Fast jede fünfte Person erkrankt im Laufe ihres Lebens an einer Depression. Für Betroffene wie für Angehörige ist dies eine schwierige Situation. Wenn ein nahestehender Mensch an einer Depression leidet, löst dies bei Angehörigen grosse Verunsicherung aus: Wie soll ich damit umgehen, wenn mein Mann plötzlich wie abwesend wirkt? Soll ich ihn ansprechen oder in Ruhe lassen?
Gut zu wissen ist zunächst Folgendes: Depressionen sind kein unumkehrbares Schicksal, sie lassen sich behandeln. Je früher man professionelle Hilfe sucht, desto höher sind die Heilungschancen.
Depressionen erkennen
Ob sich hinter einem Stimmungstief eine Depression verbirgt, ist für Aussenstehende nicht leicht zu erkennen. Verschiedene Symptome können auf eine Depression hinweisen. Dabei unterscheiden Fachleute zwischen Hauptsymptomen und Zusatzsymptomen. Als Hauptsymptome gelten etwa depressive Stimmung, Interessenverlust und Antriebslosigkeit, Nebensymptome sind beispielsweise Hoffnungslosigkeit, Schlafstörungen, vermindertes Selbstwertgefühl, Konzentrationsprobleme.
Jeder ist mal traurig oder deprimiert, diese Gefühlslagen sind ganz normal. Besonders nach einschneidenden Lebensereignissen wie einer Trennung, dem Tod einer geliebten Person oder dem Verlust des Arbeitsplatzes fühlen sich viele Menschen traurig und betrübt. Daraus kann sich eine Depression entwickeln, aber nicht jeder, der eine schwere Krise durchmacht, wird depressiv. Wenn die depressive Stimmung länger anhält, sollte der Betroffene sich an einen Arzt oder Psycholog*in wenden.
Wie man als Angehöriger unterstützen kann
Familie und Freund*innen können dazu beitragen, dass der Betroffene die Depression überwindet. Wichtig ist, ihnen zu vermitteln, dass sie nicht schuld sind. Eine zweite wichtige Botschaft: Depressionen lassen sich gut behandeln. Als Angehöriger ist man nicht die/der Therapeut*in und sollte daher nicht versuchen, in diese Rolle zu schlüpfen. Man kann mit viel Feingefühl begleiten, aber für die Therapie sind Fachleute zuständig. Hilfreich ist ein Netzwerk an Helfenden und ein offener Umgang mit dem Thema.
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Angehörige unterstützen den Patienten durch Geduld und Verständnis. Setzen Sie einen depressiven Menschen nicht mit Bemerkungen wie "Nun reiss dich doch ein bisschen zusammen" unter Druck - denn "Zusammenreissen" ist bei einer Depression nicht möglich. Auch Vorwürfe sind unangebracht und verschlimmern die Lage nur. Die Kranken machen sich ohnehin selbst starke Vorwürfe und leiden unter Schuldgefühlen aufgrund ihrer Depression. Die Beziehung aufrecht zu halten und den Betroffenen nicht aufzugeben, hilft, die Krankheit zu bewältigen.
Was man vermeiden sollte
- Sich zurückhalten sollte man sich mit schlauen Ratschlägen wie «Geh doch mal häufiger spazieren».
 - Verharmlosungen wie «Ich bin auch manchmal traurig».
 - Vorwürfen wie «Jetzt stell dich nicht so an».
 
Eine Depression ist eine Erkrankung und die sollte man als Angehöriger und Freund ernst nehmen. Betroffene haben häufig ein verzehrte Selbstwahrnehmung und fühlen sich schuldig.
Ebenfalls wichtig: Streiten Sie nicht mit Ihrem depressiven Angehörigen darüber, ob seine negative Sichtweise der Situation "objektiv" gerechtfertigt ist oder nicht. Auch das hat keine Aussicht auf Erfolg. Werten Sie die intensiv erlebten körperlichen Missempfindungen des Depressiven und seine Ängste vor einer körperlichen Erkrankung nicht als übertrieben oder "nur psychisch bedingt" ab. Denn depressive Menschen übertreiben ihr Erleben nicht.
Seien Sie vorsichtig mit gut gemeinten Ratschlägen: Empfehlen Sie einem depressiven Menschen beispielsweise nicht, mal richtig abzuschalten und für ein paar Tage zu verreisen. Gerade Menschen mit schweren Depressionen erleben in einer nicht vertrauten Umgebung ihre Freudlosigkeit manchmal noch weitaus schmerzhafter. Gute Ratschläge, die gesunden Menschen mit Problemen helfen, fruchten aber bei Depressiven nicht. Sie setzen den Patienten vielmehr unter Druck.
Keine Ratschläge zu erteilen, ist natürlich eine schwierige Aufgabe für Angehörige. Eine Depression ist aber definitiv nicht durch Aktivitäten und schöne Erlebnisse zu heilen. Depressive Menschen sind in ihren negativen Gedanken und Gefühlen gefangen und benötigen daher eine medikamentöse und/oder psychotherapeutische Behandlung.
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Suizidgedanken ernst nehmen
Bei einer schweren Depression verlieren Betroffene manchmal den Lebensmut. Suizidgedanken sind Teil der depressiven Störung und werden durch Hoffnungslosigkeit und starke Selbstzweifel verstärkt. Wenn Menschen mit einer Depression davon sprechen, sich das Leben zu nehmen, ist das ein ernstzunehmendes Warnsignal!
Meist steckt dahinter nicht ein wirklicher Sterbewunsch, sondern vielmehr die fehlende Kraft, SO weiter zu leben, beziehungsweise der Verlust der Hoffnung, dass die Situation sich auch wieder zum Besseren wenden kann. Sprechen Sie die Betroffenen darauf an, wenn er sich entsprechend äussert. Konkrete Pläne, wie der Suizid umzusetzen wäre, deuten drauf hin, dass der Schritt zur Durchführung nicht mehr weit sein könnte.
Bieten Sie an, gemeinsam in eine psychiatrische Notfallklinik zu fahren. Grundsätzlich: Sprechen Sie über Ihre eigenen Gefühle und Eindrücke. Wenn ich etwas für dich tun kann, sag es mir bitte.
Der Einfluss der Partnerschaft auf Depressionen
Die Qualität der eigenen Beziehung kann ein Risikofaktor für Depressionen darstellen und einen Einfluss auf den Beginn, die Dauer und Schwere der Erkrankung sowie das Rückfallrisiko haben. Wenn ich oder mein*e Partner*in depressiv sind, funktioniert die Kommunikation, das gemeinsame Problemlösen und die gemeinsame Stressbewältigung meist nicht mehr so gut. Wenn mein Partner depressiv ist, passiert es schnell, dass wir uns beide weniger öffnen, unterstützen (emotional aber auch konkret), Diskussionen vermeiden und nicht mehr gemeinsam nach Lösungen suchen.
Die Hoffnungslosigkeit, Reizbarkeit, Unruhe und Traurigkeit meines Partners haben auf die Dauer eine Auswirkung auf mich und auf das Klima zwischen uns. Ich ermüde und das anfängliche Verständnis verschwindet mit der Zeit und ich kritisiere oder ziehe mich zurück. Mein depressiver Partner fühlt sich in seinen Ängsten und seiner Hoffnungslosigkeit bestätigt und denkt, dass er nichts wert ist, nichts kann, nicht verstanden, nicht geliebt und abgelehnt wird. Deshalb klagt er vielleicht dann sogar noch mehr, wird noch resignierter...
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Ein tragfähiges soziales Netz und insbesondere eine befriedigende Partnerschaft gehören zu den stärksten Schutzfaktoren gegen Depressionen.
Was kann man tun, um den Teufelskreis zu durchbrechen?
Es gibt ganz viele Gründe, wieso wir an einer Depression erkranken und auch wenn langfristige Partnerschaftsschwierigkeiten zu einer Depression beitragen können, heisst das nicht, dass ich für die Depression meines Partners verantwortlich bin! Der Umgang mit einem depressiven Partner ist nicht einfach. Doch es gibt ein paar Hilfestellungen, die dazu beitragen können, dass es beiden Partnern in der Partnerschaft besser geht:
- Wenn ich meinem*r Partner*in zuhöre, kann ich versuchen, für das Verständnis zu zeigen, was ihn belastet und nicht für sein Klagen oder Weinen, sonst können wir beide in die negative Stimmung hineingeraten.
 - Wenn ich mich um Verständnis bemüht habe, darf ich ruhig auch Gegengewicht zu den negativen Gedanken und Erwartungen des*r Geliebten geben, ohne ihm dabei meine Meinung aufzudrängen.
 - Es kann uns sehr helfen, die Abmachung zu treffen, dass wir solche schwierigen Gespräche zeitlich begrenzen, z. B. auf eine halbe Stunde. Dann ist es für beide viel leichter, sich für diese begrenzte Zeit wirklich auf den anderen einzulassen und sich gut zuzuhören.
 - Damit die Schwere der Depression unsere Beziehung nicht erdrücken kann, brauchen wir Inseln des gemeinsamen Vergnügens, der Erholung und Regeneration. Was machen wir eigentlich gerne zusammen? Was könnten wir wieder einmal unternehmen? Was ist trotz der Depression möglich? Ich kann versuchen mit meinem Partner angenehme und lustvolle Aktivitäten (die möglich sind) aufzubauen. Vielleicht müssen wir dabei ein bisschen kreativ sein, um auf gute Ideen zu kommen.
 - Oft ist es hilfreich im Vorfeld gemeinsam Strategien für „Grübelsituationen“ zurechtzulegen. Wie kann mein Partner und wie kann ich reagieren, wenn wieder ein depressiver Schwall kommt?
 - Ich darf meine*n Partner*in ohne Vorwürfe animieren, etwas zu unternehmen und mit mir nach Lösungsmöglichkeiten zu suchen. Die Verantwortung sollte ich aber letztendlich ihm überlassen.
 - Bei aller Unterstützung darf ich nicht vergessen, auf mich selbst Acht zu geben. Wie geht es eigentlich mir und was sind meine Bedürfnisse? Dazu gehört auch, dass ich nicht alles alleine machen kann und muss. Ich darf auch gewisse Unterstützung delegieren - an die Selbsthilfegruppe, den Arzt oder den Psychotherapeuten.
 
Strategien zur Bewältigung für Angehörige
Angehörige bewältigen die depressive Erkrankung eines Familienmitglieds mit unterschiedlichen Strategien:
- Ein wenig Distanz: Besser ist es, für ein wenig Distanz zwischen sich und dem erkrankten Familienmitglied zu sorgen. Diese Art von Distanz erfordert allerdings, dass ein Stück der empfundenen Verantwortung an die erweiterte Familie, an Freunde oder auch an die erkrankte Person selbst abgegeben wird, und das ist nicht einfach.
 - Ansprüche reduzieren: Eine weitere Handlungsstrategie besteht darin, die Anforderungen an das erkrankte Familienmitglied gering zu halten und die eigenen Ansprüche an die Ordnung im Haushalt zu reduzieren.
 - Aktiv für die eigene Entspannung sorgen: Für die Angehörigen ist es wichtig, nach Möglichkeiten der eigenen Entspannung zu suchen. Was die einzelnen Angehörigen stärkt, ist sehr verschieden. Für eine Angehörige ist eine Selbsthilfegruppe und ihr Engagement dort eine Möglichkeit, als Angehörige Selbstbewusstsein und Stärke zu entwickeln, für andere kann es ein Treffen mit Freunden, ein Konzertbesuch, ein Abend in der Disco oder das regelmässige Treffen mit der Skatrunde sein. Wichtig ist, dass diese Situationen aktiv aufgesucht werden, denn andernfalls droht den Angehörigen der eigene Energieverlust.
 - Die eigene Situation relativieren: Wenn die Situation schwer zu ertragen ist, trösten sich einige der Angehörigen selbst damit, dass es Familien gibt, denen es noch schlechter geht.
 - Loslassen: Gerade Angehörige, die schon über viele Jahre mit der Erkrankung in der Familie leben, wissen, dass es für sie selbst leichter wird, wenn sie sich auch emotional abgrenzen. Das Stück emotionale Distanz ist einerseits eine Voraussetzung dafür, das Leben mit der Erkrankung auf Dauer zu ertragen, und andererseits dient es auch dazu, die erkrankte Person begleiten zu können.
 
Behandlung von Depressionen
Richtig behandelt, ist die Depression heutzutage häufig heilbar. Verschiedene internationale und nationale Fachgesellschaften haben Behandlungsrichtlinien erarbeitet, die sich am neusten Stand der Kenntnisse aller verfügbaren Therapieoptionen von Depressionen orientieren. Grundsätzlich gliedert sich eine antidepressive Therapie in die drei zeitlichen Abschnitte: Akuttherapie (erste 6-12 Wochen), Erhaltungstherapie (4-9 Monate) und einer allfälligen Rückfallprophylaxe (länger als ein Jahr).
Die adäquate Behandlung der Depression muss stets Psychotherapie beinhalten. An psychotherapeutischen Verfahren sind die kognitive Verhaltenstherapie (VT) und die interpersonelle Psychotherapie (IPT) aktuell am besten untersucht und in ihrer Wirksamkeit belegt.
Das Wirkprinzip der modernen Antidepressiva beruht hauptsächlich auf der Unterstützung und Erhöhung der Konzentration der Neurotransmitter (Botenstoffe) Serotonin, Noradrenalin und Dopamin an den Kontaktstellen der Neurone (Nervenzellen) im Gehirn. Entgegen eines immer noch vorhandenen und gefährlichen Unwissens, gibt es keine Belege, dass Antidepressiva abhängig machen oder eine Veränderung der Persönlichkeit bewirken.
Weitere Therapieformen
- Lichttherapie: Diese nahezu nebenwirkungsfreie Therapie hat sich nicht nur in der Behandlung der Winterdepression, sondern bei allen Depressionsformen als wirksam erwiesen. Jeden Morgen werden 30 bis 60 Minuten vor einer hellen Lichtquelle (2’500 bis 10’000 Lux) verbracht.
 - Schlafentzug: Eine Nacht ohne Schlaf verbessert die Stimmung.
 - Elektrokrampftherapie (EKT): Die EKT wird zur Behandlung therapieresistenter Depression und schwerer depressiver Episoden angewandt - in der Regel dann, wenn andere Therapieverfahren versagt haben oder nicht genügend wirksam waren.
 
Was Sie als Betroffener tun können
- Es ist äusserst wichtig, dass Sie sehr rasch eine ärztliche Behandlung aufsuchen, sei dies der Hausarzt oder Psychiater.
 - Seien Sie geduldig mit sich.
 - Wenn Sie Medikamente benötigen, nehmen Sie diese bitte genau nach ärztlicher Verordnung.
 - Planen Sie jeden Tag jeweils am Vorabend möglichst genau (z.B. mit einem Stundenplan).
 - Setzen Sie sich kleine und überschaubare Ziele.
 - Führen Sie ein Stimmungstagebuch.
 - Nach dem Aufwachen sollten Sie sofort aufstehen und das Bett verlassen.
 
Hilfsangebote
Die Deutsche DepressionsLiga und die Deutsche Depressionshilfe bieten entsprechende Beratungsangebote. Hilfe bei Depressionen bietet zudem die Telefonseelsorge unter der kostenlosen Rufnummer: 0800/111 0 111.
Es kann für Betroffene sehr hilfreich sein, sich einer Selbsthilfegruppe anzuschliessen, um sich unter Personen mit denselben Erfahrungen auszutauschen.
Es ist sehr wichtig, sich über die Krankheit Depression gut zu informieren. Oft ist dies im Rahmen eines gemeinsamen Termins beim behandelnden Arzt oder Psychotherapeuten möglich.
Helfen Sie mit, Geduld aufzubringen. Die Depression ist behandel- und heilbar, aber sie bessert sich meist in kleinen Schritten. Geben Sie Unterstützung zur Einhaltung der Therapie und zur regelmässigen Medikamenteneinnahme.
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