Wenn Freunde psychisch leiden: Wie man helfen und sich selbst schützen kann

Psychische Erkrankungen sind ein sensibles Thema, das viele Menschen betrifft. In der Schweiz unterstützen 2.1 Millionen Menschen eine Person, die psychisch krank ist. Wenn sich eine Freundin oder ein Freund plötzlich verändert, entsteht oft die Frage: Wie sage ich es ihr oder ihm? Es ist wichtig, die Situation richtig einzuschätzen und zu erkennen, ob Handlungsbedarf besteht.

Anzeichen erkennen und richtig ansprechen

Oft ist der Eindruck, dass sich eine Person verändert hat, eher vage. Man bemerkt ungewöhnliches Verhalten wie Rückzug, aggressives Auftreten, Wesensveränderungen oder nicht nachvollziehbare Entscheidungen. Nach solchen Irritationen beobachtet man die Person oft verstärkt und sucht weitere Hinweise. Es entstehen erste Befürchtungen, die die Unbefangenheit im Kontakt mit der Person beeinträchtigen.

Es ist wichtig, nicht mit der Tür ins Haus zu fallen und fertige Bilder zu präsentieren. Aussagen wie «Wir denken, du bist manisch-depressiv, wir haben dir schon mal eine Adresse rausgesucht …» werden als verletzend und übergriffig empfunden. Auch Versuche, das Problem «durch die Blume» anzusprechen, bringen meist nichts. Stattdessen sollte man zurück auf null gehen und «den Ball flach halten».

Statt zu grübeln und zu deuten, sollte man sich fragen: Was nehme ich eigentlich konkret wahr? Es ist auch wichtig, sich selbst achtsam wahrzunehmen: Was löst die Situation bei mir aus? Warum will ich sie ansprechen? Was sind meine Ziele?

Ein respektvolles Feedback geben

Ein Feedback sollte persönlich, konkret und respektvoll sein: «Mir scheint, dass du in letzter Zeit ein paar heftige Entscheidungen getroffen hast (…).» Dann beschreiben Sie, was das bei Ihnen bewirkt: «Das macht mir Sorgen, und ich frage mich, ob es dir wohl gut geht.» Bitten Sie um die Einschätzung des anderen: «Es interessiert mich, ob du das ähnlich siehst oder ganz anders wahrnimmst.»

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Diskutieren Sie nicht darüber, wer recht hat. Hören Sie zu, lassen Sie das Feedback wirken. Später können Sie das Thema wieder aufnehmen: «Ich erlebe dich immer noch als sehr gehetzt. Ich bin unsicher, ob du das selbst auch merkst. Ich möchte dich gern unterstützen.» So kann ein echter Dialog entstehen, in dem auch schwierige Befindlichkeiten Platz haben.

Psychische Notfälle

Sehr selten gibt es aber auch Situationen, in denen ein Mensch massiv «aus den Fugen» zu geraten scheint, einem totalen Rückzug aus der Alltagswelt, paranoiden Wahnvorstellungen oder Gewaltfantasien. Wenn jemand wirklich gefährdet ist oder andere gefährdet, ist ein besonnenes und beherztes Vorgehen nötig. Zögern Sie in einer unberechenbaren Situation nicht, sich professionelle Unterstützung zu holen, beim Notfallpsychiater oder bei der Polizei.

Wie man für Betroffene da ist und sich abgrenzt

Es kann sehr belastend sein, wenn eine nahestehende Person depressiv oder suizidal ist. Die Hälfte der Angehörigen sagt, sie hätten Angst um die betroffene Person oder würden sich Sorgen machen. Es ist wichtig zu verstehen, dass es schwierig sein kann zu wissen, was die Freundin oder der Freund braucht, aber es ist wichtig, trotzdem zu versuchen, sie oder ihn aus dem Tief zu holen, zum Beispiel mit einem Picknick-Ausflug oder einem Besuch an der Chilbi.

Freundschaften, in denen beide Personen psychische Probleme haben, können Herausforderungen mit sich bringen, wie Schwierigkeiten bei der Abgrenzung oder der richtige Umgang mit Konflikten. Es ist wichtig, Strategien zu entwickeln, um auf die mentale Gesundheit achtzugeben, etwa mit gemeinsamem Meditieren im Wald.

Krankheit ist keine Schwäche

Viele Betroffene versuchen lange, eine Fassade aufrechtzuerhalten und leiden unter Scham- und Schuldgefühlen. Noch schwerer fällt es oft den Angehörigen zu erkennen, dass ihr Partner, die Freundin, das eigene Kind unter einer psychischen Erkrankung leidet. Es ist wichtig, das Problem klar anzusprechen und den Elefanten im Raum nicht länger zu ignorieren.

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Viele Angehörige erleben dann aber, dass sie bei den Betroffenen offene Türen einrennen. Oft sei die Erleichterung der Betroffenen gross, wenn ihre Nöte gesehen und ernst genommen würden, wenn sie mit jemandem darüber sprechen könnten. Es ist wichtig zu zeigen: Das ist keine Schwäche, sondern eine Erkrankung.

Tatsächlich ziehen sich lockere Bekanntschaften in einer solchen Phase häufig zurück - das Netzwerk wird kleiner. Aber: „Funktionierende Partnerschaften bleiben meist bestehen, und auch gute Freunde halten sehr oft durch“, beruhigt Deister. Ebenso wichtig sei es aber auch, klar zu machen, dass der Betroffene Verantwortung für seine Krankheit übernehmen und professionelle Hilfe annehmen muss.

Konkrete Hilfe anbieten

Unterstützen können Angehörige einem Betroffenen nicht nur, indem sie ihm zuhören und ihn bestärken, sich in professionelle Behandlung zu begeben, sondern auch durch ganz praktische Hilfe. Da gilt es Termine mit Hausarzt oder Psychiater zu vereinbaren, Listen mit mit möglichen Therapeuten abzutelefonieren, den Betroffenen notfalls zum Termin zu chauffieren. Bei allem Engagement sollten Angehörige sich aber nicht selbst zum Therapeuten machen: „Man muss rechtzeitig erkennen, dass man unterstützen, aber das Problem nicht lösen kann.“

Was tun, wenn die Krankheitseinsicht fehlt?

„Wenn jemand nicht die Einsicht hat, krank zu sein, wird man ihn nicht überzeugen können, Hilfe zu suchen“, warnt Deister. In einzelnen schweren Fällen müssten die Angehörigen dann die Verantwortung übernehmen und dafür sorgen, dass der Betroffene notfalls auch gegen seinen Willen behandelt wird, weil man ihn anders nicht schützen kann. Und dann gibt es auch noch die Fälle, in denen der Betroffene schlicht nicht bereit ist, sich helfen zu lassen. „Dann muss man sich trennen und gehen. Das ist dann sehr traurig, aber dann ist es manchmal so“, sagt der Psychiater.

Oberstes Gebot: Auch auf sich selbst achten

Sein Rat an alle Angehörigen: „Achtet auf euch selbst und holt euch im Zweifel Hilfe!“ Sich aufzuopfern, funktioniert auf Dauer nicht. Kraft tanken in der Begegnung mit psychisch gesunden Menschen, Hobbies pflegen, sich Freiräume schaffen - das sind Voraussetzungen, um nicht selbst krank zu werden. Hilfreich kann es auch sein, sich angesichts der Belastung selbst eine therapeutische Unterstützung zu suchen. Insbesondere aber gibt der Austausch mit anderen Angehörigen Kraft.

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Psychische Erkrankungen sind häufig, sie sind behandelbar und die meisten Betroffenen werden wieder gesund. Entscheidend ist, dass man sich Hilfe holt.

Unterstützungsangebote

Für Angehörige und Nahestehende gibt es vielfältige Unterstützungsangebote: Hilfe zur Selbsthilfe bieten die Vereinigung von Angehörigen psychisch Kranker Bern (VASK) und Stand by You Schweiz. Fachliche Unterstützung erhalten Sie auf den Angehörigenberatungsstellen psychiatrischer Kliniken.

Wenn Sie aus irgendeinem Grund das Bedürfnis haben, sich professionelle Hilfe zu holen, sollten Sie dies auch tun und die nötigen Schritte unternehmen. Wenn Ihnen das schwerfällt, können Sie Ihre Hausärztin oder ihren Hausarzt oder eine Ihnen nahestehende Person bitten, Sie dabei zu begleiten. Sie können sich auch an eine Vereinigung oder eine Selbsthilfegruppe wenden.

Die Stiftung Pro Mente Sana ist Anlaufstelle für Menschen in psychischen Belastungssituationen (z. B. mit Depressionen oder in Lebenskrisen), deren Angehörige und Fachleute. Eine erste Anlaufstelle ist die Dargebotene Hand unter der Telefonnummer 143.

Warnsignale erkennen

Vielleicht vermuten Sie, dass eine nahe Person in einer psychischen Krise steckt oder psychisch krank wird. Sie sind sich jedoch nicht sicher. Unser Fragebogen für Angehörige kann Ihnen wichtige Hinweise liefern. Lesen Sie ihn in Ruhe durch und beantworten Sie die Fragen.

  • Hat die Person in letzter Zeit oft heftige Gefühle? Zum Beispiel: Ist sie manchmal sehr traurig oder sehr fröhlich?
  • Wechseln die Gefühle der Person sehr schnell?
  • Schläft die Person schlecht und wenig?
  • Wie ist es in der Schule, im Studium, in der Ausbildung oder im Beruf: Hat die Person weniger Lust zum Arbeiten oder Lernen?
  • Kann die Person nicht mehr so gut arbeiten?
  • Trifft die Person kaum noch Freunde oder Familie?
  • Bezieht die Person alles auf sich?
  • Fühlt sich die Person oft angegriffen?
  • Redet die Person schlecht über sich selbst?

Haben Sie mehrere Fragen mit «Ja» beantwortet? Dann kann das ein Warnsignal sein.

Wie man helfen kann

  • Reden Sie darüber. Und hören Sie offen zu.
  • Fragen Sie die Person, wie es ihr geht. Erzählen Sie ihr, was Ihnen aufgefallen ist. Sagen Sie ihr, weshalb Sie besorgt sind.
  • Hören Sie ihr offen und aufmerksam zu. Versuchen Sie nachzuempfinden, was die andere Person fühlt. Sie müssen für sie keine Lösungen finden. Es reicht, wenn sie Anteil nehmen.
  • Bieten Sie Hilfe an. Machen Sie Mut.
  • Warten Sie nicht, bis eine Person um Hilfe bittet. Bieten Sie selbst Unterstützung an.
  • Sagen Sie der Person, dass es auch professionelle Hilfe gibt. Das kann Hoffnung und Zuversicht schenken. Sie können die Person über Hilfsangebote informieren. Sie können sie auch ermutigen, einen Arzttermin zu organisieren.

Die meisten Menschen, die an Suizid denken, tönen dies vorher an oder geben entsprechende Hinweise. Folgende Warnsignale sollten Sie ernst nehmen: vernachlässigt ihren Körper.

Sie befürchten, dass jemand in Ihrem Umfeld an Suizid denkt? Dann können Sie dieser Person helfen. Sprechen Sie die Person offen auf Ihre Beobachtungen an. Damit lösen Sie keinen Suizidversuch aus. Besonders zentral ist dabei, ohne Vorurteile zuzuhören.

Statistik

In der Schweiz ist etwa jede zweite Person im Laufe des Lebens einmal von einer psychischen Krise betroffen.

Zusammenfassung

Es ist wichtig, Anzeichen von psychischen Problemen bei Freunden und Angehörigen ernst zu nehmen und offen darüber zu sprechen. Bieten Sie Unterstützung an, hören Sie zu und ermutigen Sie die Person, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Achten Sie auch auf Ihre eigene Gesundheit und suchen Sie sich Unterstützung, wenn Sie selbst unter der Situation leiden. Psychische Erkrankungen sind behandelbar, und mit der richtigen Unterstützung können Betroffene wieder gesund werden.

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