen Sie sich professionelle und fachkundige Unterstützung bei einem Psychiater, Psychotherapeuten oder einer Selbsthilfegruppe, wenn Ihre Angst Sie im Alltag beeinträchtigt.
 - Vermeiden Sie dauerhafte Anspannung. Versuchen Sie, sich auch im Alltag immer wieder Pausen zu gönnen. Dazu eignen sich beispielsweise Atemübungen, progressive Muskelrelaxation oder Meditation.
 - Treiben Sie regelmässig Sport.
 - Achten Sie darauf, ausreichend zu schlafen.
 - Essen Sie regelmässig kleinere Mahlzeiten, um eine Unterzuckerung zu vermeiden.
 - Reduzieren Sie Koffein und Alkohol.
 - Verzichten Sie möglichst auf Nikotin und andere Drogen.
 
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