Ursachen für oppositionelles Verhalten

Herausforderndes Verhalten kann bei jedem Menschen auftreten, doch bei Menschen mit Behinderung wurde es genauer untersucht. Viele dieser Menschen haben kognitive Beeinträchtigungen, einige leben mit Autismus. Spucken, schreien, schlagen, verkoten, Stühle werfen, Türen aus den Angeln reissen, Selbstverletzung: Menschen mit herausforderndem Verhalten zeigen grosse Kräfte. Sie fühlen sich in gewissen Situationen völlig ohnmächtig.

Häufigkeit von herausforderndem Verhalten

Laut der aktuellen HEVE-Studie zeigen rund 28 Prozent der Erwachsenen mit kognitiven Beeinträchtigungen, die in Institutionen der Schweiz leben, regelmässig herausforderndes Verhalten. Die Abkürzung HEVE steht für Herausforderndes Verhalten. Das Forschungsprojekt HEVE wurde von 2018 bis 2020 an der Hochschule für Soziale Arbeit FHNW und der Hochschule Luzern - Soziale Arbeit durchgeführt. Geleitet wurde die Studienarbeit von Prof. Dr. Eva Büschi und Dr.

Zusammenhang mit Autismus

Wissenschaftlich hat sich herausgestellt, dass Autismus und herausforderndes Verhalten häufig korrelieren. Die Auffälligkeit setze sich, so Theunissen, auch im Erwachsenenalter fort.

Beispiele für herausforderndes Verhalten

Wie kann sich herausforderndes Verhalten mit Autismus zeigen? In der Martin Stiftung leben Menschen mit Autismus und herausforderndem Verhalten. Für sie wird es in den nächsten Jahren dank dem Neubau Rütibühl zusätzliche neue Wohnplätze geben. Der 19-jährige Marco (Name geändert) kann nicht sprechen, er macht sich durch undefinierbare Laute oder durch lautes Schreien bemerkbar. Wie viele Menschen mit Autismus hat Marco Mühe, Reize zu verarbeiten. Oft fühlt er sich unverstanden oder überfordert. In seiner Ohnmacht wird er wütend und entwickelt dabei grosse Kräfte. Bei einem dieser Wutanfälle hat Marco seine Zimmertüre so lange und heftig zugeschlagen, bis die Türzarge vollständig demoliert war. Für die vier Mitbewohnerinnen von Marco, die ebenfalls mit Autismus leben, wird die Situation von Tag zu Tag unerträglicher. Die Martin Stiftung ist eine von wenigen sozialen Institutionen in der Schweiz, die spezialisierte Wohngruppen für Menschen mit Prader-Willi-Syndrom haben. Auch diese Menschen zeigen immer wieder herausforderndes Verhalten.

Ursachen von herausforderndem Verhalten

Ein schnelles, hektisches, reizvolles Leben ist der häufige Grund für das herausfordernde Verhalten von Menschen mit Behinderung. Menschen wie Paul oder Marco nehmen die Welt anders wahr und brauchen länger, um Reize zu verarbeiten. Sie reagieren oft überempfindlich auf Lärm, ungewohnte Situationen oder Unvorhergesehenes. Dies führt zu Reaktionen wie Stress, Angst, Ohnmacht oder auch zu Selbst- oder Fremdgefährdung. Aber es kann auch andere Ursachen geben. Der Demenzexperte André Hennig unterscheidet deshalb zwischen extrinsischen und intrinsischen Verhalten. Neben den schon erwähnten äusseren Ursachen wie ein störendes Umfeld, gebe es auch nicht erfüllte Bedürfnisse der Menschen mit Demenz. Diese seien, so Hennig, sogar häufiger. Der Bewohner habe zum Beispiel Schmerzen, Hunger, Durst, die Nacht zuvor schlecht geschlafen oder einen beginnenden Infekt. Durch die Behinderung und die Demenz falle es ihnen jedoch schwer, diese wahrzunehmen oder zu kommunizieren. «Herausfordernde Verhaltensweisen sind nicht nur Ausdruck der betroffenen Person selbst, sondern immer auch Reaktionen auf ihr Umfeld. Deshalb muss dieses unbedingt mitberücksichtigt werden», sagt Prof. Dr.

Präventive Massnahmen und Krisenintervention

In der HEVE-Studie der Hochschule Luzern wurden auch präventive Massnahmen ausgewertet, die Begleitpersonen einsetzen, um herausforderndes Verhalten zu vermeiden. Kommt es hingegen zur Krisensituation, werden bei der HEVE-Studie⁴ andere Massnahmen von den Begleitpersonen genannt wie verbale Kommunikation, Begleitung aus dem Raum, Ablenkung, die Abgabe von Medikamenten und der Ruf von Teamkollegen. Allgemein gilt, dass mehr Ruhe, klare Strukturen und eine individuellere und bedürfnisgerechtere Begleitung den betroffenen Menschen Schutz und Entlastung bieten. Je weniger Reize, desto seltener werden Ohnmachtsgefühle und Aggressionen entwickeln.

Die Rolle des Umfelds

«Herausfordernde Verhaltensweisen sind nicht nur Ausdruck der betroffenen Person selbst, sondern immer auch Reaktionen auf ihr Umfeld. Deshalb muss dieses unbedingt mitberücksichtigt werden».

Oppositionelle Verhaltensstörung (ODD)

Kinder und Jugendliche mit ODD zeigen ein andauerndes Muster von feindseligem, negativem Verhalten gegenüber Autoritätspersonen wie Eltern, Betreuern oder Lehrern.Mögliche Anzeigen von oppositioneller Verhaltensstörung sind:* Streitlustiges Verhalten, z.B. ständiges Infragestellen von Regeln* Hartnäckige Sturheit, die sich in der Weigerung äussern kann, Anweisungen zu befolgen oder sich für ein Verhalten zu entschuldigen* Gehässiges oder rachsüchtiges Verhalten* Provozierendes Verhalten, z.B. absichtliches Verärgern anderer* Wutausbrüche und ReizbarkeitEinige Kliniker haben das Konzept von ODD kritisiert, da es normales kindliches Verhalten medizinisch erklärt. Es ist normal, dass sich Kinder hin und wieder wütend oder trotzig verhalten. So kann es schwierig sein, zwischen ODD und stressbedingtem Verhalten zu unterscheiden.ODD wird dann diagnostiziert, wenn das Verhalten über 6 Monate anhält, zu Hause oder in der Schule zu ständigen Störungen führt und keine andere psychische Erkrankung zugrunde liegt.

Verhaltensstörung

Im Gegensatz zur oppositionellen Verhaltensstörung (ODD) verletzen Kinder mit Verhaltensstörung grössere Regeln und soziale Normen. Dies kann erhebliche Auswirkungen auf ihr schulisches, soziales und häusliches Leben haben. Die Verhaltensstörung kann sich sowohl in der Kindheit als auch in der Pubertät entwickeln.Zu den Symptomen der Verhaltensstörung gehören:* Erhebliche Regelverstösse, wie z.B. nicht zur Schule gehen, weglaufen oder stehlen* Aggression, die sich in körperlichen Auseinandersetzungen, Mobbing, Zwang zu sexuellen Handlungen oder Tierquälerei äussern kann* Arglist, z.B. Lügen oder Betrügen* Zerstörung von Eigentum, z.B. durch Anzünden oder Beschädigen von BesitztümernViele junge Menschen mit einer Verhaltensstörung haben Schwierigkeiten, das Verhalten anderer zu deuten. Beispielsweise können sie glauben, dass sich eine Person ihnen gegenüber feindselig verhält, obwohl dies nicht der Fall ist. In der Folge können sie zu aggressivem oder gewalttätigem Verhalten übergehen.Kinder mit einer Verhaltensstörung können Schwierigkeiten haben, Empathie zu empfinden. Sie können auch an einer anderen Erkrankung leiden wie z.B. an Angstzuständen oder posttraumatischen Belastungsstörungen, die ihre Gedanken und ihr Verhalten beeinflussen.Von einer Verhaltensstörung können 6-16% der Jungen und 2-9% der Mädchen betroffen sein. Wenn sich die Verhaltensstörung erstmals vor dem Alter von 11 Jahren manifestiert, ist es wahrscheinlicher, dass sie bis ins frühe Erwachsenenalter bestehen bleibt.

Risikofaktoren für Verhaltensstörungen

Es ist wahrscheinlich, dass eine Mischung aus physiologischen und umweltbedingten Faktoren bei Verhaltensstörungen eine Rolle spielen und nicht bloss eine einzelne Ursache.Ein Kind kann unabhängig von seiner Herkunft, seinem Geschlecht oder seiner sexuellen Orientierung eine Verhaltensstörung haben.Die folgenden Faktoren können die Entwicklung einer Verhaltensstörung beeinflussen:* Gehirnstruktur und -chemie* Komplikationen während der Schwangerschaft* Geschlecht* Trauma* Vererbung

Umgang mit schwierigem Verhalten in der Schule

Lehrpersonen spielen eine entscheidende Rolle in der Förderung positiver Verhaltensweisen und der Entwicklung sozialer Fähigkeiten bei ihren SchülerInnen.Hier sind einige bewährte Strategien, die Lehrpersonen dabei unterstützen, mit solchen Herausforderungen effektiv umzugehen:1. Verständnis für die Ursachen entwickeln2. Klare Erwartungen und Regeln kommunizieren3. Positive Verstärkung anwenden4. Individuelle Unterstützung bieten5. Konfliktlösung fördern6. Kooperation mit Eltern suchen7. Professionelle Unterstützung einbeziehen

Oppositionelles Trotzverhalten (OTS)

Das oppositionelle Trotzverhalten, auch als Oppositionelle Trotzstörung (OTS) bekannt, ist eine Verhaltensstörung, die häufig im Kindes- und Jugendalter auftritt. Es ist gekennzeichnet durch ein persistentes, trotziges, aufsässiges und feindseliges Verhalten gegenüber Autoritätspersonen und Erwachsenen.

Ursache

Die genauen Ursachen für oppositionelles Trotzverhalten sind nicht vollständig bekannt, aber es wird angenommen, dass eine Kombination aus genetischen, neurobiologischen, psychologischen und Umweltfaktoren eine Rolle spielt.* Genetik* Neurobiologische Faktoren* Familienumfeld* Soziale Einflüsse* TemperamentEs ist wichtig zu betonen, dass diese Faktoren nicht alleinverantwortlich für oppositionelles Trotzverhalten sind, sondern dass es sich um ein komplexes Zusammenspiel von verschiedenen Einflüssen handelt. Eine frühzeitige Erkennung und angemessene Unterstützung können helfen, das Verhalten zu verbessern und die soziale und emotionale Entwicklung des Kindes zu fördern.

Symptome

* Häufige Wutausbrüche und starke Auflehnung gegen Regeln und Anweisungen.* Weigerung, Anweisungen zu befolgen und sich gegenüber Autoritätspersonen respektlos zu verhalten.* Argumentatives Verhalten und provokante Haltung gegenüber Erwachsenen und Gleichaltrigen.* Schlechte Frustrationstoleranz und Schwierigkeiten, mit Ablehnung oder Niederlagen umzugehen.* Keine/ geringe Bereitschaft, in ihrer Sturheit und Opposition nachzugeben, selbst wenn es für sie negative Folgen hat.

Diagnostik

Die Diagnostik von oppositionellem Trotzverhalten umfasst:* Anamnese* Beobachtungen* Fragebögen* Ausschluss anderer möglicher Ursachen

Behandlung

Die Behandlung von oppositionellem Trotzverhalten beinhaltet:* Elterntraining* Verhaltenstherapie* Schulische Unterstützung* Umfeldanpassung* Gegebenenfalls medikamentöse BehandlungDie Behandlung ist darauf ausgerichtet, das Verhalten positiv zu verändern und das Kind in seiner Entwicklung zu unterstützen. Die Mitarbeit und das Engagement von Eltern, Betreuenden und Lehrkräften sind entscheidend für den Erfolg der Behandlung.

Aggressives Verhalten bei Kindern

Aggressives Verhalten kann jedoch auch Ausdruck von Angst und Unsicherheit sein. Diese Kinder fühlen sich schneller bedroht und angegriffen als andere. Sie handeln aus einer eigenen Abwehrhaltung, bedingt durch soziale Un­­sicherheit, heraus. Bedrohliche Situationen lösen ein inneres Spannungsgefühl aus, ein Wutausbruch soll diese Spannung wieder abbauen. Betroffene Kinder scheinen an der Zuneigung ihres Umfelds zu zweifeln und erwarten nicht selten übermässige soziale Anerkennung. Aggressives Verhalten wird so zum Mittel, um sich Respekt zu verschaffen. Dies funktioniert besonders gut, wenn das Umfeld mit Respekt, Angst oder sogar Unterwürfigkeit antwortet. Je öfter dann soziale Angst mit aggressivem Verhalten gelöst wird, desto stabiler wird das Muster, auch in Zukunft aggressiv zu handeln.Ein weiterer möglicher Auslöser von aggressivem Verhalten kann eine Krise im sozialen Umfeld des Kindes sein, beispielsweise Konflikte in der Paarbeziehung der Eltern oder Stress in der Familie. Dies bedeutet nicht, dass alle partnerschaftlichen Konflikte oder Stress dazu führen, dass ein Kind aggressiv wird. Es wurde aber festgestellt, dass Kinder in Familienkrisen eher zu aggressivem Verhalten neigen. Familien in Belastungssituationen sind besonders gefährdet, da schwere Belastungen das Erziehungsverhalten und die Kapazität der Eltern beeinflussen. Zeigen die Eltern selbst manchmal aggressives Verhalten, wird dies zu einer hohen Wahrscheinlichkeit vom Kind übernommen, auch wenn die Situationen verschieden sind oder sich die Aggression nicht gegen das Kind, sondern gegen Erwachsene richtet.Weitere Ursachen sind Vernachlässigung und Misshandlung, manchmal jedoch auch eine Veränderung der Lebenssituation wie zum Beispiel ein Umzug in eine neue Stadt und ein Schulwechsel. Auch genetische Faktoren spielen eine Rolle. Kinder mit aggressivem Verhalten weisen meist eine mangelnde Impulskontrolle und niedrige Frustrationstoleranz auf. Kinder mit ADHS haben ein höheres Risiko für oppositionelles Trotzverhalten. Darüber hinaus scheinen impulsive Jugendliche weniger schnell aus ihren Erfahrungen zu lernen und Konsequenzen schlechter abschätzen zu können.Das Kind wird schnell zum Stör­element seines sozialen Umfelds, es wird als aggressiv und unkontrollierbar erlebt. Nicht selten ist das Kind deshalb weniger beliebt und wird selbst Opfer aggressiver Handlungen. Aus der Perspektive der Kinder sind meistens die Eltern, die Lehrer, die anderen Kinder Schuld für ihre Reaktion. Häufig beurteilen sie selbst ihr Verhalten als nicht aggressiv. Ein weiterer Teufelskreis: Intensive Kinder mit beanspruchendem Verhalten sorgen für gestresste und/oder überanstrengte Eltern. Ist dieser Punkt erreicht, wird es schwierig, sensibel auf das Kind einzugehen, immer angemessen zu reagieren und emotional verfügbar zu bleiben. Kinder spüren solche Veränderungen.Langfristig bewirkt aggressives Verhalten bei Kindern eine Einschränkung ihres Verhaltens und verhindert dadurch die Ausbildung der Fähigkeit, ein Problem konfliktfrei zu lösen. Es wird empfohlen, extremes Verhalten so früh wie möglich mit einer Fachperson zu besprechen. Oft kann eine aussenstehende Person helfen - ein Berater oder eine Psychologin sowie andere Fachspezialisten können den Teufelskreis durchblicken und helfen, sich im Falle von Provokationen richtig zu verhalten. Sprechen Sie zudem mit der Lehrperson Ihres Kindes! Es ist wichtig, dass Eltern mit dem Kind üben, wie es Konflikte anders lösen kann. Hierbei ist konsequentes Reagieren und Intervenieren bedeutsam. Die Hilfestellung für alternative Umgangsweisen und Lob dafür sowie die eigene Vorbildhaltung sind Erfolg versprechend, denn auch die Kinder sind oft mit ihrer eigenen Reaktion nicht wirklich glücklich. Das Kind zu fragen, was es braucht und zugrunde liegende Probleme ermitteln, gibt Aufschluss über mögliche Lösungen.

Tabelle: Übersicht über Verhaltensstörungen

Verhaltensstörung Merkmale Ursachen Behandlung
ADHS Aufmerksamkeitsdefizit, Hyperaktivität, Impulsivität Genetische Faktoren, Gehirnstruktur, Umweltfaktoren Medikamente, Verhaltenstherapie, Elterntraining
ODD Trotz, Aufsässigkeit, Feindseligkeit gegenüber Autoritätspersonen Genetische Faktoren, Familienumfeld, Temperament Elterntraining, Verhaltenstherapie
Verhaltensstörung Verletzung von Regeln und sozialen Normen, Aggression, Zerstörung Genetische Faktoren, Trauma, familiäre Probleme Verhaltenstherapie, Familientherapie, schulische Unterstützung

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