Betreutes Wohnen für psychisch kranke Menschen: Definition und Angebote

Eine Vielzahl an Gründen können dazu führen, dass Menschen in ihrer Fähigkeit, selbstständig zu wohnen, eingeschränkt und auf punktuelle Unterstützung angewiesen sind. Auch in anderen herausfordernden oder besonderen Lebenssituationen kann es notwendig sein, Wohnhilfeangebote in Anspruch zu nehmen.

Selbstbestimmtes Wohnen bedeutet, die Wohnform und den Wohnort wählen zu können und zu entscheiden, mit wem man zusammenleben will (Art. 19a UN-BRK). Das Projekt «Wohnen mit Vielfalt» zeigt, wie das selbständige und selbstbestimmte Wohnen mit einer längeren oder vorübergehenden psychischen Beeinträchtigung gefördert werden kann.

Allerdings stehen den vielen Menschen mit psychischer Beeinträchtigung, die gerne eine selbständigere Wohnform hätten, nur wenige Optionen offen: Einerseits gibt es zu wenige Angebote, andererseits auch nur eine geringe Auswahl passender Wohnformen.

Vielfältigkeit der Wohnformen und Unterstützungsleistungen

Die Vielfältigkeit der Wohnformen mit Unterstützungsleistungen in der Schweiz widerspiegeln den unterschiedlichen Bedarf der Betroffenen hinsichtlich der Intensität der Betreuungsmassnahmen sowie der geeigneten Wohnform. Ob Wohnangebote für Jung oder Alt oder für Menschen mit physischen, psychischen oder geistigen Beeinträchtigungen, die Wohnmöglichkeiten in der Schweiz sind innovativ, divers und entwickeln sich fortlaufend weiter.

Je nach Betreuungsbedarf, bleiben stationäre Wohnangebote wichtig. Der Trend verschiebt sich aber zunehmend hin zu vermehrt dezentralen Wohnformen sowie ambulanten Begleit- und Pflegedienstleistungen in Privatwohnungen.

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Beispiele für Wohnangebote

  • Das Projekt «Les Maraîchers» im Herzen der Stadt Genf richtet sich an Männer, die Sozialhilfe beziehen und sich in einem Wiedereingliederungsprozess befinden.
  • Bel'Espérance ist eine Einrichtung der Stiftung Heilsarmee Schweiz, die Frauen und Kinder in prekären Lebenssituationen aufnimmt.
  • Im neu eröffneten Haus Göbli im Norden der Stadt Zug stehen auf sechs Etagen 30 möblierte Notzimmer zur Verfügung.
  • Das Kinder- & Jugendhaus Paradies ist eine sozialpädagogische Wohneinrichtung für junge Menschen im Vorschul- bis zum Lehrlingsalter.

Herausforderungen und Unterstützung

Für viele Menschen mit einer psychischen Beeinträchtigung sind die Herausforderungen in einer neuen sozialen Umgebung gross. Vielfach sind sie mit Widerständen, Vorbehalten oder auch eigenen Befürchtungen konfrontiert.

Im Projekt «Wohnen mit Vielfalt» zeigte sich, dass manche Hürde überwunden werden muss. Der erste Schritt zum Wohnen in den eigenen vier Wänden ist besonders anspruchsvoll. Steht ein Umzug an, muss zunächst eine passende und preiswerte Wohnung gefunden werden.

Verschiedene Kriterien wie Grösse, Mietzins, Lage, Lift oder erlaubte Haustiere müssen bei der Suche bedacht werden. Danach stehen Besichtigungen - möglicherweise mit Dutzenden anderen Bewerber*innen - an. Ist die passende Wohnung gefunden, sind täglich neue Herausforderungen zu bewältigen.

Begegnungen und Small Talks mit Nachbar*innen stehen an, die Haus- und Waschregeln müssen eingehalten, vielleicht bald auch Mängel gemeldet oder erste kleine Reparaturen durchgeführt werden. Letztendlich sind auch der Mietzins und die Nebenkosten regelmässig zu begleichen.

Das "Begleitete Einzelwohnen" als Unterstützungsform

Für Menschen, welche eine begleitende Unterstützung benötigen, bieten wir in Form des «Begleiteten Einzelwohnens» fachliche Hilfe an. Dies beinhaltet die Einhaltung und Entwicklung der Wohn- und Sozialkompetenz, sowie die Förderung von Eigenverantwortung und Autonomie.

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Zielgruppe

Psychisch beeinträchtigte Menschen, welche in einer selbst gemieteten Wohnung leben und auf eine begleitende Betreuung angewiesen sind. Ein hohes Mass an Selbstverantwortung und Eigenaktivität wird vorausgesetzt.

Aufnahmebedingungen

  • Einsicht und Bereitschaft für eine Wohnbegleitung und zur Zusammenarbeit mit den Betreuungspersonen
  • Bereitschaft zur vernetzten Zusammenarbeit mit allen Beteiligten
  • Eigene oder gemietete Wohnung in der genannten Region
  • Geregelte Betreuung durch Psychiater / Therapeut, Hausarzt
  • Bereitschaft zur Erarbeitung und Einhaltung einer Tagesstruktur (Arbeit oder Beschäftigung)
  • Genügende Selbstständigkeit um mit einer regelmässigen punktuellen Begleitung auszukommen
  • Selbstständiger Umgang mit Medikamenten, Körperpflege, Ernährung, Geld und Freizeitgestaltung. Die Bereitschaft, in diesen Bereichen allfällige Unterstützung anzunehmen
  • Bezug oder angemeldet für eine IV-Rente

Angebot

Das Betreuungsteam bietet Unterstützung und Anleitung in lebenspraktischen Situationen in Zusammenarbeit mit allen an der Betreuung beteiligten Personen. Ein Kontakt pro Woche wird gewährleistet. In Krisensituationen kann sich die Begleitung vorübergehend intensivieren. Art und Inhalt der Kontakte werden individuell vereinbart.

Die Gespräche finden in der Wohnung der begleiteten Person statt. Diese können auch im Büro des Begleiteten Einzelwohnens durchgeführt werden. Form, Intensität und Kosten der Begleitung, sowie die Rechte und Pflichten der Vertragspartner werden in einem schriftlich festgehaltenen, auf 30 Tage beidseits kündbaren Vertrag geregelt.

Dauer der Begleitung

Die Begleitung kann als vorübergehende Hilfestellung oder als längerfristige Lösung in Anspruch genommen werden. In regelmässigen Abständen werden Standortgespräche durchgeführt.

Finanzierung

An die Kosten des «Begleiteten Einzelwohnens» erhält der Verein Beiträge des Bundes und des Kantons Graubünden. Den KlientInnen werden die monatlichen Betreuungsstunden in Rechnung gestellt.

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monbijou bern als Beispiel für betreutes Wohnen

Das Angebot richtet sich an Frauen und Männer zwischen 18 und 65 Jahren, die aus bestimmten Gründen nicht alleine wohnen können und wollen. In der Regel werden Personen nach einem stationären Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik oder Suchtklinik oder aus der eigenen Wohnung und in vereinzelten Fällen aus dem Straf- und Massnahmenvollzug aufgenommen.

Der Aufenthalt im monbijou bern soll die BewohnerInnen zu vermehrter Selbständigkeit führen und zu einem möglichst gesunden und zufriedenen Leben. Das monbijou bern bietet 20 Plätze in Einerzimmern sowie weitere 12 Plätze in externen Wohnungen an.

Es stehen verschiedene öffentliche Aufenthaltsräume mit Computer, TV usw. zur Verfügung, dazu ein Mehrzweckraum, Gartensitzplatz, Waschküche und Gästezimmer. Täglich bieten wir drei Mahlzeiten an.

Das Betreuungsteam besteht aus Fachpersonen aus dem Bereich der Sozialarbeit, Sozialpädagogik, Psychiatriepflege und klinischen Heilpädagogik. JedeR BewohnerIn erhält beim Eintritt eine Bezugsperson. Es finden regelmässige Gespräche statt. Die Betreuung ist rund um die Uhr gewährleistet. Unsere Arbeitsagogin bietet Module zu verschiedenen Themen an, z. B. Kochen, Reinigung, Ernährung.

Vor dem Eintritt werden Aufenthaltsbedingungen festgelegt. Die Aufenthaltsdauer beträgt mindestens sechs Monate und wird individuell festgelegt. Wir verlangen von allen BewohnerInnen, dass sie ausserhalb des monbijou bern eine Tagesstruktur haben (Arbeitsplatz, geschützte Werkstatt, Lehre/Studium usw). Weiter dürfen während des Aufenthalts weder Alkohol noch Drogen konsumiert werden, Medikamente dürfen nur nach ärztlichem Rezept abgegeben, resp. eingenommen werden. Das monbijou bern hat einen Leistungsvertrag mit dem Kanton Bern.

Bedeutung von niederschwelligen Angeboten

Wie erwähnt, erleidet statistisch jede zweite Person irgendwann im Leben eine problematische psychische Belastung (Hengartner, 2017). In einer solchen Situation sind wir alle froh, wenn wir auf ein gutes Miteinander und naheliegende Unterstützungsangebote zählen können. Insbesondere dann, wenn wir nur eine kurzfristige oder sporadische Begleitungen benötigen.

In einem solchen Fall sind niederschwellige Beratungsangebote und Begleitungen wichtig.

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