Borderline Symptome und Lügen: Eine umfassende Betrachtung

Eine Persönlichkeitsstörung liegt vor, wenn ein Mensch auffällige Verhaltensweisen und Einstellungen zeigt, die ihn erheblich in seiner individuellen Zufriedenheit und im Erreichen seiner persönlichen Ziele einschränken.

Betroffene geraten zudem häufig mit ihren Mitmenschen oder mit der Gesellschaft in Konflikt, sie verhalten sich starr und sind unflexibel. Das Gefühl, mit der eigenen Person ist «etwas nicht ganz in Ordnung» entwickelt sich meist erst dann, wenn zunehmende Interaktionsprobleme zu einem Leidensdruck führen.

Persönlichkeitsstörungen äussern sich auf der Verhaltensebene durch bestimmte Muster, die von den Erwartungen der soziokulturellen Umgebung abweichen und sich in einem breiten Spektrum sozialer und persönlicher Situationen bemerkbar machen. Neben diesen beobachtbaren behavioralen Verhaltensaspekten sind Personen mit der Störung ihrer Persönlichkeit ebenso sehr in ihrem subjektiven Erleben, in ihren Gefühlen und ihren Denkmustern beeinträchtigt.

Daraus resultieren Verzerrungen in der Realitätswahrnehmung und -interpretation sowie in der Folge auch interpersonelle Schwierigkeiten mit instabilen, wenig befriedigenden Beziehungen und schliesslich sozialer Isolation.

Sowohl objektiv beobachtbare Verhaltensmuster als auch subjektive Erlebensweisen können dabei als Reflex einer zugrunde liegenden Persönlichkeitsstruktur und psychologischen Organisation verstanden werden, die im Wesentlichen geprägt ist durch das integrierende Zusammenspiel eines Selbstkonzeptes (Identität und Zielorientierung) und eines interpersonellen Funktionsniveaus (Empathie und Intimität).

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Deskriptiv werden in der ICD-10 und im DSM-5 spezifische Subtypen von Persönlichkeitsstörungen hinsichtlich ihrer Beeinträchtigung in den Bereichen Kognition, Affektivität, Beziehungsgestaltung und Impulskontrolle definiert.

Die zumeist tief verwurzelten und anhaltenden maladaptiven Wahrnehmungs-, Denk- und Verhaltensmuster reichen im Fall der Persönlichkeitsstörungen in der Regel in die Kindheit und Adoleszenz zurück. Vor dem 14. Lebensjahr sollte eine entsprechende Diagnose nicht vergeben werden.

In klinischen Kontexten nehmen die Cluster-B-Persönlichkeitsstörungen (vgl. DSM-IV) - insbesondere die Borderline-Persönlichkeitsstörung, die antisoziale und narzisstische Persönlichkeitsstörung - aufgrund der engen Verknüpfung mit Impulsregulationsstörungen, Suizidalität, komorbiden Suchterkrankungen und Kriminalität eine Sonderstellung ein.

Die Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS)

In Abgrenzung von anderen schweren Persönlichkeitsstörungen hebt sich die BPS hinsichtlich der Symptomatologie am trennschärfsten durch eine ausgeprägte Furcht, verlassen zu werden, und eine daraus resultierende Instabilität der Beziehungen ab.

Selbstverletzungen und Suiziddrohungen oder auch -handlungen gelten diagnostisch zwar als richtungsweisend, typische Symptome der Störung sind allerdings die Hypersensitivität gegenüber Zurückweisung und die Angst vor dem Verlassenwerden.

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Die BPS ist verbunden mit ausgeprägten psychosozialen Beeinträchtigungen und einem erhöhten Suizidrisiko bei einer tatsächlichen Suizidrate von 8 bis 10 Prozent.

Klinisch manifestiert sich die Identitätsdiffusion in mehrfacher Hinsicht: Patienten sind nicht in der Lage, Beziehungen aufrechtzuerhalten, weder zu sich selbst noch zu anderen. Rasche Wechsel in der Selbst- und der Objektwahrnehmung sind Folge der diffusen, fragmentierten und verarmten Identität, sodass ein mehr oder weniger bewusstes Selbstgefühl einer Bedürftigkeit und Hilflosigkeit unvermittelt kippen kann in ein Gefühl der Omnipotenz und in eine wütende, tyrannische Aggression gegenüber anderen oder auch sich selbst.

Als weitere Verhaltenskorrelate der Borderline-Struktur zeigen sich denn auch eine emotionale Instabilität mit intensiven negativen Affektdurchbrüchen der Wut und des Hasses (Distanznahme in Beziehungen) sowie raschen Wechseln zu positiven Affekten mit dysregulierten Nähe-Wünschen zu idealisierten Objekten (Verschmelzungsfantasien).

Viele Menschen mit Borderline lügen zudem häufig. Entweder, weil Fehler in ihrem schwarz-weiss geprägten Weltbild keinen Platz haben oder aus Furcht, verlassen zu werden.

Weitere Persönlichkeitsstörungen

Menschen mit narzisstischen Persönlichkeitsstörungen sind im hohen Masse von Fantasien grenzlosen Erfolgs, von Macht, Glanz, Schönheit oder Liebe eingenommen. Sie erleben sich als etwas Besonderes und Einzigartiges und gegenüber anderen Menschen als überlegen. Sie meinen, aufgrund ihres Sonderstatus Normen entbunden zu sein.

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Menschen mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung verlangen nach Bewunderung, wird ihnen die erwartete Sonderbehandlung nicht gewährt, können sie mit grossem Ärger reagieren. Sie sind oft neidisch oder glauben, andere seien neidisch auf sie. Oft zeigen sie einen Mangel an Empathie.

Auch bei der narzisstischen Persönlichkeitsstörung (NPS) liegt ein Schwerpunkt der Schwierigkeiten, mit welchen diese Patienten belastet sind, im zwischenmenschlichen Bereich. Die NPS ist gekennzeichnet durch ein tief greifendes Muster von selbst empfundener Grossartigkeit, einem Bedürfnis nach Bewunderung und einem Mangel an Einfühlungsvermögen.

In der Interaktion sind insbesondere eine erhöhte Schamneigung beziehungsweise deren - zumeist externalisierende - Abwehr sowie ein Defizit in der emotionalen Empathie zu erkennen. Paranoide Persönlichkeiten hegen ein tiefes Misstrauen und Argwohn gegenüber anderen Menschen. In Partnerschaften reagieren sie oft eifersüchtig, sind extrem empfindlich gegenüber Kritik, sehr verletzlich und nachtragend.

Schizoide Persönlichkeiten fallen durch Einzelgängertum, Distanziertheit, ein hohes Mass an Autonomiebestrebungen und eine eingeschränkte Bandbreite emotionalen Ausdrucks auf. Sie haben oft keine engeren Freunde und nur selten einen Lebenspartner. Im Kontakt wirken sie unbeteiligt, kühl und distanziert.

Schizotype Persönlichkeiten sind oft mit magischen Denkinhalten oder seltsamen Überzeugungen beschäftigt. Sie leiden unter sozialen Defiziten und sind oft bindungsunfähig.

Die antisoziale beziehungsweise dissoziale Persönlichkeitsstörung (APS) stellt in struktureller Hinsicht die schwerste Form einer Persönlichkeitsstörung dar. Aus Sicht der Mentalisierungstheorie gelten Menschen mit einer APS gewissermassen als «Experten» für das (kognitive) Erkennen der mentalen Zustände anderer (kognitive Hypermentalisierung), was es ihnen ermöglicht, dieses Wissen für ihre eigenen Zwecke nutzbar zu machen.

Gleichzeitig sind antisoziale Persönlichkeiten nicht in der Lage, sich affektiv in das innere Erleben anderer einzufühlen, sodass das Ausnutzen anderer oder auch die Gewalt gegen andere in ihnen keine hemmenden Gefühle auslöst. Weiterhin besteht auch eine mangelnde Fähigkeit, eigene affektive innere Zustände zu mentalisieren.

Ganz anders als die bisher dargestellten Formen von Persönlichkeitsstörungen lässt sich die vermeidende Persönlichkeitsstörung auf deutlich höherem strukturellem Integrationsniveau einordnen. Leitsymptome sind Schüchternheit und fehlende soziale Kompetenz. Im Weiteren imponieren Menschen mit einer solchen Persönlichkeitsstörung durch Gefühle der Anspannung, der Besorgnis, der Unsicherheit und der Minderwertigkeit.

Behandlung von Persönlichkeitsstörungen

Ausschlusskriterien für eine Aufnahme in eine Behandlung sind akute Suizidalität ohne Absprachefähigkeit, Fremdgefährdung, stark eingeschränkte körperliche Mobilität oder vordergründige Suchterkrankungen.

Psychotherapie im Einzel- und Gruppensetting, inklusive Psychoedukation und Erarbeiten von konkreten Strategien bei problematischem Verhalten sind wichtige Bestandteile der Behandlung. Die Anmeldung zur Aufnahme erfolgt über die vorbehandelnden Ärztinnen und Ärzte oder andere Fachpersonen.

Die Behandlung einer Borderline-Erkrankung ist manchmal schwierig und dauert wegen der tief verankerten Persönlichkeitsstruktur meist lange an. Inzwischen gibt es zahlreiche erprobte Behandlungsansätze, die zu einer deutlichen Reduktion der Symptome und einem verbesserten zwischenmenschlichen Verhalten führen.

In den letzten Jahren sind verschiedene Psychotherapieverfahren für die Borderline-Erkrankung entwickelt worden, die im Einzel- oder im Gruppensetting angewendet werden können. So etwa die dialektisch-behaviorale Therapie (DBT), die Schematherapie, die mentalisierungsbasierte Therapie und die übertragungsfokussierte Therapie.

In der Regel besteht die Therapie in einer länger dauernden ambulanten Psychotherapie. In Krisensituationen kann eine stationäre Behandlung zum Stabilisieren sinnvoll sein. Falls Suchtmittelkonsum als Problem im Vordergrund steht, wird auf den Stationen für Abhängigkeitserkrankungen mitbehandelt. Auch eine tagesklinische Behandlung ist denkbar.

Beziehungsmuster bei Borderline

Beziehungen sind für die meisten Menschen eine Herausforderung. Sie bedeuten, Kompromisse einzugehen, auch mal zurückzustecken und Konflikte zu lösen. Für Borderline-Patienten sind diese Herausforderungen besonders schwer zu bewältigen.

Die unerwarteten Stimmungswechsel, schnelle Gereiztheit und die geringe Frustrationstoleranz von Menschen mit Borderline-Syndrom stellen die Beziehungen zu anderen Menschen auf eine harte Probe. Insbesondere mit einem Borderline-Partner oder eine Borderline-Partnerin dauerhaft eine Liebesbeziehung einzugehen, ist nicht leicht.

Zu Beginn von Beziehungen oder Freundschaften idealisieren Borderliner die andere Person. Sie sprechen davon, einen Seelenverwandten gefunden zu haben. Die Emotionen sind sehr intensiv und berauschend. Problematisch wird es jedoch häufig, wenn Freunde oder Partner noch andere Freundschaften haben.

Menschen mit Borderline stellen häufig einen Alleinanspruch auf nahestehende Personen. Sie werden schnell eifersüchtig. Früher oder später wird der zunächst vergötterte Mensch zum Gegner. So intensiv, wie der Partner oder Freund zu Beginn angehimmelt wurde, wird er nun gehasst.

Borderliner richten Gewalt meist gegen sich selbst, indem sie sich absichtlich Verletzungen zufügen. Trotzdem besteht die Möglichkeit zu Gewaltausbrüchen gegenüber anderen. Das führt zusätzlich zu Problemen in Beziehungen.

Auch kindliches Verhalten kommt bei einigen Borderline Patienten vor. Dies haben Wissenschaftler vor allem bei Menschen festgestellt, die als Kind sexuell oder emotional missbraucht oder verlassen wurden.

Für Menschen mit Borderline sind die Ursachen ihrer schwankenden Gefühle schwer zu erkennen. Die Emotionen kommen für den Betroffenen genauso unerwartet wie für sein Gegenüber. Aus Angst vor negativen Gefühlen oder vor dem Verlassenwerden, gehen Borderliner dann häufig auf Distanz und beenden Beziehungen schnell wieder.

Das Verhalten von Menschen mit Borderline erzeugt im sozialen Umfeld eine Vielzahl von negativen Gefühlen: Sorge aufgrund der Selbstverletzungen, Wut über ihr aggressives Verhalten, Enttäuschung über ihre unüberlegten Handlungen, Mitleid für ihre Erkrankung.

Diese Reaktionen sind ganz natürlich bei der Konfrontation mit Borderline. Partner und Freunde dürfen sich diese Emotionen zugestehen. Menschen mit Borderline haben grosse Angst vor dem Alleinsein. Gleichzeitig halten sie Beziehungen nicht lange aus. Häufig springen sie von einer Beziehung in die nächste.

Beziehungen plötzlich zu beenden, ist ein typisches Kennzeichen von Borderline. Es ist daher nicht leicht, eine längerfristige Beziehung zu einem Borderline-Partner aufrecht zu erhalten.

Die Gefühlsschwankungen eines Borderliners sind für den Partner oft nicht nachvollziehbar, und das Borderline-Beziehungsverhalten ist häufig zermürbend. Reagiert der Partner daraufhin abweisend oder genervt, verstärkt sich bei den Bordeline-Patienten die Angst, verlassen zu werden.

Wutanfälle oder auch Manipulationsversuche sind häufige Reaktionen. Manche drohen mit Selbstmord, wenn der Partner sie verlässt. So kommt es schnell zu einer Co-Abhängigkeit in der Borderline-Beziehung. Der Partner tut im Rahmen dieser Co-Abhängigkeit vielfach alles für den Betroffenen und stellt seine eigenen Bedürfnisse in den Hintergrund.

Damit wird die psychische Störung aufrechterhalten oder sogar verstärkt. Es ist wichtig, dass der Partner die gestörten Verhaltensmuster in der Borderline-Beziehung erkennt und sich Hilfe sucht. Zusammen mit dem Therapeuten arbeitet das Paar dann daran, die eigenen Bedürfnisse und die des anderen in Einklang zu bringen.

Borderline-Patienten, die in ihrer Kindheit Missbrauch erlebt haben, haben grosse Schwierigkeiten, langfristige Bindungen einzugehen. Beziehungen auf Basis von Verständnis und Wertschätzung sind ihnen nicht vertraut.

Gleichzeitig ist eine starke Sehnsucht nach Nähe typisch bei Borderline. Sexualität wird dann von vielen Patienten als Mittel eingesetzt, eine Beziehung aufzubauen. Oft ist Borderlinern ihre sexuelle Orientierung unklar. Denn die Schwierigkeiten mit der eigenen Identität zeigen sich auch bezüglich der sexuellen Ausrichtung.

Ihre sexuelle Offenheit in Kombination mit der Impulsivität wirkt auf andere Menschen teilweise sehr anziehend. Borderliner sind dadurch gefährdet, wieder in eine missbräuchliche Situation zu geraten, ohne dies sofort zu merken.

Es gibt Hinweise darauf, dass Borderliner Sex auch zur Reduktion von Spannungen und zur Unterdrückung von Ängsten einsetzen. Einige Borderline-Patienten suchen das Risiko, schaden sich damit selbst und fallen in eine noch tiefere Leere. Unter anderem ist dies manchmal der Grund, warum einige Borderliner fremdgehen.

Ob Liebesbeziehung oder Freundschaft - der Umgang mit Borderline-Erkrankten ist immer ein Drahtseilakt. Der ständige Wechsel zwischen Nähe und Distanz, die emotionalen Achterbahnfahrten und die Wutausbrüche sind auf Dauer schwer auszuhalten.

Wenn Borderliner den Kontakt abbrechen, handelt es sich oft um eine Art Selbstschutz-Verhalten. Jugendliche mit der Borderline-Störung verändern unter Umständen sehr schnell die Dynamik in der Familie. Sie ziehen die Aufmerksamkeit auf sich.

Risikoreiches Verhalten, Stimmungsschwankungen und manchmal auch Suizidversuche sind Teil der psychischen Störung. Auf Borderline-Angehörige wirkt das Verhalten des betroffenen Familienmitglieds oft verstörend. Sie haben Schwierigkeiten damit, die Handlungen nachzuvollziehen und fühlen sich oft hilflos.

Es ist wichtig für Familienmitglieder, ihre eigenen Bedürfnisse nicht zu ignorieren. Gesunde Geschwister müssen oft um die Aufmerksamkeit und Zuwendung der Eltern kämpfen. Das fördert nicht nur eine schlechte Stimmung in der Familie, sondern erhöht auch die Wut auf den Borderliner.

Mit therapeutischer Unterstützung gelingt es leichter, die Familienstruktur zu erhalten und das Gefühlschaos zu reduzieren. Borderliner haben meistens von einem oder beiden Elternteil(en) Lieblosigkeit und Vernachlässigung erfahren.

Oft ist es eine Mischung aus zu geringer Fürsorge und gleichzeitig zu starker Kontrolle, die bei den Patienten in der Kindheit Traumata ausgelöst haben. Zudem gibt es genetische Einflüsse, die den Ausbruch der Krankheit fördern.

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