Depressionen aufgrund von Schulden: Ursachen und Auswirkungen in der Schweiz

Viele Menschen in der Schweiz leben mit Schulden, und sie sind keine Ausnahme.

Verschuldung und ihre Folgen

Praktisch jede siebte Person in der Schweiz lebt in einem Haushalt mit Zahlungsrückstand. Die meisten Betreibungen werden wegen Krankenkassenprämien eingeleitet, die höchsten Beträge machen Steuerschulden aus. Betroffen sind vor allem Menschen mit einem Einkommen von unter 6000 Franken.

Verschuldete Personen in der Schweiz leiden unter mehr Stress, Unzufriedenheit und Angst- und Depressionsgefühlen. Der Zusammenhang von Geldsorgen, Schulden und Krankheit ist empirisch bewiesen. Auch international: Überschuldung begünstigt psychische Erkrankungen und körperliche Beschwerden.

Fallbeispiele

Kiri E. ist 24-jährig und seit ihrer Volljährigkeit überschuldet. Immer wieder befindet sich die Fachfrau Kundendialog in Lohnpfändungen. Das heisst, ihr wird nur das Existenzminimum ausbezahlt. Mit dem Rest begleicht das Betreibungsamt offene Rechnungen. Im Moment hat Kiri 10'000 Franken Schulden. Doch mit ihrem bescheidenen Teilzeitlohn ist eine Schuldentilgung fast nicht möglich. Einen besseren Job zu finden, ist aufgrund ihres Betreibungsauszugs schwierig. Selbst wenn sie ihre Schulden zurückzuzahlen versucht, kommen laufend neue Betreibungen und Pfändungen hinzu, denn das Schweizer Schuldbetreibungs- und Konkursrecht (SchKG) hat eine entscheidende Lücke.

Erika Müller ist heute 35-jährig und hat bereits im Alter von 18 Jahren Krankenkassenschulden von ihren Eltern «geerbt». Ende 20 war sie bereits mit 50'000 Franken verschuldet und geriet in eine schwere Depression. 75 Prozent ihrer Schulden machten mittlerweile Steuerschulden aus.

Lesen Sie auch: Methoden zur Behandlung exogener Depression

Franziska Neuhaus verschuldete sich, als sie mit 17 Jahren von zu Hause auszog. Bei der heute 39-jährigen Kundenberaterin Franziska Neuhaus dauerte es fast 20 Jahre, bis sie wieder schuldenfrei war. Obwohl sie nie Verlustscheine hatte und überall Rückzahlungsvereinbarungen abschliessen konnte, wurden ihr auch Steuern und Krankenkassenbeiträge zum Verhängnis.

Donald Niebaum würde sich für ein Restschuldverfahren gut eignen. Der 37-jährige Maler und Familienvater geriet ebenfalls sehr früh in die Schulden. Mittlerweile belaufen sich seine Verlustscheine auf 88'000 Franken. Auch wenn er nun mithilfe der Schuldenberatung mit Rückzahlungen begonnen hat: Mit seinem Einkommen von durchschnittlich 5000 Franken im Monat würde er etwa 20 Jahre brauchen, um seine Schulden zurückzuzahlen.

Ursachen und Risikofaktoren

Laut Yves de Mestral, dem Präsidenten der Zürcher Betreibungsämter, sind es vor allem Krankenkassenbeiträge und Steuern, die viele Leute in der Schweiz in die Verschuldung treiben.

Der Auszug von zu Hause sei die grösste Schuldenfalle für Junge, sagt Yves de Mestral: «Man kann den sprunghaften Anstieg in den Statistiken nachweisen.

Junge Menschen klären oft nicht genau ab, was sie unterschreiben. Bei Kreditverträgen rächt sich das brutal.

Lesen Sie auch: Der ultimative Leitfaden zur Depression

Armut löst bei den Betroffenen häufig Stress und negative Affekte wie Unzufriedenheit, Depression und Angstzustände aus. Stress und Angst erhöhen die Risikoaversion und verstärken die zeitliche Diskontierung hin zu einer stärkeren Gegenwartsfokussierung.

Weitere Risikofaktoren

  • Mangelnde finanzielle Bildung
  • Unüberlegte Kreditaufnahme
  • Konsumorientierung
  • Fehlende Fähigkeit zum Belohnungsaufschub

Individuelle Verhaltensweisen und psychologische Faktoren

Laut Fachliteratur leiden rund 20 Prozent der Bevölkerung an einem Aufschiebeverhalten, der sogenannten Prokrastination. Vielleicht fünf Prozent entwickeln aber eine Erledigungsblockade, die ernsthafte Konsequenzen für ihr Leben hat. So machen die Blockierten nicht nur Schulden, werden betrieben oder für die Steuern zu hoch eingeschätzt, sondern entwickeln oft psychische Symptome: Depressionen, Süchte, Ängste.

Laut Ruth Joss besteht eine Blockade aus negativen Gefühlen, die sich so auftürmen, dass die Betroffenen die Aufgabe als unüberwindbar empfinden. Sie erstarren, weichen der Situation aus und entwickeln eine tiefe innere Überzeugung: Es geht nicht.

Finanzieller Stress und Überschuldung können zu Depressionen sowie einem Verlust an Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl führen. Zudem kann eine Überschuldungssituation eine erhöhte Aggressionsbereitschaft und damit soziale Schwierigkeiten und Isolation auslösen.

Lösungsansätze und Hilfestellungen

Um verschuldeten Menschen aus dieser Abwärtsspirale zu helfen, haben die Betreibungsämter der Stadt Zürich in einem Pilotversuch die laufenden Krankenkassenprämien von Schuldnern in Lohnpfändung bezahlt. Mit Erfolg.

Lesen Sie auch: Depressionsbehandlung: Was Sie wissen müssen

Künftig haben Schuldner die Möglichkeit, die Betreibungsämter zu ermächtigen, ihre laufenden Krankenkassenbeiträge direkt aus der Lohnpfändung zu begleichen.

Mit einer entsprechenden Änderung des Schweizer Schuldbetreibungs- und Konkursrecht (SchKG) könnten chronisch verschuldete Menschen von ihrer Restschuld befreit werden, sofern sie keine neuen Schulden machen und bereit sind, über mindestens drei Jahre regelmässige Rückzahlungen zu leisten.

In der Behandlung löscht Joss zuerst akute Brände: Sie begleitet die Patienten und Patienten dabei, wie sie Briefe öffnen, Rechnungen zahlen, Telefonate tätigen oder sich für Prüfungen registrieren. Später lehrt sie ihnen, wie Aufgaben am besten zu erledigen sind.

Angesichts der Einschränkung der kognitiven Leistungen unter Bedingungen von Stress und Angst sollte Schuldenprävention nicht auf kognitiven Ansätzen basieren. Stattdessen könnten Trainings zur Reduktion und Management von Stress sowie psychotherapeutische Interventionen gegen Angst und Depressionen die psychologischen Folgen von Armut und Überschuldung reduzieren.

Statistiken und Fakten

Aus Konsumkredit- oder Kreditkartenverträgen sind in der Schweiz total etwa 7.7 Milliarden Franken ausstehend. Fünf Prozent der Haushalte sind mit solchen Rückzahlungen im Verzug.

Die ausstehenden Beträge aus Verlustscheinen betragen in der Schweiz mindestens 20 Milliarden Franken, nur etwa 17 Prozent dieser Gelder können effektiv zurückbezahlt werden.

Ein Drittel der verschuldeten Ratsuchenden hat nicht bezahlte Gesundheitskosten im Schuldenportfolio. Durchschnittlich 3227 CHF (SBS Statistik).

Laut Ruth Joss und ihrem Team behandeln derzeit rund 100 Patientinnen und Patienten - vom Bedarf her könnten sie das Team verdreifachen.

Tabelle: Einflussfaktoren auf Überschuldung und Depressionen

Faktor Beschreibung
Armut Führt zu Stress, Angst und Depressionen, was die Entscheidungsfindung beeinträchtigt.
Mangelnde finanzielle Bildung Erhöht das Risiko unüberlegter Kreditaufnahme und Verschuldung.
Psychische Erkrankungen Depressionen und Angstzustände können durch Schulden verstärkt werden und umgekehrt.
Aufschiebeverhalten Prokrastination und Erledigungsblockaden können zu unbezahlten Rechnungen und Mahnungen führen.
Soziale Isolation Überschuldung kann zu sozialem Rückzug und Isolation führen, was die psychische Gesundheit weiter verschlechtert.

tags: #depression #wegen #schulden #ursachen