Depressionen seit Corona: Ursachen und Zusammenhänge

Die COVID-19-Pandemie hat nicht nur das körperliche, sondern auch das psychische Wohlbefinden vieler Menschen beeinträchtigt. Die Ausnahmesituation kann Ängste, Depressionen und andere psychische Erkrankungen auslösen oder verstärken.

Psychische Belastung in der Pandemie

Die psychische Belastung der Bevölkerung hat sich während der Pandemie deutlich verstärkt. Der Anteil Personen mit schweren depressiven Symptomen stieg während des Lockdowns im April von rund 9 Prozent auf 18 Prozent im November.

Zu den Haupttreibern von psychischem Stress und depressiven Symptomen zählen die Belastung durch eine COVID-19-bedingte veränderte Situation bei der Arbeit, an der Schule oder in der Ausbildung. Personen, die in einer Branche tätig sind, die aufgrund der Massnahmen von Bund und Kantonen finanziell betroffen ist (z.B. Gastgewerbe, Kultur, Tourismus), sind ebenfalls stärker betroffen.

Die Daten zeigen ferner, dass Covid-19-bedingte finanzielle Einbussen einen signifikanten psychischen Belastungsfaktor darstellen.

Unterschiede zwischen Geimpften und Ungeimpften

Die Pandemie belastet Geimpfte und Ungeimpfte auf verschiedene Art und Weise. Die Belastung durch Konflikte in der Familie, unter Freunden und am Arbeitsplatz wegen Coronamassnahmen oder der Impfung ist sowohl bei Geimpften als auch bei Ungeimpften hoch. Ebenfalls grosse Unterschiede gibt es bei der Angst rund um die gesundheitlichen Konsequenzen von Covid-19, wie etwa die Sorge, dass jemand aus dem engsten Umfeld ernsthaft erkranken könnte, wobei hier die Belastung unter Geimpften höher ist.

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Betroffene Gruppen

Junge Leute sind besonders stark betroffen. Schwere depressive Symptome sind in der jüngsten Gruppe (14 bis 24 Jahre) am häufigsten. Bei Teilnehmenden, die eine Schule oder Hochschule besuchen, hängen die depressiven Symptome am stärksten mit Stress durch Leistungsdruck zusammen.

Long Covid und psychische Gesundheit

Gehirnnebel, Konzentrationsschwäche, Lethargie bis hin zu Depressionen sind mögliche Symptome bei Long Covid. Personen mit Long-Covid haben häufig Überschneidungen mit depressiven bzw. Burnout Symptomen. Die aktuelle Forschung verortet die Ursache dafür stärker als bei den anderen Diagnosen auf körperlicher Ebene.

Dass bei einer Corona-Infektion solche Symptome als Langzeitfolgen auftreten können, ist bekannt. Die Erkenntnisse der Studie könnten nun für weitere Forschung zu Dopamin-assoziierten Long-Covid-Symptomen ein wichtiger Anhaltspunkt sein. Insbesondere könnten sie Wege zur Entwicklung von Therapien aufzeigen.

Ein Team um Liuliu Yang vom Center for Genomic Health in New York hat nun herausgefunden, dass Corona Nervenzellen infizieren kann, die Dopamin produzieren.

Die Forschenden stellten fest, dass infizierte Neurone die Dopamin-Produktion einstellten und chemische Signale aussendeten, die Entzündungen verursachen. Eine Infektion der Dopamin produzierenden Nervenzellen mit Corona führt ihrer im Fachmagazin «Cell Stem Cell» publizierten Studie zufolge zur sogenannten Seneszenz. Dabei verlieren die Zellen ihre Fähigkeit, zu wachsen und sich zu teilen.

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Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler untersuchten auch die Auswirkungen einer Corona-Infektion auf andere menschliche Zellen. Co-Autorin Shuibing Chen: «Die Infektionsrate der Dopamin-Neuronen ist nicht so hoch wie bei Lungenzellen, dem Hauptziel des Virus, aber selbst eine kleine Gruppe infizierter Zellen kann potenziell schwerwiegende Auswirkungen haben.»

«Wir haben Lungen-, Herz- und Pankreas-Zellen getestet, aber der Seneszenz-Weg wird nur in Dopamin-Neuronen aktiviert», erklärt Chen. «Das war ein völlig unerwartetes Ergebnis.» Andere neuronale Zelltypen erwiesen sich der Wissenschaftlerin zufolge dagegen als resistent gegenüber Corona.

Mit einem speziellen automatisierten Testverfahren, einem sogenannten Hochdurchsatz-Screening, ermittelten die Forschenden drei bereits bestehende Medikamente, die beim Schutz der Dopamin-Neuronen vor Seneszenz hilfreich sein könnten. Es handelt sich um Riluzol, ein Medikament gegen die Nervenkrankheit ALS (Amyotrophe Lateralsklerose), das Diabetes-Medikament Metformin und das Chemotherapeutikum Imatinib.

Burnout und Depression: Unterschiede und Gemeinsamkeiten

Grundsätzlich wird Burnout von der WHO als Syndrom und nicht als Krankheit geführt, aufgrund diverser Ursachen und Symptome, wodurch keine klare Einschränkung und Abgrenzung möglich ist. Depression hingegen ist eine diagnostizierbare psychische Erkrankung, mit festgelegten Haupt- und Nebensymptomen und klarer Abgrenzungen zu anderen Krankheiten. Der Unterschied ist u.a. relevant für die Kostenübernahme durch die Krankenkassen, was bei Burnout nicht der Fall ist.

Das prägnanteste Unterscheidungsmerkmal in der Diagnostik ist der Bezug zu Arbeitsplatz- und Jobbedingungen, der bei Burnout im Vordergrund steht. Dies ist sowohl für die Diagnose, den Verlauf, als auch die Behandlung relevant.

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Burnout verläuft meist in aufeinander aufbauenden Phasen. Auslöser ist häufig eine Phase, in welcher Betroffene übermässig Energie einsetzen. Wenn dieser Zustand anhält, von Ängsten getrieben ist (z.B., ein Ziel nicht rechtzeitig oder in gewünschter Qualität zu erreichen) und Anerkennung ausbleibt, können Gefühle von Frustration bis hin zu Widerwillen und Sinnlosigkeit aufkommen. Depression hingegen kann ähnlich schleichend, aber auch plötzlich auftreten und wird stärker mit kritischen Lebensereignissen, hormonellen Veränderungen sowie pessimistischen (vs. perfektionistischen) Einstellungen in Zusammenhang gebracht.

Bei Burnout steht Coaching (z.B. Grenzen setzten, persönlichen Purpose schärfen, Förderung einer ausgewogene Lebensgestaltung) im Vordergrund. Eine Depression wird in der Regel mit ambulanter oder stationärer Psychotherapie sowie je nach Schwere mit Psychopharmaka behandelt. Die erste Anlaufstelle ist der Hausarzt, der an einen Facharzt für Psychiatrie überweist. Während sich Erholung, Schlaf und Urlaub positiv auf Burnout-Symptome auswirken, können diese regenerativen Aktivitäten depressive Symptome verstärken.

Auswirkungen des Lockdowns

Die Massnahmen zum Schutz der Gesundheit, die im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie ergriffen werden, haben vermutlich erhebliche psychische Folgen für die Gesamtbevölkerung und für bestimmte verletzliche Personengruppen. In der Literatur werden verschiedene mögliche Auswirkungen erörtert, wie etwa: Langeweile, soziale Isolation, Stress, Schlafmangel, Angst, posttraumatische Belastungsstörungen, negative Stimmung, Depression, suizidales oder suchterzeugendes Verhalten und häusliche Gewalt.

Durch den COVID-19-Lockdown könnte es auch bei Menschen ohne vorherige psychische Probleme vermehrt zu Depressionen, Ängsten und möglicherweise posttraumatischem Stress gekommen sein; bei Personen, die bereits unter Beeinträchtigungen der psychischen Gesundheit leiden, kann die Diagnose verschlechtern.

Soziale Isolation sowie Gefühle von Eingeschlossensein und Einsamkeit können sich durch einen Lockdown ebenfalls verschärfen und stellen zusätzliche Risikofaktoren für Suizid dar.

Es ist bekannt, dass Kinder in schulfreien Zeiten (am Wochenende und in den Ferien) häufiger gesundheitsgefährdende Verhaltensweisen zeigen, wie etwa geringe körperliche Aktivität, mehr Zeit vor dem Bildschirm, unregelmässigeres Schlafverhalten und schlechtere Ernährung. All dies dürfte während der Einschränkungsmassnahmen verstärkt aufgetreten sein, zumal Kinder und Jugendliche nicht oder nur eingeschränkt draussen aktiv sein konnten.

Psychische Auswirkungen wurden auch hinsichtlich der Verstärkung bereits vorhandener depressiver Symptome diskutiert, insbesondere im Kontext von China und bei sozialer Isolation. Die Fähigkeit, mit anderen Menschen, insbesondere mit Familienmitgliedern, in Kontakt zu treten, hing oft von den technologischen Fähigkeiten der betroffenen Personen ab.

In der ersten Welle gaben 24 % der Teilnehmenden keine Veränderung im Stressempfinden an, aber 50 % berichteten von einem höheren Stressniveau während des Lockdowns im Vergleich zur Zeit vor der COVID-19-Krise. Mehrere Ursachen trugen dazu bei, dass sich die Menschen während des Lockdowns gestresster fühlten. Dazu gehörten Belastungen im Zusammenhang mit Veränderungen bei der Arbeit oder in der Schule, Probleme mit der Kinderbetreuung oder dass man nicht mehr Zeit mit anderen Menschen verbringen konnte.

Auffallend ist, dass sich 26 % aller Teilnehmenden durch die Veränderungen aufgrund des Lockdowns einem geringeren Stress ausgesetzt fühlten und zuversichtlich waren, die Krise gut zu überstehen. Ausserdem wurden in der Studie einige stressreduzierende Verhaltensweisen ermittelt, darunter körperliche Aktivität, mehr Zeit für ein Hobby oder ein neues Projekt und ein geringerer Konsum coronabezogener Nachrichten.

Die Ergebnisse der Swiss Corona Stress Study haben also gezeigt, dass die Menschen psychisch sehr unterschiedlich auf die Pandemie reagierten und sehr unterschiedlich damit umgingen, wobei einige deutlich mehr Stress- und Depressionssymptome verspürten, wohingegen andere im Lockdown sogar weniger Stress empfanden. Ältere Menschen, Männer und Personen ohne psychiatrische Vorerkrankungen schienen allgemein besser gegen depressive Symptome gewappnet zu sein.

Umgang mit der Situation und Hilfsangebote

Es müssen Strategien entwickelt werden, um die Auswirkungen des COVID-19-Lockdowns auf die psychische Gesundheit einzudämmen. Diese Strategien sollten auf die gesamte Bevölkerung ausgerichtet sein und gleichzeitig anfällige Gruppen besonders schützen, insbesondere Gesundheitsfachkräfte, Menschen mit psychischen Beschwerden und ältere Menschen.

Angesichts des in der Vergangenheit beobachteten Zusammenhangs zwischen Quarantänedauer und schlechter psychischer Gesundheit wird empfohlen, die Zeit der Einschränkungen so kurz wie möglich zu halten. Darüber hinaus haben Untersuchungen gezeigt, dass freiwillige Einschränkungen und das Vertrauen auf Altruismus anstatt auf Zwangsmassnahmen sich weniger nachteilig auf die psychische Gesundheit auswirken.

Um auf die erwartete psychische Belastung durch einen COVID-19-Lockdown zu reagieren, können einige vorbeugende Massnahmen ergriffen werden, die das Wohlbefinden steigern, die psychischen Auswirkungen verringern und das Suizidrisiko reduzieren. Besonders wichtig sind dabei Online-Instrumente und digitale Ressourcen sowie Massnahmen, zu denen Strategien, Beratungsdienste und Selbsthilfen für ein besseres psychisches Gleichgewicht und emotionale Stabilität gehören.

Um die mit der COVID-19-Krise verbundenen Belastungen zu lindern, ist es entscheidend, regelmässig aktualisierte, leicht zugängliche und transparente Informationen zur Verfügung zu stellen. Gleichzeitig gibt es kaum Zweifel, dass Medienmitteilungen Angst auslösen können und über digitale Netzwerke oft auch widersprüchliche und falsche Informationen verbreitet werden.

Wenn man andauernd in einer hohen Anspannung ist, Sorgen nicht mehr aufhören und Schlafstörungen oder andere vegetative Beschwerden wie unter anderem Verdauungsstörungen und Verspannungen auftreten, ist es angezeigt, sich von einer Fachperson beraten zu lassen. Eine gute erste Anlaufstelle ist häufig der Hausarzt. Des Weiteren gibt es verschiedene ambulante psychiatrisch-psychotherapeutische Angebote, wo Betroffene rasch einen Termin erhalten können.

Genügend körperliche Aktivität, am besten draussen in der Natur, eine ausgewogene Ernährung und genügend Schlaf sind wichtige Grundpfeiler. Weitere positive Aktivitäten, welche das Befinden stärken, sind ebenfalls sinnvoll. Hierzu ist es auch wichtig, sich nicht andauend mit neuen Corona-Meldungen aus den Medien einzudecken, sondern den Medienkonsum bewusster zu gestalten. Es kann auch sinnvoll sein, einmal ein paar Tage keine News zu lesen. Trotz der Einschränkungen ist es sehr zu empfehlen, die wichtigsten und positivsten sozialen Kontakte weiter gut zu pflegen. Wenn nötig auch auf Distanz.

Alle Depressionen können behandelt werden, auch wenn die Belastungsfaktoren Corona-bedingt sind. Wenn du nicht selber rausfindest und die Spirale nicht wenden kannst, suche dir unbedingt Hilfe.

Wichtige Telefonnummern:

  • Telefonnummer 143 (für Erwachsene)
  • Telefonnummer 147 (für Kinder und Jugendliche)

Tabelle: Psychische Belastung während der Corona-Pandemie (Swiss Corona Stress Study)

Zeitpunkt Anteil Personen mit schweren depressiven Symptomen Anteil Personen mit maximalem Stress
Lockdown April 9% 11%
Zweite Welle November 18% 20%

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