Eine schwere Depression (major depression) ist eine psychische Krankheit, die sich darauf auswirkt, wie man sich fühlt, denkt und verhält. Dieser Zustand kann zu verschiedenen emotionalen und körperlichen Problemen führen. Es kann schwierig sein, normale tägliche Aktivitäten zu verrichten und das Gefühl der Hoffnungslosigkeit ist sehr groß. Depressionen können eine langfristige Behandlung erfordern.
Verbreitung und Risiken von Depressionen
In der Schweiz leiden 7,8 Prozent der Männer und 9,5 Prozent der Frauen an einer schweren Depression. Die Angaben des Bundesamts für Statistik beziehen sich auf das Jahr 2017, aber die Grössenordnung dürfte auch heute noch zutreffen. Die Gefahr, irgendwann im Laufe des Lebens an einer Depression zu erkranken, beträgt im Kanton Zürich gemäss einer 2016 von Prof. Jules Angst publizierten Studie rund 32 Prozent, während man in internationalen Studien ein Lebenszeitsrisiko von rund 20 Prozent ermittelte.
Die schwere Depression ist in vielerlei Hinsicht eine gefährliche Krankheit. Depressionen sind mit einer um 5 bis 10 Jahre verminderten Lebenserwartung verbunden sowie mit einer erhöhten Anfälligkeit für eine Reihe chronischer Erkrankungen, deren Verlauf sie zusätzlich verschlechtern.
Behandlung und Therapie
Depressionen sind prinzipiell behandelbar, aber man schätzt, dass allenfalls nur die Hälfte der Betroffenen behandelt wird. Doch selbst wenn ein Patient mit einer schweren Depression den Weg zu einem Therapeuten findet, stehen seine Chancen auf Remission nach den ersten beiden Behandlungszyklen allenfalls fifty-fifty. Gemäss einer 2006 publizierten Studie darf nur etwa die Hälfte der Patienten in ambulanter Therapie nach maximal 2 Behandlungsrunden auf Remission hoffen. Danach sackt die Remissionsrate steil nach unten ab: In der 3. Behandlungsrunde beträgt die Erfolgsrate nur noch 12 bis 20 Prozent und in der 4. Runde 7 bis 10 Prozent. Insgesamt gelten letztlich 30 Prozent aller Patienten mit einer schweren Depression als therapieresistent.
«Vielleicht sollten wir angesichts solcher Zahlen bei der Depression eher von einer chronischen rezidivierenden Erkrankung sprechen», sagte Brühl. Für diese Sichtweise sprechen die bereits 1994 von der American Psychiatric Association (APA) ermittelten Daten, denen zufolge die Rückfallwahrscheinlichkeit nach der ersten Episode einer schweren Depression in den ersten beiden Jahren nach der Behandlung 50 Prozent beträgt und die Wahrscheinlichkeit, dass es dazu irgendwann im weiteren Leben kommen wird, sich auf 80 Prozent beläuft. Demnach wird nur 1 von 5 Patienten mit einer schweren Depression nach der ersten Episode keine weitere erleiden.
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Auch in der neueren Literatur findet das Konzept, die schwer behandelbare Depression als chronisch rezidivierende Erkrankung zu betrachten, Anklang: Man müsse die Prognose bei schwerer Depression überdenken, denn «die vollständige Genesung ist eher die Ausnahme als die Regel», so beschreiben Prof. Brenda Penninx, Universitäre Psychiatrie Amsterdam, und ihre Co-Autorinnen die lebenslangen Aussichten auf einen Therapieerfolg bei schwerer Depression.
Es ist von großer Bedeutung, Depressionen nicht zu lange unbehandelt zu lassen, da sich dieser Zustand auf sämtliche Lebensbereiche negativ auswirken kann. Es gibt jedoch wirksame Behandlungsmöglichkeiten, die eine Besserung ermöglichen.
Ursachen für Entmutigung und Therapieresistenz
Bei rund 30 Prozent der Patienten mit einer schweren Depression bleibt der Erfolg auch nach 4 Behandlungszyklen aus. Zunächst sind viele potenzielle Ursachen für das Versagen der initialen Pharmakotherapie abzuklären. Dazu gehört auch die Betrachtung des Patientenumfelds: Ist ein Therapieerfolg angesichts der psychosozialen Belastung überhaupt wahrscheinlich? Naheliegend ist das Überprüfen der Dosis und der Compliance des Patienten: Wurde das Medikament tatsächlich und lange genug eingenommen? Die Bestimmung der Plasmaspiegel kann hier weiterhelfen.
Ebenso naheliegend, aber mitunter nicht genügend berücksichtigt, ist die Überprüfung der Diagnose: Stimmt sie wirklich, und kennt man tatsächlich alle Komorbiditäten? «Komorbidität ist eher die Regel als die Ausnahme», sagte Brühl. Dabei geht es gleichermassen um somatische Differenzialdiagnosen, wie zum Beispiel Schlafapnoe, und psychische Erkrankungen: «Seien Sie nicht überrascht, wenn Ihnen Patienten erst nach Jahren erzählen, dass sie beispielsweise eine Zwangsstörung haben.» Auch eine unerkannte Bipolarität könne die Ursache für das Therapieversagen sein, denn Antidepressiva wirken nicht so gut bei bipolaren Patienten. Diese Patienten benötigen Lithium.
Eine weitere Ursache könne die gleichzeitige Gabe von stimulierenden Antidepressiva und hoch dosierten Beruhigungsmitteln sein, etwa wegen einer komorbiden Angststörung, womit man sozusagen «gleichzeitig auf Gas und Bremse» stehe, sagte die Referentin.
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Umgang mit Therapieresistenz
Sie betonte, dass die neue Sicht auf die schwere Depression als chronisch rezidivierende Krankheit kein Grund für therapeutischen Nihilismus sei. Vielmehr müsse oberstes Ziel jeder Behandlung sein, möglichst rasch eine Remission zu erreichen und diese möglichst zu erhalten. Leitlinien seien dabei sehr hilfreich: «Welche Depressionsleitlinien Sie befolgen, ist nicht entscheidend. Wichtig ist, dass Sie es tun. Bei einer schweren Depression sollte grundsätzlich immer eine Psychotherapie erfolgen, wobei verschiedene Formen infrage kommen.
Besonders wichtig ist das Monitoring mittels standardisierter Hilfsmittel einmal pro Woche: «Messen Sie das Ergebnis der Therapie, egal mit welchem Score», riet Brühl. Auf die Auskunft des Patienten, es gehe ihm besser oder schlechter als letzte Woche, darf man sich nicht verlassen, denn solche Aussagen sind auch von der Tagesform des Patienten abhängig. Als Erfolg gilt eine Besserung um mindestens 50 Prozent. Im Grunde kann man die Wirksamkeit der Therapie bereits nach 2 Wochen beurteilen, aber spätestens nach 4 Wochen steht der Entscheid an, ob das Medikament gut genug wirkt, um weitergeführt zu werden: «8 Wochen zu warten, ist sicher viel zu lang!»
Bei der Wahl des Antidepressivums geht es vor allem um die Frage, welche Substanz am besten zu dem Patienten passt, denn «die Antidepressiva unterscheiden sich nicht relevant in der Wirksamkeit». Zu den Auswahlkriterien gehören Kriterien wie die Verträglichkeit, das Überdosierungsrisiko, das Handling (Titration, Kontrollen) und die Patientenpräferenzen bezüglich der Wirkungen und Nebenwirkungen. Wichtig sind auch Komorbiditäten. So sollten bei einer gleichzeitig bestehenden Zwangsstörung Serotoninwiederaufnahmehemmer (SSRI) oder Clomipramin zum Einsatz kommen, bei ADHS Noradrenalinwiederaufnahmehemmer (NRI).
Nicht medikamentöse Therapiemassnahmen sind die Lichttherapie, die nur im Winter wirksam ist, sowie die Elektrokrampftherapie (s. unten) und der Schlafentzug.
Elektrokonvulsionstherapie (EKT)
Bleibt der Erfolg weiterhin aus, ist gemäss den Leitlinien die Elektrokonvulsionstherapie (EKT) die nächste Option. Sie hat eine hohe Wirksamkeit von 50 bis 70 Prozent bei therapieresistenter uni- oder bipolarer Depression; ohne Therapieresistenz liegt die Erfolgsrate bei 70 bis 90 Prozent. Aber auch hier gilt: «Je länger die Vorbehandlungszeit, umso schlechter die Wirksamkeit», sagte Brühl. In Deutschland gilt es mittlerweile als ärztlicher Fehler, wenn man Patienten über diese Option nicht informiert.
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Esketamin-Nasenspray
Eine neue Option, die nach der nächsten Leitlinienaktualisierung in der Behandlung von Patienten mit therapieresistenter, schwerer Depression möglicherweise einen Platz vor der EKT einnehmen könnte, ist das Esketamin-Nasenspray, das kürzlich in der Schweiz zugelassen wurde (Spravato®). Ketamin ist eine altbekannte Substanz, die seit 1970 als Anästhetikum zugelassen ist. Die antidepressive Wirkung des Ketamins ist seit etwa 20 Jahren bekannt, und es wurde dafür off label i.v. eingesetzt. Es handele sich um eine prinzipiell sichere Substanz, sagte die Referentin.
Zugelassen ist das Esketamin-Nasenspray in Kombination mit einem SSRI oder SNRI zur Behandlung von Erwachsenen mit behandlungsresistenter schwerer Depression, die in der gegenwärtigen mittelgradigen bis schweren depressiven Episode kein Ansprechen auf mindestens zwei verschiedene Antidepressivatherapien gezeigt haben. Die häufigsten Nebenwirkungen sind Dissoziation, Schwindel, Übelkeit, Sedierung, Kopfschmerz, Dysgeusie, Hypästhesie, erhöhter Blutdruck, Angst und Erbrechen.
Der Blutdruck sollte etwa 40 Minuten nach Anwendung des Nasensprays erneut kontrolliert werden, gegebenenfalls auch länger. Kontraindiziert bei Patienten, für die der Anstieg des Blutdrucks oder des intrakraniellen Drucks ein schwerwiegendes Risiko bedeuten würde.
Symptome einer Depression
Typische Symptome einer Depression umfassen unerklärliche Traurigkeit, Verlust von Interesse und Freude, anhaltende Entmutigung, körperlichen Verfall, übermäßige Müdigkeit, Konzentrationsstörungen sowie Schlaf- und Appetitlosigkeit.
Meist äußert sich eine Depression in folgenden Symptomen:
- Bedrücktheit, große Traurigkeit
 - Antriebsschwäche, fehlende Energie
 - Starke Ängstlichkeit
 - Hoffnungslosigkeit
 - Das Gefühl, auf Situationen nicht mehr adäquat reagieren zu können
 
Hierzu können sich körperliche Signale gesellen wie mangelnder Appetit, Gewichtsverlust und Schlafstörungen. Es gibt aber auch atypische Symptome der Depression, die nicht immer erkannt oder richtig zugeordnet werden. Das sind z.B. eine Gewichtszunahme und ein erhöhtes Schlafbedürfnis.
Tipps für Betroffene und Angehörige
Die Lügen, die eine Depression erzählt, isolieren und entmutigen Betroffene. Eine der Wahrnehmung verzerrenden Lügen lautet zum Beispiel: "Dir wird es nie wieder besser gehen". Was es daher dringend braucht: Ein Buch gegen diese negative Abwärtsspirale, einen mitfühlenden Leitfaden, um psychische Erkrankungen zu entmystifizieren und die Gespräche darüber zu erleichtern. Betroffene werden verstanden, und sehen, dass sie damit nicht allein sind. Auch Freunde und Angehörige finden Hilfe und konkrete Tipps für einen einfühlsamen Umgang mit den Betroffenen.
Was Sie noch tun können: Pflegen Sie sich! Gönnen Sie sich ausreichend Ruhe, gesundes Essen und positive soziale Kontakte. Achten Sie darauf, was Ihnen gut tut. Bewegung an der frischen Luft hebt nachweislich die Stimmung und beschert Ihnen zudem wichtiges Vitamin D. Geben Sie außerdem Ihrer Psyche Zeit, den neuen Zustand anzunehmen. Aber holen Sie sich auch unbedingt rechtzeitig Unterstützung, wenn das Gefühl der Depressivität anhält. Und lassen Sie sich nicht entmutigen, wenn sich Ihr Zustand nicht sofort bessert!
Weitere Tipps:
- Symptome wie Hoffnungslosigkeit und Antriebsschwäche, aber auch soziale Zurückgezogenheit ernst nehmen
 - Unterstützung suchen bzw. anbieten, wenn Sie sie bei anderen bemerken
 - Zeit & behutsame Begleitung können viel bewegen
 
Hilfe in Anspruch nehmen
Schließen Sie sich nicht aus Scham zu Hause ein. Besser ist, Sie sprechen sich darüber aus, was Sie belastet. Vielleicht fällt es Ihnen leichter, mit Ihrem Hausarzt darüber zu reden als mit den nächsten Angehörigen. Er kann Ihre Symptome zuordnen und Sie ggf. an den richtigen Facharzt oder einen Psychotherapeuten überweisen. Dies ist aber nicht unbedingt nötig, sondern hängt von verschiedenen Faktoren wie beispielsweise der Schwere der Symptome ab. Wichtig ist außerdem, andere Ursachen auszuschließen. Eine Antriebslosigkeit kann z.B. Seien Sie achtsam mit sich selbst.
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