Meditation bei ADHS: Wirksamkeit und Anwendung

In einer Welt, die zunehmend von Stress und Hektik geprägt ist, suchen immer mehr Menschen nach effektiven Methoden zur Entspannung und mentalen Verbesserung. Meditation hat sich als vielversprechender Ansatz etabliert, um Stress zu reduzieren, das Wohlbefinden zu steigern und die Konzentrationsfähigkeit zu verbessern. Besonders bei Menschen mit ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung) kann Meditation eine wertvolle Ergänzung zu anderen Therapieformen darstellen.

Was ist Achtsamkeitsmeditation?

Achtsamkeit ist die Praxis, bewusst und ohne Urteil im gegenwärtigen Moment zu verweilen und die eigenen Gedanken, Gefühle und Sinneseindrücke wahrzunehmen. Abgeleitet von buddhistischen Meditationspraktiken, hat sich diese Bewegung seit den 1970er-Jahren im Westen etabliert. Eine wichtige Rolle spielte dabei der US-amerikanische Wissenschaftler und Autor Jon Kabat-Zinn, der das Programm Mindfulness-Based Stress Reduction (MBSR) entwickelte. Dieses ist von seinen buddhistischen Wurzeln losgelöst und konzentriert sich stattdessen auf die universellen und praktischen Aspekte der Achtsamkeit.

Es gibt verschiedene Methoden zur Achtsamkeitsmeditation, die sich für Anfänger eignen. Als AnfängerIn ist die Meditation der Präsenz oft ein guter Einstieg. Ebenso können auch die Meditationen, die das Mitgefühl stärken, ein Einstieg sein. Wichtig für AnfängerInnen ist, dass Sie sich - vielleicht nachdem man es mit einer App versucht hat - an jemanden wenden, der/die erfahren (und dadurch meist auch ausgebildet) ist, Menschen in die Meditation zu leiten.

Zentrale Übungen in der Achtsamkeitsmeditation:

  • Präsenz-Meditation: Fokus auf Atem, Körper und die Umgebung.
  • Mitgefühl-Meditation: Kultivierung von Liebe und Weisheit.

Achtsamkeit bei ADHS

Menschen, die von einer ADHS betroffen sind, haben Schwierigkeiten, sich auf eine bestimmte Aufgabe zu konzentrieren und dabei Ablenkungen auszublenden. Insbesondere der vorwiegend unaufmerksame Typus (oft als ADS bezeichnet) gleitet rasch in Tagträume ab - die Aufmerksamkeit richtet sich nach innen. Je nach Subtyp und Ausprägung zeigen sich verschiedene Probleme bei der Aufmerksamkeitslenkung: viele Betroffene wirken enorm zerstreut, in ihrer eigenen Welt versunken und haben Schwierigkeiten damit, sich auf Aufgaben oder Aufträge zu fokussieren.

Einige Studien zeigen, dass die Symptome von ADHS durch Entspannungstrainings verringert werden. Warum genau dies geschieht, ist noch unklar. Möglich ist, dass durch das Training des Entspannungsnetzwerks im Gehirn auch die für die Aufmerksamkeit notwendigen Hirnbereiche verändert werden. Der Neurowissenschafter Tang ist überzeugt, dass die anstrengungsfreie Konzentration nicht nur in der Meditation, sondern auch während der Konzentration auf eine Aufgabe oder Arbeit möglich sei.

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Je besser die Betroffenen lernten, achtsam mit sich umzugehen, desto weniger litten sie unter den Symptomen der Entwicklungsstörung. Achtsamkeit hat mein allgemeines Wohlbefinden stark verbessert. Inzwischen kann ich mein Verhalten korrigieren, indem ich meinen Fokus wieder auf das lenke, was ich wirklich tun muss.

Wie Meditation bei ADHS helfen kann

Meditation kann auf verschiedene Weisen unterstützend wirken:

  • Verbesserung der Konzentration: Durch regelmässiges Üben lernen Betroffene, ihre Aufmerksamkeit willentlich und bewusst auf den gegenwärtigen Moment auszurichten.
  • Reduktion von Impulsivität: Achtsamkeit hilft, sich von ungünstigen Reaktionsmustern aus dem Affekt heraus zu distanzieren.
  • Stressabbau: Meditation fördert die Entspannung und reduziert die innere Anspannung, die oft mit ADHS einhergeht.
  • Förderung des Selbstmitgefühls: Das Mitgefühl für sich selbst ist ein wichtiger Aspekt bei Menschen, die immer wieder an ihre Grenzen stossen.

Empfohlene Achtsamkeitsübungen für ADHS

Es gibt verschiedene Ansätze, um diese Bereiche zu trainieren, beispielsweise Übungen zur Stärkung der exekutiven Kontrolle, Neurofeedback oder Konzentrationstrainings. Das Ziel besteht nicht vorwiegend in der Entspannung - auch wenn diese ein schöner Nebeneffekt ist - sondern vielmehr darin, zu lernen, wie man die eigene Aufmerksamkeit willentlich und bewusst auf den gegenwärtigen Moment ausrichtet, sich für das Hier und Jetzt öffnet und ihm mit einer akzeptierenden Grundhaltung begegnet.

  • Übungen zur fokussierten Aufmerksamkeit: Konzentration auf eine bestimmte Körperempfindung oder einen Gedanken, z.B. die Atmung.
  • Übungen zur rezeptiven Aufmerksamkeit: Wahrnehmung von Körperempfindungen, Gedanken und Gefühlen im Hier und Jetzt, ohne direkt darauf zu reagieren.

Achtsamkeit im Alltag üben:

  • Getränke bewusst geniessen: Fokussieren Sie sich ganz auf den Geschmack und die Empfindungen, die dadurch in Ihnen ausgelöst werden.
  • Wartezeiten nutzen: Nehmen Sie wahr, wie Sie sich fühlen und erkunden Sie das Gefühl genauer.
  • Achtsamkeit im Unterricht: Konzentration auf die Sinneskanäle, von aussen nach innen.

Wissenschaftliche Erkenntnisse zur Wirksamkeit

Die Forschung zur Achtsamkeitspraxis bei AD(H)S steckt also noch in den Kinderschuhen. Erste Befunde deuten darauf hin, dass es sich um einen vielversprechenden Ansatz handelt. Cairncross & Miller verfassten 2016 ein metaanalytisches Review, in welches sie die bis dato größten 10 Studien zur Wirksamkeit von achtsamkeitsbasierten Therapieverfahren bei ADHS einbezogen. Über alle Studien hinweg zeigte sich ein positiver Einfluss der Achtsamkeitspraxis auf alle Kernsymptome, wobei die Verbesserung der Aufmerksamkeitsleistung etwas größer ausfiel als jene im Bereich der Hyperaktivität / Impulsivität.

Linderkamp (2020) wies in seinem metaanalytischem Review gute bis sehr gute Effekte auf die Verhaltens- und der Aufmerksamkeitsleistungen ADHS-betroffener Kinder und Jugendlichen nach.

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Ein wichtiger Hinweis ist, dass Achtsamkeitsübungen auf einer nicht wertenden Haltung aufbauen. Es geht darum, das Hier und Jetzt bewusst zu erleben und in sich hineinzuhorchen ohne eine Leistung erbringen zu müssen.

Audio-Entrainment als ergänzende Methode

Audio-Entrainment bezeichnet den Prozess, bei dem die Gehirnwellen mit auditiven Rhythmen synchronisiert werden. Der gezielte Einsatz von Klängen und Tönen zur Beeinflussung des Geistes ist eine Praxis, die seit Jahrhunderten in verschiedenen Kulturen tief verwurzelt ist. Durch rhythmische Muster wie Klatschen, Trommeln und Gesang wurden Wege geschaffen, um in höhere Bewusstseinszustände einzutreten. In der heutigen Zeit bietet Audio-Entrainment - eine Methode, bei der Abfolgen spezifischer Beats und Töne eingesetzt werden - vergleichbare Wirkungen.

Arten von Audio-Entrainment:

  • Binaurale Beats: Erzeugen eine dritte Frequenz im Gehirn, die zur Entspannung und Konzentration genutzt werden kann.
  • Monaurale Beats: Ähnliche Vorteile wie binaurale Beats, können auf jedem Lautsprechersystem abgespielt werden.
  • Isochrone Töne: Gleichmässige, rhythmische Klänge, die die Gehirnwellen direkt stimulieren und ideal für Meditation und Schlafinduktion sind.

Studien haben gezeigt, dass Audio-Entrainment Stress reduzieren, die Schlafqualität verbessern, die Konzentration steigern und sogar bei Angstzuständen und Depressionen hilfreich sein kann.

Praktische Tipps für den Einstieg

Um die Vorteile der Meditation und Achtsamkeit voll auszuschöpfen, ist es wichtig, regelmässig zu üben. Hier sind einige Tipps für den Einstieg:

  • Regelmässigkeit: Versuchen Sie, täglich zur gleichen Zeit zu meditieren, um eine Routine zu entwickeln.
  • Kurze Einheiten: Beginnen Sie mit kurzen Meditationen von 5-10 Minuten und steigern Sie die Dauer allmählich.
  • Geführte Meditationen: Nutzen Sie Apps oder Videos mit geführten Meditationen, um den Einstieg zu erleichtern.
  • Professionelle Unterstützung: Wenden Sie sich an erfahrene MeditationslehrerInnen oder MBSR-LehrerInnen, um eine individuelle Anleitung zu erhalten.

Es ist gut eine Regelmässigkeit hinzubekommen. 15 min scheinen aus ihrer Sicht realistischer als 30 min zu sein. Aber letztendlich hilft es meist zu probieren was für einen funktioniert. Vielleicht möchten Sie auch mal eine andere Tageszeit ausprobieren, ob sie dann besser reinkommen.

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Kritische Betrachtung

Hier wäre es wohl zunächst wichtig zu klären, was Sie mit «nicht daran glauben» genau meinen. Wie schon bei einer anderen Frage bemerkt, ist «Meditation» ein sehr allgemeiner Begriff. Bei praktisch allen Ansätzen lassen sich ein Erklärungsmodell, die Theorie, Sichtweise von praktischen Übungen unterscheiden. Wenn Sie sich vom Erklärungsmodell nicht angesprochen fühlen, würde ich auf jeden Fall zu Vorsicht raten. Achtsamkeitsbezogene Ansätze verwenden m.E. relativ leicht verständliche und erfahrungsnahe Begriffe. Aber auch hier ist es sicher von Bedeutung, ob eine Person mit den verwendeten Begriffen etwas anfangen kann. Das heisst aber nicht, dass eine Person etwas «glauben» muss, bevor sie sinnvoll Achtsamkeit üben kann.

Es gibt Menschen, die werden nie Lust haben zu meditieren. Aber man sollte offen bleiben, denn es gibt eine immense Vielfalt. Meine ehemalige Doktorandin Karin Matko und ich haben einmal Meditationslehrer gefragt, was sie machen, wenn sie meditieren. Da haben wir 309 unterschiedliche Antworten bekommen. Und ich denke, es gibt noch deutlich mehr. Meistens haben die Menschen vieles durchprobiert, bevor sie die Meditationsart finden, die ihnen entspricht. Meditation bedeutet ja nicht nur, still zu sitzen und zu schweigen. Man fokussiert sich auf den Körper, auf Gedanken und Emotionen, es gibt Sitz- und Gehmeditation. Auch Aspekte von Yoga werden als Meditation betrachtet. Manche Meditationsformen sind sehr frei, andere sind durch einen Lehrer stärker angeleitet. Es ist für jeden etwas dabei.

ADHS könne unterschiedliche Formen annehmen. «Es gibt Patienten, die würden es nicht ertragen, wenn sie meditieren müssten - sie können schlichtweg nicht ruhig liegen, insbesondere, wenn sie medikamentös nicht gut eingestellt sind», sagt der Psychiater, der seit über zwanzig Jahren mit erwachsenen Patienten arbeitet.

Zusammenfassend lässt sich sagen

Meditation und Achtsamkeit können wertvolle Werkzeuge für Menschen mit ADHS sein, um ihre Konzentration zu verbessern, Stress abzubauen und ein besseres Selbstmanagement zu entwickeln. Es ist jedoch wichtig, realistische Erwartungen zu haben und die Übungen regelmässig und unter professioneller Anleitung durchzuführen.

Tabelle: Übersicht der Meditationstechniken und ihrer Vorteile bei ADHS

Technik Beschreibung Vorteile bei ADHS
Achtsamkeitsmeditation Bewusstes Wahrnehmen des gegenwärtigen Moments ohne Wertung Verbesserung der Konzentration, Stressabbau, Reduktion von Impulsivität
Audio-Entrainment Synchronisation der Gehirnwellen durch auditive Rhythmen (binaurale, monaurale, isochrone Töne) Förderung von Entspannung, Konzentration und Schlafqualität
Mitgefühl-Meditation Kultivierung von Liebe und Weisheit Stärkung des Selbstmitgefühls und der emotionalen Stabilität

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