Depressive Erkrankungen gehören zu den häufigsten psychischen Erkrankungen. Die Schweizerische Gesellschaft für Angst und Depression geht davon aus, dass sie - in unterschiedlichen Ausprägungen - bis zu 20 Prozent der Bevölkerung betreffen. Genaue Zahlen für Kinder und Jugendliche gibt es nicht, Experten schätzen den Anteil auf 10 bis 20 Prozent. Bei Jugendlichen gilt die Depression als häufigste Erkrankung.
Wie Entsteht Eine Depression?
Es beginnt selten mit einem grossen Knall. Stattdessen schleicht sich eine Depression ganz leise, fast schon sanft ins Leben. In das des Betroffenen, aber auch in das seiner Familie, seiner Freunde.
Ursachen und Risikofaktoren
Das ist bisher nicht genau bekannt. Nach Angaben des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) wird davon ausgegangen, dass biologische Vorgänge, psychische Faktoren, die persönliche Situation und besondere Ereignisse im Leben dabei zusammenwirken.
- Traumatische Erlebnisse in der Kindheit wie Missbrauch.
 - Angststörungen.
 - Eine Alkohol-, Tabletten- oder Drogenabhängigkeit.
 - Erkrankungen wie ein Schlaganfall, Krebs oder eine Schilddrüsenunterfunktion.
 - Tragische Ereignisse wie der Tod eines geliebten Menschen oder eine Trennung.
 - Anhaltender Stress oder Einsamkeit.
 
Auch biochemische Veränderungen können mitverantwortlich sein. Bei einer Depression ist der Stoffwechsel im Gehirn verändert, Nervenreize werden langsamer übertragen. Auch bestimmte Botenstoffe und hormonelle Veränderungen können eine Rolle spielen.
Genetische Veranlagung
Eine Depression kann erblich mitbedingt sein. Ein Hinweis darauf kann sein sein, dass die Erkrankung auch schon bei anderen Familienmitgliedern häufiger auftrat. In Familien, in denen bislang kein Fall einer Depression bekannt ist, liegt für den Nachwuchs das Risiko bei etwa 10 Prozent, an einer Depression zu erkranken. «Wir wissen, dass äussere Einflüsse eine Rolle spielen, doch es gibt auch eine genetische Komponente bei Depressionen», sagt Kupferschmid.
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Symptome Einer Depression
Eine Depression lässt sich klar von normalen Stimmungsschwankungen abgrenzen. Als Kernsymptome gelten gedrückte Stimmung, Interessen- und Freudlosigkeit und Antriebsmangel, die über mindestens zwei Wochen anhalten. Hinzu kommen weitere Symptome wie:
- Schlafstörungen.
 - Appetitlosigkeit mit Gewichtsverlust.
 - Konzentrationsschwäche.
 - Gefühle von Schuld und Wertlosigkeit.
 - Energielosigkeit.
 - Vermindertes sexuelles Interesse.
 - Gedanken an den Tod.
 - Auch körperliche Beschwerden wie Magen-Darm-Probleme, Schmerzen oder Schwindel können vorliegen.
 
Bei jedem kann dies anders ausgeprägt sein. Unterschieden wird in leichte, mittelschwere und schwere Depressionen.
Ulrich Hegerl, Chef der Stiftung Deutsche Depressionshilfe, spricht von einer «leisen Krankheit». Viele Betroffene haben oft weder Hoffnung noch Kraft, sich professionelle Hilfe zu holen.
Depressionen Bei Kindern und Jugendlichen
Ja, Studien zufolge ergeben sich bei fünf Prozent der Kinder und Jugendlichen Hinweise auf depressive Störungen. Bei Kindern reagieren häufig mit körperlichen Symptomen auf den seelischen Schmerz. Sie bekommen Bauchschmerzen, Kopfschmerzen, sind müde. Mit Beginn der Pubertät steigt auch die Zahl der Jugendlichen mit einer depressiven Erkrankung.
Ein deutliches Warnzeichen ist es Kupferschmid zufolge immer, wenn Kinder anfangen, sich zurückzuziehen und auf Dinge zu verzichten, die ihnen viel Spass gemacht haben. Auch psychosoziale Faktoren wie der Verlust oder die körperliche Erkrankung eines Elternteils können sich auf den seelischen Zustand des Kindes auswirken. Einfach «die Pubertät» oder «es ist halt eine schwierige Phase» genügen nicht als Gründe. Mit einem vertrauensvollen Gespräch und einem grundsätzlich empathischen Kontakt zwischen Eltern und Kind lassen sich Gründe für die depressive Verstimmung meist eruieren.
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Eltern, die den Verdacht haben, dass der Sohn oder die Tochter depressiv wird, sollten sich fragen: Gibt es nachvollziehbare Gründe, die verständlich erklären könnten, wieso das Kind deprimiert ist? Mobbing oder eine länger andauernde schulische Überforderung zum Beispiel?
Was Tun Bei Verdacht Auf Depression Bei Kindern?
Grundsätzlich gilt: «Wenn Eltern Veränderungen bei ihrem Kind wahrnehmen, sollten sie das nicht einfach als Phase abtun, sondern dem nachgehen», sagt Stephan Kupferschmid, Chefarzt für Adoleszentenpsychiatrie an der Integrierten Psychiatrie Winterthur - Zürcher Unterland. Er empfiehlt, zunächst einmal zu schauen und sich umzuhören, ob sich die Veränderungen auf mehrere Lebensbereiche erstrecken. Was sagen die Lehrpersonen, ist das Kind in der Schule anders als sonst? Wie sieht es im Freundeskreis aus? Verhält sich das Kind situationsübergreifend anders, sollten Eltern eine beginnende Depression in Betracht ziehen.
Ist eine potenzielle Ursache ausgemacht, kann man in vielen Fällen - auch mit professioneller Hilfe - daran arbeiten, sie zu beseitigen. Ebenso oft ist das jedoch nicht möglich, weil manche Situationen nun mal sind, wie sie sind.
«Kann die Ursache nicht direkt angegangen werden, weil es sich beispielsweise um ein schwer krankes Geschwisterkind handelt, kann es den betroffenen Kindern helfen, gemeinsam mit Experten Bewältigungsstrategien zu erlernen», sagt Kupferschmid. Diese Strategien erleichtern es, mit einer belastenden Situation umzugehen. Dafür erhalten die Kinder und Jugendlichen eine Art mentales Handwerkszeug, das sie im Idealfall nicht nur akut, sondern auch später im Leben in vergleichbaren Situationen anwenden können.
Zudem spielt die Resilienzförderung eine grosse Rolle: Schwierige Situationen sind leichter auszuhalten, wenn es kleine Inseln im Alltag gibt, die von den Schwierigkeiten unberührt sind, wo sich das Kind als kompetent erlebt und Freude hat. Also festhalten am wöchentlichen Fussballtraining, während sich die Eltern vielleicht gerade trennen.
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Depression Bei Männern
«Male Depression»: Eine Depression äussert sich bei Männern oft untypisch. Männer, die ihre Depression «externalisieren», versinken weder in Schwermut, noch wirken sie niedergeschlagen oder ziehen sich zurück. Sie nehmen zwar einen starken inneren Druck wahr, fühlen sich aber nicht psychisch krank. Vielmehr fallen sie auf, weil sie plötzlich und uncharakteristisch für ihren Charakter verärgert und gereizt sind, rasch die Be-herr-schung verlieren oder hohe Risiken eingehen, etwa im Strassenverkehr. Solche Auffälligkeiten werden - wenn überhaupt - als Persönlichkeitsstörung oder Neurose fehlinterpretiert.
Männer kompensieren häufig durch verstärkten Konsum von Suchtmitteln wie Zigaretten und Alkohol, auch Sex und auch durch starke körperliche Aktivitäten wie Sport.
«Frauen suchen Hilfe - Männer sterben!» Das ist der beunruhigende Titel einer Forschungsarbeit an der Universität Innsbruck. Dahinter steckt die These, dass Depressionen bei Männern oft nicht erkannt werden, weil Männer seltener Hilfe suchen.
Angst und Depression
Angst vor dem Kommenden, vor der Zukunft - und Niedergeschlagenheit angesichts des Gewesenen, vor der Vergangenheit: Die Angst und Depression sind zwei Seiten derselben Medaille, ängstliche Menschen sind nicht selten auch depressiv und umgekehrt. Im Persönlichkeitsmodell der „Big Five“ sind Ängstlichkeit und Niedergeschlagenheit zwei Facetten ein und derselben Grundeigenschaft, des „Neurotizismus“, der emotionalen Labilität.
Besonders frappant ist die Verkoppelung bei der „generalisierten Angststörung“, bei der sich die Angst verselbständigt hat und frei von Auslösern kommt und geht, wie sie will. Meist kommt erst die Angst im Leben, und wenn sie nicht vergehen will, gesellt sich in späteren Jahren die Depression hinzu.
Angststörungen Bei Parkinsonbetroffenen
Angststörungen und Panikattacken treten bei Parkinsonbetroffenen häufig auf. Rund 40 % der Betroffenen entwickeln eine Form von Angststörung. Diese kann sich in diffuse Angst, plötzliche Panik oder in anhaltende Sorgen äussern.
Übersteigerte Ängste zeigen sich auf mehreren Ebenen:
- Gedanken: Zukunftsängste, Katastrophendenken
 - Gefühle: Anspannung, Unsicherheit, Scham
 - Verhalten: Vermeidung, leise Stimme, unsichere Mimik
 - Körperlich: Schwindel, Schweissausbrüche, Übelkeit, Atemnot
 
Angst tritt oft in Kombination mit Depression auf. Ob es sich dabei um eine eigenständige Störung handelt oder ob die Angst ein Teil der Depression ist, ist nicht immer eindeutig.
Mögliche Ursachen von Angststörungen:
- Veränderungen der Konzentration verschiedener Botenstoffe im Gehirn: Dies betrifft neben dem Dopamin, auch das Serotonin. Dieser Botenstoff spielt eine wichtige Rolle bei der Regulierung von Angstgefühlen und der Stimmung.
 - Medikamentenwirkungen: Schwankungen im Dopaminhaushalt, insbesondere in Phasen mit schlechter Wirkung, sogenannter «Off»-Phasen, in denen Medikamente wie Madopar nicht mehr ausreichend wirken, neigen Betroffene zu Angstgefühlen, Traurigkeit oder Panikattacken.
 - Individuelle Belastungssituationen und die Auseinandersetzung mit der Krankheit selbst können Panikgefühle auslösen.
 
Behandlung von Depressionen
Depressionen sind meist gut mit Medikamenten und Psychotherapie, zum Beispiel einer Verhaltenstherapie, zu behandeln. In manchen Fällen können auch andere Methoden wie eine Lichttherapie oder eine sogenannte Wachtherapie in Frage kommen. Nach der Akutbehandlung geht die Therapie weiter, dann steht der Schutz vor einem Rückfall im Vordergrund. Bei vielen Menschen klingen die Symptome nach Wochen oder Monaten auch ohne Behandlung wieder ab.
Psychotherapie
Um Kindern und Jugendlichen mit einer Depression zu helfen, gilt die Psychotherapie als erstes Mittel der Wahl. «Wir haben da inzwischen sehr unterschiedliche Verfahren zur Auswahl, nicht für jeden hilft alles», sagt Kaess. Manchmal muss man mehrere Methoden ausprobieren, um die zu finden, die dem oder der Jugendlichen hilft. «In der Regel sollte nach etwa zehn Psychotherapiesitzungen zumindest eine Verbesserung eingetreten sein. Ist das nicht der Fall, muss man weitersuchen», sagt Kaess.
Medikamente
Während man sich bei leichten Depressionen auf die Psychotherapie beschränkt, können bei schweren Erkrankungen zusätzlich auch Antidepressiva verschrieben werden.
Weitere Therapieansätze
Vor mehr als 20 Jahren fiel Ärzten auf, dass es manchen depressiven Menschen nach einer Operation unter Vollnarkose mit dem Mittel Ketamin deutlich besser ging. Es zeigte sich, dass Ketamin die Übertragung von Informationen zwischen den Hirnzellen verbessert und sogar neue Verbindungen - Synapsen - spriessen lässt. Fachleute nennen diesen Mechanismus “Plastizität”.
Die neue Hypothese besagt, dass Depressionen dadurch entstehen, dass ebendiese Plastizität sinkt. Ein Gehirn, das sich nur noch wenig verändern kann, wird krank. Wenn bei Menschen mit Depressionen dieser Prozess gestört ist, lernen sie nicht mehr so gut Neues und bleiben in den immer gleichen Grübelschleifen hängen.
Was Können Angehörige oder Bekannte Tun?
Sie sollten Betroffene darauf ansprechen und ihnen helfen, professionelle Hilfe zu suchen. Oft hilft es schon, wenn ein Angehöriger einen Termin ausmacht und den Kranken zum Arzt begleitet. Neben dem Hausarzt als erste Anlaufstelle gibt es entsprechende Fachärzte und den sozialpsychiatrischen Dienst vor Ort.
Strategien Zur Selbsthilfe
Der Zyklus von Fühlen - Denken - Handeln hält eine Depression aufrecht und muss durchbrochen werden. Wenn man deprimiert und traurig ist sich trotzdem aufrafft und zwingt, etwas zu machen, was man schon lange einmal erledigen bzw. tun wollte, hat man wieder erste Erfolgserlebnisse und die Stimmung wird ein klein wenig besser. Um schrittweise Aktivitäten zu planen, hilft es, sich Ziele zu setzen.
SMART-Ziele
Ein Tool dafür sind die sogenannten SMART Ziele:
- Spezifisch
 - Messbar
 - Attraktiv
 - Realistisch
 - Terminiert
 
Die Rolle Der Hirnplastizität
Ursache ist wohl schwache Plastizität unseres Hirns und nicht ein Mangel an Botenstoffe (v.a. Auf diesen starken Zusammenhang kam Forscher nun wieder bei der Enträtselung der antidepressiven Wirkung der psychedelisch wirkenden Drogen, wie Ketamin. Diese Droge verbessert die Übertragung von Informationen zwischen den Hirnzellen, stellten die Forscher fest. Sie lässt sogar neue Verbindungsstellen, Synapsen, entstehen. Herkömmliche Antidepressiva tun das auf Umwegen auch.
»Plastizität« nennen Fachleute dieses Phänomen. Es ist entscheidend für das Lernen. Eine neue Hypothese war geboren: Depressionen entstünden, wenn diese Plastizität unseres Hirns sinke.
Für diese Vermutung spricht einiges, denn Stress senkt die Plastizität. Und Stress entsteht durch akute oder chronische Überlastungen genauso wie durch frühe Traumata - alles bekannte Ursachen von Depressionen. Wenn Menschen aber nicht mehr so gut Neues lernen können, bleiben sie leichter in Grübelschleifen hängen, ziehen sich zurück.
Lange Zeit glaubte man, dass ein Mangel an Botenstoffen, insbesondere an Serotonin, die Ursache für Depressionen sei. Diese Annahme beruhte auf der Wirkweise herkömmlicher Antidepressiva, die die Konzentration von Serotonin zwischen den Hirnzellen erhöhen. Obwohl sie vielen Patienten helfen, wirken sie nicht bei allen. Inzwischen ist klar, dass diese Serotonin-Hypothese nicht ausreicht.
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