Ein ärztliches Attest spielt eine zentrale Rolle bei der Beurteilung von psychischer Belastung, insbesondere im Zusammenhang mit Arbeitsunfähigkeit. Dieses Dokument dient als Grundlage für verschiedene rechtliche Ansprüche und Verpflichtungen sowohl für Arbeitnehmer als auch für Arbeitgeber.
Arbeitsunfähigkeit und ihre Folgen
Eine arbeitsplatzbezogene Arbeitsunfähigkeit, bei der ein Arbeitnehmer nur in Bezug auf seine konkrete Stelle arbeitsunfähig ist, tritt immer häufiger im Umfeld von psychischen Belastungen am Arbeitsplatz auf. Solche Belastungen können durch Konflikte, Mobbing oder Leistungsdruck entstehen. Auch kurz nach der Ankündigung einer Kündigung kann es zu Krankschreibungen aus psychischen Gründen kommen.
Der Arbeitgeber kann prüfen, ob er einem arbeitsplatzbezogen arbeitsunfähigen Arbeitnehmer eine andere Stelle innerhalb des Unternehmens zuweisen kann. Diese Zuweisung muss jedoch zumutbar und von vorübergehender Natur sein. Eine solche Massnahme setzt voraus, dass der Arbeitnehmer tatsächlich nur bezüglich der konkreten Stelle arbeitsunfähig ist, was durch ein entsprechendes Arztzeugnis belegt werden muss.
Lohnfortzahlung und Krankentaggeld
Bei unverschuldeter Arbeitsverhinderung durch Krankheit hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Lohnfortzahlung für eine beschränkte Zeit. Viele Arbeitgeber schliessen Krankentaggeldversicherungen ab, welche nach einer Wartefrist die Lohnfortzahlung übernehmen. Diese Versicherungen können bei Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit weitere Abklärungen durch ihre Vertrauensärzte verlangen.
Kündigungsschutz und Sperrfristen
Nach Ablauf der Probezeit darf der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer während bestimmter Sperrfristen nicht kündigen, wenn dieser unverschuldet durch Krankheit an der Arbeitsleistung verhindert ist. Ob eine arbeitsplatzbezogene Arbeitsunfähigkeit eine Sperrfrist auslöst, ist umstritten. Einige neuere Urteile verneinen dies, sofern der Arbeitnehmer in der Suche nach einer neuen Stelle nicht eingeschränkt ist. Der Sperrfristenschutz sollte jedoch dann zur Anwendung gelangen, wenn ärztlich feststeht, dass lediglich eine rein arbeitsplatzbezogene Arbeitsunfähigkeit besteht.
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Beweis der Arbeitsunfähigkeit
Der Beweis für die Arbeitsverhinderung durch Krankheit obliegt dem Arbeitnehmer und wird meistens durch ein Arztzeugnis erbracht. Die Gerichte stützen sich in der Regel auf dieses Arztzeugnis, solange keine begründeten Zweifel an dessen Richtigkeit bestehen. Der Arbeitgeber kann jedoch versuchen, diese Zweifel zu wecken, beispielsweise durch eine vertrauensärztliche Untersuchung.
Psychische Erkrankungen am Arbeitsplatz
Menschen, die unter Depressionen leiden, können grundsätzlich am Arbeitsleben teilnehmen. Es besteht keine Pflicht, den Arbeitgeber über die Erkrankung zu informieren, sofern die Aufgaben nicht wesentlich erschwert werden. Ein offener Umgang kann jedoch Stress ersparen und die Zusammenarbeit erleichtern.
Je nach Stadium der Erkrankung kann ein geregelter Tagesablauf mit einer sinnvollen Beschäftigung die Genesung fördern. Allenfalls können Massnahmen wie eine Reduktion des Pensums oder längere Pausen erarbeitet werden. Bei Arbeitsunfähigkeit aufgrund von Depressionen kann eine Krankschreibung erfolgen. Das Arztzeugnis enthält Informationen über Beginn, Dauer und Grad der Arbeitsunfähigkeit, die genaue Diagnose fällt jedoch unter das Arztgeheimnis.
Verhandlungsfähigkeit
Die Frage, ob eine Person verhandlungsfähig ist, ist eine Rechtsfrage, die vom Richter beantwortet wird, in der Regel gestützt auf ein ärztliches Gutachten. An die Verhandlungsfähigkeit dürfen keine hohen Anforderungen gestellt werden. Es genügt, wenn die Person körperlich und geistig in der Lage ist, der Verhandlung zu folgen und ihre Verfahrensrechte auszuüben.
Auch bei psychischen Störungen wie wahnhaften Störungen oder posttraumatischen Belastungsstörungen kann eine Verhandlungsfähigkeit gegeben sein, wobei die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind.
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Fallbeispiel: A.___
Der Fall von A.___, der sich im Januar 2015 zum Bezug von Leistungen der Invalidenversicherung anmeldete, illustriert die Komplexität der Beurteilung von Arbeitsunfähigkeit aufgrund psychischer Belastung. A.___ litt unter Schlafstörungen, Instabilität der Beine, Appetitlosigkeit, Unsicherheitsgefühl und Gleichgewichtsstörungen. Verschiedene Ärzte diagnostizierten unter anderem eine Anpassungsstörung, eine depressive Episode und eine dissoziative Bewegungsstörung. Ein polydisziplinäres Gutachten kam jedoch zu dem Schluss, dass aus orthopädischer und neurologischer Sicht keine Diagnose mit Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit erhoben werden konnte. Trotzdem wurde eine 50%ige Arbeitsfähigkeit festgestellt, wobei bestimmte Anforderungen an die Tätigkeit gestellt wurden.
Zusammenfassung
Ein ärztliches Attest bei psychischer Belastung ist ein wichtiges Dokument, das verschiedene rechtliche Folgen nach sich ziehen kann. Es ist entscheidend, dass dieses Attest auf einer sorgfältigen medizinischen Untersuchung basiert und die individuellen Umstände des Betroffenen berücksichtigt. Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollten sich ihrer Rechte und Pflichten bewusst sein und gegebenenfalls rechtlichen Rat einholen.
Tabelle: Mögliche Massnahmen bei psychischer Belastung am Arbeitsplatz
| Massnahme | Beschreibung | Ziel | 
|---|---|---|
| Arbeitsplatzbezogene Anpassung | Veränderung der Arbeitsbedingungen, z.B. Reduktion des Pensums, längere Pausen | Erhaltung der Arbeitsfähigkeit und Förderung der Genesung | 
| Versetzung | Zuweisung einer anderen Stelle innerhalb des Unternehmens | Vermeidung von Belastungen am bisherigen Arbeitsplatz | 
| Psychologische Unterstützung | Therapie, Coaching, Gespräche mit der Personalleitung | Bewältigung der psychischen Belastung und Stärkung der Ressourcen | 
| Krankschreibung | Vorübergehende Freistellung von der Arbeit | Ermöglichung einer Erholung und Behandlung | 
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