Die Zeit des Abiturs ist oft von hohem Leistungsdruck, Zukunftsängsten und sozialem Stress geprägt. Für manche Schülerinnen und Schüler kann diese Phase zu einer schweren psychischen Belastung werden, die in Depressionen mündet. Dieser Artikel beleuchtet die Erfahrungen von Betroffenen und zeigt Wege auf, wie sie aus dieser Krise finden können.
Persönliche Erfahrungen mit Depressionen
Viele Menschen, die an Depressionen leiden, versuchen, ihr Umfeld im Glauben zu lassen, dass es ihnen gut geht. Sie perfektionieren das Vorspielen von Normalität, während sie innerlich mit ihren Problemen kämpfen. Depressive Menschen verwandeln sich im Laufe der Zeit in sehr gute Schauspieler. Man versucht, die individuellen Erwartungen des Gesprächspartners zu erfüllen - ob Mimik oder Gestik, alles nur gespielt.
Dominique de Marné, eine Autorin und Psychologiestudentin, beschreibt ihr Gefühl, "nicht normal" zu sein: "Ich hatte schon von klein an das Gefühl, nicht wirklich dazuzugehören. Als ob eine Glaswand zwischen mir und den anderen wäre." Ein sexueller Übergriff in der Pubertät warf sie völlig aus der Bahn, was zu Selbstverletzungen und Alkoholkonsum führte. "Die Spannungszustände werden irgendwann so gross, wie ein Luftballon kurz vor dem Platzen, dass das Ritzen wie eine Erlösung wirkt", erklärt sie.
Gioia (19) berichtet von Mobbing, Ausgrenzung und Ausnutzung während ihrer Schulzeit. "Ich wurde gemobbt, ausgeschlossen und ausgenützt. So ziemlich alles, was schlecht ist. Ich wollte nicht mehr die Person sein, die ich war, oder gar nicht mehr sein", erzählt Gioia (19). Die Krise in der Pubertät hat ihren Anfang in der Primarschule genommen. Gioia wächst wohlbehütet auf. Doch noch bevor sie ein stabiles Selbstwertgefühl aufbauen kann, wird sie von ihren Klassenkameradinnen derart gemobbt, dass sie sich kaum wehren kann.
Der Auslöser für Suizidgedanken
Manche Betroffene entwickeln sogar Suizidgedanken. Ein entscheidender Wendepunkt kann die Erkenntnis sein, dass man Hilfe benötigt. Die öffentliche Anteilnahme nach dem Tod Robert Enkes war riesig. Was hat sich im Profifussball seitdem verändert?
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Ein Beispiel hierfür ist die Pressekonferenz nach dem Tod Robert Enkes; als seine Ehefrau Teresa über die Depression ihres Mannes sprach und die Alltagssorgen detailliert schilderte. Ich sass damals vor dem Fernseher und sagte mir: «Hey, das ist deine Geschichte!» Einen Tag später bin ich in die Klinik gefahren. Ich hatte erkannt, dass es so nicht weitergehen kann und ich dringend ärztliche Hilfe brauche.
Wege aus der Depression
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, mit Depressionen umzugehen und Hilfe zu suchen:
- Offenes Gespräch: Über die eigenen Gefühle und Gedanken zu sprechen, kann sehr entlastend sein.
 - Professionelle Hilfe: Psychotherapie und/oder Medikamente können helfen, die Symptome zu lindern und die Ursachen der Depression zu bearbeiten.
 - Selbsthilfegruppen: Der Austausch mit anderen Betroffenen kann Mut machen und neue Perspektiven eröffnen.
 - Achtsamkeit und Selbstfürsorge: Yoga, Meditation, Sport und andere Aktivitäten, die Freude bereiten, können das Wohlbefinden steigern.
 - Strukturierter Alltag: Ein geregelter Tagesablauf mit festen Zeiten für Mahlzeiten, Schlaf und Aktivitäten kann helfen, die innere Ordnung wiederherzustellen.
 
Dominique de Marné betont die Bedeutung von Disziplin und Struktur: "Ich strukturiere jeden Tag, mache morgens Yoga und meditiere, gehe viel raus in die Natur, plane Ruhepausen zwischen Terminen ein. Reizüberflutung ist ganz schlecht, und davon haben wir im modernen Leben ja mehr als genug."
Beneon (22), der in seiner Jugend unter Essstörungen, Depressionen und Suizidgedanken litt, hat durch eine intensive ambulante Therapie gelernt, schwierige Lebenssituationen frühzeitig zu erkennen und entsprechend zu handeln. "Ich habe in der Therapie vieles gelernt, was ich nun im Leben umsetze. Ich weiss, dass ich mich nicht in eine depressive Phase sinken lassen soll. Es ist einfacher, negative Gedanken sofort zu killen, als zu versinken."
Die Rolle der Familie und Freunde
Familie und Freunde können eine wichtige Stütze sein, wenn sie über die Probleme informiert sind und Unterstützung anbieten. Es ist wichtig, dass sie zuhören, Verständnis zeigen und ermutigen, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.
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Dominique de Marné berichtet von einem positiven Wandel in ihrem Verhältnis zur Mutter: "Ich darf ich sein und muss nicht nur aufpassen, dass es ihr gut geht. Sie versteht mich und erzählt jetzt auch mehr von sich. Unser Verhältnis wird immer besser."
Die gesellschaftliche Verantwortung
Es ist wichtig, das Tabu rund um psychische Erkrankungen zu brechen und ein offenes Gespräch zu fördern. Schulen, Universitäten und andere Bildungseinrichtungen sollten Aufklärungskampagnen durchführen und niedrigschwellige Angebote für Betroffene schaffen.
Dominique de Marné engagiert sich in Schulen, um über ihre Erfahrungen zu sprechen: "Gerade bei Schülern spürt man, wie nahe sie an den Themen dran sind. Man denkt immer, die wissen nichts von Selbstverletzung, Sucht oder Suizid. Aber das kommt in Liedern oder Serien vor, es gibt Promis, die von ihren Problemen erzählen. Nur die Erwachsenen wollen das nicht anerkennen."
Hilfsangebote
Es gibt zahlreiche Anlaufstellen für Menschen mit Depressionen und Suizidgedanken:
- Telefonseelsorge: 0800-1110111 oder 0800-1110222
 - Nummer gegen Kummer (für Kinder und Jugendliche): 116111
 - Krisendienste: In vielen Städten und Regionen gibt es Krisendienste, die rund um die Uhr erreichbar sind.
 - Psychotherapeuten: Eine Liste von Psychotherapeuten in der Nähe findet man bei der Kassenärztlichen Vereinigung oder der Psychotherapeutenkammer.
 
Die Telefonnummern 147 (Jugendliche) oder 143 (Erwachsene) bieten Tag und Nacht professionelle Hilfe für Menschen in Notlagen.
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