Bilder aus der Seele: Kunsttherapie bei Depressionen

Depression ist eine Herausforderung sowohl für die Betroffenen als auch für ihre Angehörigen. Die Mal- und Gestaltungstherapie hat sich zu einer effektiven Behandlungsform von depressiven Symptomen entwickelt. Sie wirkt unterstützend, lösend und integrativ.

Was ist Kunsttherapie?

Kunsttherapie wird als Überbegriff für psychotherapeutisch orientierte Therapieformen verstanden, die mit kreativen, künstlerischen Mitteln arbeiten. Sie gehört zu den Kreativtherapien und basiert auf der Erkenntnis, dass das Gestalten von Bildern und andere künstlerische Tätigkeiten eine heilende Wirkung haben können. Dabei geht es nicht darum, Kunstwerke zu erschaffen, sondern einen Zugang zur inneren Welt zu bekommen. Das Bild oder die Plastik wird in der Kunsttherapie zum Spiegel der Seele.

Singen und Musik, Malen, Gestalten und Bewegen ermöglichen einen Ausdruck für das Erlebte und die eigenen Empfindungen zu finden. Der therapeutische Ansatz ist ganzheitlich und individuell, mit dem Ziel, vorhandene Ressourcen zu aktivieren und die Selbstregulation des Menschen auf geistiger, seelischer, körperlicher und sozialer Ebene zu fördern.

Die verschiedenen Formen der Kunsttherapie

  • Beim Malen und Gestalten setzt sich der Mensch ins Bild. Damit bekommt er einen unmittelbaren, sinnlichen Zugang zu sich selbst, seinen derzeitigen Ressourcen, Problemen und Störungen.
  • Die Auseinandersetzung im und mit dem physischen, emotionalen und subtilen Körper sind zentrale Bestandteile der Tanz- und Bewegungstherapie. Dabei werden Möglichkeiten eröffnet, den Körper in einem erweiterten Bewegungsumfang, im präziseren Wahrnehmen seiner Eigenheiten, in Improvisation und Gestaltung zu erfahren.
  • Die therapeutische Arbeit mit Sprache und Drama wendet gezielt sprachliche, gestische, dramatische und gestalterische Mittel für therapeutische Zwecke an. Szenen des Lebens werden in eine dramatische Realität umgewandelt. Diese imaginative Wirklichkeit wird exploriert, sinnlich erfahrbar gemacht und in einem künstlerisch-therapeutischen Prozess erweitert und verwandelt.
  • Die Intermediale Therapie setzt die verschiedenen Sprachen der Künste, wie Bild, Musik, Bewegung, szenisches Spiel, dreidimensionales Gestalten, Performance und neue Medien ein. Die vielfältige Wahrnehmung über alle Sinne eröffnet eine Vielfalt von Ressourcen und Lösungsansätzen.
  • Musik bewegt, weckt Gefühle und kann diese zum Ausdruck bringen. Sie öffnet die Tür zum Innersten des Menschen. Musik entsteht durch stetigen Wechsel und hat dadurch ein besonderes Verhältnis zur Entwicklung, zum Werden.

Wie hilft die Kunsttherapie bei Depressionen?

In der Kunsttherapie wird der künstlerische Ausdruck genutzt, um Emotionen, Gedanken und Erfahrungen auszudrücken, die möglicherweise schwer in Worte zu fassen sind. Bei Depressionen kann die Kunsttherapie eine unterstützende Rolle spielen, um Gefühle wie Niedergeschlagenheit, Hoffnungslosigkeit und Interessenverlust auszudrücken und zu bearbeiten.

Wenn Sie Depressionen erleben, werden die meisten alltäglichen Aufgaben zu unüberwindbaren Hindernissen. Sie quälen sich mit simplen Dingen, die früher mit Leichtigkeit erledigt wurden. Einfache Aufgaben wie morgens aus dem Bett zu steigen, die Wäsche zu erledigen oder mit den Kindern zu spielen. Depressives Erleben beinhaltet das Gefühl einer tiefen Leere. Sie erleben einen psychischen Zustand der Apathie. Sie fühlen sich weit zurück hinter all den Dingen, die erledigt werden müssten. Sie fühlen sich wie von einem unsichtbaren Schatten niedergedrückt. Sie erleben Gefühle der Ungenügsamkeit, der Wertlosigkeit. Oft in Verbindung mit Selbstbeschuldigungen. Der Alltag wird zum Kampf, eine chronische Überforderung nistet sich ein. Totale Blockade.

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Gefühle zu kontrollieren und zu unterdrücken, ist eine Fähigkeit, die wir als soziale Wesen beherrschen müssen. Wir entwickeln ein Alltagsgesicht, um uns zu schützen und unsere wahren Gefühle zu verbergen. Deshalb kann es manchen Menschen schwerfallen, wenn Sie plötzlich über ihre Gefühle oder eben darüber, dass sie nichts mehr fühlen, sprechen sollen. Kunsttherapie unterstützt psychische Prozesse, wenn Worte nicht genügen. Denn mit Materialien und Farben fällt es vielen Menschen leichter auszudrücken, wie und was sie fühlen.

Die Kraft der kreativen Handlung

Was Sie in der Kunsttherapie erschaffen, dient Ihnen dazu, wieder in Kontakt zu treten. Mit sich selbst, Ihren Gefühlen, Gedanken, Ängsten und Bedürfnissen. Wenn das geschieht, wird Veränderung möglich. Dann liegt diese wieder in Ihrer Kraft. Sie erkennen die Möglichkeiten, die Ihnen zu Verfügung stehen.

Sich auszudrücken ist ein menschliches Urbedürfnis. Etwas zu „schaffen“ ist per se schon heilsam. Man erlebt sich wieder „in der Handlung“ als handlungsfähig. Fähig, wieder etwas zu „erschaffen“. Lernen durch Handeln. Wer an Depression leidet, muss wieder fähig werden zu handeln und lernen, das neue Wissen in die Tat umzusetzen. Kunsttherapie bietet Ihnen dazu einen Erfahrungsraum an - Raum um sich selbst zu erfahren, sich wieder zu spüren.

Was verstehen Kunsttherapeuten unter Kunst?

  1. Kunst ist kein Produkt. Kunst ist ein Prozess.
  2. Kunst „macht“ kein Produkt, Kunst produziert Reflexion. Selbstreflexion. Eine reale Konfrontation mit sich selbst. Wer Sie sind, was Sie tun, was Sie denken, was Sie fühlen, wie Sie leben.
  3. Kunst braucht von Ihnen keine technischen oder künstlerischen Fähigkeiten. Massgebend ist der Prozess und nicht das Ziel. Wenn Sie etwas kreieren, zeigt sich ein Teil von Ihnen. Ob Sie ihn kennen oder nicht. Sie müssen sich kennenlernen. Ich meine Sie müssen sich wirklich kennenlernen, damit Sie sich verändern können.
  4. Kunst machen ist ein Prozess der Introspektion, der Selbstbeobachtung. Nur durch Selbstbeobachtung gelangen wir zu Selbsterkenntnis.
  5. Kunst wirft einen auf sich selbst zurück.
  6. Kunst ist aktiv, schöpferisch und immer unvollständig. Immer im Werden.
  7. Kunst lässt uns einen kurzen Blick des Potentials erhaschen, welches wir unbewusst in uns tragen.
  8. Kunst ist ein menschlicher Akt.
  9. Kunst ist riskant, grosszügig, mutig, provokativ.
  10. Kunst bietet Ihnen Raum für alles, was Sie sind.

Ablauf einer Kunsttherapie

Die Kunsttherapie ist eine relativ junge Disziplin. Mittlerweile wird sie nicht nur in psychosomatischen und psychiatrischen Kliniken, sondern beispielsweise auch in Altenheimen oder Förderschulen eingesetzt. Meist wird sie als Gruppentherapie angeboten; sie kann aber auch als Einzeltherapie stattfinden.

Die Kunsttherapie baut auf unterschiedlichen Disziplinen auf. Je nach Ausbildungsinstitut beinhaltet sie beispielsweise kognitiv-verhaltenstherapeutische, tiefenpsychologische, anthropologische oder systemische Ansätze. In der Tiefenpsychologie wird die Kunsttherapie manchmal auch als Gestaltungs- oder Maltherapie bezeichnet. Sie ist jedoch nicht mit der Gestalttherapie zu verwechseln, die eine eigenständige Psychotherapieform mit humanistischem Ansatz ist.

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Wie müssen Sie sich eine ambulante Kunsttherapie vorstellen?

Starre Regelungen gibt es im Ablauf einer ambulanten kunsttherapeutischen Sitzung nicht. So wie jeder Mensch seine individuelle Kunst erschafft, müssen Sie sich auch die Therapie vorstellen: frei, kreativ, ungezwungen, wertfrei. Im ambulanten Bereich findet die Einzel- oder Gruppensitzung je nach Bedarf wöchentlich, zweiwöchentlich oder auch nur monatlich statt. Wie auch bei psychotherapeutischen Behandlungen ist es üblich, dass sich die Therapie über einen längeren Zeitraum erstreckt, da es nur so möglich ist, in einen (Entwicklungs-)Prozess zu kommen. Einzeln oder in einer kleinen Gruppe werden Bilder, Zeichnungen, Collagen, Figuren usw. kreiert.

Mit welchem Material und unter welchem Thema ein Mensch in eine gestalterische Arbeit geht, wird vorgängig mit der Kunsttherapeutin im Detail besprochen. Das Vorgehen hängt von einer allfälligen psychiatrischen und/oder somatischen Diagnose sowie von den Fähigkeiten und Defiziten eines Menschen ab. Auch seine momentane Befindlichkeit, seine Wünsche, Ängste und Ziele bilden dabei eine wichtige Grundlage.

Während des künstlerischen Prozesses hält sich die Kunsttherapeutin dann eher im Hintergrund, kann aber durchaus Hilfestellungen und Impulse geben. Oft vergisst der Klient während seiner Schaffensphase alles um sich herum und wird experimentierfreudiger. Ohne Hemmungen, etwas «Falsches zu produzieren» oder Ängste, zu viel von sich preiszugeben.

In einer wertfreien Haltung werden der Schaffensprozess und das entstandene Werk gemeinsam mit der Therapeutin reflektiert. «Der wahre Sinn der Kunst liegt nicht darin, schöne Objekte zu schaffen. Es ist vielmehr eine Methode um zu verstehen.

Was macht man bei einer Kunsttherapie?

Wichtige Ziele in der Kunsttherapie sind, dass der Patient selbst kreativ aktiv wird und sich besser kennen lernt. Die entstehenden Werke werden nicht bewertet. Das soll es dem Patienten ermöglichen, sich ungehemmt auszuprobieren, frei von Konventionen und ohne Angst vor "Fehlern".

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Der Kreativität sind dabei keine Grenzen gesetzt. In der Kunsttherapie kommen demnach verschiedene Techniken und Materialien zum Einsatz. Es können im klassischen Sinn Bilder mit Pinsel, Stift oder auch den Händen gemalt werden. Es werden aber auch Ton, Stein, Holz und viele weitere Materialien zum Gestalten verwendet.

Beziehungsaufbau

Wie in jeder Therapie muss zunächst eine vertrauensvolle Beziehung zwischen Therapeut und Patient aufgebaut werden. Eine gute Beziehung trägt massgeblich zu einem erfolgreichen Therapieverlauf bei.

Problemerkennung

Der Vorteil der Kunsttherapie ist, dass der Ausdruck von inneren Zuständen zunächst ohne Worte auskommt. Dennoch spielt das Gespräch zwischen Kunsttherapeut und Patient eine wichtige Rolle.

Entstandene Werke schaffen Distanz zu den Problemen und können immer wieder aus neuen Perspektiven betrachtet werden - ohne Wertung. Vielmehr hilft der Kunsttherapeut dem Patienten im Gespräch, seine Werke besser zu verstehen.

Dazu beschreibt der Kunsttherapeut zunächst wertfrei, was er in dem betreffenden Bild oder in der Plastik sieht. In der Gruppentherapie sprechen die Teilnehmer auch gegenseitig über das, was sie in den Kunstwerken der anderen wahrnehmen.

Im Einzelgespräch erforscht der Therapeut die Bedeutung des Werkes, indem er den Patienten nach seinen Gefühlen befragt: Welche Gefühle oder Gedanken sind während des Schaffens aufgetreten? Was gefällt an dem Kunstwerk? Was möchte der Patient verändern? Der Patient kann dadurch tief in seine Innenwelt eintauchen, seine Perspektive erweitern und neue Anregungen erhalten.

Problembewältigung

Die Kunsttherapie soll dem Patienten nicht nur dabei helfen, Probleme zu erkennen, sondern diese auch zu bewältigen. Sie greift dazu auf Techniken von tiefenpsychologischen, verhaltenstherapeutischen oder anderen Verfahren zurück.

Um neue Bewältigungsmöglichkeiten zu finden, dient dem Kunsttherapeut nicht nur das Gespräch, sondern auch die Arbeit mit Kunstwerken. Oft empfinden die Patienten bereits die Möglichkeit, sich in Farbe und Form ausdrücken zu können, als Entlastung.

In jedem Werk stecken nicht nur Probleme, sondern auch Möglichkeiten des Fortschrittes und der Lösung. Diese im therapeutischen Gespräch herauszuarbeiten, ist die Kunst der Kunsttherapie. Eine erste Veränderung kann der Patient bereits in den Bildern oder Plastiken umsetzen. Er kann beispielsweise Änderungen an seinem Werk vornehmen, Farben und Formen verändern und Symbole hinzufügen.

Die Kunsttherapie bietet ein weites Spektrum an Möglichkeiten. Durch die vielen unterschiedlichen Methoden und Materialien findet fast jeder Patient einen kreativen Ausdruck, der ihm liegt. Der Kunsttherapeut regt die Patienten aber auch dazu an, neue oder ungewohnte Farben, Materialien oder Gestaltungsweisen auszuprobieren. Neue Wege zu gehen, stärkt den Patienten in seiner Problemlösefähigkeit.

Wann macht man eine Kunsttherapie?

Die Kunsttherapie wird in sehr vielen Bereichen eingesetzt. Sie eignet sich auch für Kinder und ältere Menschen zur Behandlung psychischer Störungen oder zur Unterstützung bei körperlichen Erkrankungen. Betroffene haben mittels Kunsttherapie die Möglichkeit, sich ohne Worte auszudrücken. Daher ist dieses Therapieverfahren auch für Menschen mit Demenz oder geistiger Behinderung geeignet.

Auch Menschen, die bisher keinen oder kaum Kontakt zur Kunst hatten, können von der Kunsttherapie profitieren. Allerdings macht die Kunsttherapie nur dann Sinn, wenn sich der Betreffende darauf einlassen kann. Für Personen, die stark gehemmt sind und aus Versagensängsten heraus etwa keinen Pinsel in die Hand nehmen möchten, ist möglicherweise eine andere Therapieform geeigneter. Jedoch wäre die Überwindung dieser Ängste durch die Kunsttherapie bereits ein Therapieerfolg.

Welche Risiken birgt eine Kunsttherapie?

Der Kunsttherapeut muss nicht nur ein breites Wissen und Fertigkeiten im künstlerischen Bereich haben. Im therapeutischen Kontext sind auch psychotherapeutische Kenntnisse entscheidend. Kunsttherapeuten, denen dieses Wissen fehlt, können die Patienten schnell überfordern.

Bilder oder Plastiken können schmerzhafte Erinnerungen beim Patienten hervorrufen. Vor allem bei psychischen Störungen, aber auch bei Demenz kann so eine emotionale Überforderung entstehen, die sich negativ auf den Therapieverlauf auswirkt. In der Folge kann sich der psychische Zustand des Patienten verschlechtern. Ein erfahrener Kunsttherapeut kann solche Veränderungen im Patienten bemerken und ihnen gegensteuern.

Was muss ich nach einer Kunsttherapie beachten?

Nach einer kunsttherapeutischen Sitzung ist es sinnvoll, die Therapiestunde auf sich wirken zu lassen. Gefühle und Gedanken, die währende der Kunsttherapie auftauchen, benötigen einige Zeit zur Verarbeitung.

In manchen Fällen verschlechtert sich der Zustand der Patienten nach der Therapiesitzung. Wenn die Verschlechterung nur kurzfristig ist, besteht jedoch kein Grund zur Sorge. Die Auseinandersetzung mit schmerzhaften Gefühlen ist der erste Schritt für eine positive Veränderung. Bestehende Ängste oder Sorgen sollten Betroffene mit ihrem Kunsttherapeuten besprechen.

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