Angsterkrankungen oder Angststörungen sind ein häufiges Phänomen in der Bevölkerung. Bei manchen Menschen schiessen Emotionen jedoch über das normale Mass hinaus. Ihre Angst übersteigt die objektiv von einer Situation ausgehende Gefahr, und Betroffene können oft ihre Gefühle in dieser Situation überhaupt nicht mehr kontrollieren.
Was sind Angststörungen?
Angst ist ein natürliches Gefühl, das vor Gefahren warnt und unseren Körper in einen Alarmzustand versetzt. Durch das Angstgefühl beginnen wir, die Gefährlichkeit einer Situation einzuschätzen und unser Verhalten anzupassen. Typische Reaktionen sind Flucht, Angriff und Erstarren. Die Angst verschwindet normalerweise, wenn die Bedrohungssituation vorbei ist.
Von einer Angststörung wird gesprochen, wenn die Angstreaktion in ihrer Stärke nicht angemessen ist und in eigentlich ungefährlichen Situationen auftritt und/ oder wenn die Angst über längere Zeit anhält. Diese Angstreaktionen treten immer wieder auf und sind manchmal unabhängig von bestimmten Auslösern.
Gewisse Betroffene erkennen, dass die Reaktion unangemessen ist, können die Angst aber nicht kontrollieren oder aushalten. Gewisse Situationen werden dann aus Angst vor der Angst vermieden. Das Leben wird somit stark eingeschränkt.
Ursachen von Angststörungen
Verschiedene Faktoren wirken bei der Entstehung und Aufrechterhaltung von Angststörungen zusammen:
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- Genetik: Eine familiäre Veranlagung kann das Risiko für Angststörungen erhöhen.
 - Lebenserfahrungen: Traumatische Ereignisse, Missbrauch oder schwierige Kindheit können Angststörungen auslösen.
 - Neurochemie: Ungleichgewichte der Botenstoffe im Gehirn wie Serotonin oder Noradrenalin können eine Rolle spielen.
 - Stress: Übermäßiger Stress und Belastung können Angst verstärken oder auslösen.
 - Persönlichkeit: Menschen mit bestimmten Persönlichkeitsmerkmalen, wie Perfektionismus oder ängstliches Temperament, sind anfälliger.
 - Medizinische Bedingungen: Bestimmte körperliche Erkrankungen können Angstsymptome hervorrufen.
 - Substanzmissbrauch: Alkohol oder Drogen können Angst verstärken oder auslösen.
 
Es ist wichtig zu beachten, dass Angststörungen oft das Ergebnis einer Kombination dieser Faktoren sind und individuell variieren können.
Formen und Symptome von Angststörungen
Zu den wichtigsten Angststörungen gehören:
- Agoraphobie: Menschen die vor Situationen Angst haben, in denen es für sie vermeintlich keine Fluchtmöglichkeit oder Hilfe gibt, falls etwas geschieht, Angst vor grossen Menschenmengen, vor öffentlichen Verkehrsmitteln oder auf öffentlichen Plätzen.
 - Spezifische Phobie: Die betroffenen Personen haben in spezifischen Situationen Angst, bspw. vor bestimmten Tieren wie Spinnen (Arachnophobie), Höhen (Akrophobie), Donner, Dunkelheit, Fliegen, geschlossenen Räumen (Klaustrophobie), Genuss bestimmter Speisen, Zahnarztbesuch etc. Obwohl die auslösende Situation streng begrenzt ist, kann sie Panikzustände wie bei Agoraphobie oder sozialer Phobie hervorrufen.
 - Soziale Phobie: Menschen, die an einer sozialen Phobie leiden, haben ständig das Gefühl, von anderen negativ bewertet zu werden. Sie haben Angst, dass sie sich blamieren, unangenehm auffallen oder ausgelacht werden. Eine soziale Phobie kann zu einer totalen Isolation führen. Symptome sind starkes Erröten, Angst vor dem Erbrechen (Emetophobie), Sprachlosigkeit, Stuhl- oder Harndrang, Zittern, Schwitzen, Angst, dass andere die Symptome bemerken könnten, Scham
 - Panikstörung: Ein Hauptmerkmal einer Panikattacke sind wiederholte, nicht vorhersehbare Panikattacken. Eine Panikattacke ist gekennzeichnet durch plötzliche auftretende extreme Angst, teilweise Todesangst. Symptome sind Herzrasen, Schweissausbrüche, Übelkeit, Erstickungsgefühl, Atembeschwerden, Schwindel. Auch wenn die Panikattacke nur wenige Minuten anhält und es keinen objektiven Grund gibt, so ist das für die Betroffenen sehr real und kräftezehrend. Oft tritt eine Panikstörung im Zusammenhang mit einer Agoraphobie auf.
 
Panikattacken bei Kindern und Jugendlichen
Eine Panikattacke kann bereits bei Kindern und Jugendlichen auftreten. Manchmal beherrscht die Angst sie so stark, dass sie regelrechte Panikattacken bekommen. Sie haben Angst zu sterben, verrückt zu sein oder die Kontrolle zu verlieren.
Eine Panikattacke bei Jugendlichen kann sich nach aussen sehr dramatisch äussern - mit Schreien, Weinen oder Hyperventilation. Charakteristisch für eine Panikattacke ist, dass die intensive und plötzliche Panik sich körperlich auswirkt. Typische Symptome sind Herzrasen, Schweissausbruch, Zittern und Mundtrockenheit.
Oftmals versuchen die betroffenen Teenager ihre Ängste zu verbergen. Deshalb kann es für Eltern schwierig sein, eine Panikstörung zu erkennen. Allenfalls zeigen sich Anzeichen im Verhalten: Die Jugendlichen ziehen sich noch stärker zurück, versuchen bestimmte Situationen zu vermeiden, möchten nicht mehr in die Schule gehen oder reagieren vermehrt aggressiv.
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Was tun bei einer Panikattacke?
Hier sind einige Tipps, was Eltern tun können, wenn ihr Kind eine Panikattacke hat:
- Hören Sie zu, nehmen Sie die Panik ernst.
 - Lenken Sie von der Panikattacke ab. Sprechen Sie gemeinsam über ein schönes Erlebnis oder einen speziellen Wunsch.
 - Leiten Sie Ihr Kind zu Atemübungen an. Denn wer Angst hat, atmet flacher.
 - Animieren Sie zu Bewegung, zum Beispiel zur Lieblingsmusik zu tanzen.
 - Stärken Sie das Selbstvertrauen, indem Sie daran erinnern, was der oder die Jugendliche bereits erfolgreich gemeistert hat.
 - Helfen Sie den Heranwachsenden, frühe Signale richtig einzuschätzen. Manchmal kündigt sich eine Panikattacke an, beispielsweise mit einem trockenen Mund oder Herzrasen. Überlegen Sie gemeinsam Strategien, um die Panik zu bewältigen.
 
Behandlung von Angststörungen bei Kindern
Die Behandlung einer Angststörung beinhaltet in der Regel eine Kombination aus verschiedenen Ansätzen, um die Symptome zu lindern und das Leben besser bewältigen zu können. Hier sind die wichtigsten Behandlungsmethoden einfach erklärt:
- Psychotherapie: Die Psychotherapie ist eine Form der Gesprächstherapie, bei der die Betroffenen mit einer Fachperson über ihre Ängste und Belastungen sprechen können. Ziel der Psychotherapie ist es, die zugrundeliegenden Ursachen der Angst zu verstehen und Bewältigungsstrategien zu entwickeln. Erlernen von Entspannungstechniken und das Überwinden von Vermeidungsverhalten können Teil davon sein.
 - Medikamente: In einigen Fällen können Medikamente verschrieben werden, um die Symptome der Angststörung zu lindern.
 - Änderung des Lebensstils: Gesunde Gewohnheiten wie regelmäßige Bewegung, ausreichend Schlaf und eine ausgewogene Ernährung können die Behandlung unterstützen.
 - Selbsthilfegruppen: Hier können Betroffene sich mit anderen Betroffenen austauschen und von deren Erfahrungen profitieren.
 
Die Behandlung ist immer individuell auf die Betroffenen und deren spezifische Bedürfnisse zugeschnitten. Die meisten Angststörungen sind gut behandelbar, und mit der richtigen Unterstützung können Betroffene lernen, ihre Ängste zu bewältigen und ein erfüllteres Leben zu führen.
Medikamentöse Behandlung bei Kindern und Jugendlichen
Eine Behandlung durch Antidepressiva sollte bei Kindern und Jugendlichen nur bei schwerer Depression oder bei Nichtansprechen auf Psychotherapie erfolgen. Eine Ausnahme ist z.B. eine Depression bei Patienten mit begleitender Angststörung. Hier kann eine frühe Behandlung mit einem Antidepressivum sehr sinnvoll sein, um den Schulbesuch, Sport sowie den Austausch mit Gleichaltrigen wieder zu ermöglichen und vermeidendes Verhalten zu durchbrechen.
Abgesehen von Johanniskraut-Präparaten sind in der Schweiz keine antidepressiven Medikamente zur Depressionsbehandlung für Kinder- und Jugendliche zugelassen, was an den hohen Hürden für eine Zulassung liegt. Antidepressiva können jedoch off-label mit Einverständnis der Eltern verschrieben werden und werden in der klinischen Praxis bei Kindern und Jugendlichen bei guter Verträglichkeit eingesetzt.
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Eine Zulassung zur Behandlung von Zwangsstörungen bei Kindern und Jugendlichen besteht derzeit nur für Sertralin ab dem Alter von 6 Jahren und für Fluvoxamin ab dem Alter von 8 Jahren. Obwohl für weitere SSRI wie Fluoxetin und Paroxetin eine ebenso gute Datenlage besteht, sind diese Medikamente für Zwangsstörungen nicht zugelassen und nur unter den Bedingungen des off-label use einsetzbar.
Psychopharmakotherapie
In der Psychopharmakotherapie der Angststörungen sind die Serotonin Wiederaufnahme hemmenden Antidepressiva die Medikamente der ersten Wahl. Ihre Wirksamkeit bei Panikstörung, GAD, posttraumatischer Belastungsstörung (PTSD), sozialer Angststörung und Zwangsstörung wurde in mehreren kontrollierten Studien belegt. Diese Substanzen sind gut dokumentiert, sowohl für die Akutbehandlung, als auch zur Prophylaxe.
Zwangsstörungen bei Kindern und Jugendlichen
Zwangsstörungen können bei Kindern und Jugendlichen auftreten und haben einen signifikanten Einfluss auf ihr Leben und das ihrer Familien. Zwangsstörungen beginnen bei Kindern häufig im Alter zwischen sieben und zwölf Jahren. Ein früherer Beginn ist möglich, aber relativ selten.
Häufigste Zwangshandlungen sind Wasch- und Putzzwänge, gefolgt von Kontroll-, Wiederholungs-, Ordnungs- und Zählzwängen.
Die kognitive Verhaltenstherapie ist eine sehr wirksame Behandlungsmethode zur Behandlung von leichten bis mittelschweren Zwangsstörungen bei Kindern und Jugendlichen. Bei einer schweren Form kann zusätzlich eine medikamentöse Therapie durchgeführt werden.
Hilfe suchen
Bemerken Sie bei Ihrem Kind Panikattacken-Symptome, sprechen Sie am besten mit einer Ärztin oder einem Arzt.
Treten die Panikattacken wiederholt auf und beeinträchtigen sie das Sozialleben oder die schulischen Leistungen, ist es besser, frühzeitig eine Fachpersonen beizuziehen.
Wer Symptome einer Angststörung bei sich feststellt und sich dadurch im Alltag beeinträchtigt fühlt, sollte professionelle Hilfe suchen: Je früher eine erkrankte Person behandelt wird, desto besser sind die Heilungschancen.
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