Die psychodynamisch ausgerichteten Theoretiker gehen davon aus, dass das Verhalten eines Menschen stark von unbewussten psychischen Kräften beeinflusst wird. Diese inneren Kräfte interagieren miteinander und formen das Verhalten, Denken und Fühlen der Person. Gestörtes Verhalten wird als Folge innerpsychischer Konflikte zwischen diesen Kräften oder als unbewusster Versuch betrachtet, diese Konflikte zu lösen und inneren Aufruhr zu dämpfen.
Im Zentrum des psychodynamischen Modells steht die Psychoanalyse, eine psychologische Theorie und psychotherapeutische Behandlungsform, die um 1890 von Sigmund Freud begründet wurde. Im Jahre 1896 prägte Sigmund Freud den Begriff Psychoanalyse für die von ihm begründete Wissenschaft von den unbewussten Vorgängen im Seelenleben. Die psychoanalytische Methode soll helfen, die Dramatik im Erleben des jungen Kindes nachvollziehen zu können.
Die Konflikttheorie bildet den Ursprung des psychoanalytischen Denkens. Sie basiert auf einem Trieb oder Antrieb, der als Wunsch erlebt wird, und dessen Hemmung oder Abwehr. Abwehr ist ein dynamischer Vorgang, der das Bewusstsein vor den gefährlichen, konflikthaften, inneren wie auch äusseren Reizen schützen soll. Deshalb ist die psychoanalytische Konflikttheorie untrennbar mit dem psychoanalytischen Strukturmodell verbunden, welches diese drei Segmente beinhaltet: Das Es als Triebsystem, Ich und Über-Ich als Steuerungssysteme.
Ein differenziertes Modell der unbewussten Konflikte wird in der Operationalisierten Psychodynamischen Diagnostik (OPD) beschrieben. Die OPD unterscheidet acht unbewusste Konflikttypen:
- Abhängigkeit vs. Autonomie
 - Unterwerfung vs. Kontrolle
 - Versorgung vs. Autarkie
 - Selbstwert vs. Objektwert
 - Über-Ich- und Schuldkonflikte
 - Ödipal-sexuelle Konflikte
 
In seinem Strukturmodell (auch Instanzenmodell) beschrieb Freud den immerwährenden Kampf zwischen zwei gegnerischen Instanzen der Persönlichkeit - dem Es und dem Über-Ich. Der dritte Aspekt des Selbst, das Ich, tritt in diesem Kampf als Vermittler auf. Das Es repräsentiert die grundlegenden Triebe. Es handelt irrational, auf Impulse hin und drängt nach Ausdruck und unmittelbarer Befriedigung, ohne zu berücksichtigen, ob das Gewünschte realistisch und möglich, sozial wünschenswert und moralisch akzeptabel ist. Das Es wird vom Lustprinzip beherrscht, dem unregulierten Drang nach Befriedigung.
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Das Über-Ich repräsentiert die Werte eines Individuums, einschliesslich der moralischen Einstellungen, die von der Gesellschaft gelernt wurden. Das Über-Ich entspricht in etwa der landläufigen Vorstellung von Gewissen. Es entwickelt sich, indem das Kind nach und nach die Verbote der Eltern und anderer Erwachsener bezüglich gesellschaftlich unerwünschter Handlungen zu seinen eigenen Werten macht. Es ist die innere Stimme des Sollens und des Nicht-Sollens. Das Über-Ich schliesst auch das Ich-Ideal ein, die Ansicht einer Person darüber, was für ein Mensch sie versuchen sollte zu werden. Das Es will tun, was sich gut anfühlt, während das Über-Ich darauf besteht, das zu tun, was richtig ist.
Das Ich ist der realitätsgebundene Aspekt des Selbst, der den Konflikt zwischen den Impulsen des Es und den Anforderungen des Über-Ich schlichtet. Das Ich repräsentiert die persönliche Sicht einer Person auf die materielle und soziale Realität - ihre bewussten Überzeugungen über die Ursachen und Konsequenzen von Verhalten. Ein Teil der Aufgaben des Ich besteht darin, Handlungen auszuwählen, welche die Impulse des Es befriedigen, ohne unerwünschte Konsequenzen zu haben. Das Ich wird vom Realitätsprinzip beherrscht, das vernünftige Entscheidungen über lustorientierte Begierden stellt.
Das Ich ist jenes Funktionenbündel, das sich im Dienst des Austauschs mit den jeweils relevanten Umwelten herausbildet und selbst- wie objekterhaltend tätig ist. Einige sogenannte Ich-Funktionen sind z. B.: Wahrnehmen, Urteilen, Steuern, Antizipieren, Aufschieben. Das Ich bündelt psychische Energie und vermittelt gegensätzliche Kräfte aus Es und Über-Ich.
Abwehr bezeichnet in der Psychoanalyse jede psychische Aktivität, die darauf abzielt, psychischen Schmerz in all seinen möglichen Formen zu vermeiden. Die Abwehrmechanismen gehören zu den Funktionen des Ich und dienen der Wahrnehmung und Bewältigung der psychischen Realität. Eine Wahrnehmung verfällt der Abwehr, wenn die bewusste Konfrontation damit dem Ich Unlust bereitet. Allgemein richtet sich die Abwehr gegen alles, was Angst hervorrufen kann: Emotionen, bestimmte Situationen, Vorstellungen, Über-Ich-Forderungen etc.
Die Abwehr ist im Dienste der Unlustvermeidung funktional, wenn sie die Wahrnehmung der unangenehmen Konfrontation umgeht. Das gelingt durch bestimmte Mechanismen wie Verdrängung als der zentralen Leistung des Unbewusstmachens, sowie durch weitere Abwehrmechanismen wie Leugnung, Isolierung, Ungeschehenmachen, Projektion, Regression Rationalisierung etc. Das klassische Konzept der Abwehr geht davon aus, dass Abwehr als solche nicht pathologisch ist, da sie zugleich die Voraussetzung für die Charakterbildung ist.
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Abwehrmechanismen sind mentale Strategien, mit denen sich das Ich gegen den täglichen Konflikt zwischen Impulsen des Es, die nach Ausdruck verlangen, und der Forderung des Über-Ich, diese zu verweigern, verteidigt. In der psychoanalytischen Theorie werden diese Mechanismen als essenziell für die Bewältigung mächtiger innerer Konflikte durch das Individuum betrachtet. Durch ihren Einsatz ist eine Person in der Lage, ein günstiges Selbstbild aufrechtzuerhalten und ein akzeptables soziales Erscheinungsbild zu wahren.
Verdrängung ist der psychische Prozess, der das Individuum davor schützt, extreme Angst oder Schuld zu empfinden, weil seine Impulse, Vorstellungen und Erinnerungen inakzeptabel sind und/oder weil ihr Ausdruck gefährlich wäre. Dem Ich bleibt sowohl der zensierte mentale Inhalt verborgen als auch der Prozess, mit dem die Verdrängung die Informationen aus dem Bewusstsein fernhält. Das Verdrängte bildet einen Teil des Unbewussten und bleibt dort aktionsfähig.
Übertragung ist eine in allen Beziehungen - also auch in allen psychotherapeutischen Beziehungen jeder Therapierichtung - wirksame Erscheinung. Man versteht darunter, daß eine aktuelle Erfahrungssituation unbewußt nach dem Muster einer früheren interpretiert wird. Als Widerstand werden all die unbewußten Kräfte und Abwehrmechanismen bezeichnet, die sich dem Bewußtwerden des Verdrängten entgegenstellen.
Abwehrmechanismen helfen uns, mit Angst und inneren Konflikten umzugehen. Ursprünglich von Sigmund Freud und später von seiner Tochter Anna Freud entwickelt, bieten diese Mechanismen Einblicke in die Komplexität des menschlichen Verhaltens und die psychologische Anpassung, zu der wir in der Lage sind.
Die 18 grundlegenden Abwehrmechanismen
- Verdrängung: Unangenehme Erinnerungen oder Gefühle werden aus dem Bewusstsein verbannt.
 - Verleugnung: Schmerzhafte Realitäten werden ignoriert, indem sie geleugnet werden.
 - Projektion: Eigene inakzeptable Gefühle werden anderen zugeschrieben.
 - Reaktionsbildung: Unerwünschte Gedanken werden in ihr genaues Gegenteil umgewandelt.
 - Verschiebung: Negative Gefühle oder Impulse werden von ihrem ursprünglichen Ziel auf ein weniger bedrohliches umgeleitet.
 - Rationalisierung: Plausible Erklärungen werden für Handlungen angeboten, die von unbewussten Impulsen motiviert sind.
 - Sublimierung: Unakzeptable Impulse oder Energien werden in sozial akzeptable oder produktive Aktivitäten transformiert.
 - Regression: Eine Person greift in Zeiten von Stress auf ein früheres Entwicklungsstadium zurück.
 - Introjektion: Die Werte anderer werden internalisiert, um Konflikte zu lösen oder sich zugehörig zu fühlen.
 - Identifikation mit dem Aggressor: Angst oder Hilflosigkeit wird reduziert, indem man sich mit einer bedrohlichen oder aggressiven Person identifiziert.
 - Ungeschehen machen: Versuche, bereits geschehene Handlungen oder Gedanken symbolisch rückgängig zu machen, um Schuldgefühle oder Angst zu reduzieren.
 - Isolierung: Emotionale Aspekte werden von Gedanken abgespalten.
 - Affektisolierung: Emotionale Distanzierung, um emotionale Reaktionen zu vermeiden.
 - Intellektualisierung: Konzentration auf die intellektuellen Aspekte einer Situation, um emotionale Beteiligung oder schmerzhafte Gefühle zu vermeiden.
 - Spaltung: Objekte oder Personen werden in extreme Kategorien (z. B. gut oder böse) kategorisiert, um Ambivalenz und Unsicherheit zu reduzieren.
 - Projektive Identifikation: Versuch, andere entsprechend den projizierten Inhalten zu beeinflussen.
 - Entwertung: Das eigene Selbstwertgefühl wird gestärkt, indem andere Menschen oder Dinge herabgesetzt, kritisiert oder abgewertet werden.
 - Omnipotenz: Überschätzung der eigenen Bedeutung, Macht oder Kontrolle.
 
Diese Abwehrmechanismen sind nicht nur psychologische Konzepte, sondern beeinflussen auch massgeblich unser tägliches Leben. Ihre Rolle geht über die innere Konfliktbewältigung hinaus und erstreckt sich auf verschiedene Aspekte unseres Wohlbefindens, unserer Beziehungen, der Bewältigung von Lebensherausforderungen, der Arbeitsleistung, der Selbstwahrnehmung und Kommunikation. In der Analyse dieser Mechanismen liegt der Schlüssel zu einem tieferen Verständnis unserer eigenen Handlungen und Reaktionen sowie zu wirksamen Strategien für ein ausgewogenes emotionales Leben.
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