Worauf Psychologen bei der Arbeit achten

Bei psychischen Problemen benötigt man rasch Unterstützung. Doch wie findet man die richtige Therapeutin? Eine Orientierungshilfe.

Viele realisieren lange nicht, dass sie ein psychisches Problem haben. Oder sie verdrängen es. Gemäss Studien dauert es im Schnitt sieben Jahre, bis sich Betroffene angemessene Hilfe holen.

In vielen Köpfen sei verankert, dass man nur zur Psychiaterin «müsse», wenn man ständig weine oder Wahnvorstellungen habe. Dabei sind solche schweren Depressionen oder Psychosen eher selten.

Viel häufiger seien diffuse Symptome. Jemand mit einer leichten bis mittleren Depression schiebt es auf einen verschleppten Schnupfen oder auf die viele Arbeit, wenn er nicht so «zwäg» ist.

Das nahe Umfeld merke oft schneller, dass etwas nicht stimmt. Wenn die Symptome mehrere Wochen anhalten und mich belasten, dann sollte ich Hilfe holen, sagt Zemp. Die Hausärztin sei eine gute erste Anlaufstelle.

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Doch der heute wohl am häufigsten konsultierte Ratgeber ist «Dr. Google». Unter «Therapeut finden» erscheint etwa das Verzeichnis von Sanasearch. Die Firma wirbt mit einem «Pool von über 20'000 Fachpersonen». Anhand eingegebener Symptome erscheint eine Liste: «psychologische Beraterin», «Fachpsychologin», «eidgenössisch anerkannter Psychotherapeut». Doch was bedeuten diese Fachtitel? Und welche Ausbildung hat welchen Stellenwert?

Diese Informationsfülle überfordert viele Betroffene, stellt die Zürcher Psychotherapeutin Laure Helfgott fest. Die meisten meiner Patienten kennen nicht mal den Unterschied zwischen Psychologin, Psychotherapeut und Psychiaterin. Wie sollen sie da wissen, was sie erwarten können?

Bei ernsthaften Erkrankungen spiele es aber sehr wohl eine Rolle, an wen die Patienten gelangen. So dürfe eine psychologische Beraterin gemäss Gesetz keine Krankheiten behandeln (siehe Infobox «So findet man psychologische Hilfe»). Sanasearch teilt mit, man akzeptiere nur Therapeuten, die von Krankenkassen anerkannt sind. Zudem fordere man Therapeuten in einer Infobroschüre auf, nur jene Behandlungsfelder anzugeben, für die sie qualifiziert sind.

Was Ratsuchende bei Sanasearch nicht sehen: Es gibt Therapeuten, die für ihren Platz auf der Liste bezahlen. Die Firma hält entgegen, dass diese nur dann auf dem ersten Platz erschienen, wenn die ausgewählten Suchkriterien für mehrere Therapeuten passten.

Nadia Pernollet von der Stiftung Pro Mente Sana kritisiert dennoch: In erster Linie muss für eine erfolgreiche Therapie die Beziehung stimmen.

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Manche Betroffenen wünschen sich aber eine Therapeutin, die auf ihr Problem spezialisiert ist. Hier fehle bei den Verbänden eine übersichtliche Einordnung, findet Therapeutin Helfgott. Statt dass es eine Übersichtsseite zu psychischer Gesundheit gibt, informiere jede Fachgesellschaft für sich. Und oft in einem Fachjargon, der für die meisten nicht verständlich ist.

Die Spezialisierung eines Therapeuten sei gar nicht so wichtig, sagt Psychiater und Psychotherapeut Daniel Teichman. Psychiater sind für alle Krankheitsbilder ausgebildet. Viel wichtiger sind für Patienten oft Kriterien wie die Sprache oder ob es ein Mann oder eine Frau ist.

Für Susanne Weber war es ein Glück, dass sie eine Psychologin fand, die sie ernst nahm. Sonst hätte ich damals wohl wieder aufgegeben. Nicht jede Therapeutin kann gut mit Traumata umgehen.

Mit ihrer Psychologin habe die Chemie auf Anhieb gestimmt. Eine Ausbildung und die Art der Therapie sagen noch nichts darüber, ob die Person mit mir umgehen kann.

Eines dürfe man aber nicht vergessen: Damit eine Therapie wirkt, muss der Betroffene auch wirklich etwas verändern wollen und Geduld haben - Therapeuten können auch nicht zaubern.

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Bei Heidi Schenker dauerte es zehn Jahre, bis sie ihre Essstörung überwunden hatte. Heute sieht die 43-Jährige diese Phase aber nicht mehr als Handicap, sondern als Ressource. Dank meiner Krankheit habe ich mich stark mit mir auseinandergesetzt.

Es gibt Psychotherapien, die Ursachen für ein Problem ergründen (etwa Psychoanalyse), und solche, die den Fokus eher auf den Ist-Zustand und die Zukunft legen (zum Beispiel Verhaltenstherapie).

Das wichtigste Kriterium ist Sympathie. Wenn man Bedenken bezüglich Methode oder Therapeutin hat, sollte man sie ansprechen.

Viele psychiatrische Kliniken haben ein Ambulatorium mit Sprechstunden. Die psychosoziale Beratung von Pro Mente Sana hilft, die passende Anlaufstelle zu finden, vermittelt aber keine Therapeuten.

Der Schweizerische Berufsverband für angewandte Psychologie (SBAP) führt unter www.sbap.ch ebenfalls eine Liste ihrer Mitglieder. Die Assoziation Schweizer Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten (ASP) führt unter www.psychotherapie.ch eine Liste ihrer Mitglieder.

Neu ab 1. Juli 2022 können Psychologinnen und Psychologen, welche über die notwendige berufliche Qualifikation verfügen, ihre Leistungen über die Grundversicherung abrechnen. Ähnlich wie bei der Physiotherapie braucht es eine ärztliche Anordnung, damit man den Besuch bei einer Psychologin oder einem Psychologen über die Krankenkasse abrechnen kann.

Diese stellen Hausärzte und Psychiater aus. Erkundigen Sie sich bei der Krankenkasse, ob der Psychologe oder die Psychologin ihrer Wahl die beruflichen Voraussetzungen, um mit der Krankenkasse abzurechnen, erfüllt.

Pro Anordnung können 15 Sitzungen verordnet werden, im Krisenfall deren 10. Sind Sie in Not? Kurzfristig kann Ihnen auch die Dargebotene Hand unter der Telefonnummer 143 helfen.

Betroffene finden sich bald in der Situation, beweisen zu müssen, dass sie wirklich nicht arbeitsfähig sind.

Machen Sie sich Notizen, die Sie auch ans Gespräch mitbringen können. Was sind Ihre Hauptbeschwerden? Wie wirken sie sich am Arbeitsplatz bei den einzelnen Tätigkeiten aus? Warum können Sie Ihre Arbeit aktuell nicht mehr erledigen?

Seien Sie möglichst spezifisch. Beschreiben Sie, dass Sie wegen Ihrer Konzentrationsschwierigkeiten bei der Fakturierung sieben Fehler gemacht haben. Und wie Sie darum um acht völlig erschöpft im Büro erschienen. Es geht nicht darum, wie es Ihnen zu Hause oder in der Freizeit geht. Es geht um Ihre Arbeitsfähigkeit - der Gutachter braucht dazu Fakten.

Seien Sie ehrlich. Ein guter Gutachter merkt, wenn Sie gewisse Symptome hervorheben oder ihre Geschichte ergänzen - aus Angst, dass man Ihnen sonst nicht glaubt. Er merkt, dass etwas nicht stimmt, kann aber nicht sagen, was es genau ist. Dann zieht er alles in Zweifel.

Intuitiv wollen wir uns oft von unserer besten Seite zeigen, wollen Konflikte vermeiden und es allen recht machen. Auch dem Gutachter. Das werden Sie unter dem Stress der Begutachtung schlecht ändern können.

Weisen Sie den Gutachter auf den Unterschied hin, wie Sie sich im Gespräch geben und wie es Ihnen sonst geht. Sie dürfen ein Aufnahmegerät mitnehmen und das Gespräch aufnehmen. Informieren Sie den Gutachter oder die auftraggebende Stelle vorher darüber. Das Aufnehmen gibt beiden Beteiligten Sicherheit und sollte eigentlich bei einem so umstrittenen Thema Standard sein.

Die Psychotherapeutin muss zum Patienten passen, die Patientin zum Psychotherapeuten. Sonst wird nichts aus der Therapie.

  • Plattformen von Verbänden konsultieren (Link weiter unten), Homepages von Therapeuten anschauen, Vertrauensarzt fragen, Freunde und Bekannte nach Erfahrungen fragen.
  • Zu Beginn der Therapie Erwartungshaltungen abgleichen, fragen «Wie arbeiten Sie? Was kommt auf mich zu?». Zuerst nur 3 Sitzungen abmachen.
  • Ist die Therapie gut gestartet und schon fortgeschritten, sollten eventuelle Unstimmigkeiten nicht gleich zum Abbruch führen. Es ist erwünscht, dass die Therapie etwas auslöst und dass etwas passiert im Patienten oder der Patientin.

Das Internet ist voll von Informationen zu Fachstellen sowie Expertinnen und Experten für psychologische Beratungen. Die unüberschaubaren Angebote können Sie in einer Krise rasch überfordern und entmutigen.

Verlieren Sie aber Ihr Ziel nicht aus den Augen: Eine gute erste Anlaufstelle bei psychischen Problemen ist stets die Hausärztin oder der Arzt Ihres Vertrauens. Die Medizinerin bzw. der Mediziner kann einerseits mögliche körperliche Ursachen untersuchen und behandeln. Andererseits kann man Sie nach einem Arztgespräch an eine Fachperson oder an eine Fachstelle zur weiteren psychologischen Abklärung überweisen.

Tipp: Nebst der Ärztin oder dem Arzt stehen Ihnen auch bei Pro Mente Sana Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner für eine erste Abklärung Ihrer psychischen Gesundheit zu Verfügung.

Grundsätzlich können Sie immer wählen, welche Fachperson Sie als Gesprächspartnerin oder Gesprächspartner konsultieren möchten.

Tipp: Nehmen Sie vor der Konsultation bei einer Fachperson auf jeden Fall mit Ihrer Krankenkasse Kontakt auf. Klären Sie ab, welche Kosten übernommen werden. Je nach Versicherungsbedingungen gibt es bei vielen Krankenkassen eine Liste von anerkannten Therapeutinnen und Therapeuten. Oder Sie benötigen je nach Versicherungsmodell eine Überweisung durch Ihre Hausärztin bzw.

Nach der Anmeldung in einer Praxis oder in einer psychologischen Beratungsstelle erfolgt in der Regel ein unverbindliches Erstgespräch mit der behandelnden Fachperson.

Behandlungen durch psychologische Psychotherapeutinnen und -therapeuten werden von der Grundversicherung übernommen, wenn diese durch eine Ärztin oder einen Arzt angeordnet werden. Diese Regelung gilt erst seit Juli 2022, darum ist das Abrechnungsmodell noch nicht in allen Kantonen klar definiert und umgesetzt. Informieren Sie sich bei Ihrer Therapeutin, Ihrem Therapeuten oder bei Ihrer Versicherung über die geltenden Regelungen in Ihrem Wohnkanton. Wenn keine ärztliche Anordnung besteht, werden psychologische Behandlungen teilweise durch die freiwillige Zusatzversicherung gedeckt.

Psychiaterinnen und Psychiater sind ausgebildete Ärztinnen bzw. Ärzte mit Spezialgebiet Psychiatrie. Gespräche mit Life Coaches und andere psychosoziale Beratungsangebote müssen in der Regel selbst bezahlt werden.

Die Fachperson wird Sie sicher nach Ihren Beweggründen für dieses Gespräch fragen. Weiter wird die Fachperson Sie ermuntern, aus Ihrem Leben zu erzählen. Aus Ihren Schilderungen wird sich rasch ein Gespräch entwickeln. Wie arbeiten Sie am liebsten?

Diese Zweifel und Hemmungen sind ganz normal. Es braucht oft viel Überwindung, sich einer Fachperson anzuvertrauen. Vergessen Sie nicht: Viele Menschen haben psychische Probleme. So ist in der Schweiz etwa jede zweite Person im Laufe des Lebens einmal von einer psychischen Krise betroffen.

Stellen Sie sich vor, Ihr Knie schmerzt seit mehreren Wochen - Sie werden kaum zögern, dieses körperliche Symptom bei der Hausärztin oder beim Hausarzt untersuchen zu lassen.

Viele Menschen mit psychischen Erkrankungen fürchten eine Stigmatisierung, wenn ihre Krankheit bekannt wird. Rein rechtlich steht jede Psychiaterin und jeder Psychologe unter Schweigepflicht. Als Patientin bzw. Es ist deshalb theoretisch möglich, eine psychische Erkrankung und ihre Behandlung geheim zu halten. Bedenken Sie, dass Familienmitglieder und Menschen im Freundeskreis meistens rasch merken, wenn es einer geliebten Person nicht gut geht.

Es kann sein, dass Ihnen die Fachärztin oder der Facharzt zur Behandlung der Symptome Ihrer Krankheit Medikamente wie z. B. Antidepressiva empfiehlt oder als Möglichkeit anbietet.

Während bei den einen die Arbeit eine aufbauende Ressource darstellt und das psychische Wohlbefinden stärkt, stellt der Job bei anderen eine psychische Zusatzbelastung dar. In diesem Fall lohnt es sich abzuklären, ob man vielleicht eine Zeit lang weniger arbeiten, Überstunden kompensieren oder Ferien beziehen kann.

Der wichtigste Expertentipp zur Gesprächsvorbereitung: Versuchen Sie, sich nicht zu viele Sorgen zu machen. An welche Fachperson möchten Sie sich wenden? Sprechen Sie erst mit Ihrer Hausärztin bzw.

Vorbereitung auf das erste Gespräch: Was sind Ihre Beweggründe für das Gespräch oder die Therapie? Seien Sie sich bewusst, dass Sie eine psychologische Behandlung jederzeit abbrechen können.

Wichtiger Hinweis: Diese Checklisten ersetzen keine ärztliche oder psychotherapeutische Diagnosestellung.

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