Habe Ich Eine Essstörung? Ein Selbsttest und Umfassende Informationen

Essstörungen sind schwere psychische Störungen, die in der Schweiz bei 3,5 Prozent der Bevölkerung auftreten. Oft beginnt es schleichend - etwa mit einer Diät in der Jugend. Der Trend von einem vorübergehend gestörten Essverhalten zu einer chronischen Erkrankung ist gross. Je früher die Essstörung erkannt und behandelt wird, desto höher sind die Heilungschancen.

Was sind Essstörungen?

Zentrales Merkmal einer Essstörung ist die andauernde Beschäftigung mit den Themen Essen, Figur und Körpergewicht. Essstörungen können mit einem selbst herbeigeführten Gewichtsverlust bis zum Untergewicht, Anfällen von Heisshunger mit Essattacken oder Erbrechen einhergehen. Dabei besteht oft eine Selbstwahrnehmung als zu dick, die als Störung des Körperschemas bezeichnet wird.

Essstörungen entstehen aufgrund von mehreren Faktoren. Dazu gehören biologisch-genetische Faktoren wie Geschlecht und individuelles Normalgewicht, aber auch Persönlichkeitsmerkmale wie ein geringes Selbstwertgefühl und Schwierigkeiten Stress zu bewältigen. Daneben können schwierige Familienkonstellationen oder das von den Medien verbreitete Schlankheitsideal eine Essstörung auslösen.

Die drei typischen Essstörungen und deren Symptome

  • Magersucht (Anorexia nervosa): Patienten mit Magersucht (Anorexie oder Anorexia nervosa) haben das krankhafte Verlangen, ihr Körpergewicht immer weiter zu reduzieren. Selbst wenn sie stark abgemagert sind, fühlen sie sich zu dick und wollen weiter abnehmen. Die Betroffenen verlieren durch krankhaftes Diäthalten rapide Gewicht - bis hin zu lebensbedrohlichen Zuständen. Oft scheint die Erkrankung im Rahmen einer Diät auszubrechen. Man weiss jedoch, dass Magersucht lange vor der Gewichtsabnahme beginnt. Sie wurzelt unter anderem in einem mangelden Selbstwertgefühl und ist stark genetisch mitgeprägt.
  • Ess-Brech-Sucht (Bulimia Nervosa): Patientinnen und Patienten mit Bulimia Nervosa oder Ess-Brech-Sucht leiden unter regelmässigen Essattacken, bei denen innerhalb kurzer Zeit eine grosse Menge an Nahrungsmittel gegessen werden. Dabei erleben die Betroffenen einen Kontrollverlust verbunden mit einem hohen Leidensdruck. Die durch den Essanfall befürchtete Gewichtszunahme wird versucht mit Hilfe verschiedener Verhaltensweisen (u.a. selbstinduziertes Erbrechen, übermässigem Sport oder dem Missbrauch von Abführmitteln oder Entwässerungsmitteln) entgegenzuwirken.
  • Esssucht (Binge-Eating-Störung): Die Binge-Eating-Störung oder Esssucht ist gekennzeichnet durch wiederholte Essattacken, bei denen grosse Mengen an Nahrungsmitteln gegessen werden. Im Gegensatz zu der Erkrankung der Bulimia Nervosa kommt es bei den Betroffenen jedoch nicht zu gegensteuerndem Verhalten wie beispielsweise Erbrechen. Der Essanfall wird als sehr belastend erlebt und ist oft mit aversiven Gefühlen wie Ekel und Scham begleitet.

Kennzeichnend für Essstörungen können folgende Symptome sein:

  • Ständige Sorgen um Gewicht und Essen
  • Nahrungsverweigerung oder unkontrollierte Essanfälle
  • Heimliches Essen
  • Angst vor Gewichtszunahme
  • Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper
  • Somatische Beschwerden
  • Hoher Leidensdruck

Wie wird die Diagnose gestellt?

Um eine Diagnose zu stellen, wird zunächst ein ausführliches Gespräch geführt. Organische Ursachen und gestörtes Essverhalten in Folge einer anderen psychischen Erkrankung müssen ausgeschlossen werden. Es werden weitere verschiedene Untersuchungen durchgeführt. Dazu gehören:

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  • ausführliches Gespräch, teilweise auch Tests mit Fragebögen oder umfassende Interviews
  • familiäre Vorgeschichte, Erkrankungen der Eltern und Essverhalten in der Familie
  • biografische Vorgeschichte einschliesslich möglicher emotionaler Vernachlässigung und Missbrauch
  • Vorliegen weiterer psychischer Störungen wie Depressionen, Angststörungen, Substanzmissbrauch und -abhängigkeit (Alkohol, Drogen, Medikamente) oder Persönlichkeitsstörungen
  • umfassende medizinische Untersuchung (Labor, EKG)

Weitere Untersuchungen:

  • Bestimmung von Gewicht und Körpergrösse zur Berechnung des Body-Mass-Index (kg/m2)
  • Messung von Blutdruck, Puls, Körpertemperatur
  • Kontrolle der Durchblutung und Prüfung, ob aus den Gefässen Flüssigkeit austritt (Ödeme)
  • Untersuchung der Herzfunktion
  • Blutuntersuchung
  • Urinuntersuchung
  • Untersuchung der Leber und Niere

Magersucht-Test zur Selbstbeurteilung

Der bekannteste Magersucht-Test zur Selbstbeurteilung ist der "Eating Attitude Test" (EAT) von Garner und Garfinkel. Der EAT umfasst 26 Aussagen zum Essverhalten sowie zur Haltung bezüglich Figur und Gewicht. Sie werden auf einer Skala von "immer“ bis "nie" beantwortet.

Beispiele für Aussagen im EAT sind:

  • "Ich vermeide zu essen, wenn ich hungrig bin."
  • "Ich vermeide vor allem Lebensmittel mit Zucker."
  • "Andere Menschen denken, dass ich zu dünn bin."
  • "Ich habe das Bedürfnis, mich zu übergeben, wenn ich gegessen habe."
  • "Ich bin von dem Wunsch schlanker zu sein besessen."

Einige Fragen aus einem Selbsttest zu Essstörungen:

  1. Kontrollieren Sie stark, was Sie essen, zum Beispiel durch das Zählen von Kalorien, strenge Diätpläne oder das Vermeiden von «Dickmachern»?
  2. Glauben Sie einschätzen zu können, welche Essensportionen angemessen sind?
  3. Haben Sie Angst, zu viel zu essen und dadurch zuzunehmen?
  4. Fühlen Sie sich übergewichtig, obwohl Ihnen andere Menschen sagen, dass Sie normal- oder untergewichtig sind?
  5. Essen Sie häufig weiter, obwohl Sie schon satt sind?
  6. Essen Sie manchmal zu viel, um Stress auszugleichen («Frustessen»)?
  7. Haben Sie Schuldgefühle, wenn Sie bestimmte Nahrungsmittel essen (zum Beispiel besonders kalorienreiche Produkte)?
  8. Vernachlässigen Sie andere Dinge, weil Sie viel Energie damit verwenden, Ihre Mahlzeiten zu planen, oder Kalorien zu zählen?
  9. Wenn Sie viel gegessen haben, überlegen Sie dann, wie Sie die Kalorien wieder loswerden könnten?
  10. Fällt es Ihnen schwer, spontan aus Lust etwas zu essen und dies zu geniessen?
  11. Haben Sie das Gefühl, beim Essen regelmässig die Kontrolle zu verlieren, sodass Sie zum Beispiel plötzlich grosse Mengen zu sich nehmen oder sehr unregelmässig essen?
  12. Sind Sie in Gedanken häufig damit beschäftigt, wie viel und was Sie essen können?

Wie werden Essstörungen behandelt?

Je früher die Therapie beginnt, desto besser ist die Prognose. Früherkennung und therapeutische Unterstützung können in vielen Fällen dafür sorgen, dass es gar nicht erst zu einer krankhaften Essstörung kommt. Psychotherapie ist die Behandlungsmethode der ersten Wahl (kognitive Verhaltenstherapie, interpersonelle Therapie). Insbesondere bei magersüchtigen Patientinnen im Jugendalter ist die Einbindung der Familie in die Psychotherapie ratsam (Angehörigenberatung).

Ein BMI von mindestens 15 ist Voraussetzung für eine weitergehende psychotherapeutische Behandlung. Eine Hospitalisierung sollte in enger Zusammenarbeit mit psychologisch-psychiatrisch geschulten Personen erfolgen, wenn das Körpergewicht deutlich unter dem Normalgewicht liegt (BMI < 12) und/oder lebensbedrohliche Situationen oder schwere Störungen des Elektrolyt-Haushalts vorliegen.

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Welche Ziele können mit der Psychotherapie bei Essstörungen erreicht werden?

  • Normalisierung des Essverhaltens und Gewichts
  • falsche Körperideale über Schlankheit und Gewicht zu korrigieren
  • gestörte Wahrnehmung des eigenen Körpers und Gewichts ändern (Förderung von Selbstwahrnehmung, Körpertherapie)
  • angemessenes Selbstwertgefühl und soziale Kompetenzen entwickeln
  • nicht funktionierende Emotions- und Impulsregulation bearbeiten

Was ist wichtig in der Therapie?

Grundsätzlich gibt es keine nachgewiesene medikamentöse Therapie für Essstörungen. Medikamente werden nur bei gleichzeitig auftretenden psychischen Erkrankungen eingesetzt.

Magersucht: Verlauf und Prognose

Eine Anorexia nervosa kann individuell sehr unterschiedlich verlaufen. Grundsätzlich gilt: Je jünger die Patienten und Patientinnen sind, desto besser sind die Heilungschancen. Ausserdem hängt die Prognose auch massgeblich davon ab, wie niedrig das Gewicht ist, wie lange der Betroffene schon magersüchtig ist und welche körperlichen und mentalen Ressourcen er hat. Zudem ist die Unterstützung des sozialen Umfelds und vor allem der Familie extrem wichtig für die Genesung der Magersüchtigen.

Ein Teil der Magersüchtigen kann nicht vollständig geheilt werden. Man geht heute davon aus, dass rund ein Drittel der Magersüchtigen lebenslang mit der Krankheit zu kämpfen hat. Auch nach einer Gewichtsnormalisierung hält bei manchen Betroffenen die verzerrte Einstellung zu Gewicht und Figur an.

Ungefähr 30 Prozent der Betroffenen entwickeln - ausgehend von der Magersucht - eine andere Essstörung: Bulimie (Ess-Brech-Sucht). Das Verhalten der Magersüchtigen wandelt sich vom vermeidenden zum gegensteuernden bulimischen Verhalten.

Es ist nicht überraschend, dass eine Magersucht, die bereits in der Kindheit oder der frühen Jugend beginnt, besonders gravierende Folgen hat: Erhebliche Entwicklungsverzögerungen, sowohl körperlich als auch geistig, sind eine typische Folge der Mangelernährung. Der Eintritt der Pubertät verzögert sich, und das Wachstum ist gestört.

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Die körperlichen Auswirkungen der Magersucht sind oft schwerwiegend, denn die Mangelernährung schädigt die meisten wichtigen Organe. Nicht immer erholt sich der Körper davon vollständig. Manche Folgen wie eine reduzierte Knochendichte oder Unfruchtbarkeit können auch nach einer Gewichtsnormalisierung bestehen bleiben.

Magersucht ist eine sehr gefährliche psychische Erkrankung. Bei einem Teil der Patienten endet die Krankheit tödlich - entweder wegen der massiven Mangelerscheinungen oder aufgrund von Suizid als Folge der begleitenden Depression.

Die Genesung ist ein langwieriger Prozess mit Fort-, aber oft auch mit Rückschritten. Auch nach einem Klinikaufenthalt ist eine längere therapeutische Betreuung notwendig. Aber die gute Nachricht ist: Die Anstrengung lohnt sich.

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