Burnout in der Schweiz: Statistik und Ursachen

Sie fühlen sich leer, antriebslos und sind nicht mehr leistungsfähig - Menschen, die an einem Burnout leiden. Burnout ist zwar keine offizielle medizinische Diagnose, aber ein in der Schweiz weit verbreitetes Leiden, das die neue Umfrage in aller Deutlichkeit zeigt: 17 Prozent der Erwachsenen haben ein Burnout erlebt, und 25 Prozent der Erwerbstätigen haben das Gefühl, wegen der Arbeit Burnout-gefährdet zu sein.

Die SRG wollte in diesem Wahljahr herausfinden, wie es der Bevölkerung in der Schweiz und den Schweizerinnen und Schweizern im Ausland geht und was sie besonders beschäftigt. Dafür hat sie das Forschungsinstitut GFS Bern mit einer der grössten Meinungsumfragen beauftragt, die es in diesem Land je gegeben hat. Über 57'000 Personen haben im April und Mai dieses Jahres daran teilgenommen.

Emotionale Erschöpfung in der Schweizer Arbeitswelt

Gemäss dem jüngsten Job-Stress-Index, der von der Stiftung Gesundheitsförderung Schweiz, der Universität Bern und der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften regelmässig durchgeführt wird, fühlen sich 30,3% der Erwerbstätigen emotional erschöpft. Das sind so viele wie noch nie. „Das alles sollte uns schon nachdenklich stimmen“, sagt Regina Jensen von Gesundheitsförderung Schweiz, eine Mit-Autorin des Job-Stress-Index.

Der Anteil erwerbstätiger Personen in der Schweiz mit einer emotionalen Erschöpfung liegt 2022 bei 30,3%. Dieser Indikator ist Teil des Monitoringsystems Sucht und NCD (MonAM) des Bundesamtes für Gesundheit (BAG). Eine emotionale Erschöpfung beinhaltet das Gefühl der Überbeanspruchung, des Energieverlustes und des «Ausgelaugtseins». Findet keine vollständige Erholung statt, können Stressreaktionen chronisch werden und die Gesundheit und das Wohlbefinden beeinträchtigen.

Der Indikator zeigt den Anteil der Erwerbstätigen im Alter von 16 bis 65 Jahren in der Schweiz mit einer emotionalen Erschöpfung. Um die emotionale Erschöpfung zu messen, wird das international etablierte Instrument von Demerouti et al. (2001) verwendet. Die Erschöpfungsskala (Skala zwischen 0-100) wurde in vier Gruppen eingeteilt: nicht erschöpft, leicht erschöpft, ziemlich erschöpft und sehr erschöpft.

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Die Daten für den Indikator wurden im Rahmen der Job-Stress-Index-Erhebung von Gesundheitsförderung Schweiz erhoben. Dabei handelt es sich um eine repräsentative Stichprobe von Erwerbstätigen in der Schweiz. Die Erhebungen wurden für alle verfügbaren Datenjahre mit jeweils rund 3000 Befragten durchgeführt. Die Erhebung von 2022 wurde im Zeitraum vom 4. Februar bis am 1. März 2022 durchgeführt. In diese Zeit fielen die Aufhebung der Homeoffice-Empfehlung und der Maskenpflicht (17. Februar) und der Beginn des Krieges von Russland gegen die Ukraine (24.

Komponenten eines Burnouts

Ein Burnout hat in der Regel drei Komponenten:

  1. Emotionale Erschöpfung: Das ist das Gefühl überbeansprucht, ausgelaugt zu sein, keine Energie mehr zu haben und sich nach der Arbeit nicht mehr erholen zu können.
  2. Verminderte Leistungsfähigkeit: Menschen, die an einem Burnout leiden, können sich häufig nicht mehr konzentrieren, sind fahrig, machen Fehler.
  3. Innere Abgrenzung: Die Betroffenen distanzieren sich von der Arbeit und den Arbeitskolleginnen und -kollegen, sind nicht mehr voll dabei und wirken abgestumpft. Ein Schutzmechanismus, der einsetzt, um mit der Überlastung fertig zu werden.

Burnout ist nicht als Krankheit klassifiziert, es gibt darum keine abschliessende Definition. Zudem kostet die Überlastung die Arbeitgebenden jährlich rund 6.5 Milliarden Franken, weil Arbeitskräfte ausfallen oder weniger produktiv sind. Letztere betragen laut der Studie rund 6,5 Milliarden Franken pro Jahr.

Ursachen und Risikofaktoren

Das Risiko für ein Burnout steigt, wenn eine Person über längere Zeit überlastet ist. Das heisst, wenn sie nicht genug Ressourcen hat, um den Stress zu kompensieren und sich zu erholen, kommt sie aus dem Gleichgewicht.

Aber wieso fühlen sich immer mehr Erwerbstätige ausgebrannt? Jensen nennt die höhere Arbeitsintensität und die ständige Erreichbarkeit. Dazu komme aber auch, dass heute mehr Arbeitnehmende krankheitshalber ausfallen und an vielen Orten sowieso Fachkräfte fehlten, beides erhöhe den Druck auf die übrigen Arbeitnehmenden.

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Nicht alle sind gleich stark gefährdet: Jüngere Erwerbstätige haben tendenziell weniger Ressourcen, um Belastungen aufzufangen als ältere, Frauen weniger als Männer. Eine mögliche Erklärung dafür ist, dass junge Erwachsene und insbesondere junge Frauen rund um die Familiengründung sowieso stark belastet sind, das macht sie anfälliger. Zudem erleiden Personen mit tiefen Einkommen häufiger ein Burnout als jene mit hohen Einkommen.

Auch in anderen europäischen Ländern sind viele Arbeitskräfte erschöpft. In der Schweiz arbeiten wir aber besonders viel - und das bei besonders hohem Tempo und Druck, das zeigt eine europaweite Untersuchung.

Nirgends in Europa ist das Arbeitstempo höher als in der Schweiz, besagt eine Studie. Ist das der Grund für die Häufung von Burnouts? Expert:innen raten von einer singulären Erklärung ab.

Die Rolle der Arbeitsbedingungen

Dabei seien die Arbeitsbedingungen nicht nur schlechter geworden, findet Baer. „Ich denke, vieles hat sich auch verbessert: Es gibt heute viel mehr Unterstützungsangebote für Angestellte, der Führungsstil ist meist weniger autoritär als früher, die Führungskräfte besser geschult.

Doch mehr als die Branche, sei es die Funktion, die eine Rolle bei der Gefährdung spiele. So seien es nicht die Manager, die am meisten unter Stress leiden würden, sondern Angestellte und Menschen im Niedriglohnsektor.

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Prävention und Umgang mit Burnout

Um das Burnout-Risiko zu stoppen, brauche es die Verantwortung von allen. Wichtig sei es, auf die ersten Anzeichen zu achten. „Viele der Konfliktsituationen könnte man abfedern, wenn man sie früh genug angeht“, sagt Baer. Aber auch die Arbeitgebenden seien in der Pflicht.

Für Baer muss nun jedoch der nächste Schritt folgen: „Wir müssen unseren Umgang mit und unsere Sicht auf psychische Probleme allgemein überdenken.“ Denn: Kaum einer bleibe in seinem Leben davon verschont.

Hilfreich wäre es auch, wenn die abklärende Ärzteschaft mit den Arbeitgebenden in Kontakt treten würden, um die Lage ganzheitlich zu betrachten.

Gleichzeitig zeigt die Studie auch, dass die Erwerbstätigen in der Schweiz die Belastungen besser bewältigen könnten als der europäische Durchschnitt. Erstere finden ihre Arbeit häufiger sinnvoll, haben eher das Gefühl, ihr Wissen und ihre Fähigkeiten einsetzen zu können, und vor allem sind sie mit der Bezahlung sehr zufrieden.

Regina Jensen gibt aber zu bedenken, dass auch in dieser europäischen Befragung ein Viertel angibt, überlastet zu sein: «Wenn wir uns bewusst machen, was diese Überlastung auch langfristig für die Gesundheit der Betroffenen bedeutet, müssen wir handeln.» Auch wenn wir besser abschneiden als andere Länder in Europa.

Job-Stress-Index: Belastung vs. Ressourcen

Der Job-Stress-Index wird ermittelt, indem die Belastungen der Erwerbstätigen mit den vorhandenen Ressourcen auf die Waage gelegt werden. Die Frage, was bei der Arbeit überwiegt, ergibt dann den Stress-Index.

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