Leben in einer Fantasiewelt: Psychosen, Ursachen und Behandlung

Psychosen beschreiben eine Gruppe von Erkrankungen, die mit einer Veränderung der Realitätswahrnehmung einhergehen. Die Psychosen gehören zu schwerwiegenden Erkrankungen, die die Betroffenen und ihr Umfeld massgeblich beeinträchtigen. Eine frühe Diagnosestellung, die mit einer adäquaten Behandlung einhergeht, ist mit einer deutlich günstigeren Prognose assoziiert.

Definition und Symptome

Typische Symptome sind dabei Wahnvorstellungen, Halluzinationen, sowie desorganisiertes Denken und Sprechen. Zum einen spricht man von Positivsymptomen, „positiv“ im Sinne eines Überschusses von Erleben im Vergleich zum Erleben des normalen Gesundheitszustandes einer Person. Hierunter fallen zum Beispiel Wahnvorstellungen oder Halluzinationen. Positivsymptome treten bei Schizophrenien sowohl akut als auch episodisch auf.

Zum anderen erleben Patientinnen/Patienten mit Schizophrenie auch sogenannte Negativsymptome. Negativsymptome beschreiben Symptome, bei denen es zu einer Einschränkung des normalen Erlebens kommt, wie zum Beispiel einer Affektverflachung, bei der eine Person gleichgültig wirkt. Solche Negativsymptome begleiten Patientinnen/Patienten mit Schizophrenie oft über lange Zeit und führen somit im Vergleich zu den Positivsymptomen zu einer chronischen Beeinträchtigung.

Positivsymptome

  • Halluzinationen: z.B. optisch, akustisch
  • Wahnphänomene
  • Formale Denkstörungen: Veränderungen des Gedankenganges (z.B. Gedankenblockade, schnelles zusammenhangloses Wechseln der Gedanken)
  • Ich-Störungen: Veränderungen in der Wahrnehmung der Gedanken (z.B. das Gefühl, die Gedanken anderer Menschen lesen zu können)
  • Bizarre oder desorganisierte Verhaltensveränderung

Negativsymptome

  • Antriebs-/Interesselosigkeit
  • Sozialer Rückzug
  • Sprachverarmung
  • Affektverflachung (Stimmungsabflachung)
  • Konzentrationsstörung

Psychosen treten typischerweise im Rahmen einer „Schizophrenie“ auf, können aber auch nach körperlichen Erkrankungen (z.B. Infektionen, Stoffwechselerkrankungen) oder nach Substanzmittelmissbrauch (Drogenkonsum) einsetzen.

Epidemiologie

Das Risiko, irgendwann im Leben an einer Schizophrenie zu erkranken, was als Lebenszeitprävalenz zusammengefasst wird, liegt bei 1%. Dabei sind im Durchschnitt Männer leicht häufiger betroffen als Frauen (1.4:1). Schizophrenien, die im Kindes- oder Jugendalter beginnen, sind seltener. Nach vagen Schätzungen machen sie von allen Schizophrenien einen Anteil von 4-33% aus. Bei den Erwachsenen tritt die Krankheit meistens zwischen dem 20-35. Lebensjahr auf.

Lesen Sie auch: Tipps für ein normales Essverhalten

Schizophrenien im Kindes- und Jugendalter

Formen, die im Kindes- und Jugendalter auftreten, werden nach dem Alter des Auftretens, dem Manifestationsalter aufgeteilt. Dazu gehören die sogenannte early onset schizophrenia (EOS) und die very early onset schizophrenia (VEOS). Die EOS beschreibt dabei den Krankheitsbeginn vor dem 18. Lebensjahr, die VEOS hingegen schon vor dem 13. Lebensjahr.

Die seltenen VEOS beginnen in aller Regel schleichend. Kontaktstörungen und sozialer Rückzug stellen Frühsymptome dar. Bei der EOS stellt sich der Beginn häufiger schleichend, seltener recht akut dar. Die weitaus meisten Fälle zeigen vor der Erstdiagnose bereits Auffälligkeiten. Unspezifische Frühsymptome können Ablenkbarkeit, Unruhe und Fehlanpassungen sein. Als typische Prodromi (Vorzeichen oder Frühsymptome) gelten Antriebsminderung, Energieverlust, Impulsverarmung sowie längere Phasen erhöhter Reizbarkeit und Schlafstörungen.

Die Schätzung der Häufigkeiten einer Schizophrenie beruht meistens auf dem Alter bei Behandlungsbeginn. Der Erkrankungsbeginn unter Einbezug früher Symptome ist in vielen Fällen wahrscheinlich deutlich früher und somit läuft dem akuten Ausbruch einer Psychose eine lange Dauer einer unbehandelten beginnenden Psychose voraus. Wahrscheinlich betrifft dies einige Jugendliche, die erst im Erwachsenenalter in Behandlung kommen. Prodromalsymptome, wie auch schizophrenietypische Positiv-/Negativsymptome können im Jugendalter als entwicklungstypisches oder impulsives Verhalten im Rahmen der Pubertät oder der Adoleszenz missdeutet werden. Dies führt zu einer deutlich späteren Diagnosestellung als bei Erwachsenen.

Die Schizophrenie ist nicht selten. Sie ist so häufig wie die Zuckerkrankheit. Jeder Hunderste erkrankt daran. In jeder Nachbarschaft gibt es jemanden, der daran leidet. Aber Schizophrenie ist eine unverstandene psychische Störung; sie macht Angst. Sie ist vielfältig in ihren Erscheinungsformen: Sie kann leicht sein oder schwer, akut und traumatisch oder schleichend und für Außenstehende kaum wahrnehmbar. Sie kann einmalig auftreten oder in längeren und kürzeren Abständen wiederkehren. Weil sie so schillernd ist, ist sie auch für Erfahrene oft nur schwer greifbar. Unerfahrene stehen der Krankheit ratlos oder zweifelnd gegenüber. Vorurteile liegen nahe: Schizophrenie, so wird behauptet, sei eine unheilbare Störung, oder, Schizophrenie gäbe es gar nicht. Sie sei eine Erfindung der Psychiater. Schizophrenie ist eine ernste, aber in der Regel gut behandelbare Krankheit.

In der wissenschaftlichen Psychiatrie besteht seit Anfang der 70er-Jahre Einigkeit darüber, dass bei Kranken überall in der Welt ein zentrales schizophrenes Syndrom auftritt. Dazu gehört das Erlebnis der Eingebung von Gedanken, der Gedankenübertragung und des Gedankenentzugs durch Stimmen, die der oder die Betroffene in der dritten Person über sich sprechen hört. Die Stimmen können auch seine Handlungen und Gedanken begleiten. Die physische Umgebung wird verändert wahrgenommen.

Lesen Sie auch: Umgang mit PTBS im täglichen Leben

So kann z. B. Es ist leicht einzusehen, dass der Patient alle in seinem kulturellen Hintergrund und nach seinen bisherigen Lebenserfahrungen geläufigen Erklärungen anführt, um diese Störung dingfest zu machen: Hypnose könnte im Spiel sein, Telepathie, radioaktive Strahlung oder Besessenheit. Es ist nicht richtig, dass Wahrnehmen und Erleben in einer schizophrenen Psychose uneinfühlbar ist. Wenn ein Erkrankter unerschütterlich von der Wirklichkeit dessen, was er sieht und hört, überzeugt ist, hat er aus der Sicht seiner Mitmenschen »Wahnideen«. Sein Erleben und insbesondere sein Verhalten ist ohne das Verständnis um diese Zusammenhänge nicht mehr nachvollziehbar. Die Verständigung wird problematisch bis unmöglich. Die Umgebung kommt nicht auf die Idee, sie könnte es mit einem psychisch gestörten Menschen zu tun haben. Erst wenn die Krankheit als solche erkannt ist, ist gegenseitiges Verstehen wieder möglich.

Im Alltag gehen langwierige Leidensphasen dem Begreifen voraus: Nicht selten kommt es zu heftigen Konflikten, zu Abbrüchen von Freundschaften, zum sozialen Rückzug der Betroffenen, zum Ausschluss aus Vereinigungen und Gruppen, in denen sie lange gelebt haben. Kranke können ihren Beruf und ihre Wohnung verlieren und verwahrlosen. Wenn wir das Wort Schizophrenie im Zusammenhang mit einem bestimmten Menschen gebrauchen, verwenden wir eine wissenschaftliche Abstraktion, die sich aus einigen speziellen Aspekten seines Verhaltens und seines Erlebens ableitet. Wenn sie schwerwiegend sind, erscheint uns seine Persönlichkeit verändert. Dennoch bleibt er ein einzigartiges menschliches Wesen. Er bleibt es, weil das grundsätzliche Kennzeichen der Schizophrenie darin besteht, dass das Gesunde dem Schizophrenen erhalten bleibt. Die Diagnose ist kein Etikett für Menschen, die sich sonderbar verhalten.

Die zusammenhängende Darstellung der Krankheitssymptome ist unumgänglich, obwohl sie nie alle zur gleichen Zeit vorkommen und auch nicht nur für das Erscheinungsbild der Schizophrenie typisch sind. zusätzliche (akzessorische) Symptome. Zu den Letzteren gehören z. B. Störungen der äußeren Wahrnehmung. So berichten manche Kranke über Licht- und Farbüberempfindlichkeit. Gesichter oder Figuren sehen sie seltsam verzerrt. Das Zeiterleben kann sich verändern. Die Störungen des Gefühls, sei es depressive Verstimmtheit oder nicht nachvollziehbare Heiterkeit, werden oft verkannt und in ihren Auswirkungen unterschätzt. Die Intelligenz ist nicht beeinträchtigt!

Diese zusammenhängende Darstellung mag den Eindruck erwecken, als handle es sich um ein klares, abgrenzbares Krankheitsbild. Die Wirklichkeit stellt sich anders dar als im Lehrbuch beschrieben. Nicht nur die Vielfalt und der unterschiedliche Ausprägungsgrad der möglichen Symptome erschwert eine Diagnose, hinzu kommt, dass die genannten Symptome nicht spezifisch für Psychosen aus dem schizophrenen Formenkreis sind. Im alltäglichen Umgang sind nicht so sehr die einzelnen Symptome sichtbar oder spürbar. Vielmehr stellt sich ein Gefühl von »Hier stimmt etwas nicht« ein. Für die Behandlung muss man wissen, dass viele Kranke nicht in der Lage sind, eigenständig auf die übliche Weise Hilfe zu suchen.

Wohl alle Kranken, Familienangehörige, Bekannte und Freunde stellen besorgt die Frage, woher die Krankheit kommt. Sie fragen sich, ob eine andere Lebensweise den Ausbruch verhindert hätte, wer schuld an der Krankheit ist. Insbesondere das Suchen und Fragen nach der Schuld hat in den vergangenen Jahrzehnten das Zusammenleben vieler Kranker mit ihren Familien belastet und vergiftet. Es gibt eine Reihe von Vorstellungen, Theorien und Befunden. Sie münden nach dem heutigen Stand der Forschung in die Erkenntnis, dass Menschen, die schizophren erkranken, empfindsamer gegenüber Innen- und Außenreizen sind als andere. Vulnerabilität (Verletzlichkeit) ist das Schlüsselwort. Weniger robust zu sein als andere Menschen ist weder Schande noch Schwäche. Es gibt niemanden, der daran schuld ist.

Lesen Sie auch: Mehr über Depressionen

Die Suche nach den biologischen Grundlagen schizophrener Psychosen hat in den letzten Jahren neue Impulse erfahren. Unsere heutigen Vorstellungen darüber greifen jedoch mit großer Wahrscheinlichkeit zu kurz. Dies gilt auch für die so genannte Dopamin- Hypothese: Wahrscheinlich ist die Vermehrung des Neurotransmitters (Botenstoffs) Dopamin in bestimmten Regionen des Gehirns genauso ein Symptom wie Halluzinationen oder Verfolgungsangst und nicht Ursache der Krankheit. Die Vererbungsforschung liefert aber nach dem heutigen Stand keine befriedigende Erklärung für die Entstehung.

Früherkennung und Frühbehandlung bei Kindern und Jugendlichen

Die Früherkennung und Frühbehandlung von Psychosen bei Kindern und Jugendlichen ist erst in den vergangenen Jahren in den wissenschaftlichen und klinischen Blickpunkt gerückt. Trotz einer Lebenszeitprävalenz von nur etwa 3,5 beziehungsweise 4 Prozent und aller Behandlungsfortschritte zählen die nach ihrer Erstmanifestation oftmals nur schwer beherrschbaren nichtaffektiven und affektiven Psychosen beziehungsweise bipolaren Störungen hinsichtlich der mit ihnen verbundenen Behinderungsfolgen immer noch zu den zehn weltweit führenden Erkrankungen. Dies nicht zuletzt, weil der Beginn psychotischer und bipolarer Erkrankungen zumeist in der Adoleszenz mit einem Ersterkrankungsgipfel bereits im dritten Lebensjahrzehnt liegt und ihre Prodromalsymptomatik daher oftmals zu dramatischen Einbrüchen beziehungsweise Stagnationen in der psychosozialen Entwicklung führt.

Daneben zeigte sich bei Psychosen, dass die oftmals späte Hilfesuche Betroffener, die verzögerte Behandlungsaufnahme und damit verbunden die lange Dauer der unbehandelten Psychose sowie ihres Prodroms ein unabhängiger Prädiktor negativer Verläufe ist, der bei Psychosen mit Beginn im Kindes- und Jugendalter (sog. scheint. So gibt es Hinweise, dass die Dauer der unbehandelten Psychose in der Versorgung von Early-onset-Psychosen noch einmal länger als bei Psychosen mit Beginn im Erwachsenenalter ist. Mögliche Ursachen hierfür sind eine anfangs weniger ausgeprägte und sich schleichender entwickelnde Positivsymptomatik, ein Übersehen der klinischen Bilder beginnender Early-onset-Psychosen von Eltern oder Behandlern oder deren Missdeuten als pubertäre Entwicklungsprobleme oder Adoleszentenkrisen.

Risikokriterien für die Entwicklung einer psychotischen Erstmanifestation

Gegenwärtig werden in der Früherkennung von Psychosen im Rahmen einer vorwiegend indizierten Prävention bei Personen mit ersten Anzeichen der beginnenden Erkrankung zwei alternative Kriterienansätze diskutiert: die UltraHigh-Risk-(UHR-)Kriterien und die Basissymptomkriterien Cognitive-Perceptive Basic Symptoms (COPER) und Cognitive Disturbances (COGDIS). Deren Vorliegen geht jeweils mit einem Risiko für die Entwicklung einer manifesten Psychose von etwa 20 Prozent im darauffolgenden Jahr einher. Die Kriterien - wie auch ihre Validierung - sind jedoch überwiegend an Erwachsenen untersucht worden.

Attenuierte und transiente psychotische Symptome bei Kindern und Jugendlichen

Bei der Entwicklung der UHR-Kriterien, für die zum Teil recht unterschiedliche Operationalisierungen vorliegen, war trotz der bekannten durchschnittlich 5- bis 6-jährigen Prodromdauer Nachdruck auf die Unmittelbarkeit des Risikos gelegt worden; und es wurden Kriterien gesucht, die zeitlich schon nahe am Ausbruch der psychotischen Erstmanifestation liegen und diesen binnen der folgenden 12 Monate vorhersagen (Abbildung). Mit diesem Ziel wurden für die UHR-Kriterien vor allem attenuierte psychotische Symptome (APS) definiert, die sowohl auf spezifischere Prodromalsymptome des DSM-III/-R als auch teilweise überlappend auf Merkmale der schizotypischen Persönlichkeitsstörung nach DSM-III-R und -IV zurückgreifen.

Genetisches Risiko und Funktionseinbusse

Es besteht ein erhöhtes Risiko, wenn die Kriterien 1 und 3 oder 2 und 3 oder alle drei erfüllt sind:

  1. störung gemäss der SIPS
  2. psychotischen Störung
  3. in den letzten 12 Monaten um 30 Prozent eingebrochen nach McGlashan et al.

men auch transiente, also kurzzeitig vorhandene und spontan remittierende psychotische Symptome, zur Anwendung, die in ihrer zeitlichen Erstreckung den DSM-IV-Kriterien einer kurzen psychotischen Episode nicht gerecht werden (BLIPS: brief limited intermittent psychotic symptoms). Ergänzt werden diese zwei symptomatischen Kriterien durch ein drittes Kriterium, das auf Befunden der (genetischen) Risikoforschung basiert und damit auch Elemente der selektiven Prävention bei Personen mit einem generell erhöhten Risiko, aber noch ohne spezifische Anzeichen für eine beginnende Erkrankung aufgreift.

Bisher haben nur wenige Studien die UHR-Kriterien bei Jugendlichen aus klinischen Settings oder der Allgemeinbevölkerung untersucht. Diese wiesen darauf hin, dass der klinische Stellenwert einzelner APS und BLIPS (wie Misstrauen und paranoid getönte Beziehungsideen oder auch Wahrnehmungsveränderungen und Halluzinationen) noch unklar ist und diese Phänomene eine hohe Remissionsrate unabhängig vom Behandlungsregime haben. So hatte sich etwa bei Kindern- und Adoleszenten mit sogenannten «atypischen» psychotischen Symptomen über den 2-jährigen Beobachtungszeitraum in keinem Fall eine manifeste Psychose entwickelt, wohl waren aber in der Hälfte der Fälle die psychotischen Symptome komplett remittiert. Anders als psychotische Symptome im Rahmen einer manifesten Psychose waren die atypischen Positivsymptome zudem stark an bestimmte Situationen gebunden, übermässig elaboriert und/oder deutlich mit sekundärem Krankheitsgewinn verbunden sowie von eher reaktivem oder aggressivem, nicht aber bizarrem oder Rückzugsverhalten begleitet.

Der klinische Stellenwert unterschwelliger, atypischer oder transienter Positivsymptomatik wird zudem durch die hohen Prävalenzraten von bis zu knapp 25 Prozent bei Jugendlichen aus der Allgemeinbevölkerung infrage gestellt. Hierbei fand sich in Querschnittstudien eine deutliche Abnahme mit zunehmendem Alter im Vergleich von 11- bis 13-Jährigen (23%) mit 13- bis 15-Jährigen (7%). In beiden Altersgruppen zeigte sich dabei ein deutlicher Zusammenhang mit männlichem Geschlecht und dem Vorliegen einer Achse-I-Störung.

Hinsichtlich des Zusammenhangs mit dem späteren Übergang scheinen APS bei jungen Menschen mit klinischem Risiko ein weniger immanentes Übergangsrisiko anzuzeigen, sodass bei Kindern und Jugendlichen nicht zuletzt wegen der bekannten schleichenderen Entwicklung von manifesten Psychosen wohl längere Beobachtungszeiten notwendig sind, um den tatsächlichen prädiktiven Wert dieser Symptomatik abzuschätzen. So fand eine 5-jährige Verlaufsstudie zur Prävalenz und Persistenz speziell von verbalen Halluzinationen bei 7- bis 8-Jährigen der Allgemeinbevölkerung eine Prävalenz von 9 Prozent, wobei das Stimmenhören initial nur bei 15 Prozent mit klinisch relevanten Verhaltensauffälligkeiten und Leidensdruck einherging. Zudem fanden sich über 5 Jahre eine gut 75-prozentige Remissionsrate und ein Neuauftreten bei nur 9 Prozent der bei der Katamnese 12- bis 13-Jährigen; ein Übergang in eine manifeste Psychose wurde nicht berichtet. Eine Persistenz des Stimmenhörens war mit schlechteren Schulleistungen, Verhaltensproblemen und weiteren psychotischen Symptomen sowie einer externalen Attribution der Stimmen und/oder einer Vielzahl von Stimmen bei der Erstuntersuchung verbunden.

gen, Fantasie- und Erinnerungsvorstellungen (B.1) O Eigenbeziehungstendenz (B.2) O Derealisation (B.7) O optische Wahrnehmungsstörungen, exkl. Verschwommensehen (B.3, O.1) O akustische Wahrnehmungsstörungen, exkl. dazu fand man in einer Geburtskohortenstudie einen Zusammenhang zwischen dem Vorliegen von unterschwelligen, atypischen oder transienten Positivsymptomen im Alter von 11 Jahren (14%) und einer schizophrenieformen Störung im Alter von 26 Jahren: Eine solche hatte sich bei 11 Prozent der Personen mit gegenüber nur 2 Prozent ohne Symptomatik im Alter von 11 Jahren entwickelt. Allerdings war auch die Rate von Angststörungen inklusive Zwangsstörungen und posttraumatischer Belastungsstörung mit 34 Prozent gegenüber 22 Prozent signifikant erhöht, nicht jedoch die von Depressionen (19% gegenüber 15%) oder Manien (1% gegenüber 2%).

Attenuierte psychotische Symptome und schizotypische Persönlichkeitsstörung

Ein weiteres Problem bei der Früherkennung von Psychosen bei Kindern und Adoleszenten anhand von APS stellt deren phänomenologische Überschneidung mit Kriterien für eine schizotypische Persönlichkeitsstörung dar. Obwohl zumindest in der nordamerikanischen UHR-Operationalisierung zur Unterscheidung von einer entsprechenden Persönlichkeitsstörung detaillierte Zeitkriterien in die Konzeption der APS (Kasten 1) eingegangen sind, ist deren differenzialdiagnostische Eignung bei Adoleszenten wohl deutlich gegenüber Erwachsenen eingeschränkt, da sich gerade die eher positivsymptomatischen Kriterien dieser Persönlichkeitsstörung definitionsgemäss erstmals in der Adoleszenz zeigen.

Dabei ist unklar, inwieweit die Betrachtung der weiteren Kriterien (inadäquater oder gehemmter Affekt, eigenartiges, exzentrisches oder seltsames Verhalten, Fehlen enger Freunde und Vertrauter ausserhalb des engsten Familienkreises, ausgeprägte, mit paranoiden Befürchtungen assoziierte Sozialangst) im Sinne eines überdauernden, stabilen Verhaltensmusters eine Differenzierung zwischen anlaufender Persönlichkeitsstörung und beginnender Psychose fördern könnte. Allerdings scheinen aber auch Jugendliche mit der Verdachtsdiagnose einer schizotypischen Persönlichkeitsstörung durchaus ein höheres Psychoserisiko (25% Übergänge in 3 Jahren) zu besitzen als solche mit der Verdachtsdiagnose einer anderen Persönlichkeitsstörung (2%).

Basissymptome bei Kindern und Jugendlichen

Auch hinsichtlich der vollständig auf der Selbstwahrnehmung des Betroffenen beruhenden und wohl bereits vor APS und BLIPS auftretenden Basissymptome (Abbildung) gibt es Hinweise, dass hier in Abhängigkeit von Alter beziehungsweise Entwicklungsstand Besonderheiten zu beachten sind. Den Besonderheiten der dimensionalen Struktur von Basissymptomen bei Kindern und Jugendlichen sowie dem insbesondere bei Kindern wünschenswerten Einbezug von Elternbeobachtungen in die Erhebung wurden bereits in der Entwicklung einer speziellen Kinder- und Jugendversion zur Erhebung von Basissymptomen Rechnung getragen: dem Schizophrenia Proneness Instrument, Child and Youth Version (SPI-CY [13]), das grösstenteils ab etwa dem 8. Lebensjahr erhoben werden kann.

Das SPI-CY, das noch weiterer Validierung in prospektiven Studien bedarf, ist bis heute das einzige Instrument zur Früherkennung von Psychosen speziell für Kinder und Jugendliche, wobei derzeit die an Erwachsenenpopulationen generierten Kriterien COPER und COGDIS (Kasten 2) noch unverändert im SPI-CY enthalten sind. COPER und COGDIS auch in dieser Altersgruppe ein erhöhtes Risiko für eine Psychose anzeigen, als auch darauf, dass adynamischen Basissymptomen (Energie- und Antriebsverlust, verminderte Stresstoleranz, affektive Beschwerden und erhöhte emotionale Beeindruckbarkeit sowie bei Erwachsenen eher unspezifische kognitive Einbussen) möglicherweise - anders als bei Erwachsenen - eine zentrale Rolle bei der Früherkennung von Psychosen bei Kindern und jüngeren Jugendlichen zukommt.

Früherkennung bipolarer Störungen bei Kindern und Jugendlichen

Bipolare Störungen beginnen in etwa zwei Dritteln der Fälle im Kindes- und Jugendalter. Studien von Kindern und Jugendlichen, aber auch von Erwachsenen hatten im Vorfeld von bipolaren Störungen recht übereinstimmend erhöhte Raten affektiver Instabilität, phasenhafter hypomaner, depressiver, aggressiver und/oder reizbarer Verstimmungen, beschleunigter Gedanken, erhöhter Ängstlichkeit, von Verhaltensstörungen und von Schlafstörungen sowie von einem depressiven und/oder zyklothymen Temperament berichtet.

Entsprechend diesen Befunden und in Anlehnung an die Konzeption der UHR-Kriterien für Psychosen waren für ältere Jugendliche und junge Erwachsene Risikokriterien vorgeschlagen worden, die durch (A) unterschwellige manische Symptome, (B) die Kombination von depressiven und zyklothymen Symptomen oder (C) die Kombination von depressiver Verstimmung und einem erstgradigen Angehörigen mit einer bipolaren Störung definiert sind. Eine prospektive Evaluation dieser Kriterien und ihre genauere Operationalisierung in einem Erhebungsinstrument stehen noch aus. Dabei scheint gerade bei Kindern und Jugendlichen viel von der exakten Definition der Kriterien abzuhängen: So hatte ein neuerer Vergleich unterschiedlich strukturierter pädiatrischer Interviews für die Erhebung einer manischen Episode gemäss DSM-IV-TR deutliche Unterschiede zwischen den Instrumenten ergeben.

tags: #leben #in #einer #fantasiewelt #psychosen #ursachen