Die posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) tritt als eine körperliche Reaktion nach einem traumatischen Erlebnis wie einem Gewaltverbrechen, einem schweren Unfall oder einer Kriegshandlung auf.
Wie äussert sich eine posttraumatische Belastungsstörung?
Um eine posttraumatische Belastungsstörung zu diagnostizieren, hält sich der behandelnde Arzt an die Kriterien und Symptome, die in der internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD-10) aufgelistet sind.
Verzögerte Symptome
Die Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung treten in der Regel nicht sofort auf. Während der erlebten Notsituation entwickeln sich in der Regel erst einmal Schocksymptome: Die Betroffenen sind wie betäubt, viele berichten von dem Gefühl des "Neben sich stehens" (Depersonalisationsgefühl). Die Situation kommt ihnen dann irreal vor. Dabei handelt es sich um einen Schutzmechanismus des Körpers, der dem eigenen Überleben dient. Diese Reaktion auf den massiven Stress nennt man eine akute Belastungsreaktion.
Wenn sich diese Symptome weiterentwickeln und manifestieren, bezeichnen Experten dies als posttraumatische Belastungsstörung. Symptome treten dann oft erst Monate bis Jahre später auf. Sie variieren sehr, sind jedoch stets ernst zu nehmen. Da die Symptome denen anderer Erkrankungen (wie Depression, Borderline-Persönlichkeitsstörung) ähneln, werden diese zunächst ausgeschlossen, was nicht immer leicht ist. Wichtiges Unterscheidungskriterium ist, dass die Symptome einer PTBS zeitlich verspätet nach einem erlebten Trauma auftreten.
Symptome im Detail
Die Hauptsymptome einer posttraumatischen Belastungsstörung sind:
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- Unwillkürliches Erinnern und Wiedererleben des Traumas (Intrusionen und Flashbacks)
 - Vermeidung, Verdrängung und Vergessen des Geschehens
 - Nervosität, Angst und Reizbarkeit
 - Verflachung der Gefühle und Interessen
 
Unwillkürliches Wiedererleben des Traumas (Flashbacks)
Menschen mit PTBS werden spontan von aufkommenden Erinnerungen an das traumatische Erlebnis überwältigt und sind nicht fähig, dies willkürlich zu kontrollieren oder zu unterdrücken. Bei manchen Betroffenen kommen nur Bruchteile der Erinnerung hoch, während andere unter sogenannten Flashbacks leiden. Flashbacks beschreiben das halluzinationsartige Zurückversetzen in das Geschehen. Die Betroffenen haben das Gefühl, die Situation noch einmal zu durchleben.
Auslöser sind oftmals sogenannte Schlüsselreize, also wenn beispielsweise ein Kriegsopfer Schreie hört oder ein Brandopfer Rauch riecht. Auch das Wiederkehren der traumatischen Erinnerungen in Form von Albträumen ist typisch für die posttraumatische Belastungsstörung. Symptome auf körperlicher Ebene wie Atemnot, Zittern, Schwindel, Herzrasen und Schweissausbrüche treten mitunter zusätzlich auf.
Vermeidung, Verdrängen und Vergessen
Zum eigenen Schutz vermeiden viele Menschen mit PTBS jene Gedanken, Situationen und Aktivitäten, welche die Erinnerung an das Geschehen möglicherweise wecken. Wer beispielsweise einen traumatischen Verkehrsunfall miterlebt hat, meidet öffentliche Verkehrsmittel und Autofahren. Brandopfer meiden eventuell das Anzünden von Kerzen oder Kaminfeuer.
Andere Betroffene sind nicht in der Lage, sich an alle Aspekte des traumatischen Erlebnisses zu erinnern. Experten sprechen von vollständiger oder teilweiser Amnesie.
Das bewusste Vermeiden ist auf lange Sicht kontraproduktiv für eine Genesung. Es verstärkt die Angst und die Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung.
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Nervosität, Angst und Reizbarkeit (Hyperarousal)
Viele Traumaopfer sind sehr empfänglich für Reize, und ihre Nerven liegen sprichwörtlich blank. Die Betroffenen sind überaus wachsam (hypervigilant), da sie sich unterbewusst stets in Gefahr wähnen. Zudem sind sie sehr schreckhaft und ängstlich. Auf Dauer ist dieser Zustand sehr anstrengend für den Körper. Es kommt zu Konzentrationsschwierigkeiten, die Aufmerksamkeitsspanne verkürzt sich mit der Zeit immer mehr. Ein Buch zu lesen oder einen Film anzuschauen, wird für die Traumaopfer dann manchmal unmöglich. Diese generalisierte Anspannung führt zu leichter Reizbarkeit und unverhältnismässigen Wutausbrüchen. Angehörige von Betroffenen berichten oftmals von einer plötzlichen Wesensveränderung von früher ausgeglichenen und entspannten Menschen.
Hält die Daueranspannung auch nachts an, entwickeln sich Ein- und Durchschlafstörungen. Zusätzlich leiden einige Betroffene unter Albträumen. Diese fehlende Nachtruhe ist auf Dauer sehr schädlich. Die Betroffenen entspannen sich nicht mehr richtig, und Körper und Geist bekommen keine Möglichkeit, sich zu erholen. Folglich sinkt meistens die Belastbarkeit im Alltag.
Die anhaltende Angst und Anspannung lassen sich mit Sport und Bewegung häufig ein wenig lösen. Die Überwindung zu körperlicher Aktivität ist für viele Betroffene jedoch sehr gross.
Verflachung der Interessen und der Gefühle (Numbing)
Die Lebensfreude ist eventuell durch eine posttraumatische Belastungsstörung nachhaltig beeinträchtigt. Oft verlieren die Betroffenen jegliche Interessen und ziehen sich aus dem sozialen Leben zurück. Sie verlieren die Lust am Leben und planen ihre Zukunft nicht mehr. Manche sind auch nicht mehr in der Lage, etwas zu fühlen - sei es etwa Freude, Liebe oder Traurigkeit. Es kommt zu einer Abstumpfung der Gefühle (Numbing = Taubheitsgefühl).
Die Traumaopfer fühlen sich häufig entfremdet und haben das Gefühl, das Erlebte trennt sie von ihren Mitmenschen und Angehörigen. Diese Veränderung des Gefühlslebens endet dann oft in einer Depression.
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Was ist ein Trauma?
Nicht jede schlimme Erfahrung in unserem Leben ist ein Trauma, das mit schweren Folgen nachhallt. Die Psychologie spricht dann von einem Trauma, wenn uns ein extrem bedrohliches Ereignis oder eine Reihe von Ereignissen widerfährt. «Diese Erfahrungen können tiefe Spuren hinterlassen und das psychische Wohlbefinden erheblich beeinträchtigen. Besonders wenn Betroffene keine Möglichkeit hatten, das Erlebte zu verarbeiten, können langfristige Folgen auftreten», sagt Rahel Bachem. Zu den häufigsten Ursachen von traumatischen Erlebnissen zählen unterschiedliche Formen von Gewalt. Hinzu kommen sexuelle Gewalt, gewaltvolle Erlebnisse im Krieg oder körperliche und emotionale Gewalt in Beziehungen.
Traumata können einmalig und zeitlich klar abgrenzbar sein, wie etwa ein Unfall oder eine Naturkatastrophe. Oft erleben Menschen aber auch sich wiederholende oder andauernde Belastungserfahrungen. Das ist etwa der Fall, wenn ein Kind über längere Zeit miterleben muss, wie der Vater die Mutter schlägt oder es selber jahrelang missbraucht wird.
Selbstcheck: Wichtige traumabezogene Symptome
Traumaexpertin Rahel Bachem rät, in einem ersten Schritt den Selbstcheck zu den wichtigsten traumabezogenen Symptomen zu machen.
- Bei einem Trauma sind die Momente des Wiedererlebens häufig sehr lebhaft und fühlen sich so an, als würde man das Erlebte erneut durchleben.
 - Meiden Sie Orte oder Menschen, um traumatische Erinnerungen nicht aufzuwecken? Beide Vermeidungsstrategien sind typisch für traumatisierte Menschen. Oft sind sich Betroffene in der Situation jedoch nicht bewusst, wieso sie so handeln.
 - Fällt es Ihnen schwer, zur Ruhe zu kommen? Traumatisierte Menschen verharren häufig ihr Leben lang im Fluchtmodus. In diesem Modus kämpft der Körper ums Überleben.
 - Fühlen Sie oft nichts, weder sich selber noch anderen Menschen gegenüber? Traumatisierte Menschen empfinden Gefühle oft sehr unterschiedlich und wechselhaft. «Manche Betroffene können keine starken Gefühle mehr empfinden», sagt Psychologin Rahel Bachem. Zudem fühlen sich viele traumatisierte Menschen oft so, als wären sie «nicht richtig hier». «Sie erleben sich und ihre Umwelt als unwirklich, fremd oder wie durch einen Schleier betrachtet», beschreibt Bachem.
 - Haben Sie Probleme mit unkontrollierten, starken Gefühlsausbrüchen? «Menschen mit solchen Ausbrüchen haben meist ein schweres und tiefgreifendes Problem mit dem, was wir in der Psychologie Affektregulierung nennen», sagt Expertin Rahel Bachem. Dabei typisch seien eine erhöhte emotionale Reaktivität auf geringfügige Stressoren, gewalttätige Ausbrüche, rücksichtsloses oder selbstzerstörerisches Verhalten oder dissoziative Symptome unter Stress.
 
Therapieansätze
Für die Traumaarbeit gibt es ganz unterschiedliche Ansätze. Die, die am häufigsten erfolgreich zur Anwendung kommen, sind in der Psychologie verankert.
- Prolongierte Exposition: Die Therapeutin leitet den Patienten dazu an, sich die traumatischen Geschehnisse vor seinem inneren Auge zu vergegenwärtigen und darüber so zu berichten, als ob sie gerade geschehen würden. Die prolongierte Exposition ist besonders wirksam bei postraumatischen Störungen, insbesondere wenn das Trauma gut abgrenzbar und spezifisch ist (z. B. Verkehrsunfälle, Überfälle, Naturkatastrophen).
 - Narrative Expositionstherapie: Bei dieser Methode geht es darum, dass Patientinnen und Patienten ihre Biographie von der Geburt bis in die Gegenwart möglichst detailliert erzählen. Mit der exakten Erzählung ordnen die Betroffenen die Geschehnisse räumlich und zeitlich ein. Erfahrenes erhält so einen Kontext. Die behandelnde Person unterstreicht dabei, dass die Ereignisse in der Vergangenheit liegen. «Mit diesem Vorgehen kommt es zu einer Nachverarbeitung im Gedächtnis.
 - Imagination mit bilateraler Stimulation: Bei dieser Therapieform vergegenwärtigt sich die betroffene Person das traumatische Ereignis in Gedanken und Gefühlen und erlebt es auf diese Weise nochmals. Das sorgt für eine zusätzliche Stimulierung der Sinne. Man gehe davon aus, dass durch das zusätzliche Stimulieren das Gehirn der betroffenen Person in der Lage sei, die Erinnerung an das traumatische Erlebnis schneller zu verarbeiten, sagt Traumaexpertin Rahel Bachem.
 - Imaginative Verfahren: Die Kraft der Imagination steht bei dieser Methode im Zentrum der Therapie. Die behandelnde Person gibt lediglich den Rahmen der Imagination vor. Die traumatisierte Person erzählt, was sie auf ihrer inneren Bühne wahrnehmen kann.
 - Kognitive Verhaltenstherapie: Diese Therapie wird sehr breit zur Behandlung von seelischen Problemen eingesetzt und zählt zu einer der am besten erforschten psychotherapeutischen Methoden. Es geht darum, sich schlechter Gedanken und Vorstellungen im Zusammenhang mit einem Trauma bewusst zu werden. Die Therapie läuft in drei Schritten ab.
 
Ablauf einer Behandlung
Zu Beginn einer Behandlung geht es darum, eine Beziehung aufzubauen und die betroffene Person bei Bedarf mit professioneller Unterstützung zu stabilisieren. Wenn jemand etwa akute Ängste hat, kaum noch schläft und sein Nervensystem chronisch überreizt ist, könnten auch Medikamente für die Phase der Stabilisierung Sinn machen. Im nächsten Schritt arbeitet die betroffene Person zusammen mit der Therapeutin oder dem Therapeuten an der Konfrontation ihres Traumas.
Schmerz und Trauma
Mitunter treten Schmerzen im Zusammenhang mit Traumatisierung auf. Zum einen lösen manchmal traumatische Erfahrungen wie Unfall oder Terror unmittelbar körperliche Schmerzen aus. Zum anderen tragen frühere Traumatisierungen möglicherweise dazu bei, dass Schmerzsyndrome aufrechterhalten bleiben oder sogar chronifizieren.
Ein möglicher Zusammenhang zwischen (chronischen) Schmerzen und PTBS ist bisher aber noch nicht genau geklärt.
Wichtiger Hinweis
Je früher eine PTSD therapiert wird, desto besser sind die Behandlungsaussichten. Allerdings fällt der erste Schritt oft nicht leicht: Die Aussicht, über die traumatische Situation sprechen und sich damit auseinandersetzen zu müssen, ist belastend und wirkt oft abschreckend.
Mit entsprechender therapeutischer Hilfe kann eine Posttraumatische Belastungsstörung häufig gut bearbeitet und überwunden werden. Wichtig ist daher, bei entsprechendem Verdacht frühzeitig professionelle Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Je länger die Symptome unbehandelt bleiben, desto höher ist das Risiko einer Chronifizierung, desto schwerwiegender sind die Auswirkungen auf Ihren Alltag und Ihr Umfeld und desto grösser wird der Behandlungsaufwand, um eine Symptomverbesserung zu erzielen.
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