Können Menschen mit Borderline wirklich lieben? Eine umfassende Betrachtung

Die Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPD) ist in der Psychiatrie aufgrund ihrer vielen Nuancen seit Jahrzehnten ein Diskussionsthema. Sie ist eine komplexe psychische Erkrankung, die das Leben der Betroffenen und ihrer Angehörigen stark beeinflussen kann. Eine zentrale Frage, die sich in diesem Zusammenhang stellt, ist, ob Menschen mit Borderline wirklich lieben können.

Herausforderungen in Beziehungen mit Borderline

Beziehungen sind für die meisten Menschen eine Herausforderung. Sie bedeuten, Kompromisse einzugehen, auch mal zurückzustecken und Konflikte zu lösen. Für Borderline-Patienten sind diese Herausforderungen besonders schwer zu bewältigen. Die unerwarteten Stimmungswechsel, schnelle Gereiztheit und die geringe Frustrationstoleranz von Menschen mit Borderline-Syndrom stellen die Beziehungen zu anderen Menschen auf eine harte Probe.

Insbesondere mit einem Borderline-Partner oder einer Borderline-Partnerin dauerhaft eine Liebesbeziehung einzugehen, ist nicht leicht. Zu Beginn von Beziehungen oder Freundschaften idealisieren Borderliner die andere Person. Sie sprechen davon, einen Seelenverwandten gefunden zu haben. Die Emotionen sind sehr intensiv und berauschend. Problematisch wird es jedoch häufig, wenn Freunde oder Partner noch andere Freundschaften haben.

Menschen mit Borderline stellen häufig einen Alleinanspruch auf nahestehende Personen. Sie werden schnell eifersüchtig. Früher oder später wird der zunächst vergötterte Mensch zum Gegner. So intensiv, wie der Partner oder Freund zu Beginn angehimmelt wurde, wird er nun gehasst.

Borderliner richten Gewalt meist gegen sich selbst, indem sie sich absichtlich Verletzungen zufügen. Trotzdem besteht die Möglichkeit zu Gewaltausbrüchen gegenüber anderen. Das führt zusätzlich zu Problemen in Beziehungen.

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Auch kindliches Verhalten kommt bei einigen Borderline Patienten vor. Dies haben Wissenschaftler vor allem bei Menschen festgestellt, die als Kind sexuell oder emotional missbraucht oder verlassen wurden.

Das Borderline-Syndrom ist nicht zu verwechseln mit der narzisstischen Persönlichkeitsstörung (Narzissmus), auch wenn es einige Gemeinsamkeiten gibt. Während ein Mensch mit Borderline vor allem nach Liebe sucht, verhält sich ein Narzisst häufig extrem selbstbewusst und hat ein hohes Bedürfnis nach Bewunderung und Anerkennung. Es gibt auch Patienten, die an beiden psychischen Störungen gleichzeitig erkrankt sind.

Beziehungsmuster in einer Partnerschaft

Menschen mit Borderline haben grosse Angst vor dem Alleinsein. Gleichzeitig halten sie Beziehungen nicht lange aus. Häufig springen sie von einer Beziehung in die nächste. Beziehungen plötzlich zu beenden, ist ein typisches Kennzeichen von Borderline. Es ist daher nicht leicht, eine längerfristige Beziehung zu einem Borderline-Partner aufrecht zu erhalten.

Die Gefühlsschwankungen eines Borderliners sind für den Partner oft nicht nachvollziehbar, und das Borderline-Beziehungsverhalten ist häufig zermürbend. Reagiert der Partner daraufhin abweisend oder genervt, verstärkt sich bei den Bordeline-Patienten die Angst, verlassen zu werden. Wutanfälle oder auch Manipulationsversuche sind häufige Reaktionen. Manche drohen mit Selbstmord, wenn der Partner sie verlässt. So kommt es schnell zu einer Co-Abhängigkeit in der Borderline-Beziehung.

Der Partner tut im Rahmen dieser Co-Abhängigkeit vielfach alles für den Betroffenen und stellt seine eigenen Bedürfnisse in den Hintergrund. Damit wird die psychische Störung aufrechterhalten oder sogar verstärkt. Es ist wichtig, dass der Partner die gestörten Verhaltensmuster in der Borderline-Beziehung erkennt und sich Hilfe sucht. Zusammen mit dem Therapeuten arbeitet das Paar dann daran, die eigenen Bedürfnisse und die des anderen in Einklang zu bringen.

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Liebe und Sexualität

Borderline-Patienten, die in ihrer Kindheit Missbrauch erlebt haben, haben grosse Schwierigkeiten, langfristige Bindungen einzugehen. Beziehungen auf Basis von Verständnis und Wertschätzung sind ihnen nicht vertraut. Gleichzeitig ist eine starke Sehnsucht nach Nähe typisch bei Borderline. Sexualität wird dann von vielen Patienten als Mittel eingesetzt, eine Beziehung aufzubauen.

Oft ist Borderlinern ihre sexuelle Orientierung unklar. Denn die Schwierigkeiten mit der eigenen Identität zeigen sich auch bezüglich der sexuellen Ausrichtung. Ihre sexuelle Offenheit in Kombination mit der Impulsivität wirkt auf andere Menschen teilweise sehr anziehend. Borderliner sind dadurch gefährdet, wieder in eine missbräuchliche Situation zu geraten, ohne dies sofort zu merken.

Es gibt Hinweise darauf, dass Borderliner Sex auch zur Reduktion von Spannungen und zur Unterdrückung von Ängsten einsetzen. Einige Borderline-Patienten suchen das Risiko, schaden sich damit selbst und fallen in eine noch tiefere Leere. Unter anderem ist dies manchmal der Grund, warum einige Borderliner fremdgehen.

Freundschaft und Familie

Ob Liebesbeziehung oder Freundschaft - der Umgang mit Borderline-Erkrankten ist immer ein Drahtseilakt. Der ständige Wechsel zwischen Nähe und Distanz, die emotionalen Achterbahnfahrten und die Wutausbrüche sind auf Dauer schwer auszuhalten. Wenn Borderliner den Kontakt abbrechen, handelt es sich oft um eine Art Selbstschutz-Verhalten.

Viele Menschen mit Borderline lügen zudem häufig. Entweder, weil Fehler in ihrem schwarz-weiss geprägten Weltbild keinen Platz haben oder aus Furcht, verlassen zu werden.

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Jugendliche mit der Borderline-Störung verändern unter Umständen sehr schnell die Dynamik in der Familie. Sie ziehen die Aufmerksamkeit auf sich. Risikoreiches Verhalten, Stimmungsschwankungen und manchmal auch Suizidversuche sind Teil der psychischen Störung. Auf Borderline-Angehörige wirkt das Verhalten des betroffenen Familienmitglieds oft verstörend. Sie haben Schwierigkeiten damit, die Handlungen nachzuvollziehen und fühlen sich oft hilflos.

Es ist wichtig für Familienmitglieder, ihre eigenen Bedürfnisse nicht zu ignorieren. Gesunde Geschwister müssen oft um die Aufmerksamkeit und Zuwendung der Eltern kämpfen. Das fördert nicht nur eine schlechte Stimmung in der Familie, sondern erhöht auch die Wut auf den Borderliner. Mit therapeutischer Unterstützung gelingt es leichter, die Familienstruktur zu erhalten und das Gefühlschaos zu reduzieren.

Borderliner haben meistens von einem oder beiden Elternteil(en) Lieblosigkeit und Vernachlässigung erfahren. Oft ist es eine Mischung aus zu geringer Fürsorge und gleichzeitig zu starker Kontrolle, die bei den Patienten in der Kindheit Traumata ausgelöst haben. Zudem gibt es genetische Einflüsse, die den Ausbruch der Krankheit fördern.

Umgang mit Borderlinern: Tipps für Angehörige und Partner

Vor allem nahestehende Personen wie die Familie leiden oft unter den extremen Symptomen von Borderline und fragen sich, wie sie sich gegenüber Menschen mit Borderline verhalten sollen. Angehörigen sowie Partnern von Betroffenen empfiehlt man, sich an Beratungsstellen zu wenden, um Informationen und Kontakte zu Therapeuten zu erhalten.

Eine therapeutische Behandlung - ambulant oder stationär - ist für Borderline-Patienten in jedem Fall zu empfehlen. Wenn möglich, bezieht der Therapeut Familienmitglieder oder Partner mit ein. Der Therapeut klärt die Angehörigen zunächst ausführlich über die psychische Störung auf. Das Wissen über das Borderline-Syndrom ist ein erster wichtiger Schritt, um den Betroffenen besser zu verstehen.

In der Therapie erhalten die Angehörigen Empfehlungen für "Regeln" im Umgang mit Borderline Patienten und haben somit die Möglichkeit, zur Verbesserung der Krankheitssymptome beizutragen. Nicht nur viel Verständnis und Wohlwollen, sondern auch sinnvolle Grenzen zu setzen, hilft im Umgang mit Borderline Patienten. Im nächsten Schritt bearbeitet man Themen, die in der Familie oder Partnerschaft zu Problemen führen.

Die therapeutische Behandlung dauert häufig viele Jahre, da Borderline eine sehr tiefgreifende Störung ist. Sowohl für die Betroffenen als auch die Familie, Partner oder Freunde ist der Umgang mit der psychischen Störung ein fordernder Lernprozess. Die Unterstützung von nahestehenden Personen ist für Menschen mit Borderline aber sehr wichtig und begünstigt eine positive Entwicklung.

Nehmen Sie als Angehöriger die Androhung eines Selbstmordversuches immer ernst!

Zudem ist es wichtig, dass Angehörige von Betroffenen auch auf ihr eigenes Wohl achten. Es ist ratsam, sich bei Bedarf Unterstützung zu holen und sich immer wieder eine Auszeit von dem herausfordernden Umgang mit dem Borderliner zu gönnen, um Kraft zu tanken.

Der Kontakt mit Angehörigen anderer Borderline-Patienten trägt meist ebenfalls zur eigenen Entlastung bei. In Angehörigen-Gruppen profitiert man häufig vom Wissen und von den Erfahrungen anderer Angehöriger.

Viele Menschen in einer Borderline-Beziehung fragen sich, wie sie sich verhalten sollten, um ein idealer Partner zu sein. Diese Frage ist schwer zu beantworten. Es hilft in jedem Fall, sich umfangreich über die Krankheit zu informieren. Dann ist es eventuell möglich, das krankheitsbedingte Verhalten von der eigentlichen Persönlichkeit des Partners zu unterscheiden. Wenn ein Borderliner zum Beispiel weint, schreit und Türen knallt, ist das Ausdruck seiner Impulsivität und nicht persönlich zu nehmen.

Ausserdem ist es sinnvoll, den erkrankten Partner zu einer Therapie zu ermutigen und ihn dabei zu unterstützen.

Und bei allen Schwierigkeiten nicht vergessen: Eine Borderline-Beziehung ist oft auch bereichernd, wenn man sich gemeinsam den Herausforderungen stellt. Eine professionelle Unterstützung auf diesem Weg ist sehr zu empfehlen und in vielen Fällen auch notwendig.

Die "stille" Borderline-Persönlichkeitsstörung

Die stille Borderline-Persönlichkeitsstörung ist eine Form der BPD, die oft missverstanden wird, da sie keine typischen Symptome wie häufige Wutausbrüche aufweist. Menschen mit stiller BPD neigen dazu, sich nach innen zu richten und können äußerlich ruhig und gut funktionierend erscheinen, während sie innerlich zusammenbrechen. Sie könnten Selbstverletzungen praktizieren, diese jedoch verbergen. Es ist möglich, dass sie das Gefühl haben, dass ihr Herz beinahe zerbricht, aber sie möchten niemanden mit ihren Gefühlen belasten.

Es ist wichtig zu verstehen, dass die BPD sich auf vielfältige Weise manifestieren kann, und diese Kategorien repräsentieren keine endgültige Einteilung von Menschen. Es handelt sich eher um ein Spektrum als um eine klare Klassifizierung. Man sollte sich bewusst machen, dass die stille BPD eine Überlebensstrategie ist und kein definierendes Merkmal.

Die stille BPD ist zwar kein offizieller Begriff im DSM oder ICD, gewinnt jedoch in der Literatur und klinischen Praxis zunehmend an Anerkennung als wichtiges Konzept. Sie umfasst die gleichen Symptome wie die Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPD), wie zum Beispiel die Angst vor dem Verlassenwerden, Stimmungsschwankungen, extreme Ängstlichkeit, Impulsivität und Schwarz-Weiß-Denken. Im Unterschied dazu äußert sich die Person mit stiller BPD nicht "nach außen", sondern richtet ihre Emotionen und Kämpfe "nach innen", indem sie diese verinnerlicht. Aggression oder Irritation werden oft gegen sich selbst gerichtet.

Spezifische Symptome der stillen BPD

  • Äußerlich ruhig, innerlich leidend
  • Verbergen wahrer Gefühle
  • Hohes Kontrollbedürfnis
  • Rückzug in Konfliktsituationen
  • Vermeidung als Bewältigungsmechanismus
  • Vage Vorstellung von sich selbst
  • Selbstbeschuldigung
  • Streben nach Harmonie
  • Ängste vor Verlassenwerden und Intimität
  • Perfektionismus

Therapeutische Ansätze und persönliche Erfahrungen

Viele Betroffene berichten von positiven Erfahrungen mit Therapie, insbesondere mit der Dialektisch-Behavioralen Therapie (DBT). Die DBT hilft den Patienten, ihre Emotionen besser zu regulieren, Stress abzubauen und zwischenmenschliche Beziehungen zu verbessern.

Ein wesentlicher Teil der DBT-Methode ist die Gruppentherapie. Der Austausch von Gefühlen mit anderen kann bei dem Veränderungsprozess helfen. Die Besonderheit des Austausches liegt auch darin, dass es menschlich ist, dass Dinge, die wir nur in unserem Kopf sind riesig, schwierig und unmöglich erscheinen. Wenn man dann über sie spricht, fühlt man sich weniger allein, manchmal fühlt man sich verstanden und manchmal nicht (auch das ist normal), aber man kann Vergleiche ziehen und sich weiterentwickeln.

Es ist wichtig zu betonen, dass eine Therapie kein Allheilmittel ist, sondern ein Werkzeug, das den Betroffenen hilft, ihre eigenen Stärken zu entdecken und ein erfüllteres Leben zu führen.

Schlussfolgerung

Die Frage, ob Menschen mit Borderline wirklich lieben können, lässt sich nicht pauschal beantworten. Beziehungen mit Borderlinern sind zweifellos herausfordernd, aber nicht unmöglich. Mit der richtigen Therapie, Unterstützung und dem Willen beider Partner können diese Beziehungen gelingen und sogar sehr bereichernd sein.

Zusammenfassende Tabelle: Beziehungsmuster und Herausforderungen bei Borderline

Aspekt Beschreibung
Idealisierung Anfangs werden Partner idealisiert, später abgewertet.
Eifersucht Starker Alleinanspruch auf Partner führt zu Eifersucht.
Gewalt Gewalt richtet sich meist gegen sich selbst, aber es kann auch zu Ausbrüchen gegen andere kommen.
Angst vor dem Alleinsein Grosse Angst vor dem Alleinsein, aber Schwierigkeiten, Beziehungen lange aufrechtzuerhalten.
Co-Abhängigkeit Partner stellen eigene Bedürfnisse in den Hintergrund, was die Störung verstärken kann.

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