Keine Aminosäure hat einen so direkt spürbaren Einfluss auf Ihr Wohlbefinden wie L-Tryptophan - die Vorstufe von Glücks- und Schlafhormonen. Die richtigen Lebensmittel liefern Ihnen ausreichend L-Tryptophan und sorgen für Glücksgefühle und einen erholsamen Schlaf. Wird eine Aminosäure namens L-Tryptophan in Zukunft dabei helfen, psychische Erkrankungen wie Depressionen zu behandeln? Einige Forscher*innen erhoffen sich auf jeden Fall eine Menge von der Aminosäure.
Die Aminosäure hat aber noch viele andere Aufgaben, ermöglicht uns etwa erholsamen Schlaf und schützt Augen und Nervenzellen. Lesen Sie in diesem Artikel, welche Wirkungen L-Tryptophan hat und welche Beobachtungen die Forschung bei einem Tryptophan-Mangel machen konnten.
Was ist L-Tryptophan?
L-Tryptophan ist eine essentielle Aminosäure, also eine Aminosäure die Sie über die Ernährung aufnehmen müssen: Ihr Körper kann sie nicht selbst herstellen. In der Natur kommen Aminosäuren in zwei unterschiedlichen Formen mit unterschiedlichen Funktionen vor, und zwar in der linksdrehenden Stellung (L-Konfiguration) und in der rechtsdrehenden Stellung (D-Konfiguration). Im menschlichen Körper spielen vor allem die Aminosäuren in der L-Konfiguration eine bedeutende Rolle.
Alle Aminosäuren dienen dem Körper dazu, neue Proteine zu bauen. Abgesehen davon bildet Tryptophan im Körper Kynurenin - eine weitere Aminosäure, die antioxidativ wirkt und das Immunsystem aktiviert. Zudem soll Kynurenin das Auge vor Schäden durch die ultraviolette Strahlung des Sonnenlichts schützen.
Ehe L-Tryptophan ins Nervensystem gelangt, muss es die Blut-Hirn-Schranke passieren. Diese Barriere trennt den Blutkreislauf vom Nervensystem, damit nur bestimmte chemische Verbindungen in das empfindliche Nervensystem eindringen können.
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Tryptophan und biogene Amine: Biogene Amine sind Abbauprodukte von Aminosäuren: Aus L-Tryptophan wird Tryptamin gebildet. Tryptophan als Vorstufe von Vitamin B3 Vitamin B3 ist der Sammelbegriff für Nikotinsäureamid und Nikotinsäure.
L-Tryptophan in Lebensmitteln und empfohlene Tagesdosis
Essen macht glücklich - und L-Tryptophan ist der Beweis dafür. L-Tryptophan kommt in einer Vielzahl von Lebensmitteln vor. Besonders reich an L-Tryptophan sind Sojabohnen, Truthahn und Thunfisch. Studien zufolge liegt der empfohlene Tagesbedarf bei 250 bis 425 Milligramm Tryptophan.
Kohlenhydrate verbessern die Aufnahme von L-Tryptophan. Die Bauchspeicheldrüse setzt das Hormon Insulin frei, sobald Zuckermoleküle im Blutkreislauf schwimmen. Neben einer kohlenhydratreichen Mahlzeit wirken auch proteinarme Lebensmittel unterstützend: Durch sie nehmen Sie weniger andere Aminosäuren auf, die mit L-Tryptophan konkurrieren. Tipp: Bauen Sie tryptophanreiche Lebensmittel morgens und abends in Ihre Ernährung ein.
Tryptophan-Mangel und seine Auswirkungen
Ein natürlicher Tryptophan-Mangel ist selten: Über die Ernährung nehmen wir genügend L-Tryptophan auf. Wenn im Körper zu viel L-Tryptophan abgebaut wird, kann sich die Stimmung einer Person verschlechtern. In Studien konnten Forscher*innen diesen Effekt vor allem bei Frauen beobachten. Bei Menschen, die in ihrem Leben bereits an Depressionen litten, konnte ein Tryptophan-Mangel eine Wiederkehr der Erkrankung hervorrufen.
Neben einer Tryptophan-Intoleranz kann eine Fruktose-Unverträglichkeit die Tryptophan-Aufnahme stören: Der Körper nimmt weniger von der Aminosäure auf. Menschen, die an der chronisch-entzündlichen Darmerkrankung Morbus Crohn leiden, weisen ebenfalls geringe Tryptophan-Spiegel auf - eventuell ist die Aufnahme von Tryptophan im Darm gestört.
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L-Tryptophan spielt in vielen wichtigen Vorgängen im Körper eine Rolle. Wenn der Spiegel sinkt, kann es Einfluss auf die Psyche üben und die Schlafqualität verschlechtern. Eine Schizophrenie-Erkrankung geht häufig mit Gedächtnisproblemen einher.
Bei einer Tryptophan-Intoleranz beziehungsweise Tryptophan-Malabsorptionsstörung handelt es sich um eine angeborene Stoffwechselstörung: Der Körper ist nicht in der Lage, L-Tryptophan zu verwerten. Stattdessen wird die Aminosäure in die chemische Verbindung Indikan umgewandelt, welches über den Urin ausgeschieden wird. Sobald Indikan mit Luft in Kontakt kommt, verfärbt es sich blau. Wenn bei Ihnen eine Tryptophan-Intoleranz vorliegt, besteht die Gefahr eines Vitamin-B3-Mangels, die mit der Pellagra-Krankheit einhergeht.
Weitere Anwendungsbereiche von L-Tryptophan
Wussten Sie schon, dass L-Tryptophan bei einer Winterdepression Ihre Stimmung aufhellen kann? Wer sich vornimmt, mit dem Rauchen aufzuhören, kann sich mit L-Tryptophan helfen. Forscher*innen konnten in einer Studie beobachten, dass ab Beginn des Rauchstopps weniger Entzugserscheinungen auftreten, wenn Sie täglich 50 Milligramm L-Tryptophan pro Kilogramm Körpergewicht einnehmen.
Risiken und Nebenwirkungen von L-Tryptophan
Das Problem bei der Einnahme von L-Tryptophan: Die Aminosäure kann nicht nur in Serotonin und Melatonin umgewandelt werden, sondern auch in unzählige andere Stoffe. Daher kann man nicht immer sagen, welche Wirkung das L-Tryptophan später haben wird. Im Jahr 1988 erkrankten Menschen, die L-Tryptophan supplementiert hatten, am Eosinophilie-Myalgie-Syndrom - eine Erkrankung, die von starken Muskelschmerzen geprägt ist. Grund dafür war eine Verunreinigung von Nahrungsergänzungsmitteln eines japanischen Unternehmens. Es wurde zunächst verboten, L-Tryptophan zu verkaufen.
L-Tryptophan und das Darm-Mikrobiom
Die Rolle des Darm-Mikrobioms gewinnt in der psychiatrischen Versorgung, insbesondere bei Depressionen, zunehmend an Bedeutung. Der Einfluss des Darm-Mikrobioms auf die Gesundheit des Menschen erfährt zunehmend mehr Interesse in der Forschung und der Gesellschaft. Dabei rücken auch Zusammenhänge mit der Psyche in den Fokus. Über verschiedene Kommunikationswege können Informationen zwischen Gehirn und Darm aus getauscht werden. Eine direkte Verbindung ist der Vagusnerv, der das zentrale Nervensystem (ZNS) mit verschiedenen viszeralen Organen verbindet.
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Weitere Kommunikationswege beinhalten das Immunsystem und die Stress-Achse (Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse, HHNA) sowie Stoffwechselprodukte (Metaboliten) der Darmbakterien. Das menschliche Immunsystem wird während seiner Entwicklung sowie bei Gesundheit und Krankheit zu einem wichtigen Teil vom Darm-Mikrobiom moduliert. Die Aminosäure Tryptophan, welche über die Ernährung aufgenommen wird, und ihre Verstoffwechselung zu Serotonin, Kynurenin und Indol-Derivaten sind vom Darm-Mikrobiom beeinflusst und können die Darmgesundheit regulieren.
Darm-Mikrobiom und Depressionen
Einige Studien konnten zeigen, dass Depressionen mit Veränderungen im Darm-Mikrobiom assoziiert sind. Jedoch sind die in den Studien gezeigten Veränderungen nicht einheitlich. Frühere Studien hatten beispielsweise aufgezeigt, dass die Mikrobiom-Diversität bei Personen mit Depressionen im Vergleich zu gesunden Personen reduziert ist, was jedoch in einer Metaanalyse nicht bestätigt werden konnte. Somit ist es essenziell, verschiedene konfundierende Variablen in entsprechende Analysen zu integrieren.
Nicht nur die kompositionelle Zusammensetzung des Darm-Mikrobioms ist von Interesse, vor allem auch das funktionelle Potenzial des Mikrobioms spielt eine wichtige Rolle in der Kommunikation mit dem Gehirn. Depressionen könnten im Zusammenhang mit der Synthese von SCFA, Neurotransmittern und dem Tryptophan-Stoffwechsel im Darm stehen.
Einfluss von Medikamenten auf das Darm-Mikrobiom
Es wurde wiederholt gezeigt, dass Antidepressiva wie Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI) die Zusammensetzung des Mikrobioms beeinflussen und antimikrobielle Effekte haben. Zudem reguliert das Mikrobiom die Permeabilität der Darmbarriere und kann somit die Absorption von Antidepressiva beeinflussen. Es besteht einerseits eine Mikrobiom-mediierte Wirkung der Medikamente und andererseits eine von den Medikamenten beeinflusste Veränderung des Mikrobioms.
Ein neues Review hat die Frage untersucht, wie das Mikrobiom die Wirkung von Antidepressiva beeinflusst und konnte zeigen, dass die Zusammensetzung des Darm-Mikrobioms zu Therapiebeginn mit der Verträglichkeit und der Wirksamkeit von Antidepressiva in Verbindung steht.
Interventionen zur Beeinflussung des Darm-Mikrobioms
Auch wenn die zugrundeliegenden Mechanismen noch nicht genau geklärt sind, haben Studien die Effekte von Mikrobiom-manipulierenden Interventionen untersucht. Probiotika sind Bakterien, die in einer gewissen Menge einen positiven Einfluss auf die Gesundheit haben. Sie sind einerseits in der Nahrung enthalten und können andererseits auch als Nahrungsergänzungsmittel eingenommen werden. Um spezifische Probiotika mit positiven Effekten auf die Psyche zu beschreiben, wurde der Begriff Psychobiotika eingeführt.
Auch die Ernährung wird als möglicher Behandlungsansatz bei Depressionen untersucht. Generell kann die Ernährung die Funktion des Darm-Mikrobioms und den Immunstatus modulieren. Positive Effekte sind z. B. von ballaststoffreichen und fermentierten Lebensmitteln bekannt.
Herausforderungen und zukünftige Forschung
Die Stichproben der bisher bestehenden Studien umfassen zum Teil gesunde Personen und Personen mit Reizdarmsyndrom, welche leichte depressive Symptome haben, oder auch Personen mit klinisch relevanten Depressionen. In den Studien mit Probiotika unterscheiden sich die Zusammensetzung und Dauer der Interventionen stark, was die Vergleichbarkeit der Studien einschränkt. In der künftigen Forschung sind standardisierte Methoden nötig, um das Forschungsfeld zu vereinheitlichen und gesamthaft voranzubringen.
Ein möglicher Fokus für zukünftige Studien könnte die Identifikation von Subgruppen von depressiven Personen sein, welche aufgrund von bestimmten Symptommustern und Biomarkern entlang der Darm-Gehirn-Achse definiert werden. Ein mögliches Ziel wäre dabei, mögliche Therapieerfolge mithilfe dieser Biomarker vorherzusagen oder diese für die Diagnostik einzusetzen.
Zusammenfassung
L-Tryptophan gehört zu den essentiellen Aminosäuren und kommt vorwiegend in Nüssen, Getreide und Milchprodukten vor. L-Tryptophan dient als Vorstufe von Hormonen, unter anderem des Glückshormons Serotonin und des Schlafhormons Melatonin. Außerdem stellt der Körper aus L-Tryptophan Botenstoffe her und die Aminosäure Kynurenin, welche antioxidativ wirkt und die Nervenzellen schützt. Studien konnten zeigen, dass L-Tryptophan-Präparate die Schlafqualität verbessern, indem die Melatonin-Bildung erhöht wird.
Wie dieser Überblick zeigt, hat die Forschung bereits wichtige Erkenntnisse über das Zusammenspiel zwischen dem Darm-Mikrobiom und der Psyche geliefert. Entscheidende Fragen bleiben jedoch weiterhin offen oder haben sich durch die bisherigen Forschungsergebnisse neu ergeben. Die Darm-GehirnAchse mit ihren verschiedenen Kommunikationswegen bietet grundsätzlich vielversprechende Ansätze für die Entwicklung neuer Behandlungen von Depressionen.
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